Bundesgerichtshof, Beschluss vom 05.05.2021, Az. 3 StR 465/20

3. Strafsenat | REWIS RS 2021, 6181

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Gegenstand

Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat: Sukzessive Beihilfe nach Ausreise des Täters aus der Bundesrepublik Deutschland


Tenor

Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 26. Juni 2020 wird verworfen.

Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat die Angeklagte wegen vorsätzlicher Herstellung einer biologischen Waffe in Tateinheit mit Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat und wegen Beihilfe zur Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Die dagegen gerichtete, auf die Sachrüge gestützte Revision der Angeklagten ist aus den Gründen der Zuschrift des [X.] unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

2

1. Der Erörterung bedarf lediglich Fall A.IV.2 der Urteilsgründe, in dem das [X.] die Angeklagte wegen Beihilfe zur Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat nach dem (in der Liste der angewendeten Vorschriften nicht erwähnten) § 89a Abs. 2a StGB verurteilt hat.

3

Es hat - soweit hier von Bedeutung - festgestellt, dass die Angeklagte und ihr gesondert verfolgter Ehemann danach strebten, in das Herrschaftsgebiet des "[X.]" ([X.]) in [X.] zu ziehen, wo dieser sich dem [X.] anschließen und an Kampfhandlungen gegen das syrische Regime teilnehmen wollte. Zu diesem Zweck wollte der gesondert Verfolgte - wie die Angeklagte wusste - ein Ausbildungslager des [X.] in [X.] aufsuchen und sich dort im Umgang mit Schusswaffen und Sprengstoffen unterweisen lassen. Die Angeklagte förderte seine Bemühungen und beabsichtigte, ihm so bald wie möglich mit den gemeinsamen Kindern nach [X.] zu folgen. Der gesondert Verfolgte flog vom [X.] nach [X.] in die [X.], um von dort in das Herrschaftsgebiet des [X.] weiterzureisen; sein Vorhaben scheiterte jedoch, weil die geplante Schleusung über die Grenze misslang. Vor der Ausreise hatte die Angeklagte ihrem Ehemann ihre Kreditkarte zur allgemeinen Verwendung übergeben; während dieser in der [X.] auf seine Schleusung nach [X.] wartete, buchte sie für ihn drei Übernachtungen in zwei Hotels, die er mit der ihm überlassenen Kreditkarte vor Ort bezahlte (Fall A.IV.2).

4

Das [X.] hat bei der rechtlichen Bewertung der festgestellten Handlungen der Angeklagten lediglich die Hotelbuchungen in den Blick genommen und diese als strafbare sukzessive Beihilfehandlungen zur Tat ihres Ehemannes, der den Tatbestand des § 89a Abs. 2a StGB erfüllte, gewertet. Die Haupttat sei zwar bereits mit der Ausreise aus der [X.] vollendet gewesen; solange sich der Täter nach seiner Ausreise aus der [X.] jedoch noch mit entsprechendem Tatentschluss auf der Weiterreise in das [X.] befinde, dauere das Tatunrecht fort mit der Folge, dass seine Tat noch nicht beendet und weiterhin eine Beihilfe zu ihr möglich sei.

5

2. Die Annahme einer Beihilfe im Fall A.IV.2 hält im Ergebnis rechtlicher Nachprüfung stand, wenngleich die rechtliche Würdigung des [X.]s Bedenken begegnet.

6

a) Zu den Ausreisetatbeständen des § 89a Abs. 2a StGB ist grundsätzlich eine Beihilfe möglich ([X.], Beschlüsse vom 20. Februar 2019 - AK 53/18, [X.], juris Rn. 36; vom 25. Juli 2019 - AK 36/19, juris Rn. 15; LK/Engelstätter, StGB, 13. Aufl., § 89a Rn. 181 mwN; MüKoStGB/[X.]/Anstötz, 4. Aufl., § 89a Rn. 74; [X.]/[X.]/Sternberg-Lieben, StGB, 30. Aufl., § 89a Rn. 20).

