Bundespatentgericht, Beschluss vom 10.08.2022, Az. 9 W (pat) 58/19

9. Senat | REWIS RS 2022, 6512

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Patentbeschwerdesache –"Federungsanordnung für eine Radaufhängung eines Kraftfahrzeuges" – Wechsel des Patentgegenstandes – Aliud – unzulässige Erweiterung


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend das Patent 10 2012 005 395

hat der 9. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 10. August 2022 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] Dipl.- Ing. Univ. [X.] sowie der Richterin [X.], des [X.] [X.] und der Richterin Dipl.-Ing. Univ. Peters

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Einsprechenden wird der Beschluss der [X.] des [X.] vom 20. November 2018 aufgehoben und das Patent 10 2012 005 395 widerrufen.

Gründe

I.

1

Auf die am 16. März 2012 beim [X.] ([X.]) eingegangene Anmeldung 10 2012 005 395.9 ist das Streitpatent mit der Bezeichnung

2

„Federungsanordnung für eine Radaufhängung eines Kraftfahrzeuges“

3

erteilt und am 11. September 2014 veröffentlicht worden. Auf den gegen das Patent mit Schriftsatz vom 2. Juni 2015 – beim [X.] eingegangen am 5. Juni 2015 – eingelegten Einspruch der Einsprechenden ist das Patent durch den in der Anhörung vom 20. November 2018 verkündeten Beschluss der [X.] des [X.]s beschränkt aufrechterhalten worden.

4

Zur Begründung des Einspruchs sind im Einspruchsverfahren u. a. folgende Druckschriften als Stand der Technik genannt worden:

5

[X.]: [X.] 101 48 095 [X.] und

6

[X.]: [X.] 10 2009 005 899 [X.], sowie

7

im Beschwerdeverfahren u. a. zusätzlich die Druckschriften

8

[X.]: [X.] 199 56 090 [X.] und

9

[X.]: [X.] 0 394 438 [X.].

Gegen den der Einsprechenden ausweislich der elektronischen Akte des [X.] am 24. Januar 2019 zugestellten Beschluss richtet sich die am 18. Februar 2019 beim [X.] eingegangene Beschwerde der Einsprechenden. Mit Schriftsatz vom 18. April 2019 hat sie eine Beschwerdebegründung beim [X.] eingereicht, in der sie eine Schutzbereichserweiterung, eine unzulässige Erweiterung und eine mangelnde Patentfähigkeit geltend gemacht hat.

[X.] hat mit Schreiben vom 7. August 2019 vorgetragen, dass sie den Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der beschränkt aufrechterhaltenen Fassung sowohl nicht als unzulässig erweitert als auch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend erachtet.

Mit [X.] vom 3. März 2022 hat der Senat seine vorläufige Auffassung u. a. dahingehend geäußert, dass der Schutzbereich des Patents in der beschränkt aufrechterhaltenen Fassung unzulässig erweitert sein könnte, denn in der erteilten Fassung sei nach Anspruch 1 ein [X.] für eine Radaufhängung eines Kraftfahrzeugs unter Schutz gestellt, der für den Betrieb mit einer Radaufhängung eines Kraftfahrzeugs geeignet sein müsse, wohingegen in der beschränkt aufrechterhaltenen Fassung ein Fahrzeug geschützt sei, bei dem jedem Fahrzeugrad ein eben solcher [X.] zugeordnet sei.

Auf die Mitteilung des Senats hat die Patentinhaberin mit Schriftsatz vom 13. April 2022 Stellung genommen und dabei erläutert, dass sie den Gegenstand nach Anspruch 1 in der beschränkt aufrechterhaltenen Fassung weiterhin als ursprünglich offenbart und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend ansehe. Eine Schutzbereichserweiterung vermöge sie nicht zu erkennen, vielmehr sei sie der Überzeugung, dass der Schutzbereich insoweit reduziert sei, als der [X.] im Anspruch 1 nunmehr zwingend mit dem Kraftfahrzeug als konkrete Anwendung verknüpft sei.

Neben der mit Ausnahme der gegenüber der vorinstanzlichen Fassung nun einteiligen unveränderten Formulierung des Hauptanspruchs, hat sie zur Verteidigung ihres Schutzbegehrens vier Hilfsanträge 1 bis 4 eingereicht.

In der mündlichen Verhandlung hat der Vertreter der Patentinhaberin zwei weitere Hilfsanträge 3a und 4a übergeben.

Die Vertreterin der Einsprechenden hat die [X.], 3, 3a, 4 und 4a als formal unzulässig angesehen, da durch den Rückbezug auf [X.], die nicht mehr zwingend mit dem Kraftfahrzeug als konkrete Anwendung verknüpft seien, wie noch im Hauptantrag und Hilfsantrag 1, für die Einsprechende eine gegen den Grundsatz „reformatio in peius“ verstoßende Schlechterstellung ihrer Rechtsposition einhergehe.

Die Beschwerdeführerin und Einsprechende stellte den Antrag,

den Beschluss der [X.] des [X.]s ([X.]) vom 20. November 2018 aufzuheben und das Patent 10 2012 005 395 zu widerrufen.

Die Beschwerdegegnerin und Patentinhaberin stellte den Antrag,

die Beschwerde der Einsprechenden zurückzuweisen.

Hilfsweise beantragte sie – jeweils unter unveränderter Beibehaltung der Zeichnungen – die beschränkte Aufrechterhaltung des Patents in der Reihenfolge folgender Hilfsanträge:

- Patentansprüche 1 bis 9 gemäß Hilfsantrag 1,

- Beschreibungsseiten 1 bis 12,

jeweils eingereicht mit Schriftsatz vom 13. April 2022;

- Patentansprüche 1 bis 9 gemäß Hilfsantrag 2,

- Beschreibungsseiten 1 bis 12,

jeweils eingereicht mit Schriftsatz vom 13. April 2022;

- Patentansprüche 1 bis 9 gemäß Hilfsantrag 3,

- Beschreibungsseiten 1 bis 12,

jeweils eingereicht mit Schriftsatz vom 13. April 2022;

- Patentansprüche 1 bis 8 gemäß Hilfsantrag 3a,

- Beschreibungsseiten 1 bis 12,

jeweils eingereicht in der mündlichen Verhandlung;

- Patentansprüche 1 bis 8 gemäß Hilfsantrag 4,

- Beschreibungsseiten 1 bis 12,

jeweils eingereicht mit Schriftsatz vom 13. April 2022;

- Patentansprüche 1 bis 7 gemäß Hilfsantrag 4a,

- Beschreibungsseiten 1 bis 12,

jeweils eingereicht in der mündlichen Verhandlung.

