Bundespatentgericht, EuGH-Vorlage vom 11.01.2011, Az. 33 W (pat) 77/08

33. Senat | REWIS RS 2011, 10676

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – Löschungsverfahren - "NAI – Der Natur-Aktien-Index" – Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union zur Auslegung von Art. 3 Abs. 1 b) und c) der Richtlinie 2008/95/EG (juris-Abkürzung: EGRL 95/2008) – zur Anwendbarkeit des Eintragungshindernisses des Art. 3 Abs. 1 b) und/oder c) der Richtlinie 2008/95/EG (juris-Abkürzung: EGRL 95/2008) auf ein Wortzeichen, das aus der Zusammenfügung einer nicht beschreibenden Buchstabenfolge und einer beschreibenden Wortkombination besteht, wenn die Buchstabenfolge vom Verkehr als Abkürzung der beschreibenden Wörter wahrgenommen wird


Leitsatz

NAI - Der Natur-Aktien-Index

Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird zur Auslegung von Art. 3 Abs. 1 b) und c) der Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken vom 22. Oktober 2008 (ABl. EU Nr. L 299 vom 08.11.2008, S. 25) [juris-Abkürzung: EGRL 95/2008] folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist das Eintragungshindernis des Art. 3 Abs. 1 b) und/oder c) der Richtlinie auch auf ein Wortzeichen anzuwenden, das aus der Zusammenfügung einer - isoliert betrachtet - nicht beschreibenden Buchstabenfolge und einer beschreibenden Wortkombination besteht, wenn die Buchstabenfolge vom Verkehr als Abkürzung der beschreibenden Wörter wahrgenommen wird, weil sie deren Anfangsbuchstaben wiedergibt, und die Gesamtmarke damit als Kombination sich gegenseitig erläuternder beschreibender Angaben bzw. Abkürzungen verstanden werden kann?

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 301 19 665

hier: Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union

hat der 33. Senat ([X.]) des [X.] am 11. Januar 2011 durch den Vorsitzenden [X.], [X.] und die Richterin Dr. Hoppe

beschlossen:

1. Dem [X.] wird zur Auslegung von Art. 3 Abs. 1 b) und c) der Richtlinie 2008/95/[X.] und des [X.] über die Marken vom 22. Oktober 2008 ([X.]. [X.] Nr. L 299 vom 08.11.2008, S. 25) folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist das Eintragungshindernis des Art. 3 Abs. 1 b) und/oder c) der Richtlinie auch auf ein Wortzeichen anzuwenden, das aus der Zusammenfügung einer - isoliert betrachtet - nicht beschreibenden Buchstabenfolge und einer beschreibenden Wortkombination besteht, wenn die Buchstabenfolge vom Verkehr als Abkürzung der beschreibenden Wörter wahrgenommen wird, weil sie deren Anfangsbuchstaben wiedergibt, und die [X.] damit als Kombination sich gegenseitig erläuternder beschreibender Angaben bzw. Abkürzungen verstanden werden kann?

2. Das Beschwerdeverfahren wird bis zur Erledigung des Vorabentscheidungsersuchens zu 1. ausgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Wortmarke

2

[X.] - Der Natur - Aktien - Index

3

ist beim [X.] am 23. März 2001 angemeldet und am 25. Juni 2001 für folgende Dienstleistungen eingetragen worden:

4

Klasse 36: Versicherungswesen, Finanzwesen, Geldgeschäfte, Immobilienwesen.

