Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 21.07.2011, Az. 6 B 29/11

6. Senat | REWIS RS 2011, 4445

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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

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Gegenstand

Öffentliche Schule; Privatschule; Akzessorietät


Gründe

1

1. Die allein auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen [X.]edeutung der Rechtssache nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte [X.]eschwerde hat keinen Erfolg.

2

Grundsätzliche [X.]edeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit und der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO setzt insoweit die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende [X.]edeutung bestehen soll (vgl. [X.]eschluss vom 19. August 1997 - [X.]VerwG 7 [X.] 261.97 - [X.] 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14). Die Nichtbeachtung von [X.]undesrecht bei der Auslegung und/oder Anwendung von Landesrecht kann die Zulassung der Revision allenfalls dann begründen, wenn die Auslegung der - gegenüber dem Landesrecht als korrigierender Maßstab angeführten - bundesrechtlichen Normen ihrerseits ungeklärte Fragen von grundsätzlicher [X.]edeutung aufwirft (vgl. [X.]eschlüsse vom 15. Dezember 1989 - [X.]VerwG 7 [X.] 177.89 - [X.] 310 § 132 VwGO Nr. 277 S. 20 und vom 1. September 1992 - [X.]VerwG 11 [X.] 24.92 - [X.] 310 § 137 VwGO Nr. 171 S. 18). Die angeblichen bundesrechtlichen Maßgaben, deren Tragweite und Klärungsbedürftigkeit im Hinblick auf die einschlägigen bundesrechtlichen Regelungen sowie die Entscheidungserheblichkeit ihrer Klärung in dem anhängigen Verfahren sind in der [X.]eschwerdebegründung darzulegen (vgl. [X.]eschluss vom 19. Juli 1995 - [X.]VerwG 6 N[X.] 1.95 - [X.] 310 § 47 VwGO Nr. 104 S. 43). Daran gemessen führen die aufgeworfenen Fragen nicht zur Revisionszulassung.

3

a) Der [X.]eklagte möchte geklärt wissen, "ob vor dem Hintergrund von Artikel 7 Abs. 4 Satz 2 GG eine, verschiedene Schulstufen (hier Primarstufe, Sekundarstufe I und [X.]) umfassende Schule, mit den vom Landesgesetzgeber vorgegebenen Schularten des [X.] gleichwertig, d.h. akzessorisch ist, und damit jeweils die entsprechenden Schularten ersetzen kann". Mit dieser Frage formuliert er in der Sache keine grundsätzliche Frage des [X.]undes([X.])rechts, sondern beanstandet, dass das Oberverwaltungsgericht Art. 7 Abs. 4 Satz 2 GG nicht hinreichend beachtet habe. Dies vermag die Annahme einer grundsätzlichen [X.]edeutung der Rechtssache nicht zu begründen.

4

In der Rechtsprechung des [X.]undesverwaltungs- und des [X.]undes[X.]gerichts ist geklärt, unter welchen Voraussetzungen eine Privatschule als Ersatz für eine öffentliche Schule im Sinne von Art. 7 Abs. 4 Satz 2 GG anzusehen und ihr die Genehmigung nach Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG zu erteilen ist. Nach Art. 7 Abs. 4 Satz 2 GG bedürfen private Schulen als Ersatz für öffentliche Schulen der Genehmigung des Staates. Die Genehmigung ist unter den Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG zu erteilen. Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG verfolgt nicht den Zweck, die inhaltliche Einheit des Schulwesens zu sichern, sondern Schüler von Ersatzschulen vor einem ungleichwertigen Schulerfolg zu schützen (vgl. Urteil vom 13. Dezember 2000 - [X.]VerwG 6 [X.] 5.00 - [X.]VerwGE 112, 263 <268> = [X.] 421 Kultur- und Schulwesen Nr. 127; [X.]VerfG, [X.] vom 8. Juni 2011 - 1 [X.]vR 759/08 und 1 [X.]vR 733/09 - juris Rn. 17). Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn die Privatschulen in ihren Lehrzielen und Einrichtungen sowie in der wissenschaftlichen Ausbildung ihrer Lehrkräfte nicht hinter den öffentlichen Schulen zurückstehen und eine Sonderung der Schüler nach den [X.]esitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert wird. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn die wirtschaftliche und rechtliche Stellung der Lehrkräfte nicht genügend gesichert ist. Art. 7 Abs. 4 GG begründet unter den dort genannten Voraussetzungen einen Anspruch auf Genehmigung einer privaten Schule ([X.]VerfG, [X.]eschluss vom 14. November 1969 - 1 [X.]vL 24/64 - [X.]VerfGE 27, 195 <200> und [X.] vom 8. Juni 2011 a.a.[X.] Rn. 15 m.w.N.). Das Landesrecht bestimmt, welche öffentlichen Schulen es gibt, denen eine Ersatzschule entsprechen kann (vgl. [X.]VerfG, [X.]eschluss vom 9. März 1994 - 1 [X.]vR 1369/90 - [X.]VerfGE 90, 128 <139> und [X.] vom 8. Juni 2011 a.a.[X.] Rn. 21). Die Akzessorietät der Ersatzschulen zu den öffentlichen Schulen bezieht sich nicht notwendigerweise auf eine formale Entsprechung zu den jeweils im Landesrecht typisierten Schularten und -formen, sondern auf eine Entsprechung in deren [X.]. Die privaten Schulen müssen sich in die Gesamtkonzeption des [X.] einpassen. Das ist der Fall, wenn die spezifischen Ziele, die mit der landesrechtlichen Ausgestaltung als [X.] verfolgt werden, in der vorgesehenen Privatschule erfüllt werden können (vgl. Urteil vom 18. Dezember 1996 - [X.]VerwG 6 [X.] 6.95 - [X.]VerwGE 104, 1 <8 ff.>; [X.]VerfG, [X.]eschluss vom 9. März 1994 a.a.[X.] S. 139 f. und [X.] vom 8. Juni 2011 a.a.[X.] Rn. 21).