Patentanspruch 1 in erteilter Fassung lautet:

„[X.] für eine Radaufhängung eines Kraftfahrzeuges, mit einer Drehstabfeder (22), die über einen [X.] (28) in ihrer Vorspannung verstellbar ist, wobei die Drehstabfeder (22) radseitig auf einen [X.] (38) wirkt, der über [X.]stange (40) an einem [X.] (12) der Radaufhängung angelenkt ist, welche [X.]stange (40) über Gelenke (42) mit dem [X.] (38) und mit dem [X.] (12) verbunden ist, dadurch gekennzeichnet, dass die [X.]stange (40) als eine Feder definierter Federrate ausgebildet ist.“

Patentanspruch 1 nach Hauptantrag, in der Fassung, die im Einspruchsverfahren aufrechterhalten worden ist (Änderungen gegenüber der erteilten Fassung des Patentanspruchs 1 sind kenntlich gemacht), lautet:

„1. Kraftfahrzeug, bei dem jedem Fahrzeugrad (16) ein [X.] für eine Radaufhängung des eines Kraftfahrzeuges zugeordnet ist, so dass für jedes Fahrzeugrad (16) funktionell unabhängig von den anderen Fahrzeugrädern (16) aktive Stellkräfte erzeugbar sind, wobei jeder [X.] eine , mit einer Drehstabfeder (22) aufweist, die über einen [X.] (28) in ihrer Vorspannung verstellbar ist, wobei die Drehstabfeder (22) radseitig auf einen [X.] (38) wirkt, der über [X.]stange (40) an einem Radführungselement (12) der Radaufhängung angelenkt ist, welche [X.]stange (40) über Gelenke (42) mit dem [X.] (38) und mit dem Radführungselement (12) verbunden ist, dadurch gekennzeichnet, dass die [X.]stange (40) als eine Feder definierter Federrate ausgebildet ist, dass die [X.]stange (40) eine C-förmige Blattfeder ist, deren Federfußpunkte (47) über die Gelenke (42) an dem [X.] (38) und an dem Radführungselement (12) angelenkt sind, und dass die C-förmige Blattfeder eine sichelförmige Seitenkontur mit einem mittleren Bereich hoher Materialstärke (s 1 ) aufweist, der sich zu den gelenkseitigen Federfußpunkten (47) hin verjüngt.“

Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1, eingereicht mit Schriftsatz vom 13. April 2022 (Änderungen gegenüber Patentanspruch 1 nach Hauptantrag sind kenntlich gemacht), lautet:

„1. Kraftfahrzeug, bei dem jedem Fahrzeugrad (16) ein [X.] für eine Radaufhängung des Kraftfahrzeuges zugeordnet ist, so dass für jedes Fahrzeugrad (16) funktionell unabhängig von den anderen [X.] (16) aktive [X.] erzeugbar sind, wobei jeder [X.] eine Drehstabfeder (22) aufweist, die über einen [X.] (28) in ihrer Vorspannung verstellbar ist, wobei die Drehstabfeder (22) radseitig auf einen [X.] (38) wirkt, der über [X.]stange (40) an einem [X.] (12) der Radaufhängung angelenkt ist, welche [X.]stange (40) über Gelenke (42) mit dem [X.] (38) und mit dem [X.] (12) verbunden ist, wobei die Drehstabfeder (22) als ein geschachteltes [X.]system ausgeführt ist, bestehend aus einer [X.] (22a) und einer [X.] (22b), wobei dadurch gekennzeichnet, dass die [X.]stange (40) als eine Feder definierter Federrate ausgebildet ist, wobei dass die [X.]stange (40) eine C-förmige Blattfeder ist, deren Federfußpunkte (47) über die Gelenke (42) an dem [X.] (38) und an dem Radführungselement (12) angelenkt sind, und wobei dass die C-förmige Blattfeder eine sichelförmige Seitenkontur mit einem mittleren Bereich hoher Materialstärke (s1) aufweist, der sich zu den gelenkseitigen Federfußpunkten (47) hin verjüngt.“

Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2, eingereicht mit Schriftsatz vom 13. April 2022 (Änderungen gegenüber Patentanspruch 1 nach Hauptantrag sind kenntlich gemacht), lautet:

„[X.] für eine Radaufhängung eines Kraftfahrzeuges, mit einer Drehstabfeder (22), Kraftfahrzeug, bei dem jedem Fahrzeugrad (16) ein [X.] für eine Radaufhängung des Kraftfahrzeuges zugeordnet ist, so dass für jedes Fahrzeugrad (16) funktionell unabhängig von den anderen Fahrzeugrädern (16) aktive Stellkräfte erzeugbar sind, wobei jeder [X.] eine Drehstabfeder (22) aufweist, die über einen [X.] (28) in ihrer Vorspannung verstellbar ist, wobei die Drehstabfeder (22) radseitig auf einen [X.] (38) wirkt, der über [X.]stange (40) an einem Radführungselement (12) der Radaufhängung angelenkt ist, welche [X.]stange (40) über Gelenke (42) mit dem [X.] (38) und mit dem Radführungselement (12) verbunden ist, wobei dadurch gekennzeichnet, dass die [X.]stange (40) als eine Feder definierter Federrate ausgebildet ist, wobei dass die [X.]stange (40) eine C-förmige Blattfeder ist, deren Federfußpunkte (47) über die Gelenke (42) an dem [X.] (38) und an dem Radführungselement (12) angelenkt sind, und wobei dass die C-förmige Blattfeder eine sichelförmige Seitenkontur mit einem mittleren Bereich hoher Materialstärke (s1) aufweist, der sich zu den gelenkseitigen Federfußpunkten (47) hin verjüngt.“

Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 3, eingereicht mit Schriftsatz vom 13. April 2022 (Änderungen gegenüber Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 sind kenntlich gemacht), lautet:

„[X.] für eine Radaufhängung eines Kraftfahrzeuges, mit einer Drehstabfeder (22), die über einen [X.] (28) in ihrer Vorspannung verstellbar ist, wobei die Drehstabfeder (22) radseitig auf einen [X.] (38) wirkt, der über [X.]stange (40) an einem [X.] (12) der Radaufhängung angelenkt ist, welche [X.]stange (40) über Gelenke (42) mit dem [X.] (38) und mit dem [X.] (12) verbunden ist, wobei die Drehstabfeder (22) als ein geschachteltes [X.]system ausgeführt ist, bestehend aus einer [X.] (22a) und einer [X.] (22b), wobei die [X.]stange (40) als eine Feder definierter Federrate ausgebildet ist, wobei die [X.]stange (40) eine
[X.] Blattfeder ist, deren Federfußpunkte (47) über die Gelenke (42) an dem [X.] (38) und an dem [X.] (12) angelenkt sind, und wobei die [X.] Blattfeder eine sichelförmige Seitenkontur mit einem mittleren Bereich hoher Materialstärke (s1) aufweist, der sich zu den gelenkseitigen Federfußpunkten (47) hin verjüngt.“

Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 3a, übergeben in der mündlichen Verhandlung (Änderungen gegenüber Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 3 sind kenntlich gemacht), lautet:

„[X.] für eine Radaufhängung eines Kraftfahrzeuges, mit einer Drehstabfeder (22), die über einen [X.] (28) in ihrer Vorspannung verstellbar ist, wobei die Drehstabfeder (22) radseitig auf einen [X.] (38) wirkt, der über [X.]stange (40) an einem [X.] (12) der Radaufhängung angelenkt ist, welche [X.]stange (40) über Gelenke (42) mit dem [X.] (38) und mit dem [X.] (12) verbunden ist, wobei die Drehstabfeder (22) als ein geschachteltes [X.]system ausgeführt ist, bestehend aus einer [X.] (22a) und einer [X.] (22b), wobei die [X.]stange (40) als eine Feder definierter Federrate ausgebildet ist, wobei die [X.]stange (40) eine
[X.] Blattfeder ist, deren Federfußpunkte (47) über die Gelenke (42) an dem [X.] (38) und an dem [X.] (12) angelenkt sind, und wobei die [X.] Blattfeder eine sichelförmige Seitenkontur mit einem mittleren Bereich hoher Materialstärke (s1) aufweist, der sich zu den gelenkseitigen Federfußpunkten (47) hin verjüngt, wobei der [X.] (38) ein starr ausgebildetes Bauteil ohne Federeigenschaften ist, und wobei die Drehstabfeder (22) und die [X.]stange (40) über den starr ausgebildeten [X.] (38) verbunden sind, der ohne Speicherung/Abgabe von Federarbeit alleine der Drehmomentübertragung von der Drehstabfeder (22) auf die [X.]stange (40) dient.“

Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 4, eingereicht mit Schriftsatz vom 13. April 2022 (Änderungen gegenüber Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 3 sind kenntlich gemacht), lautet:

„[X.] für eine Radaufhängung eines Kraftfahrzeuges, mit einer Drehstabfeder (22), die über einen [X.] (28) in ihrer Vorspannung verstellbar ist, wobei die Drehstabfeder (22) radseitig auf einen [X.] (38) wirkt, der über [X.]stange (40) an einem [X.] (12) der Radaufhängung angelenkt ist, welche [X.]stange (40) über Gelenke (42) mit dem [X.] (38) und mit dem [X.] (12) verbunden ist, wobei die Drehstabfeder (22) als ein geschachteltes [X.]system ausgeführt ist, bestehend aus einer [X.] (22a) und einer [X.] (22b), wobei die [X.]stange (40) als eine Feder definierter Federrate ausgebildet ist, wobei die [X.]stange (40) eine
[X.] Blattfeder ist, deren Federfußpunkte (47) über die Gelenke (42) an dem [X.] (38) und an dem [X.] (12) angelenkt sind, und wobei die [X.] Blattfeder eine sichelförmige Seitenkontur mit einem mittleren Bereich hoher Materialstärke (s1) aufweist, der sich zu den gelenkseitigen Federfußpunkten (47) hin verjüngt, und wobei der [X.] (38) und der [X.] (28) in der [X.] jeweils an der dem Fahrzeugrad (16) zugewandten Seite des [X.]s positioniert sind, wobei die Drehstabfeder (22) ausgehend von dem [X.] (28) als [X.] (22a) verläuft, die am vom [X.] (28) abgewandten Ende trieblich mit einem Vollstab (22b) verbunden ist, der zurückverlaufend durch den [X.] (28) hindurch mit dem [X.] (38) verbunden ist.“

Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 4a, übergeben in der mündlichen Verhandlung (Änderungen gegenüber Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 4 sind kenntlich gemacht), lautet:

„[X.] für eine Radaufhängung eines Kraftfahrzeuges, mit einer Drehstabfeder (22), die über einen [X.] (28) in ihrer Vorspannung verstellbar ist, wobei die Drehstabfeder (22) radseitig auf einen [X.] (38) wirkt, der über [X.]stange (40) an einem [X.] (12) der Radaufhängung angelenkt ist, welche [X.]stange (40) über Gelenke (42) mit dem [X.] (38) und mit dem [X.] (12) verbunden ist, wobei die Drehstabfeder (22) als ein geschachteltes [X.]system ausgeführt ist, bestehend aus einer [X.] (22a) und einer [X.] (22b), wobei die [X.]stange (40) als eine Feder definierter Federrate ausgebildet ist, wobei die [X.]stange (40) eine
[X.] Blattfeder ist, deren Federfußpunkte (47) über die Gelenke (42) an dem [X.] (38) und an dem [X.] (12) angelenkt sind, und wobei die [X.] Blattfeder eine sichelförmige Seitenkontur mit einem mittleren Bereich hoher Materialstärke (s1) aufweist, der sich zu den gelenkseitigen Federfußpunkten (47) hin verjüngt, und wobei der [X.] (38) und der [X.] (28) in der [X.] jeweils an der dem Fahrzeugrad (16) zugewandten Seite des [X.]s positioniert sind, wobei die Drehstabfeder (22) ausgehend von dem [X.] (28) als [X.] (22a) verläuft, die am vom [X.] (28) abgewandten Ende trieblich mit einem Vollstab (22b) verbunden ist, der zurückverlaufend durch den [X.] (28) hindurch mit dem [X.] (38) verbunden ist, wobei der [X.] (38) ein starr ausgebildetes Bauteil ohne Federeigenschaften ist, und wobei die Drehstabfeder (22) und die [X.]stange (40) über den starr ausgebildeten [X.] (38) verbunden sind, der ohne Speicherung/Abgabe von Federarbeit alleine der Drehmomentübertragung von der Drehstabfeder (22) auf die [X.]stange (40) dient.“

Wegen des Wortlauts der [X.] der jeweiligen Anträge und weiterer Einzelheiten wird auf die Akte verwiesen.

II.

Die Beschwerde der Einsprechenden gegen den Beschluss der [X.] hat in der Sache Erfolg. Denn der Schutzbereich des Patents ist in seiner durch den angefochtenen Beschluss beschränkt aufrechterhaltenen Fassung wie auch durch die Fassung des [X.] unzulässig erweitert worden (§ 22 Abs. 1 [X.]). Des Weiteren beruhen die Gegenstände der jeweiligen Patentansprüche 1 nach den [X.] 2, 3, 3a, 4 und 4a nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (§ 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. § 4 [X.]). Vor diesem Hintergrund kann der Senat dahingestellt sein lassen, ob mit den [X.] der Patentinhaberin für die Einsprechende eine Verschlechterung ihrer Rechtsposition (reformatio in peius) einhergeht.

1. Die [X.] wurde rechtzeitig eingelegt und ist auch sonst zulässig. Der Einspruch war ausreichend substantiiert und ebenfalls zulässig.