5

Zu dieser Markenanmeldung kam es nach vorangegangenen Streitigkeiten über Nutzungsrechte an dem Zeichen „[X.]“. Unter dieser Bezeichnung erstellten die Herausgeber der Zeitschrift „ natur “ ([X.], [X.]) im Jahre 1997 und die Herausgeber der Zeitschrift „[X.]“ ([X.] Verlagsgesellschaft mbH, [X.]) einen Index für [X.]. Die im Jahre 2004 beim [X.] begehrte Eintragung der Wortmarke „[X.]“ wurde mit Beschluss vom 12. Oktober 2004 (Aktenzeichen: 304 19 384.4-36) gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] zurückgewiesen. Das [X.] hat hierzu ausgeführt, dass es sich um eine unmittelbar beschreibende Angabe, die lexikalisch nicht nachweisbar sei, handele. Auch das [X.] hat einen Antrag der Markeninhaberin auf Eintragung des Zeichens „[X.]“ als Gemeinschaftsmarke mit Entscheidung des Prüfers vom 14. Februar 2007 zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete Beschwerde hat die Vierte Beschwerdekammer am 26. Mai 2008 ([X.]/2007-4, [X.]) zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Klage hat das Gericht der [X.] ([X.]) mit Entscheidung vom 30. Juni 2009 ([X.] T-285/08) als offensichtlich unzulässig verworfen.

6

Gegen die verfahrensgegenständliche, beim [X.] eingetragene Marke „[X.] - Der [X.]“ hat die Antragstellerin am 18. Juli 2007 einen Löschungsantrag gestellt. Sie macht geltend, dass die Buchstabenfolge „[X.]“ im Finanzwesen als Abkürzung für die Wortkombination „[X.]“ verwendet werde. Da die dahinter folgende Wortkombination „[X.]“ eine beschreibende Angabe sei, könne die vorangestellte Buchstabenfolge, die nur als deren Abkürzung wirke, ebenfalls nur als beschreibend angesehen werden. Bei dem Zeichen „[X.]“ handele es sich um eine Gattungsbezeichnung für einen Index, der Aktien von Unternehmen bezeichne, die umweltschonend produzierten und Waren herstellten bzw. ökologischen Anforderungen entsprächen. Für die einschlägigen Verkehrskreise sei daher erkennbar, dass die Angabe die begehrten Dienstleistungen dahingehend beschreibe, dass diese sich auf den vorstehend beschriebenen [X.] bezögen.

7

Das [X.] hat dem Löschungsantrag mit Beschluss vom 28. Mai 2008 stattgegeben und die Marke gemäß §§ 50 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.], 54 Abs. 1 [X.] gelöscht.

8

Es hat hierzu ausgeführt, dass der Marke das [X.] nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] entgegenstehe. Die [X.] erschöpfe sich in einer Kombination rein beschreibender Angaben mit vorangestellter Abkürzung. Die Marke weise beschreibend darauf hin, dass sich die beanspruchten Dienstleistungen auf einen Index für Aktien ökologisch arbeitender Unternehmen beziehen würden, und bezeichne damit Art und Gegenstand der begehrten Dienstleistungen. Der vorgestellte Artikel „Der“ stelle nur einen üblichen Hinweis auf einen bestimmten [X.] dar. Bei der vorangestellten Buchstabenfolge „[X.]“ handele es sich lediglich um eine Abkürzung, die vom Verkehr auch als solche erkannt werde. Dies ergebe sich aus der Übereinstimmung der Anfangsbuchstaben der Wortfolge mit der Buchstabenkombination und der durch den nach „[X.]“ gesetzten Gedankenstrich noch verstärkten [X.].

9

Gegen diesen Beschluss richtet sich die zulässige Beschwerde der Markeninhaberin. Die Markeninhaberin ist der Ansicht, dass der Marke keine Schutzhindernisse entgegenstehen, und verweist hierzu unter anderem auf die Entscheidung des [X.] vom 15.11.2009 ([X.]/2008-4, [X.]), in der die Gemeinschaftsmarke „[X.]“ - Der [X.]“ als unterscheidungskräftiges, nicht beschreibendes Zeichen angesehen und nachfolgend eingetragen worden ist.

II.

1.

