Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.05.2015, Az. 3 StR 89/15

3. Strafsenat | REWIS RS 2015, 10483

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
3 StR
89/15
vom
28. Mai 2015
in der Strafsache
gegen

wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung u.a.

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Der 3.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 28.
Mai 2015,
an der teilgenommen haben:
[X.] am [X.]
Dr. Schäfer

als Vorsitzender,

die [X.] am [X.]
Pfister,
[X.],
[X.],
Gericke

als beisitzende [X.],

Oberstaatsanwalt beim [X.]

als Vertreter der [X.],

Rechtsanwältin

als Verteidigerin,

Justizamtsinspektor

als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

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1.
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 27. Oktober 2014 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen auf-gehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere [X.] des Landge-richts zurückverwiesen.
2.
Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmit-tels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverlet-zung zur Freiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Dagegen wenden sich die [X.] auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft. Das Rechtsmittel des Angeklag-ten erweist sich als unbegründet; die wirksam auf den Strafausspruch be-schränkte Revision der Staatsanwaltschaft hat hingegen Erfolg.
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1. Nach den Feststellungen des [X.]s betrat der Angeklagte am Tattag ein Juweliergeschäft, aus dem er wertvolle Schmuckstücke entwenden wollte. Dabei hoffte er, diese in einem unbeobachteten Moment einstecken zu können; für den Fall, dass dies nicht gelingen würde, hatte er sich mit einem Elektroschockgerät und Pfefferspray ausgerüstet, um damit die Herausgabe der Schmuckstücke oder die Duldung ihrer Wegnahme notfalls mit Gewalt durchzusetzen. Da der Angeklagte, der sich eine Vielzahl von
Ringen und an-derem Schmuck zeigen ließ, das Misstrauen der Angestellten des Geschäfts, der Zeugin D.

, erregte und diese deshalb sehr vorsichtig agierte, ergab sich die Möglichkeit, den Schmuck unbemerkt zu entwenden, nicht. Der Ange-klagte entschloss sich daher, das Elektroschockgerät einzusetzen, und [X.] es ein, wobei er zunächst selbst einen Stromschlag erlitt. Sodann hielt er es der Zeugin an den Kopf und löste mindestens vier weitere Stromschläge aus. Die Zeugin ging daraufhin fast zu Boden und begann, in Panik laut zu schreien. Der Angeklagte verlor nunmehr die Kontrolle über die Situation: Er hatte infolge des selbst erlittenen Stromschlags einen Krampf in der Hand, weshalb er un-kontrolliert und ungezielt unentwegt weitere Stromschläge auslöste. Da er im Umgang mit einem solchen Gerät nicht vertraut war, wusste er nicht, wie er es abschalten konnte, und geriet darüber und wegen der Schreie der Zeugin selbst in Panik. Nachdem es ihm gelungen war, den Elektroschocker von sei-nem Handgelenk abzuschütteln, war er gleichwohl nicht in der Lage, noch ei-nen klaren Gedanken zu fassen, und wollte nur noch weglaufen. Er verließ deshalb fluchtartig das Geschäft, ohne Teile des nunmehr offen in seinem Zu-griffsbereich liegenden Schmucks mitzunehmen.
2.
Das Rechtsmittel des Angeklagten hat keinen Erfolg.
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a) Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen den Schuld-spruch wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung; insbe-sondere ist es entgegen der Revision des Angeklagten nicht
zu beanstanden, dass das [X.] einen strafbefreienden Rücktritt vom Versuch abgelehnt hat. Stehen -
wie hier -
äußere Umstände einer Tatvollendung nicht entgegen, kann es gleichwohl an der Freiwilligkeit des Abbruchs der weiteren Tatausfüh-rung fehlen, wenn willensunabhängige Tatumstände das [X.] un-möglich machen. Solche können gegeben sein, wenn der Täter an der weiteren Tatbegehung wegen unwiderstehlicher innerer Hemmungen, etwa infolge Schocks oder seelischen Drucks gehindert ist (st. Rspr.; [X.], Urteil vom 10.
Mai 1994 -
1 StR 19/94, [X.]R StGB § 24 Abs.
1 Satz
1 Freiwilligkeit 23; Beschluss vom 15.
Oktober 2003 -
1 [X.], [X.]R StGB § 24 Abs.
1 Satz
1 Freiwilligkeit 28). Entscheidend ist in diesen Fällen, ob der Täter "Herr seiner Entschlüsse" bleibt und die Ausführung seines Tatplans noch für möglich hält ([X.], Beschluss vom 13.
Januar 1988 -
2 [X.], [X.]St 35, 184, 186).
Nach diesen Maßstäben brach der Angeklagte die weitere Tatausfüh-rung nicht freiwillig ab, vielmehr geriet er
in Panik und war nicht mehr in der
Lage, einen klaren Gedanken zu fassen, blieb also gerade nicht Herr seiner Entschlüsse. Der Umstand, dass der Angeklagte beim fluchtartigen Verlassen des Geschäfts keine Schmuckstücke an sich nahm, beruhte damit nicht auf einer willensgesteuerten Entscheidung. Ein strafbefreiender Rücktritt vom [X.] der besonders schweren räuberischen Erpressung liegt mithin nicht vor.
b) Auch der Strafausspruch lässt im Ergebnis keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erkennen.
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Soweit die Revision geltend macht, das [X.] habe zu Unrecht die Voraussetzungen der Aufklärungshilfe nach § 46b StGB verneint, kann ihr aus den Gründen der Antragsschrift des [X.] nicht gefolgt wer-den.
Bei der [X.] hat die [X.] die Annahme eines min-der schweren Falles nach § 250 Abs.
3 StGB abgelehnt und dazu ausgeführt, auch unter Berücksichtigung der zu seinen Gunsten sprechenden Gesichts-punkte -
zu denen es die Entschuldigung des Angeklagten bei der Zeugin
D.