2. Als Fachmann wird bei dem Verständnis der Erfindung sowie der nachfolgenden Bewertung des Standes der Technik von einem Durchschnittsfachmann ausgegangen, der als Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Fahrzeugtechnik ausgebildet ist und der über mehrere Jahre Berufserfahrung auf dem Gebiet der Entwicklung von Radaufhängungen von Kraftfahrzeugen verfügt.

3. Das Streitpatent betrifft gemäß Abs. [0001] der Streitpatentschrift (im Folgenden mit [X.]) einen [X.] für die Radaufhängung eines Kraftfahrzeuges.
Die [X.] führt im Weiteren dazu aus, dass ein solcher [X.] sowohl für die Vorderachse als auch für die Hinterachse anwendbar sei. Für jedes Fahrzeugrad könne ein solcher [X.] vorgesehen sein, damit pro Fahrzeugrad aktive Kräfte gestellt werden könnten. Ein solcher [X.] sei beispielhaft aus der Druckschrift [X.] bekannt. Der [X.] weise eine mittels eines Aktuators betätigbare Drehstabfeder auf, die sich in der [X.] bis etwa in die Fahrzeugquermitte erstrecke und radseitig auf einen [X.] wirke, der wiederum an einem Radführungselement der Radaufhängung angelenkt sei. Die Drehstabfeder sei mehrteilig sowie in verschachtelter Anordnung ausgeführt, bei der zwei radial äußere Hohlstäbe sowie ein radial innenliegender Vollstab aus Federstahl vorgesehen seien, die über zum Beispiel [X.] miteinander kraftübertragend verbunden seien (vgl. Abs. [0002] der [X.]). Bei diesem [X.]system, so führt die [X.] in den folgenden Abs. [0004] und [0005] aus, werde die Federarbeit im Wechselspiel der Ein- und Ausfederbewegung des Rades aufgenommen bzw. abgegeben. Gleichzeitig sei es möglich, mittels des Aktuators Momente zu überlagern, das heißt die [X.] je nach Erfordernis aufzuziehen oder zu entspannen. Durch das Vorhandensein der Tragfeder als eine [X.] müssten mit dem [X.] nur anteilig Stellkräfte zur Radlaständerung gestellt werden. Es finde ständig eine Überlagerung der Federkräfte aus [X.] und [X.] statt, und zwar je nachdem wie die Fahrsituation dies erfordere und die Steuerung dies vorgebe. Am Ausgang des [X.]systems befinde sich eine Schwinge, an deren Ende [X.] angelenkt sei. [X.] verbinde die Schwinge mit dem Trapezlenker, der mit dem Fahrzeugrad verbunden sei. Somit könnten die im [X.] erzeugten Drehmomente über den [X.]/Getriebe/[X.]/Schwinge/[X.]/Trapezlenker/Fahrzeugrad letztlich als lineare Stellkräfte auf das Fahrzeugrad übertragen werden. Die Drehschwinge, das heißt der [X.], sei bei diesem [X.]system absolut starr ohne Einfluss auf die Gesamtfederkonstante des Systems ausgelegt.
Bestehe nun beispielsweise Bedarf, eine weichere Drehstabfeder zu realisieren, so müsste als erste Maßnahme der Durchmesser von [X.] und/oder [X.] reduziert werden. Mit dem Reduzieren des Durchmessers würde jedoch das Arbeitsvermögen des [X.]stabes abnehmen und würden gleichzeitig auch die Spannungen überproportional zunehmen, so dass die Rohr- und Stabfeder verlängert werden müssten. Eine solche Längenänderung sei jedoch aufgrund der äußerst kritischen Platzverhältnisse im Bereich der Radaufhängung nicht durchführbar. Dies habe zur Folge, dass insbesondere bei kleineren [X.], bei denen eine Reduzierung der Gesamtfedersteifigkeit unumgänglich sei, ein derartiger [X.] aufgrund der hohen Packungsdichte nicht eingebaut werden könne.

4. Der Erfindung liegt demzufolge gemäß Absatz [0007] der [X.] die Aufgabe zugrunde, einen [X.] bereitzustellen, bei dem mit baulich und konstruktiv einfachen Mitteln die Gesamtfederkonstante des [X.]s beeinflussbar ist.

5. Hauptantrag:
Die Prüfung der Patentfähigkeit erfordert regelmäßig eine Auslegung des Patentanspruchs, bei der dessen Sinngehalt in seiner Gesamtheit und der Beitrag, den die einzelnen Merkmale zum Leistungsergebnis der Erfindung liefern, zu bestimmen sind ([X.], 1124 – [X.]). Dies gilt auch für das Einspruchs- und [X.]verfahren. Dazu ist zu ermitteln, was sich aus der Sicht des angesprochenen Fachmanns aus den Merkmalen des Patentanspruchs im Einzelnen und in ihrer Gesamtheit als unter Schutz gestellte technische Lehre ergibt, wobei der Fachmann auch die Beschreibung und Zeichnungen heranzuziehen hat ([X.], 859 – Informationsübermittlungsverfahren). Dies darf allerdings weder zu einer inhaltlichen Erweiterung noch zu einer sachlichen Einengung des durch den Wortlaut des Patentanspruchs festgelegten Gegenstands führen ([X.], 1023 – Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung). Begriffe in den Patentansprüchen sind deshalb so zu deuten, wie sie der angesprochene Fachmann nach dem Gesamtinhalt der Patentschrift und Berücksichtigung der in ihr objektiv offenbarten Lösung bei unbefangener Erfassung der im Anspruch umschriebenen Lehre zum technischen Handeln versteht. Darüber hinaus darf allein aus Ausführungsbeispielen nicht auf ein engeres Verständnis des Patentanspruchs geschlossen werden ([X.], 779 – Mehrgangnabe).

Zur Erleichterung von Bezugnahmen sind die Merkmale des Patentanspruchs 1 in der beschränkt aufrechterhaltenen Fassung, dessen Gegenstand die Aufgabe lösen soll, nachstehend in Form einer strukturierten Merkmalsgliederung wiedergegeben:

[X.] Kraftfahrzeug, bei dem jedem Fahrzeugrad (16) ein [X.] für eine Radaufhängung des Kraftfahrzeuges zugeordnet ist,

[X.].1 so dass für jedes Fahrzeugrad (16) funktionell unabhängig von den anderen Fahrzeugrädern (16) aktive Stellkräfte erzeugbar sind,

[X.] wobei jeder [X.] eine Drehstabfeder (22) aufweist,

[X.].1 die über einen [X.] (28) in ihrer Vorspannung verstellbar ist,

[X.] wobei die Drehstabfeder (22) radseitig auf einen [X.] (38) wirkt,

[X.] der über [X.]stange (40) an einem Radführungselement (12) der Radaufhängung angelenkt ist,

[X.].1 welche [X.]stange (40) über Gelenke (42) mit dem [X.] (38) und mit dem Radführungselement (12) verbunden ist,

dadurch gekennzeichnet,

[X.].2 dass die [X.]stange (40) als eine Feder definierter Federrate ausgebildet ist,

[X.].3 dass die [X.]stange (40) eine C-förmige Blattfeder ist,

[X.].3.1 deren Federfußpunkte (47) über die Gelenke (42) an dem [X.] (38) und an dem Radführungselement (12) angelenkt sind, und

[X.].3.2 dass die C-förmige Blattfeder eine sichelförmige Seitenkontur mit einem mittleren Bereich hoher Materialstärke (s1) aufweist, der sich zu den gelenkseitigen Federfußpunkten (47) hin verjüngt.