[X.] von der Auslegung des Art. 3 Abs. 1 b) und c) der Richtlinie 2008/95/[X.] und des Rates vom 22. Oktober 2008 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Marken (im Folgenden: [X.]) die durch § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 des Gesetzes über den Schutz von Marken und sonstigen Kennzeichen (im Folgenden: [X.]) in [X.] Recht umgesetzt wurden.

Vor einer Entscheidung über die Beschwerde ist deshalb das Verfahren gemäß § 148 ZPO auszusetzen und gemäß Art. 267 Abs. 1 b), Abs. 2 AEUV ([X.] [X.] - Amtsbl. [X.], [X.] ff.) eine Vorabentscheidung des [X.] zu den im [X.] vorgestellten Fragen einzuholen, die die nachfolgenden entscheidungserheblichen Vorschriften betreffen:

Art. 3 Abs. 1 b) und c) [X.] lauten (in [X.] Fassung):

"Folgende Zeichen oder Marken sind von der Eintragung ausgeschlossen oder unterliegen im Falle der Eintragung der Ungültigerklärung:

b) Marken, die keine Unterscheidungskraft haben;

c) Marken, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, welche im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geografischen Herkunft oder der [X.] oder der Erbringung der Dienstleistung oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Ware oder Dienstleistung dienen können".

Diesen Vorschriften entsprechen im [X.] Recht die Bestimmungen des § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 [X.]. Diese lauten:

"Von der Eintragung ausgeschlossen sind Marken,

1. denen für die Waren oder Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft fehlt,

2. die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geografischen Herkunft, der [X.]n oder der Erbringung der Dienstleistungen oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können".

Die Regelungen des § 8 [X.] sind ausweislich der Bestimmung des § 50 Abs. 1 [X.] entsprechend anzuwenden, wenn eine eingetragene Marke auf Antrag wegen Nichtigkeit gelöscht werden soll. § 50 Abs. 1 [X.] lautet:

„Die Eintragung einer Marke wird auf Antrag wegen Nichtigkeit gelöscht, wenn sie entgegen §§ 3, 7 oder 8 eingetragen worden ist.“

2.

a) Die Marke „[X.] - Der [X.]“ besteht aus der vorangestellten Buchstabenfolge „[X.]“, die den Anfangsbuchstaben der nach dem Artikel „Der“ folgenden drei Worte „[X.]“ entspricht.

Der Begriff „[X.]“ umschreibt nach den tatsächlichen Feststellungen des Senats gleichwertig neben dem Begriff „[X.]n“, „Umweltaktien“ oder „grüne Aktien“ die Aktien von ökologisch ausgerichteten Unternehmen und damit eine bestimmte Gattung von Wertpapieren. Es handelt sich um eine im Rahmen des [X.] typische Begriffsbildung, weil Aktien häufig nach der Produktlinie oder Unternehmensausrichtung gekennzeichnet werden. Dementsprechend wird das Zeichen „[X.]“ (ebenso wie der Begriff „[X.]“) gegenwärtig und auch bereits zum Zeitpunkt der Anmeldung der verfahrensgegenständlichen Marke in erheblichem Umfang zur Beschreibung von Merkmalen verschiedener Produkte aus dem Finanzwesen genutzt.

Die zusammengesetzte Wortfolge „[X.]“ dient nach den tatsächlichen Feststellungen des Senats ebenfalls zur Beschreibung von Merkmalen der registrierten Finanzdienstleistungen. Ein Aktienindex dient als Kennziffer zur Darstellung der Kursentwicklung der Aktien verschiedener, nach bestimmten Kriterien ausgewählter Unternehmen. Die Auswahlkriterien für die Zuordnung der Unternehmen zu einem Index können dabei an unterschiedlichen Aspekten ausgerichtet sein. Unter anderem gibt es auch Branchenindizes, die die Entwicklung einer bestimmten Branche (z. B. für Automobile: [X.]) aufzeigen.

Dementsprechend haben sich einige Indizes auch darauf spezialisiert, die Aktien von ökologisch ausgerichteten Unternehmen darzustellen.