und sein Bemühen um Wiedergutmachung gezählt hat -
handele es sich noch um einen üblichen Fall der versuchten besonders schweren räuberi-schen Erpressung. Den danach zugrunde zu legenden Strafrahmen des § 250 Abs. 2 StGB hat das [X.] sodann indes wegen Versuchs nach § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB und wegen der Annahme eines
Täter-Opfer-Ausgleichs nach § 46a Nr. 1, § 49 Abs. 1 StGB doppelt gemildert. Dies begeg-net insoweit rechtlichen Bedenken, als die [X.] sich nicht ausdrücklich
dazu verhalten hat, dass nach Ablehnung eines minder schweren Falles auf der Grundlage der allgemeinen Strafzumessungsumstände zunächst weitergehend zu prüfen ist, ob der mildere Sonderstrafrahmen bei zusätzlicher Heranziehung eventuell gegebener gesetzlich vertypter Strafmilderungsgründe eröffnet ist
(st. Rspr.;
vgl. [X.], Beschluss vom 8. Juli 2014 -
3 [X.], juris Rn.
4 mwN).
Der Senat kann jedoch insoweit ausschließen, dass der Strafausspruch zu Ungunsten des Angeklagten auf einem Rechtsfehler beruht. Dies folgt [X.] daraus, dass der doppelt gemilderte Strafrahmen des § 250 Abs. 2 StGB milder ist als derjenige des §
250 Abs. 3 StGB, so dass ein milderer Straf-rahmen als der angewandte nur in Betracht käme, wenn das [X.] unter 7
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Heranziehung nur eines vertypten Milderungsgrundes zur Anwendung des §
250 Abs. 3 StGB gelangt wäre und diesen Strafrahmen alsdann erneut ([X.]) nach § 49 Abs. 1 StGB gemildert hätte. Dieser Annahme stehen indes die Erwägungen der [X.] zur [X.] entgegen: Der Sache nach hat sie sowohl den Umstand, dass die Tat im Versuchsstadium stecken blieb, als auch die Wiedergutmachungsbemühungen des Angeklagten in die Abwä-gung einbezogen und gleichwohl die Annahme eines minder schweren Falles abgelehnt. Waren
damit aber die strafmildernden Umstände, die die vertypten [X.] begründen, bereits Gegenstand der Abwägung, schließt der Senat aus, dass die [X.] ohne Verbrauch beider vertypter Strafmilde-rungsgründe (vgl. § 50 StGB) zur Annahme eines minder schweren Falls ge-langt wäre.
3. [X.] hat Erfolg. Zu Recht rügt die Be-schwerdeführerin, dass die Ausführungen des [X.]s nicht ausreichen, um die Voraussetzungen eines Täter-Opfer-Ausgleichs im Sinne von § 46a Nr.
1 StGB zu belegen.
Für einen solchen ist ein kommunikativer Prozess zwischen Täter und Opfer erforderlich, der auf einen umfassenden Ausgleich der durch die Strafta-ten verursachten Folgen gerichtet sein muss. Aus diesem Grund reicht das ein-seitige [X.] durch den Täter ohne den Versuch einer Einbeziehung des Opfers
nicht aus. Regelmäßig sind dazu insbesondere Fest-stellungen erforderlich, wie sich das Opfer zu den Bemühungen des [X.] ge-stellt hat, denn ein erfolgreicher Täter-Opfer-Ausgleich im Sinne von § 46a Nr.
1 StGB setzt grundsätzlich voraus, dass das Opfer die erbrachten Leistun-gen oder Bemühungen des [X.] als friedensstiftenden Ausgleich akzeptiert 10
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([X.], Urteil vom 19. Dezember 2002 -
1 [X.], [X.]St 48, 134, 142 f. mwN).
Aus den Urteilsgründen ergibt sich zwar, dass der Angeklagte bereits vor der Hauptverhandlung einen Betrag in Höhe von 2.die verursachten körperlichen und seelischen Verletzungen über seine [X.] an die Geschädigte überweisen ließ und sich zudem vor und in der Hauptverhandlung bei ihr entschuldigte und sie um Verzeihung bat. Es fehlen indes jegliche Angaben dazu, wie die Zeugin D.