Der vorstehend definierte Fachmann entnimmt dem Patentanspruch 1 gemäß Merkmal [X.] ein Kraftfahrzeug, bei dem jedem Fahrzeugrad ein [X.] für eine Radaufhängung des Kraftfahrzeuges zugeordnet ist, so dass gemäß Merkmal [X.].1 für jedes Fahrzeugrad funktionell unabhängig von den anderen Fahrzeugrädern aktive Stellkräfte erzeugbar sind.

Abbildung

[X.]: [X.]. 1 der [X.]

Der [X.] ist u.a. gebildet aus einer [X.] (Merkmal [X.]), die auch aus mehreren Bauteilen bestehen kann, wie z. [X.] bei dem für ein Hinterrad 16 konzipierten [X.] gemäß dem Ausführungsbeispiel nach den [X.]. 1 bis 4 der [X.] aus einer [X.] 22a und einem Vollstab 22b aus Federmaterial (vgl. Abs. [0026] und [0029] der [X.] i.V.m. der als [X.] eingeblendeten [X.]. 1 der [X.]).

Die Drehstabfeder weist ferner radseitig ausweislich Abs. [0021] der [X.] einen mit der Drehstabfeder wirkverbundenen [X.] 38 (Merkmal [X.]), und eine als eine Feder definierter Federrate ausgebildete [X.]stange 40 auf (Merkmal [X.] und [X.].2), welche über Gelenke 42 mit dem [X.] 38 und einem Radführungselement, wie z. [X.] einem unteren Querlenker 12 (vgl. Abs. [0026] der [X.]), verbunden ist (Merkmal [X.].1).

Die [X.] ist über einen [X.] 28 in ihrer Vorspannung verstellbar (Merkmal [X.].1). Der [X.] kann, wie zum Ausführungsbeispiel beschrieben, sich aus einem in beide Drehrichtungen betreibbaren Elektromotor und einem hoch übersetzenden Getriebe (zum Beispiel einem Harmonic-Drive-Getriebe oder einem Zykloidgetriebe) zusammensetzen, wobei ein Abtriebselement des Getriebes mit der [X.] trieblich verbunden sein kann. Insoweit lässt sich bei entsprechender Ansteuerung zum Beispiel über ein elektronisches Fahrstabilitätsprogramm nach Maßgabe fahrdynamischer Parameter die Vorspannung der Drehstabfeder und der federnd ausgebildeten [X.]stange von einer Grundauslegung erhöhen oder vermindern, um in an sich bekannter Weise das [X.] zu verändern oder einer Wank- und/oder Nickneigung des Fahrzeuges entgegenzuwirken (vgl. Abs. [0032] und [0041] der [X.]). Durch die Reihenschaltung der Drehstabfeder mit der federnd ausgeführten [X.]stange 40 kann die über den [X.] 28 gesteuerte Federrate vermindert werden (vgl. Abs. [0043] der [X.]). Dabei beinhaltet die Reihenschaltung den [X.], dem kein federndes Verhalten zugeschrieben ist, neben der hier nicht beachtlichen physikalischen Selbstverständlichkeit, dass sämtliche real existierenden Komponenten inhärente Federeigenschaften aufweisen, sondern vielmehr als ein starres Bauteil anzusehen ist: „Bei dieser Anordnung ist es besonders von Vorteil, dass die im Lastpfad zwischen der Drehstabfeder und der [X.]stange zwischengeschaltete [X.] als ein starres Bauteil ohne Federeigenschaften, das heißt ohne Einfluss auf die Gesamtfederkonstante, ausgeführt ist.“, vgl. Abs. [0015] der [X.]).

Abbildung

Abb. 2: [X.]. 3 der [X.]

Die als Feder definierter Federrate ausgebildete [X.]stange 40 ist gemäß Merkmalsgruppe [X.].3 als C-förmige Blattfeder ausgeführt, wobei deren Federfußpunkte 47 über die Gelenke 42 an dem [X.] 38 und an dem Radführungselement 12 angelenkt sind, und die C-förmige Blattfeder eine sichelförmige Seitenkontur mit einem mittleren Bereich hoher Materialstärke (s1) aufweist, der sich zu den gelenkseitigen Federfußpunkten 47 hin verjüngt (vgl. [X.]. 3 der [X.], die vorstehend als Abb. 2 eingeblendet ist).

6. Der Schutzbereich des Streitpatents in der beschränkt aufrechterhaltenen Fassung (Hauptantrag) ist gegenüber demjenigen des Streitpatents in der erteilten Fassung unzulässig erweitert. Denn mit der Änderung in Merkmal [X.] von Patentanspruch 1 von „[X.] für eine Radaufhängung eines Kraftfahrzeugs“ der ursprünglich erteilten Fassung in „Kraftfahrzeug, bei dem jedem Fahrzeugrad (16) ein [X.] für eine Radaufhängung des Kraftfahrzeugs zugeordnet ist“ geht nach Überzeugung des Senats eine unzulässige Erweiterung im Sinne des § 22 Abs. 1 [X.] einher. Insofern erfährt der zuvor geschützte Gegenstand des Patents eine Änderung, die zu einem [X.] führt, was mit einer nachträglichen Verlagerung des Patentschutzes und einer Beeinträchtigung der Rechtssicherheit für Dritte einhergeht. Insoweit kann dahinstehen, ob auf Basis der ursprünglichen Offenbarung eine unzulässige Erweiterung vorliegt.