5

Das Oberverwaltungsgericht ist von den vorstehenden Grundsätzen ausgegangen und hat angenommen, dass der Kläger der Gesamtkonzeption der öffentlichen Schulen im [X.] entspreche, so dass er deren [X.] erfüllen könne. Der [X.]eklagte bestreitet dies insbesondere mit der Erwägung, bei dem Kläger handele es sich um eine die Klassenstufen 1 bis 12 umfassende einheitliche Schule, das Schulsystem des [X.] sehe hingegen eine Ausdifferenzierung nach Primarstufe, Sekundarstufe I und [X.] vor. Damit wirft er keine ungeklärte Frage des [X.]undesrechts auf, sondern rügt, das Oberverwaltungsgericht habe zu Unrecht angenommen, dass sich der Kläger hinsichtlich seines [X.]s in denjenigen der öffentlichen Schulen des [X.] einfüge. Die [X.]eanstandung einer angeblich fehlerhaften Rechtsanwendung wird nicht dadurch zu einer rechtsgrundsätzlichen Frage im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, dass sie abstrakt formuliert wird.

6

b) Auch die übrigen von dem [X.]eklagten als rechtsgrundsätzlich angesehenen Fragen rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision.

7

Soweit der [X.]eklagte der Auffassung ist, aus dem angefochtenen Urteil ergäben sich "gravierende Konsequenzen für die Schullandschaft in [X.] und die Genehmigung von Schulen in freier Trägerschaft und das diesbezügliche Verfahren" (Nr. 2.a) der [X.]eschwerdebegründung), weist er auf die Folgen der aus seiner Sicht fehlerhaften Entscheidung des [X.] hin, zeigt hingegen keine Rechtsfrage von grundsätzlicher [X.]edeutung auf. Eine für das Revisionsverfahren erhebliche Rechtsfrage ist auch nicht dem Hinweis zu entnehmen, das Oberverwaltungsgericht sei "der Auffassung, dass es sich auch bei Anträgen auf Errichtung von Gemeinschaftsschulen durch freie Träger um vergleichbare Sachverhalte handelt" (Nr. 2.b) der [X.]eschwerdebegründung). Soweit der [X.]eklagte auf "grundsätzliche Auswirkungen" hinweist, die "sich möglicherweise (...) auf beantragte Dehnungen und Verkürzungen von [X.]ildungsgängen durch freie Träger ergeben" (Nr. 2.c) der [X.]eschwerdebegründung), ist eine grundsätzliche [X.]edeutung der Rechtssache ebenfalls nicht ausreichend aufgezeigt. Das gilt gleichermaßen, soweit der [X.]eklagte die Frage aufwirft, "ob und inwieweit bei hinreichender [X.]erücksichtigung von Artikel 7 Abs. 4 Satz 2 GG der vom Landesgesetzgeber mit dem [X.] vorgegebenen Schulstrukturen der vom Kläger für die Klassenstufen 4 bis 6 geplante jahrgangs- und schulartübergreifende Unterricht zulässig sein kann" (Nr. 2.d) der [X.]eschwerdebegründung). Damit beanstandet er in der Sache, dass das Oberverwaltungsgericht zu Unrecht angenommen habe, der Kläger erfülle den [X.] der öffentlichen Schulen im [X.]. Dies vermag hingegen - wie aufgezeigt - die Zulassung der Revision nicht zu begründen. Entsprechendes gilt, soweit der [X.]eklagte den Rechtsstreit für grundsätzlich bedeutsam erachtet, "da wesentliche Grundgedanken der staatlichen Finanzhilfe für Schulen in freier Trägerschaft mit Genehmigung einer einheitlichen Schule ausgehebelt würden, indem [X.] umgangen werden könnten" (Nr. 3. der [X.]eschwerdebegründung).

Meta

6 B 29/11

21.07.2011

Bundesverwaltungsgericht 6. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Sächsisches Oberverwaltungsgericht, 15. März 2011, Az: 2 A 273/10, Urteil

§ 132 Abs 2 Nr 1 VwGO, Art 7 Abs 4 S 2 GG, Art 7 Abs 4 S 3 GG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 21.07.2011, Az. 6 B 29/11 (REWIS RS 2011, 4445)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 4445

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