Demzufolge enthält der Begriff „[X.]“ für die relevanten Verkehrskreise, nämlich Fachkreise auf dem Finanzmarkt und Endverbraucher, die sich für Finanzdienstleistungen interessieren, die sachbezogene Aussage, dass es sich um Dienstleistungen mit Bezug zu einem Index handelt, der Kurswerte für Aktien bestimmter, an ökologischen Kriterien ausgerichteter Unternehmen aufzeigt. So kann die Finanzdienstleistung darauf ausgerichtet sein, einen Index zu erstellen, der ökologisch ausgerichtete Unternehmen erfasst oder bewertet (finanzielle Wertermittlung, Finanzanalysen), so dass mit der Wortfolge die Bestimmung der Dienstleistung im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] bzw. Art. 3 Abs. 1 c) [X.] beschrieben wird. Die Dienstleistung kann auch Aktien, die in (irgend) einem [X.]index bewertet sind, als das Bezugsobjekt der Finanzdienstleistung betreffen und damit im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] bzw. Art. 3 Abs. 1 c) [X.] beschreiben.

Die der Wortfolge „Der [X.] vorangestellte Buchstabenfolge „[X.]“ stellt nach den tatsächlichen Feststellungen des Senats in Alleinstellung keine gängige, allgemein verständliche Abkürzung dar, die von den angesprochenen Verkehrskreisen für die eingetragenen Dienstleistungen als Art- oder Beschaffenheitsangabe oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale in Betracht kommen würde. In Alleinstellung wären die drei Buchstaben „[X.]“ daher nicht geeignet, ein Merkmal der registrierten Dienstleistungen im Sinne von Art. 3 Abs. 1. c) [X.] bzw. § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] zu beschreiben.

Maßgeblich für die Beurteilung von [X.]sen ist indes stets die Gesamtheit der [X.] ([X.]H C-329/02 P (Nr. 28) - SAT.2; [X.]H C-363/99 ([X.]) - Postkantoor).

Der Senat hat hierzu festgestellt, dass der Verkehr auf Grund der Übereinstimmung der großgeschriebenen Anfangsbuchstaben „[X.]“ mit den nachfolgenden drei Worten „[X.]“ die Bedeutung der Buchstabenfolge als Abkürzung der nachfolgenden Sachaussage (Akronym) ohne weiteres erkennen wird. Es ist nämlich davon auszugehen, dass der Verkehr die Buchstaben in Verbindung mit der nachgestellten Wortfolge als sinnvoll aufeinander bezogene Einheit erkennt, weil es in der [X.] Sprache üblich ist, Wortfolgen durch die Anfangsbuchstaben der einzelnen Worte abzukürzen. Dies entspricht nach der Lebenserfahrung der natürlichen und naheliegenden Wahrnehmung durch den normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher. Durch die nachgestellten ausgeschriebenen Wörter wird dem Verkehr somit eine bestimmte Bedeutung der Buchstabenabkürzung bequem an die Hand gegeben, so dass es einer weiteren Analyse der Buchstabenfolge nicht bedarf.

Dem steht auch nicht entgegen, dass die Abkürzung „[X.]“ nicht den Anfangsbuchstaben des Artikels „Der“ erfasst, weil der Verkehr das Augenmerk auf die aussagekräftigen Substantive richten wird, während es den Artikel „Der“ nur als Beiwerk wahrnehmen wird.

Aufgrund dieser Beurteilung könnte Art. 3 Abs. 1 c) der [X.] bzw. § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] dahingehend auszulegen sein, dass auch eine Wortmarke, die aus der Zusammenfügung einer - isoliert betrachtet - nicht beschreibenden Buchstabenfolge (hier: „[X.]“) und einer nachfolgenden beschreibenden Wortfolge (hier: „Der [X.]“) besteht, Merkmale der Waren und Dienstleistungen beschreibt, wenn der Verkehr die Buchstabenfolge im Rahmen des [X.] als Abkürzung der nachfolgenden beschreibenden Wortkombination wahrnimmt, weil sie deren Anfangsbuchstaben wiedergibt, so dass die [X.] als Kombination sich gegenseitig erläuternder Angaben bzw. Abkürzungen anzusehen ist.

