Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.08.2022, Az. 3 StR 500/21

3. Strafsenat | REWIS RS 2022, 7144

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STRAFRECHT BUNDESGERICHTSHOF (BGH) TERRORISMUS EXTREMISMUS OBERLANDESGERICHT CELLE ISLAM

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Gegenstand

Verurteilung wegen Beihilfe zur Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat sowie der Terrorismusfinanzierung


Tenor

Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 24. Februar 2021 werden verworfen.

Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten A.     wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen [X.] im Ausland in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Beihilfe zur Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat und mit Terrorismusfinanzierung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren und sechs Monaten, den Angeklagten S.      wegen Unterstützung einer terroristischen [X.] im Ausland in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Beihilfe zur Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und den Angeklagten [X.]    wegen Unterstützung einer terroristischen [X.] im Ausland in Tateinheit mit Beihilfe zur Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat, mit Terrorismusfinanzierung sowie mit Anstiftung zu drei Fällen des Betruges zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und zwei Wochen verurteilt. Die Angeklagten rügen mit ihren Revisionen die Verletzung materiellen, zum Teil auch formellen Rechts. Die Rechtsmittel sind unbegründet, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).

2

Der Erörterung bedarf allein, dass das [X.] zutreffend angenommen hat, die Angeklagten A.     und [X.]    hätten sich jeweils wegen Beihilfe zur Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat in Tateinheit mit Terrorismusfinanzierung - neben weiteren Delikten - strafbar gemacht.

3

1. Nach den insoweit maßgeblichen Feststellungen händigte der Angeklagte A.     im Juli 2015 einem Ausreisewilligen, der sich nach [X.] begeben und dort für den "[X.]" ([X.]) kämpfen wollte, zur Finanzierung der Ausreise 500 € aus. Zudem bestärkte er dessen Pläne und sagte zu, Kontaktpersonen im [X.] und beim [X.] zu benennen sowie der [X.] gegenüber als Bürge einzutreten. Für konkrete Unterstützung bei der organisatorischen Abwicklung der Ausreise verwies er unter anderem auf den Angeklagten [X.]    . Dementsprechend gab der Angeklagte [X.]    dem Betreffenden nähere Ratschläge und kaufte diesem betrügerisch erlangte Elektronikgeräte gegen eine über den üblichen Hehlerpreisen liegende Bezahlung ab, um die Ausreise zu fördern. Der Kampfeswillige begab sich zur Weiterreise in die [X.] mit dem festen Entschluss, in [X.] für den [X.] eine Ausbildung zu durchlaufen und zu kämpfen. Da ihn allerdings sein Vater in der [X.] noch umstimmen konnte, ließ er von seinem Vorhaben ab.

4

2. [X.]     und [X.]    haben jeweils die Tatbestände der Beihilfe zur Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat gemäß § 89a Abs. 1, 2a und 2 Nr. 1, § 27 StGB und der Terrorismusfinanzierung gemäß § 89c Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 StGB verwirklicht, indem sie zum einen den Interessierten auf unterschiedliche Weise in seinen Ausreiseplänen bestärkten und etwa durch Ratschläge unterstützten, zum anderen ihm Geld zur Verfügung stellten. Dabei übergab der Angeklagte [X.]    bewusst Beträge, die den Wert der ihm im Gegenzug überlassenen Gegenstände überstiegen (vgl. [X.], Beschluss vom 20. Mai 2021 - 3 StR 302/20, [X.]St 66, 125 Rn. 11 ff.). Der [X.] reiste sodann tatsächlich aus [X.] aus (vgl. zur Ausreise [X.], Beschluss vom 6. April 2017 - 3 [X.], [X.]St 62, 102 Rn. 7).

5

Zwischen diesen beiden Tatbeständen liegt hier Tateinheit im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB vor. Sie treten weder hinter eine - zugleich gegebene - Strafbarkeit wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen [X.] im Ausland beziehungsweise Unterstützung einer solchen nach § 129a Abs. 1, 5 Satz 1 Alternative 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB zurück (vgl. [X.], Beschluss vom 9. August 2016 - 3 [X.], [X.]R StGB § 89a Konkurrenzen 1 Rn. 3 f.), noch verdrängt eines der beiden Delikte das andere (s. [X.], Beschlüsse vom 13. Juni 2019 - StB 13/19, juris Rn. 35 ff.; vom 8. August 2019 - StB 19/19, juris Rn. 29; ebenso [X.], StGB, 2. Aufl., § 89c Rn. 19; vgl. auch [X.]/[X.]/Sternberg-Lieben, StGB, 30. Aufl., § 89c Rn. 17; [X.], Geldwäschegesetz, 4. Aufl., § 89c StGB Rn. 58).