Nach der Rechtsprechung des [X.] führt die nachträgliche Einbeziehung eines vom Streitpatent in der erteilten Fassung nicht geschützten Gegenstands in einen Patentanspruch zu einer Erweiterung des Schutzbereichs des Streitpatents. Das Patentnichtigkeitsverfahren eröffnet dem Patentinhaber zwar die Möglichkeit, das Schutzrecht in eingeschränkter Fassung zu verteidigen. Es dient aber nicht darüber hinaus der Gestaltung des Patents. Diese Funktion ist vielmehr allein dem Patenterteilungsverfahren zugewiesen. Deshalb darf ein Patentanspruch im [X.] nicht so geändert werden, dass er einen von der erteilten Fassung nicht umfassten Gegenstand einbezieht ([X.] GRUR 2005, 145 – elektronisches Modul; [X.] GRUR 2019, 389 – Schaltungsanordnung III). Für die Beurteilung des [X.] ist § 22 Abs. 1 letzter Halbs. [X.] 1981 heranzuziehen, der die Erweiterung des Schutzbereichs des Patents als [X.] aufführt und damit voraussetzt, dass eine Erweiterung auch schon im Einspruchsverfahren unzulässig ist ([X.] GRUR 1990, 432 – Spleißkammer).

Im vorliegenden Fall stellt Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung einen [X.] für eine Radaufhängung eines Kraftfahrzeuges mit einer Drehstabfeder unter Schutz. Damit muss dieser [X.] lediglich für den Betrieb mit einer Radaufhängung eines Kraftfahrzeugs geeignet sein, während das Fahrzeug in seiner strukturellen Ausgestaltung nicht zum Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 gehört. Anders legt es Anspruch 1 nach Hauptantrag mit den darüberhinausgehenden obligatorischen Forderungen nach einem Kraftfahrzeug mit Radaufhängungen und Rädern gemäß der Merkmalsgruppe [X.] fest. Daran ändert sich auch dadurch nichts, dass [X.]ur 1 nach der Beschreibung „eine Draufsicht auf [X.] einer linksseitigen Radaufhängung einer Hinterachse eines Kraftfahrzeuges…“ zeigen soll und darin neben den Komponenten des [X.]s auch weitergehende Bauteile des Kraftfahrzeugs, wie die Radaufhängung, [X.], etc. zeigen. Denn der Schutzbereich eines Patents wird durch den Patentanspruch (in der erteilten Fassung) bestimmt, nach dem vorliegend der [X.] zwar die Eignung für den Betrieb mit einer Radaufhängung eines Kraftfahrzeugs aufweist, nicht aber zwangsläufig selbst Teil eines Kraftfahrzeugs sein muss.

[X.] hat in ihrem Schriftsatz vom 13. April 2022 den sogenannten [X.] herangezogen (vgl. [X.], [X.], 11. Aufl., § 22 Rn. 15, Busse/Keukenschrijver, [X.], 9.Aufl., § 22, Rn. 176), wonach eine Erweiterung des Schutzbereichs in der Regel dann vorliegt, wenn eine Handlung nach dem geänderten Patentanspruch eine Patentverletzung wäre, die nach dem erteilten Anspruch keine Verletzung war. Im vorliegenden Fall führe dieser Test im Ergebnis zu keiner Schutzbereichserweiterung, auch anhand der Tatsache, dass im Gegensatz zur erteilten Fassung mit dem Schutz von [X.]n in beliebigen Einbausituationen nunmehr der konkrete Einbau des [X.]s in einem Kraftfahrzeug beansprucht sei. Dieses Vorbringen überzeugt schon deswegen nicht, weil vorliegend mit dem Wechsel vom [X.] „[X.]“ zum „Kraftfahrzeug mit [X.]“ als [X.] ein [X.] zum ursprünglich erteilten [X.] gebildet wird. Darüber hinaus wird im geänderten Patentanspruch eben nicht - wie angeführt - der „Einbau eines [X.]s in ein Kraftfahrzeug“, sondern ein „Kraftfahrzeug mit [X.]“ beansprucht.

[X.] hat weitergehend auf [X.], [X.], 10. Aufl., § 1, Rn. 176 verwiesen (vgl. hierzu auch [X.], [X.], 11. Aufl., § 1, Rn. 191): „…Zulässig ist daher eine Änderung, … wenn ein Anspruch auf Erzeugnis A ersetzt wird durch einen Anspruch auf ein Erzeugnis B, das Erzeugnis A enthält oder einschließt.“. Diese Kommentarstelle bezieht sich ausweislich ihrer Fußnote auf die Rechtsprechung in [X.] Verfahren, wobei dieser Aspekt auch dort schon umstritten ist (zustimmend [X.] und [X.], jedoch [X.] T 1898/07). Diese Bezugnahme führt schon deswegen nicht zum Erfolg, weil die Beschwerdekammern des [X.] auch insoweit eine differenzierte Betrachtungsweise je nach der Komplexität der Gegenstände, insbesondere des „Erzeugnisses B“ vornehmen (vgl. [X.] und [X.]). Danach liegt ein Verstoß gegen Art. 123 (3) EPÜ (vgl. §§ 21, 22 und 38 [X.]) und damit eine unzulässige Schutzbereichserweiterung vor jedenfalls auch bei einer Änderung des Anspruchs von einem körperlichen Gegenstand zu einem komplexeren Gegenstand hin. Dies ist auch vorliegend bei dem Wechsel von einem (einfachen) „[X.]“ zu einem (komplexeren) „Kraftfahrzeug mit [X.]“ als Patentgegenstand gegeben.

Somit konnte der Senat nur zu dem Schluss kommen, dass der auf ein Kraftfahrzeug, bei dem jedem Fahrzeugrad ein [X.] für eine Radaufhängung des Kraftfahrzeugs zugeordnet ist, gerichtete Schutzbereich erweitert ist und der Hauptantrag insoweit als unzulässig anzusehen ist.

7. Hilfsantrag 1:
Der Schutzbereich des Streitpatents in der beschränkt aufrechterhaltenen Fassung gemäß Hilfsantrag 1 ist gegenüber dem des Streitpatents in der erteilten Fassung unzulässig erweitert. Insoweit kann ebenfalls dahinstehen, ob auf Basis der ursprünglichen Offenbarung eine unzulässige Erweiterung vorliegt.

Der Gegenstand nach Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 umfasst alle Merkmale des Gegenstands nach Anspruch 1 gemäß Hauptantrag und wird zudem durch ein ursprünglich offenbartes Merkmal (vgl. z.B. Abs. [0008] der mit den ursprünglich eingereichten Unterlagen identischen und im Folgenden mit [X.] kurzbezeichneten Offenlegungsschrift [X.] 10 2012 005 395 [X.])

[X.].2

beschränkt.

Gemäß dem vorstehenden bereits referenzierten Ausführungsbeispiel (vgl. [X.]) schließt sich die [X.] 22a einerseits an den [X.] 28 an und ist andererseits trieblich über eine Steckverbindung 32 mit der [X.] 22b verbunden, die ihrerseits (mittelbar) über den [X.] 38 auf die [X.]stange wirkt.

Wenn auch das neu aufgenommene Merkmal [X.].2

Somit konnte der Senat ebenfalls nur zu dem Schluss kommen, dass der auf ein Kraftfahrzeug, bei dem jedem Fahrzeugrad ein [X.] für eine Radaufhängung des Kraftfahrzeugs zugeordnet ist, gerichtete Schutzbereich, erweitert ist und der Hilfsantrag 1 insoweit als unzulässig anzusehen ist.

