Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 01.03.2016, Az. 5 BN 1/15

5. Senat | REWIS RS 2016, 15355

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Gegenstand

Anforderungen an die Rüge der Nichtbeachtung von Bundesverfassungsrecht bei der Auslegung und Anwendung von Landesrecht


Leitsatz

Zur Begründung der Rüge der Nichtbeachtung von Bundes(verfassungs)recht bei der Auslegung und Anwendung von Landesrecht ist substantiiert darzulegen, dass die Verfassungsnorm in ihrer Auslegung durch die höchstrichterliche Rechtsprechung nicht oder noch nicht hinreichend ausdifferenziert und entwickelt ist, um ihre Funktion als Maßstabsnorm für niederrangiges Recht erfüllen zu können.

Gründe

1

1. Die auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen [X.]edeutung der Rechtssache gestützte [X.]eschwerde ist unzulässig.

2

Grundsätzliche [X.]edeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt einer Rechtssache zu, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit und der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO setzt insoweit die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende [X.]edeutung besteht. Die [X.]eschwerde muss erläutern, dass und inwiefern die Revisionsentscheidung zur Klärung einer bisher revisionsgerichtlich nicht beantworteten fallübergreifenden Rechtsfrage des revisiblen Rechts führen kann (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 19. August 1997 - 7 [X.] 261.97 - [X.] 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14). Die [X.]egründungspflicht verlangt, dass sich die [X.]eschwerde mit den Erwägungen des angefochtenen Urteils, auf die sich die aufgeworfene Frage von angeblich grundsätzlicher [X.]edeutung bezieht, substantiiert auseinandersetzt (vgl. [X.], [X.]eschlüsse vom 8. Juni 2006 - 6 [X.] - [X.] 442.066 § 78 TKG Nr. 1 und vom 11. November 2011 - 5 [X.] 45.11 - juris Rn. 3). Daran gemessen kommt die Zulassung der Revision nicht in [X.]etracht.

3

Die Antragstellerin wendet sich mit ihrem Normenkontrollantrag gegen die Satzung der Antragsgegnerin über die Höhe der zulässigen Mieten für öffentlich geförderte Wohnungen und Personalfürsorgewohnungen vom 18. Dezember 2008 i.d.F. vom 2. Juli 2009, die auf § 32 Abs. 3 Satz 3 des Landesgesetzes zur Förderung von Wohnraum und Stabilisierung von [X.] (Landeswohnraumförderungsgesetz - [X.]) vom 11. Dezember 2007 (G[X.]l. [X.]) gründet.

4

Der Verwaltungsgerichtshof hat den Antrag, soweit er zwischen den [X.]eteiligten noch im Streit ist, als unbegründet abgewiesen. Die Satzung und die in ihr geregelte Umstellung von der Kostenmiete auf die Höchstmiete verletzten die Antragstellerin nicht in ihrer Eigentumsgarantie. Die für die im Eigentum der Antragstellerin stehenden Objekte ausgewiesenen Höchstmieten überschritten die von Art. 14 Abs. 1 [X.] gezogenen Grenzen nicht. Sie führten nicht auf Dauer zu finanziellen Verlusten oder zu einer Gefährdung der Mietsache in ihrer Substanz, da die auf die Objekte der Antragstellerin entfallende Eigenkapitalrendite die aus der Umstellung von der Kostenmiete auf die Höchstmiete resultierenden Verluste übersteige ([X.] f. und 29 f.).

5

Die [X.]eschwerde hält insoweit für klärungsbedürftig,

"ob es bei der [X.]eurteilung eines Eingriffs in die Miethöhe geförderter Wohnungen durch Satzung der Schutz von Art. 14 [X.] für gefördertes Grundstücks- und/oder Wohneigentum gebietet, dass die Eigenkapitalrendite unangetastet bleibt, ob also durch eine Miethöhensatzung nicht in diese eingegriffen werden darf, zumal die Eigenkapitalrendite im Kostenmietrecht, das den Vergleichsmaßstab darstellt, als Ausgleich für die stets zu niedrig kalkulierten Instandhaltungs- und Verwaltungskosten sowie Wagnis und Gewinn dient[,] oder ob es mit Art. 14 Abs. 1 [X.] vereinbar ist, dass die Miethöhe auch um diese Positionen reduziert wird".