3.

[X.] wird innerhalb der [X.] unterschiedlich beantwortet.

a) So hat die die Vierte Beschwerdekammer des [X.] für den Binnenmarkt mit Entscheidung vom 15. Oktober 2009 ([X.]/2008-4, [X.]) die zunächst vom Prüfer vorgenommene Zurückweisung der Eintragung der Marke „[X.] - Der [X.]“ (für [X.], verschiedene finanzbezogene Dienstleistungen und Datenbankdienstleistungen) aufgehoben, weil sie meint, dass die Buchstabenkombination „[X.]“ bei isolierter Betrachtung keine beschreibende Bedeutung habe und sich dies nicht dadurch ändern könne, dass die [X.] zusätzlich die Wortfolge „Der [X.]“ enthalte ([X.] [X.]/2008-4 (Nr. 12, 16), [X.]). Nach Auffassung des [X.] würde anderenfalls eine nicht beschreibende Buchstabenfolge durch den Zusatz von weiteren Wörtern „nachträglich“ beschreibend werden. Eine Marke werde jedoch von den Verkehrskreisen in ihrer Gesamtheit wahrgenommen und zwar in ihren beschreibenden und nicht beschreibenden Bestandteilen. Der Markeninhaber sei grundsätzlich nicht gehindert, einer unterscheidungskräftigen Angabe weitere erläuternde beschreibende Angaben hinzuzufügen.

[X.], dass eine für sich genommen nicht beschreibende und demnach in Alleinstellung auch als Marke schutzfähige Buchstabenkombination durch eine Zusammenstellung mit weiteren (beschreibenden) Wortelementen zu einer [X.] nicht „nachträglich“ beschreibend werden könne, unterstreicht hier den Auslegungsbedarf. Denn zunächst unterliegt eine Buchstabenfolge, die nicht als beschreibende Abkürzung feststellbar ist und der auch nicht aus sonstigen Gründen die Unterscheidungskraft fehlt, keinem [X.] i. S. d. Art. 3 Abs. 1 b) bis d) [X.]. Auch für Buchstaben und Buchstabenfolgen gilt der Grundsatz, dass es keine Markenkategorie gibt, bei der im Vergleich zu anderen Markenkategorien andere Maßstäbe bei der Beurteilung der Eintragungsfähigkeit anzusetzen sind. Es wäre daher zu überlegen, ob ein und dieselbe Buchstabenkombination für gleiche Waren und Dienstleistungen auch stets gleich zu beurteilen ist, unabhängig davon, ob die Buchstabenkombination in Alleinstellung oder zusammen mit weiteren (erläuternden) Bestandteilen als Marke angemeldet wird.

b) Andererseits könnte der Umstand, dass der Durchschnittsverbraucher die Marke regelmäßig als Ganzes wahrnimmt, dafür sprechen, dass die Bedeutung des Zeichens auch in seiner Gesamtbedeutung zu ermitteln ist, so dass bei sich gegenseitig erläuternden [X.]n ein von der isolierten Betrachtung abweichendes Ergebnis festgestellt werden muss. Nach der Rechtsprechung des [X.]H kann eine Marke in ihrer Gesamtheit nämlich durchaus eine Bedeutung haben, die über die Summe ihrer Einzelbestandteile hinausgeht (vgl. [X.]H C-363/99 ([X.], 99, 100) - Postkantoor).