8. Hilfsanträge 2, 3, 3a, 4 und 4a
Die jeweiligen Gegenstände des Patentanspruchs 1 nach den [X.] 2, 3, 3a, 4 und 4a sind durch den Stand der Technik gemäß den Druckschriften [X.] und [X.] nahegelegt und somit nicht patentfähig. Insofern kann es auch dahinstehen, ob es sich bei diesen Hilfsanträgen tatsächlich um eine reformatio in peius handelt.

Die Gegenstände der Patentansprüche 1 gemäß den [X.] 2, 3, 3a und 4 umfassen jeweils den Gegenstand des enger gefassten Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 4a. Nachdem letzterer – wie die nachfolgenden Ausführungen zum Hilfsantrag 4a zeigen – nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, sind auch die Gegenstände der Patentansprüche 1 gemäß den [X.] 2, 3, 3a und 4 nicht patentfähig.

Der Gegenstand nach Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4a umfasst alle Merkmale des Gegenstands nach Hilfsantrag 1 mit Ausnahme der Merkmale [X.], [X.].1 und [X.], die durch die Merkmale

[X.]

[X.]

ersetzt sind, und wird zudem durch folgende neu hinzugekommenen Merkmale ergänzt:

[X.]

[X.]

Mit den die Merkmale [X.], [X.],1 und [X.] ersetzenden Merkmalen [X.] [X.] [X.] [X.]

Mit Merkmal [X.] [X.]

Merkmal [X.] [X.] und [X.] hervor.

9. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 4a ist durch den Stand der Technik nahegelegt und somit nicht patentfähig.

Als geeigneter Ausgangspunkt des Standes der Technik ist die in der Beschreibungseinleitung bereits genannte Druckschrift [X.] heranzuziehen, die einen [X.] bzw. Stabilisator 44 für eine Radaufhängung eines Kraftfahrzeuges (vgl. Bezeichnung) gemäß Merkmal [X.]

Gemäß dem in den [X.]uren 1 und 2 (vgl. Abb. 3) gezeigten und in der Beschreibung ab Abs. [0018] beschriebenen Ausführungsbeispiel weist der zweiteilig ausgeführte Stabilisator 44 (Abs. [0025]: „Ein jedes der Stabilisatorteile 43 des Stabilisators 44 ist im Detail entsprechend der [X.]. 2 (nicht dargestellte Anordnung spiegelbildlich) ausgeführt…“) einer Radaufhängung eines Kraftfahrzeugs eine Drehstabfeder (Merkmal [X.] [X.].1 in ihrer Vorspannung verstellbar ist (vgl. Abs. [0022]). Ausweislich der [X.]uren 1 und 2 ist ersichtlich, dass die Drehstabfeder als ein geschachteltes [X.]system ausgeführt ist.

Abbildung

Abbildung

Abb. 3: [X.]. 1 und 2 der Druckschrift [X.]

Dieses System weist eine von dem [X.] 46 ausgehende [X.] 49 auf, die an ihrem distalen Ende (in der Zeichenebene rechts) über eine Keilverzahnung mit einer [X.] 47 drehfest verbunden ist (vgl. Abs. [0026]). Die [X.] verläuft innerhalb der [X.] zurück, durch den [X.] hindurch und wirkt an diesem (in der Zeichenebene links liegenden) Ende auf einen [X.] 41 durch ihre mit ihm ersichtliche (über eine weitere Hohlwelle 51 mittelbare) Verbindung (vgl. Abs. [0027] und [0028]), insoweit die Forderungen der Merkmale [X.].2 [X.] und [X.]

Dem [X.] werden hinsichtlich des Ausführungsbeispiels keine Federeigenschaften zugesprochen. In Abs. [0014] ist diesbezüglich ergänzend herausgestellt, dass gerade nur in Abwandlung zu dieser Ausführungsform der [X.] zusätzlich und/oder alternativ als ein Federelement mit vorgegebener Federhärte ausgeführt sein kann. Insoweit weist der starr ausgebildete, keine (relevanten) Federeigenschaften aufweisende [X.] 41 des Ausführungsbeispiels die Eignung auf, alleine der Drehmomentübertragung von dem aus dem geschachtelten aus der [X.] 49, [X.] 47 (und [X.] 51) bestehenden [X.]system auf die nicht zum Gegenstand des Anspruchs 1 umfasste Radaufhängung dienen zu können, [X.] der Definition des Merkmals [X.]

Die Beteiligten stimmen darin überein, dass die Merkmalsgruppe [X.] in der Druckschrift [X.] nicht offenbart ist. Eine [X.]stange weist der dortige Stabilisator explizit mithin nicht auf, denn, wie in Abs. [0020] lediglich funktional beschrieben, dient der [X.] 41 dazu, eine Verstellkraft Fv über einen Anlenkpunkt 42 auf einen unteren Lenker, einem Trapezlenker 16 der radseitig an einem Radträger und aufbauseitig an einem Hilfsrahmen 20 schwenkbar angelenkt ist, einer Radaufhängung zu übertragen, ohne dabei irgendwie geartete strukturelle Ausführungen zu thematisieren, die eine Verbindung mit der nicht vom beanspruchten Gegenstand umfassten Radaufhängung ermöglichen könnte.

Der im Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4a beanspruchte [X.] ist daher gegenüber der [X.] [X.] neu.

Die Gegenstände der weiteren in den unterschiedlichen Verfahrenszügen berücksichtigten Druckschriften kommen dem Gegenstand des [X.] 4a nicht näher, auch nicht die auf dem gleichen Themengebiet liegende Druckschrift [X.], die die Einsprechende u.a. als Ausgangspunkt im vorliegenden [X.]verfahren gewählt hatte. Denn der dortige [X.] bezieht sich auf einteilige [X.], die zwar noch für die Hilfsanträge 2 bis 3a eine geeignete Ausgangsbasis hätten darstellen können. Jedoch liegen durch die Aufnahme des Merkmals [X.] [X.] zur Beurteilung einer erfinderischen Tätigkeit – wie die nachfolgenden Erläuterungen dazu zeigen – zur Kombination mit der Druckschrift [X.] anbietet. Dies hat zur Folge, dass der Gegenstand des [X.] nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

Die Druckschrift [X.] betrifft einen aktiven Stabilisator für ein Kraftfahrzeug, der zwei Räder einer Fahrzeugachslinie koppelt und der aus einem [X.] zugeordneten ersten Stabilisatorteil 1 und aus einem [X.] zugeordneten zweiten Stabilisatorteil 2, sowie aus einem die Stabilisatorteile 1, 2 koppelnden Aktuator 3 besteht (vgl. Patentanspruch 1 i.V.m [X.]. 3; vgl. Abb. 4).