7

b) Auch ist die Strafbarkeit einer sukzessiven Beihilfe, also einer solchen, die im Zeitraum nach Vollendung und vor materieller Beendigung der Tat geleistet wird, in der höchstrichterlichen Rechtsprechung seit langem anerkannt (vgl. RG, Urteile vom 8. November 1892 - 3155/92, [X.], 292; vom 20. November 1923, [X.], 13, 14; vom 22. April 1937 - 2 [X.]/37, [X.], 193, 194; [X.], Urteil vom 24. Juni 1952 - 1 StR 316/51, [X.]St 3, 40, 43 f.; Beschluss vom 10. Juni 1997 - 1 [X.], [X.], 319; Beschluss vom 18. Juli 2000 - 5 StR 245/00, [X.], 594; offengelassen speziell für den Fall des Geheimnisverrats durch einen Journalisten in [X.], Urteil vom 27. Februar 2007 - 1 BvR 538/06, [X.]E 117, 244, 264 f.; zur Kritik im Schrifttum vgl. [X.], Festschrift [X.], 1985, 559, 576; [X.], NStZ 2006, 253, 254 mwN, SSW-StGB/[X.], 5. Aufl., § 27 Rn. 8 mwN; MüKoStGB/[X.]/[X.], 4. Aufl., § 27 Rn. 20; [X.]/[X.], 9. Aufl., § 27 Rn. 18). Diese Form der strafbaren Unterstützung des [X.] ist auch im Bereich des § 89a Abs. 2a StGB denkbar.

8

c) Zweifelhaft ist indes die Annahme des [X.]s, unter Anwendung der in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur sukzessiven Beihilfe sei auch nach der Ausreise des [X.] aus der [X.] eine strafbare Förderung der Tat noch bis zu seiner Ankunft im [X.] möglich.

9

Eine Straftat nach § 89a Abs. 2a StGB ist spätestens mit der Ausreise aus der [X.] in ein beliebiges anderes Land vollendet, da in diesem Zeitpunkt alle Elemente des gesetzlichen Tatbestandes, der einen Erfolg nicht vorsieht, erfüllt sind. Das in dieser Vorschrift pönalisierte Unternehmen der Ausreise umfasst zwar bereits Handlungen im Versuchsstadium (vgl. [X.], Beschluss vom 6. April 2017 - 3 [X.], [X.]St 62, 102 Rn. 7), aber nicht ohne Weiteres auch die anschließende Weiterreise; anderenfalls könnte die Reichweite der Norm unkonturiert erweitert und jegliche (vorsätzliche) Hilfe auf der ggf. längerdauernden Reise - etwa durch später hinzukommende Schleuser oder Reisebegleiter - als strafbare Förderung der Ausreise aus [X.] angesehen werden. Der Gesetzeswortlaut spricht eher für die Annahme, dass mit der Ausreise das von § 89a Abs. 2a StGB tatbestandlich umschriebene Geschehen zum Abschluss gelangt ist. Ob vor diesem Hintergrund allein die weitergehende Intention des [X.] nach der für die Bestimmung des Beendigungszeitpunktes maßgeblichen natürlichen Auffassung des Lebens den Zeitraum einer möglichen Beihilfe weiter auszudehnen vermag, erscheint danach fraglich.

d) Einer Entscheidung dieser Frage bedarf es in der vorliegenden Konstellation jedoch nicht, da die Urteilsfeststellungen ausweisen, dass die Angeklagte die Straftat ihres Ehemannes vor deren Vollendung vorsätzlich gefördert hat, indem sie ihm vor der Ausreise ihre Kreditkarte überlassen und zugesagt hat, ihm mit den gemeinsamen Kindern in das Herrschaftsgebiet des [X.] zu folgen und dort mit ihm zu leben. Damit wird die Annahme einer psychischen Unterstützung von den Feststellungen getragen, ohne dass die Rechtsfigur der sukzessiven Beihilfe bemüht werden müsste.

3. [X.] beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.

Schäfer     

        

     Berg     

        

Hoch   

        

Rin[X.] Dr. Erbguth befindet
sich im Urlaub und ist deshalb
gehindert zu unterschreiben.

                          
        

Schäfer

        

Kreicker     

        

Meta

3 StR 465/20

05.05.2021

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend OLG Düsseldorf, 26. Juni 2020, Az: III-6 StS 2/20

§ 27 StGB, § 89a Abs 2a StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 05.05.2021, Az. 3 StR 465/20 (REWIS RS 2021, 6181)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 6181

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Terrorismusfinanzierung: Tathandlung des Sammelns; Umwidmung vorhandenen Vermögens; Begriff des Entgegennehmens


Referenzen
Wird zitiert von

3 StR 230/22

Zitiert

3 StR 326/16

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