In diesem Sinne hat der vorliegende Senat bereits in seiner Entscheidung vom 16. Mai 2007 (33 W (pat) 3/05, [X.]) zur Marke „[X.]“ entschieden. Er hat hierzu ausgeführt, dass eine Marke, die aus einer beschreibenden Wortkombination und aus einer vorangestellten Buchstabenfolge besteht, die zwar für sich genommen schutzfähig wäre, die aber in der Gesamtschau wegen der Übereinstimmung mit den großgeschriebenen Anfangsbuchstaben der nachfolgenden beschreibenden Wortfolge nur als deren Abkürzung wahrgenommen werde, in der erforderlichen Gesamtwürdigung insgesamt als beschreibend anzusehen sei. Der Verkehr messe der Abkürzung nur den in der Wortfolge verkörperten beschreibenden Begriffsinhalt zu, weil die Einzelbestandteile des Zeichens wie eine gegenseitige Erläuterung aufeinander bezogen seien und dem [X.] eine beschreibende Bedeutung geben würden.

c) Der [X.] hat zudem mit Beschluss vom 13. Dezember 2007 ([X.], [X.]) in einem Kollisionsfall, in dem eine Bildmarke mit den unterschiedlich groß und dick geschriebenen Bestandteilen „idw“ und „Informationsdienst Wissenschaft“ angegriffen wurde, festgestellt, dass der Verkehr den sachlichen Bezug der vorangestellten Buchstabenfolge als Abkürzung der nachfolgenden (beschreibenden) Sachangabe wahrnehme und daher nicht zu einer Verkürzung des [X.] auf die Abkürzung neige. Die Grundsätze dieser Entscheidungen sind in der Kommentarliteratur zustimmend aufgenommen worden (vgl. Ströbele/Hacker, [X.], 9. Aufl., § 8 Rd. 125, 134, 264, 310).

d) Auch der Europäische Gerichtshof hat im Rahmen eines Kollisionsverfahrens in seiner Entscheidung vom 2. September 2010 ([X.]H [X.]/09 ([X.])) zur Marke „[X.][X.] KENNYA “ das Gericht der Europäischen Union zustimmend dahingehend zitiert, dass dem Markenbestandteil „[X.]“ gegenüber dem Bestandteil „ [X.] KENNYA “ nur eine nebensächliche (akzessorische) Bedeutung zukomme, so dass es im Rahmen der Gesamtbetrachtung des Zeichens zu vernachlässigen sei.

e) Der 24. Senat des [X.] hatte mit Beschluss vom 11. August 2009 ([X.] (pat) 82/08), [X.]) ebenfalls ein Markenkollisionsverfahren zu entscheiden, in dem die angegriffene Marke aus einem (grafisch ausgestalteten) Kürzel „pn“ und dem nachfolgenden Wort „ printnet “ bestand. Der 24. Senat hielt es nicht für ausgeschlossen, dass der Verkehr die Buchstabenkombination als Anfangsbuchstaben der Bestandteile des nachfolgenden [X.] und damit als Abkürzung dieses Markenbestandteils wahrnimmt, so dass sie gegenüber dem Bestandteil „ printnet “ keine eigenständige Bedeutung habe.

f) Demgegenüber wirkt die Rechtsprechung des Gerichts der Europäischen Union nicht einheitlich. In einem Kollisionsfall, bei dem es um eine angegriffene grafisch ausgestaltete Marke mit dem groß geschriebenen Bestandteil „[X.]“ und dem wesentlich kleiner darunter geschriebenen Bestandteil „[X.]“ ging, hat das Gericht mit Urteil vom 18. Oktober 2007 ([X.] T-425/03, [X.]) festgestellt, dass der Bestandteil „[X.]“ die von der angemeldeten Marke umfassten Waren und Dienstleistungen nicht beschreibe, so dass ihm eine gewisse Kennzeichnungskraft zukomme, während der Ausdruck „[X.]“ für Waren im Bereich der Medizin nur eine sehr geringe Kennzeichnungskraft besitze. Das Gericht hat sodann eine Zeichenähnlichkeit und Verwechslungsgefahr aus der Übereinstimmung der Marken im Bestandteil „[X.]“ hergeleitet. Dabei hat es neben einer visuellen und klanglichen Ähnlichkeit auch eine Ähnlichkeit der Marken in begrifflicher Hinsicht mit der Erwägung bejaht, dass die Verbraucher, „die die ältere Marke gesehen haben, dem Kürzel [X.] dieselbe Bedeutung zuordnen“ ([X.] T-425/03, [X.]).

