Bundesfinanzhof, Beschluss vom 03.03.2021, Az. I R 32/17

1. Senat | REWIS RS 2021, 8240

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Gegenstand

Unwirksames Urteil


Leitsatz

NV: Das den Beteiligten mittels Empfangsbekenntnis am 10.01.2020 zugestellte Urteil des Senats vom 19.06.2019 - I R 32/17 ist unwirksam; es wird jedenfalls klarstellend aufgehoben.

Tenor

1. Das den Beteiligten mittels Empfangsbekenntnis am 10.01.2020 zugestellte Urteil des Senats vom 19.06.2019 - [X.] ist unwirksam; es wird jedenfalls klarstellend aufgehoben.

2. Die mündliche Verhandlung wird wiedereröffnet.

Gründe

1

Das den Beteiligten mittels Empfangsbekenntnis am 10.01.2020 zugestellte Urteil enthält einen (unheilbaren) Verfahrensmangel, es ist deshalb unwirksam und jedenfalls klarstellend aufzuheben. Die mündliche Verhandlung ist wieder zu eröffnen.

2

1. § 105 Abs. 1 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) bestimmt, dass das schriftlich abzufassende Urteil von den [X.]n, die bei der Entscheidungsfindung mitgewirkt haben, zu unterzeichnen ist. Die Unterschriften der [X.] unter einem Urteil müssen dabei stets einen Text decken, der dem Beratungsergebnis entsprechend verfasst und den [X.] zur Gänze bekannt war (Beschluss des [X.] vom 10.01.1978 - 2 StR 654/77, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1978, 899, Rz 6; Beschluss des [X.] vom 15.09.1995 - 4 B 173/95, [X.] 1996, 106, Rz 7). Daran fehlt es.

3

Wie der damalige Senatsvorsitzende mit Schreiben vom 22.07.2020 erläutert hat, ist im Zuge des Unterschriftenumlaufs vom Berichterstatter des Verfahrens ein Textvorschlag erarbeitet und dem [X.] beigefügt worden. Dieser Vorschlag bezieht sich auf die Möglichkeit einer "Risikokompensation" im Rahmen des streiterheblichen sog. Fremdvergleichs bei [X.] Verzinsung eines partiarischen Darlehens, die einen gewichtigen Unterschied zu den bisher vom Senat entschiedenen Festverzinsungsfällen ausmachen könnte. Dieser Textvorschlag ist im Senat "umgelaufen" und von den Unterschriften der mitwirkenden [X.] gedeckt gewesen. Er hat allerdings nicht Eingang in das den Beteiligten zugestellte Urteil gefunden. Dies geht auf eine von dem damaligen Senatsvorsitzenden veranlasste Änderung des [X.]s zurück, der den übrigen am Urteil mitwirkenden [X.]n nach der Unterschriftsleistung nicht mehr zur Kenntnis gebracht worden ist. Die Unterschriften dieser [X.] decken daher nicht den Text des Urteils ab, das den Beteiligten zugestellt worden ist.

4

2. Eine nachträgliche Heilung des Mangels ist ausgeschlossen. Entsprechend § 105 Abs. 4 Satz 3 FGO hat bei der Zustellung an [X.] statt (§ 104 Abs. 2 FGO) die Übergabe der vollständigen, mit den Unterschriften der beteiligten [X.] versehenen [X.] an die Geschäftsstelle "alsbald nachträglich" zu erfolgen. Der Rechtsprechung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes zur [X.] des § 117 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung (Beschluss vom [X.] - [X.] 1/92, NJW 1993, 2603) ist zu entnehmen, dass die äußerste Grenze für dieses "alsbald" bei fünf Monaten nach der Übermittlung der Urteilsformel an die Geschäftsstelle liegt. Ansonsten wäre eine Übereinstimmung der Entscheidungsgründe mit dem Ergebnis der Verhandlung und Beratung nicht mehr sichergestellt. Vorliegend ist diese Grenze von fünf Monaten --nach Abfrage des [X.]s bei der Geschäftsstelle durch die [X.] nicht eingehalten worden, da die der Geschäftsstelle übermittelte [X.] nicht von den Unterschriften aller mitwirkenden [X.] gedeckt ist.

5

3. Das zugestellte Urteil ist unwirksam. Da der [X.] bei der Geschäftsstelle des Senats von den Beteiligten abgefragt wurde, ist es, um den Rechtsschein eines wirksamen Urteils zu beseitigen, jedenfalls klarstellend aufzuheben.

6

4. Um eine Übereinstimmung der Entscheidungsgründe mit dem Ergebnis der Verhandlung und Beratung sicherzustellen, ist die mündliche Verhandlung gemäß § 93 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 121 Satz 1 FGO wieder zu eröffnen.

Meta

I R 32/17

03.03.2021

Bundesfinanzhof 1. Senat

Beschluss

vorgehend BFH, 19. Juni 2019, Az: I R 32/17, Urteil

§ 105 FGO, § 104 Abs 2 FGO, § 93 Abs 3 S 2 FGO, § 121 S 1 FGO, § 105 Abs 1 S 2 FGO, § 105 Abs 4 S 3 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 03.03.2021, Az. I R 32/17 (REWIS RS 2021, 8240)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 8240


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. I R 32/17

Bundesfinanzhof, I R 32/17, 09.06.2021.

Bundesfinanzhof, I R 32/17, 03.03.2021.

Bundesfinanzhof, I R 32/17, 19.06.2019.


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