6

Ob Tateinheit oder Gesetzeseinheit gegeben ist, ist durch wertende Auslegung der in Betracht kommenden Strafnormen zu ermitteln. Von maßgeblicher Bedeutung für die Abgrenzung sind die Rechtsgüter, gegen die sich der [X.] richtet, und die Straftatbestände, die zu ihrem Schutz normiert sind. Kennzeichen der Gesetzeseinheit ist es, dass die Verletzung des durch den einen Tatbestand geschützten Rechtsguts eine - wenngleich nicht notwendige, so doch regelmäßige - Erscheinungsform der Verwirklichung des anderen Tatbestands ist ([X.], Beschluss vom 29. April 2020 - 3 StR 532/19, NStZ-RR 2020, 243 f. mwN).

7

Zwar schützen §§ 89a und 89c StGB weitgehend dasselbe - im Einzelnen umstrittene - Rechtsgut (vgl. [X.], Urteil vom 12. November 2020 - 3 StR 31/20, [X.]St 65, 176 Rn. 33 f.; [X.], StGB, 13. Aufl., § 89c Rn. 45). Zudem ist in der Gesetzesbegründung zu § 89c StGB die Auffassung geäußert worden, Taten nach § 89c StGB träten als mitbestrafte Vortaten im Wege der [X.] hinter die durchgeführte Tat in jedem Stadium und in jeder Beteiligungsform zurück (s. BT-Drucks. 18/4087 S. 11; daran anschließend [X.], StGB, 13. Aufl., § 89c Rn. 112; [X.]/[X.], 9. Aufl., § 89c Rn. 24). Danach wäre zu erwägen, ob die Terrorismusfinanzierung subsidiär zu der Beihilfe zur Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat ist; denn bei der finanzierten Straftat handelt es sich gerade um die unternommene Ausreise, zu der Hilfe geleistet wurde.

8

Allerdings haben die genannten Überlegungen im Gesetzestext keinen Niederschlag gefunden. Sie erscheinen in systematischer Hinsicht insofern nicht überzeugend, als es bei der Terrorismusfinanzierung nach § 89c StGB - anders als etwa bei der Beihilfe (§ 27 StGB) oder dem in der Gesetzesbegründung angeführten Versuch der Beteiligung (§ 30 StGB) - um einen eigenen Straftatbestand geht. Auch gegenüber § 89a StGB handelt es sich um eine eigenständige Normierung (s. BT-Drucks. 18/4087 [X.], 11), die verschiedene Verhaltensweisen und Angriffsrichtungen erfasst (vgl. [X.], Urteil vom 12. November 2020 - 3 StR 31/20, [X.]St 65, 176 Rn. 34). Zudem übersteigt ihr Strafrahmen und mithin der durch das Gesetz abstrakt vorgegebene Unrechtsgehalt denjenigen der Beihilfe zur Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat. Bei einer strikten Subsidiarität der Terrorismusfinanzierung drohte also beispielsweise demjenigen eine höhere Strafe, der ausschließlich Vermögenswerte für eine künftige Ausreise zur Verfügung stellt, gegenüber demjenigen, der zusätzlich noch zu einer tatsächlich verwirklichten Ausreise Hilfe leistet. Ein solches ersichtlich sachwidriges Ergebnis spricht ebenfalls für parallele Anwendungsbereiche.

9

Daher liegt ebenso wenig nahe, dass umgekehrt die Terrorismusfinanzierung der (Beihilfe zur) Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat stets vorgeht. Insbesondere würde der Unwert nicht berücksichtigt, der darin besteht, dass zu der bloßen Finanzierung eine anderweitige Vorbereitungshandlung hinzutritt. Im Falle der wirtschaftlichen Erleichterung einer Ausreise erfordert überdies der Tatbestand des § 89c StGB lediglich, dass der Vermögenswert zu einer solchen verwendet werden soll; einer tatsächlichen Ausreise bedarf es nicht. Diese muss dagegen zur Verwirklichung des § 89a Abs. 2a StGB (oder einer Beteiligung daran) unternommen werden. Um das demnach unterschiedlich konturierte Unrecht ahnden zu können, ist ein genereller Vorrang eines der beiden Delikte abzulehnen und in der gegebenen Konstellation ein Schuldspruch wegen der zwei Straftatbestände in Tateinheit möglich.

Schäfer     

      

Berg     

      

Anstötz

      

Erbguth     

      

[X.]     

      

Meta

3 StR 500/21

09.08.2022

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend OLG Celle, 24. Februar 2021, Az: 4 StE 1/17

§ 27 StGB, § 52 Abs 1 StGB, § 89a Abs 1 StGB, § 89a Abs 2 Nr 1 StGB, § 89a Abs 2a StGB, § 89c Abs 1 S 1 Nr 8 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.08.2022, Az. 3 StR 500/21 (REWIS RS 2022, 7144)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 7144

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