Abbildung

Abb. 4: [X.]. 3 der Druckschrift [X.]

Zur Befestigung des Stabilisators am Kraftfahrzeug sind Tragflansche 10, 11 vorgesehen. Die Stabilisatorteile, die im Sinne des Streitpatents als Drehstabfeder aufzufassen sind, sind an ihren dem als [X.] wirkenden Aktuator 3 abgewandten Ende, wie der vorstehenden Abb. 4 zu entnehmen ist, abgewinkelt. Diese abgewinkelten Enden übernehmen insoweit die Funktion der Drehmomentübertragung auf nachfolgende [X.] 8, 9 entsprechend streitpatentgemäßer [X.]. Diese [X.] – die bereits aufgrund ihrer Wortwahl pendelnd angeordnet sein müssen und sich von daher starre Anbindungen zu mit ihnen verbundenen Bauteilen verbietet – sind – wie ergänzend zur Wortwahl durch die fachnotorisch bekannte Darstellung mittels angedeuteter Kreise erkennbar – über Gelenke mit den [X.]n zu ihrer einen Seite und über weitere an ihren anderen Enden angeordneten, den Rädern zugeordneten Gelenken 6, 7, gleichsam mit nicht dargestellten [X.]en verbunden. Bei der vorstehend ersichtlichen Ausführung sind die [X.] als Blattfedern gezeigt und gemäß Abs. [0017] auch als solche beschrieben. Insoweit erfüllt die [X.] 8 bzw. 9 bereits die Forderungen der Merkmale [X.], [X.].1 und [X.].2.

Geht der zuständige Fachmann vom Gegenstand der Druckschrift [X.] aus, wird er bereits durch Abs. [0014], der ohne weitergehende konstruktive Anleitungen zu geben darauf hinweist, dass ein Abtriebselement auch nach Art einer Blattfeder zwischen den Stabilisatorteil und den Radaufhängungsteil geschaltet sein kann, dazu veranlasst, zu der in der Druckschrift [X.] bereits formulierten Aufgabe, die Anordnung eines zweiteilig ausgeführten Stabilisators an einer Radaufhängung eines Kraftfahrzeuges bereitzustellen, bei dem die betriebsbedingten torsionalen Spannungen in den Stabilisatorteilen reduziert sind – [X.] übereinstimmend mit der streitpatentgemäßen Aufgabe –, weitergehende Lösungen der Beeinflussung der Federrate im Stand der Technik zu suchen.

Die Druckschrift [X.], die wie vorstehend ausgeführt, ebenfalls Stabilisatoren für Radaufhängungen von Kraftfahrzeugen zum Gegenstand hat, beschäftigt sich insbesondere ebenfalls mit der Auslegung der Federrate und schlägt insoweit Reihenschaltungen von Federn vor (vgl. Abs. [0009]).

Dadurch ist der Fachmann dazu veranlasst, beim Stabilisator gemäß der Ausführungsform nach den [X.]uren 1 und 2 der Druckschrift [X.] (vgl. Abb. 3) neben dem starren [X.] 41 ein weiteres Abtriebselement in Form einer Blattfeder, wie mit dem Ausführungsbeispiel der [X.]. 3 der Druckschrift [X.] (vgl. Abb. 4) vorgeschlagen, zur weitergehenden Beeinflussung der Federrate in Reihe zu dem [X.]system, das ebenfalls bereits aus einer Reihenschaltung von Vollstab- und [X.]n besteht, vorzusehen. Durch die naheliegende Kombination der beiden Lehren gelangt er, ohne erfinderisch tätig werden zu müssen, zu einem Gegenstand, der sämtliche Merkmale des [X.] 4a aufweist, mit Ausnahme derjenigen der Merkmalsgruppe [X.].3. Diese Merkmalsgruppe vermag jedoch, nach Überzeugung des Senates, auch keine erfinderische Tätigkeit begründen, da der Fachmann die Form der Blattfeder aufgrund seiner Fachkenntnisse bauteilspannungsgerecht, wie zumindest im Studium erlernt, auslegen wird, da ihm die Druckschrift [X.] mit ihrer lediglich schematischen Darstellung der Blattfeder keine Anleitung zur Auslegung bietet.

Abbildung

Abb. 5: [X.]. 2 der Druckschrift [X.] (links) und [X.]. 1 der Druckschrift [X.] (rechts)

Als Beleg für dieses Fachwissen sei beispielhaft auf die [X.]. 2 der Druckschrift [X.] oder auf die [X.]. 1 der Druckschrift [X.] verwiesen (vgl. Abb. 5), die beide derartige C-förmige Blattfedern von Radaufhängungen zeigen, mit sichelförmigen Seitenkonturen mit einem mittleren Bereich hoher Materialstärke, der sich zu Federfußpunkten hin verjüngt.

Damit ergibt sich der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 4a mit sämtlichen Merkmalen für den Fachmann in naheliegender Weise aus der Kenntnis des Standes der Technik gemäß den Druckschriften [X.] und [X.] in Verbindung mit seinem Fachwissen.

10. Mit dem nicht patentfähigen Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 4a sind auch die auf diese Ansprüche direkt oder indirekt rückbezogenen jeweiligen Unteransprüche nicht schutzfähig (vgl. [X.], 862 – Informationsübermittlungsverfahren II).

11. Nachdem die jeweiligen Anspruchssätze nach Hauptantrag und Hilfsantrag 1 unzulässig und die Gegenstände der jeweiligen Ansprüche 1 der Hilfsanträge 2, 3, 3a, 4 und 4a nicht schutzfähig sind, war das Patent auf die Beschwerde der Einsprechenden zu widerrufen.

Meta

9 W (pat) 58/19

10.08.2022

Bundespatentgericht 9. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

§ 22 Abs 1 PatG

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 10.08.2022, Az. 9 W (pat) 58/19 (REWIS RS 2022, 6512)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 6512

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

9 W (pat) 17/18 (Bundespatentgericht)

Patenteinspruchsbeschwerdeverfahren - "Laderaumabdeckung für ein Kraftfahrzeug" - zur Frage der Patentfähigkeit


6 Ni 7/22 (EP) (Bundespatentgericht)

Patentnichtigkeitssache – „Schloss mit Blockadehebel nebst austariertem Schwerpunkt“ – patentfähiger Hilfsantrag 2 – zur wirksamen …


1 Ni 15/19 (Bundespatentgericht)

Wirkungslosigkeit dieser Entscheidung.


4 Ni 36/10 (Bundespatentgericht)

Patentnichtigkeitsklageverfahren – „chirurgischer Clip“ - zur Auslegung und Bedeutung von Zweckangaben im Patentanspruch


9 W (pat) 701/18 (Bundespatentgericht)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.