6

Damit wirft sie zwar insoweit eine revisible Frage auf, als sie geklärt wissen möchte, ob die [X.]rechtliche Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 [X.]) die [X.]erücksichtigung der "Eigenkapitalrendite" in der Weise gebietet, dass sie sich auf die Miete erhöhend auswirkt. Sie hat hingegen nicht ausreichend dargelegt, dass diese Frage die Zulassung der Revision gebietet. Auch wenn die Frage der Gültigkeit des Landesrechts in der Regel grundsätzlicher Art ist, verleiht dies einer Sache noch keinen bundesrechtlichen Klärungsbedarf. Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] vermag die Rüge der Nichtbeachtung von [X.]undes([X.])recht bei der Auslegung und Anwendung von Landesrecht die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO allenfalls dann zu rechtfertigen, wenn die Auslegung der - gegenüber dem Landesrecht als korrigierender Maßstab angeführten - bundesrechtlichen Norm ihrerseits ungeklärte Fragen von grundsätzlicher [X.]edeutung aufwirft, nicht dagegen, wenn der dem angefochtenen Urteil zugrunde gelegte Inhalt des Landesrechts mit [X.]lick auf seine Übereinstimmung mit [X.]undesrecht angezweifelt wird (vgl. z.[X.]. [X.], [X.]eschlüsse vom 19. Juli 1995 - 6 N[X.] 1.95 - [X.] 310 § 47 VwGO Nr. 104 S. 43, vom 3. März 1997 - 8 [X.] 130.96 - NVwZ 1998, 66 und vom 11. Dezember 2003 - 6 [X.] 69.03 - [X.] 422.2 Rundfunkrecht Nr. 39 S. 33, jeweils m.w.N.). Die [X.]egründung der [X.]eschwerde nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO muss dementsprechend darlegen, dass die Auslegung einer gegenüber dem angewendeten Landesrecht als korrigierender Maßstab angeführten bundes([X.])rechtlichen Vorschrift als solche ungeklärte Fragen von grundsätzlicher [X.]edeutung aufwirft (stRspr, vgl. [X.], [X.]eschluss vom 3. März 1997 - 8 [X.] 130.96 - NVwZ 1996, 66 m.w.N.). Die angeblichen bundesrechtlichen Maßgaben, deren Tragweite und Klärungsbedürftigkeit im Hinblick auf die einschlägigen landesrechtlichen Regelungen sowie die Entscheidungserheblichkeit ihrer Klärung in dem anhängigen Verfahren sind in der [X.]eschwerdebegründung darzulegen. Wird eine Vorschrift des Landesrechts als bundes[X.]rechtlich bedenklich angesehen, ist im Einzelnen darzulegen, gegen welche [X.]rechtliche Norm verstoßen wird und ob sich bei der Auslegung dieser [X.]estimmung Fragen von grundsätzlicher [X.]edeutung stellen, die sich nicht aufgrund bisheriger höchstrichterlicher Rechtsprechung - auch des [X.]undes[X.]gerichts - beantworten lassen (vgl. [X.], [X.]eschlüsse vom 11. Dezember 2003 - 6 [X.] 69.03 - [X.] 422.2 Rundfunkrecht Nr. 39 S. 33 und vom 13. Juni 2009 - 9 [X.] 2.09 - [X.] 445.4 § 3 WHG Nr. 6 Rn. 4, jeweils m.w.N.). Eine revisible Frage wird erst dann aufgeworfen, wenn der Inhalt der bundesrechtlichen Norm selbst zu erörtern ist, um daran die Gültigkeit einer landesrechtlich auszulegenden Norm und die Übereinstimmung ihrer Auslegung mit [X.]undesrecht zu messen. In einem [X.]eschwerdeverfahren nach § 133 VwGO muss sich die Fragestellung gerade auf die Notwendigkeit der bundesrechtskonformen Handhabung und auf den Inhalt des dabei zugrunde gelegten bundesrechtlichen Rechtssatzes beziehen (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 30. November 1994 - 4 [X.] 243.94 - [X.] 310 § 80 VwGO Nr. 59 S. 6). Wird eine Verletzung von [X.]undes[X.]recht durch eine Landesrechtsnorm beanstandet, muss die [X.]eschwerdebegründung aufzeigen, dass in einer bestimmten Frage die Auslegung des Grundgesetzes einschließlich der bundes[X.]rechtlichen Grundsätze insbesondere durch die Rechtsprechung des [X.]undes[X.]gerichts bisher nicht ausreichend ist, um eine zutreffende Umsetzung in dem landesrechtlich geprägten Ausgangsfall zu gewährleisten (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 21. Dezember 1994 - 4 [X.] 266.94 - NVwZ 1995, 601 <602>). Die [X.]eschwerde muss substantiiert darlegen, dass die Verfassungsnorm in ihrer Auslegung durch die höchstrichterliche Rechtsprechung nicht oder noch nicht hinreichend ausdifferenziert und entwickelt ist, um ihre Funktion als Maßstabsnorm für niederrangiges Recht erfüllen zu können (vgl. Pietzner/[X.]uchheister, in: [X.]/[X.]/[X.]ier, VwGO, Stand: Oktober 2015, § 132 Rn. 43 m.w.N.). Gemessen daran erweist sich die [X.]eschwerde als nicht ausreichend begründet.

