Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.06.2017, Az. 4 StR 151/17

4. Strafsenat | REWIS RS 2017, 9195

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Gegenstand

Räuberische Erpressung: Strafmilderung wegen Täter-Opfer-Ausgleichs bei mehreren Geschädigten


Tenor

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 1. Dezember 2016 im Strafausspruch aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer zuungunsten des Angeklagten eingelegten, auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel ist auf den Strafausspruch beschränkt. In diesem Umfang hat die Revision, die vom [X.] vertreten wird, Erfolg.

2

1. a) Nach den Feststellungen des [X.]s betrat der Angeklagte, der sich maskiert hatte und in der Hand ein Küchenmesser mit einer Klingenlänge von etwa 12 cm hielt, am späten Abend des 9. Mai 2015 eine Spielhalle in M.  . Er begab sich zielstrebig zu einer Theke, hinter der die als Aufsicht tätige Zeugin B.    stand, lehnte sich über die Theke und verlangte von der Zeugin unter Vorhalt des Messers die Herausgabe von Geld. Um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen, „fuchtelte“ er mit dem Messer herum ([X.]). Die Zeugin B.    übergab ihm insgesamt 265 Euro Bargeld aus der Kasse. Der Angeklagte nahm das Geld an sich und flüchtete sodann aus der Spielhalle. Die Tat führte bei der Zeugin weder zu psychischen Problemen noch zu sonstigen Folgen.

3

Vor Beginn der Hauptverhandlung trat der Angeklagte über seinen Verteidiger in Kontakt zu der Zeugin, bekannte sich zu der Tat und zahlte der Zeugin ein Schmerzensgeld in Höhe von 300 Euro. In der Hauptverhandlung entschuldigte er sich bei ihr; sie nahm seine Entschuldigung an.

4

b) Das [X.] hat das Verhalten des Angeklagten als besonders schwere räuberische Erpressung gemäß §§ 253, 255, 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB bewertet. Im Rahmen der Strafzumessung hat es einen minder schweren Fall im Sinne von § 250 Abs. 3 StGB angenommen. Dieser ergebe sich allerdings nicht schon aufgrund der allgemeinen Strafzumessungserwägungen, sondern erst bei zusätzlicher Berücksichtigung des vertypten [X.]s nach § 46a Nr. 1 StGB. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift lägen vor, da der Angeklagte der Zeugin B.    ein Schmerzensgeld gezahlt und damit „seine Tat zum überwiegenden Teil - wenn auch mangels Entschädigung des [X.] nicht ganz - wieder gutgemacht“ habe ([X.] 15).

5

2. Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.

6

a) Das Rechtsmittel ist auf den Strafausspruch beschränkt. Zwar hat die Beschwerdeführerin die uneingeschränkte Aufhebung des angefochtenen Urteils beantragt und die Sachrüge in allgemeiner Form erhoben. Die Auslegung ihrer Revisionsbegründung ergibt jedoch, dass lediglich der Strafausspruch des Urteils angegriffen wird. Einzelbeanstandungen gegen den Schuldspruch werden nicht erhoben. Dies ist bei der Auslegung des Anfechtungsumfangs von Bedeutung, da die Staatsanwaltschaft nach Nr. 156 Abs. 2 [X.] gehalten ist, keine allgemeinen Sachrügen zu erheben und Revisionen so zu begründen, dass klar ersichtlich ist, in welchen Ausführungen des angefochtenen Urteils eine Rechtsverletzung gesehen und auf welche Gründe diese Rechtsauffassung gestützt wird (vgl. [X.], Urteile vom 2. Februar 2017 - 4 StR 481/16, [X.], 105; vom 6. Februar 2002 - 1 StR 506/01, bei [X.], [X.], 1, 6). Die Beschränkung der Revision auf den Strafausspruch ist auch wirksam; es liegen keine Umstände vor, aus denen sich ausnahmsweise eine untrennbare Verknüpfung von Schuld- und Straffrage ergibt.

7

b) Der Strafausspruch kann auf die Revision der Staatsanwaltschaft nicht bestehen bleiben. Die Begründung, mit der das [X.] einen minder schweren Fall im Sinne von § 250 Abs. 3 StGB bejaht hat, hält auch eingedenk des nur eingeschränkten revisionsgerichtlichen [X.] (vgl. [X.], Urteil vom 17. September 1980 - 2 StR 355/80, [X.]St 29, 319, 320; Beschluss vom 10. April 1987 - [X.], [X.]St 34, 345, 349) rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

8

Das [X.] ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen eines Täter-Opfer-Ausgleichs gemäß § 46a Nr. 1 StGB erfüllt seien und dieser vertypte [X.] deshalb zugunsten des Angeklagten bei der [X.] zu berücksichtigen sei. Denn entgegen der Ansicht der [X.] reicht es für die Annahme eines erfolgreichen Täter-Opfer-Ausgleichs nicht aus, dass nur mit Blick auf einen Geschädigten - hier die Zeugin B.    - dessen Voraussetzungen gegeben sind. Vielmehr muss, wenn wie hier durch eine Straftat mehrere Opfer betroffen werden, nach ständiger Rechtsprechung hinsichtlich jedes Geschädigten zumindest eine Variante des § 46a StGB erfüllt sein (vgl. [X.], Urteile vom 5. März 2014 - 2 StR 496/13, [X.]R StGB § 46a Nr. 1 Ausgleich 10; vom 11. September 2013 - 2 StR 131/13; vom 12. Januar 2012 - 4 StR 290/11, [X.], 439 f.; vom 25. Mai 2001 - 2 StR 78/01, [X.], 364, 365 f.; MüKoStGB/[X.], 3. Aufl., § 46a Rn. 12, 26; LK-Theune, StGB, 12. Aufl., § 46a Rn. 47).

9

Dies ist hier nicht der Fall. Der Inhaber der Spielhalle, dem zumindest ein Vermögensschaden in Höhe des erbeuteten Bargelds in Höhe von 265 Euro entstanden ist, ist neben der Zeugin B.    ein weiteres Opfer der Tat. Aus dem Urteil ergibt sich nicht, dass auch im Hinblick auf seine Person eine Variante des § 46a StGB erfüllt ist. Eine Entschädigung für den Verlust des Geldes - was den Voraussetzungen des § 46a Nr. 2 StGB entspräche - hat er, wie das [X.] festgestellt hat, nicht erhalten. Dem angefochtenen Urteil lässt sich aber auch nicht entnehmen, dass sich der Angeklagte jenseits einer Entschädigung in anderer Weise um einen Ausgleich mit diesem weiteren Opfer seiner Tat bemüht hätte.

Das Urteil beruht auf diesem Rechtsfehler zugunsten des Angeklagten, da die [X.] ausdrücklich erst aufgrund des von ihr angenommenen Vorliegens der Voraussetzungen des vertypten [X.]s gemäß § 46a StGB zur Annahme eines minder schweren Falls nach § 250 Abs. 3 StGB gelangt ist.

3. Der Strafausspruch bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung. Die dem Strafausspruch zu Grunde liegenden Feststellungen werden von

dem [X.] nicht berührt und können bestehen bleiben; weiter gehende Feststellungen, die den bisher getroffenen nicht widersprechen, sind möglich.

Sost-Scheible     

       

Roggenbuck     

       

[X.]

       

Quentin     

       

Feilcke     

       

Meta

4 StR 151/17

22.06.2017

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Essen, 1. Dezember 2016, Az: 9 Js 249/16 - 22 KLs 5/16

§ 46a StGB, § 250 StGB, § 255 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.06.2017, Az. 4 StR 151/17 (REWIS RS 2017, 9195)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 9195

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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