auf diese Ausgleichs-bemühungen reagiert hat.
Solche Darlegungen waren schließlich nicht mit Blick darauf entbehrlich, dass es nach § 46a Nr. 1 StGB ausreichen kann, wenn der Täter die Wieder-gutmachung
ernsthaft erstrebt. Denn auch insoweit ist es grundsätzlich erfor-derlich, dass sich das Opfer auf freiwilliger Grundlage zu einem Ausgleich be-reitfindet und sich auf ihn einlässt ([X.], Urteil vom 7. Dezember 2005 -
1 [X.], [X.], 275, 276 mwN); etwas anderes soll ausnahmsweise etwa dann gelten können, wenn sich die Verweigerung durch das Opfer nicht mehr als Wahrnehmung rechtlich schützenswerter Interessen darstellt (vgl. [X.], NStZ 2005, 366, 368 f.; [X.], StGB, 62.
Aufl., § 46a Rn.
10d; kritisch ["zu weitgehend"] insoweit MüKoStGB/[X.], 2.
Aufl., §
46a Rn. 28). Angesichts der massiven Gewalteinwirkung und der nachhaltigen Folgen -
die Geschädigte

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befindet sich seit der Tat in psychotherapeutischer Behandlung und ist auf-grund der durch
die Tat
hervorgerufenen Angstzustände sowohl in ihrer
Arbeitstätigkeit als auch im täglichen Leben eingeschränkt -
lag auch mit Blick auf die Höhe der geleisteten Zahlung eine solche Fallkonstellation einer nicht zu billigenden Weigerung des Opfers indes fern.
Schäfer

Pfister

Ri[X.] [X.] befindet sich

im Urlaub und ist deshalb

gehindert zu unterschreiben.

Schäfer

[X.]

Gericke

Meta

3 StR 89/15

28.05.2015

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.05.2015, Az. 3 StR 89/15 (REWIS RS 2015, 10483)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 10483

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