7

In der Rechtsprechung des [X.]undes[X.]gerichts ist insoweit geklärt, dass zum [X.]rechtlich geschützten Eigentum sämtliche vermögenswerten Rechtspositionen gehören, die das bürgerliche Recht einem privaten Rechtsträger als Eigentum zuordnet. Dem Schutz des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 [X.] unterfällt auch das Eigentum an Grundstücken und/oder Sozialmietwohnungen. Dass Letztere unter Inanspruchnahme öffentlicher Mittel errichtet wurden, entzieht sie nicht dem [X.]rechtlichen Eigentumsschutz ([X.]VerfG, [X.]eschluss vom 15. Oktober 1996 - 1 [X.]vL 44/92 u.a. - [X.]VerfGE 95, 64 <82>). Gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 [X.] wird der Inhalt des [X.]rechtlich geschützten Eigentums vom Gesetzgeber bestimmt. Das öffentlich geförderte Eigentum ist für eine bestimmte Zeitspanne gesetzlichen [X.]indungen unterworfen, die für den Eigentümer frei finanzierter Wohnungen nicht gelten. Diese [X.]indungen bestimmen den Inhalt und die Schranken des Eigentums an Sozialwohnungen mit ([X.]VerfG, [X.]eschluss vom 15. Oktober 1996 - 1 [X.]vL 44/92 u.a. - [X.]VerfGE 95, 64 <82 f.>). Dabei reicht die [X.]efugnis des Gesetzgebers zur Inhalts- und Schrankenbestimmung umso weiter, [X.] der Sicherung der persönlichen Freiheit des Eigentümers dient und je mehr es, wie im Falle der Überlassung der Nutzung einer Sozialwohnung an Dritte, in einen [X.] Nutzen gestellt ist ([X.]VerfG, [X.]eschlüsse vom 4. Februar 1975 - 2 [X.]vL 5/74 - [X.]VerfGE 38, 348 <370 f.> und vom 15. Oktober 1996 - 1 [X.]vL 44/92 u.a.- [X.]VerfGE 95, 64 <84 f.> m.w.N.). Hierbei sind die schutzwürdigen Interessen des Eigentümers und die [X.]elange des Gemeinwohls zu einem gerechten Ausgleich und in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen, ohne den [X.]bereich der Eigentumsgarantie substantiell auszuhöhlen ([X.]VerfG, [X.]eschlüsse vom 4. Dezember 1985 - 1 [X.]vL 23/84, 1 [X.]vL 1/85, 1 [X.]vR 439/84, 1 [X.]vR 652/84 - [X.]VerfGE 71, 230 <246 f.> m.w.N. und vom 22. November 1994 - 1 [X.]vR 351/91 - [X.]VerfGE 91, 294 <308 und 310>). Eine Überschreitung dieser Grenze ist anzunehmen, wenn Mietpreisbindungen auf Dauer zu Verlusten für den Vermieter oder zur Gefährdung der Substanz der Mietsache führen ([X.]VerfG, [X.]eschluss vom 4. Dezember 1985 - 1 [X.]vL 23/84, 1 [X.]vL 1/85, 1 [X.]vR 439/84, 1 [X.]vR 652/84 - [X.]VerfGE 71, 230 <250> und vom 22. November 1994 - 1 [X.]vR 351/91 - [X.]VerfGE 91, 294 <310> sowie Kammerbeschluss vom 10. August 1992 - 1 [X.]vR 605/92 - NJW 1992, 3031).

8

Die [X.]eschwerde zeigt nicht in der gebotenen Deutlichkeit auf, dass diese vom [X.]undes[X.]gericht entwickelten und hier einschlägigen Grundsätze zu Art. 14 Abs. 1 Satz 1 [X.] nicht oder noch nicht ausreichen, um eine zutreffende [X.]eurteilung der Frage zu gewährleisten, ob und gegebenenfalls auf welche Weise die "Eigenkapitalrendite" bei der Ermittlung der Miethöhe zu berücksichtigen ist. Mit der Frage von angeblich grundsätzlicher [X.]edeutung möchte die Klägerin im [X.] beantwortet wissen, ob diese Grundsätze mit [X.]lick auf die "Eigenkapitalrendite" eine bestimmte Methode der Ermittlung der Miethöhe gebieten. Ob das Normenkontrollgericht insoweit den geklärten [X.]rechtlichen Grundsätzen im Einzelnen gerecht geworden ist - was die [X.]eschwerde bezweifelt - ist keine Frage der weiteren Klärung dieser Grundsätze, sondern deren zutreffender Anwendung im Einzelfall. Damit kann eine auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte [X.]eschwerde zulässigerweise nicht begründet werden.

9

2. Von einer weiteren [X.]egründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO).

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 VwGO.

Meta

5 BN 1/15

01.03.2016

Bundesverwaltungsgericht 5. Senat

Beschluss

Sachgebiet: BN

vorgehend Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, 13. Mai 2015, Az: 3 S 1175/13, Urteil

WoFG BW 2007, Art 14 Abs 1 S 1 GG, § 132 Abs 2 Nr 1 VwGO, § 133 Abs 3 S 3 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 01.03.2016, Az. 5 BN 1/15 (REWIS RS 2016, 15355)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 15355

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1 BvR 351/91

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