g) In einem Verfahren über die Löschung der Gemeinschaftsmarke „[X.][X.]“ wegen Verfalls hat das Gericht der Europäischen Union im Urteil vom 10. Juni 2010 ([X.], [X.]/08, [X.]) zur Frage der rechtserhaltenden Benutzung und der sich dabei stellenden Frage der Beeinflussung der Unterscheidungskraft der benutzten Form i. S. d. Art. 15 Abs. 2 a) [X.] ausgeführt, dass das in der benutzten Form (gegenüber der eingetragenen Marke) zusätzlich vorhandene Kürzel „[X.]“ nicht nur wegen der Gestaltung der Verwendungsform eine zweitrangige Stellung einnehme, sondern als Hinzufügung der Abkürzung des Ausdrucks „[X.]“ denselben Bedeutungsgehalt wie die eingetragene Marke „[X.][X.]“ habe und daher nicht geeignet sei, die Unterscheidungskraft der Marke in ihrer eingetragenen Form zu beeinflussen.

4.

Weitgehend die gleichen Auslegungsfragen stellen sich hinsichtlich des [X.]ses nach Art. 3 Abs. 1 b) [X.] bzw. § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.]. [X.] „Der [X.]“ erschöpft sich in einer beschreibenden Angabe, so dass sie nicht geeignet ist, Finanzdienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen eines anderen Unternehmens zu unterscheiden. Auch hier stellt sich damit die entscheidende Frage, wie der weitere Markenbestandteil „[X.]“, der bei isolierter Betrachtung unterscheidungskräftig wäre, im Rahmen einer Gesamtbetrachtung der Marke vom angesprochenen Verkehr wahrgenommen wird. Nach den Feststellungen des Senats führt der Zusammenhang mit der nachgestellten Wortfolge dazu, dass „[X.]“ vom Verkehr als Abkürzung für „Der [X.]“ wahrgenommen wird. Damit würde auch die [X.] „[X.] - Der [X.]“ nur als eine Abfolge sich gegenseitig erläuternder beschreibender Angaben bzw. deren Abkürzung angesehen werden, so dass ihr in der Gesamtheit die Unterscheidungskraft fehlen könnte.

5.

a) Der Senat neigt dazu, die angemeldete Marke als ein Zeichen anzusehen, dass im Sinne des Art. 3 Abs. 1 c) [X.] bzw. § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] ausschließlich aus Angaben besteht, die im Verkehr zur Bezeichnung von Merkmalen der Dienstleistung dienen können, weil der Durchschnittsverbraucher die Marke regelmäßig als Ganzes wahrnimmt und daher auch das Zeichen in seiner Gesamtbedeutung zu bewerten ist. Eine davon abweichende isolierte Betrachtung einzelner Bestandteile könnte demgegenüber eine unzulässige, zergliedernde Betrachtungsweise darstellen.

Dementsprechend tendiert der Senat dazu, das [X.] des Art. 3 Abs. 1 Buchstabe c bzw. § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] dahingehend auszulegen, dass ein solches auch dann vorliegt, wenn die zu beurteilende Marke aus der Zusammenfügung einer - isoliert betrachtet - schutzfähigen Buchstabenfolge und einer nachfolgenden beschreibenden Wortkombination besteht, deren Anfangsbuchstaben der vorangestellten Buchstabenfolge entsprechen, so dass die [X.] vom Verkehr lediglich als Kombination sich gegenseitig erläuternder beschreibender Angaben bzw. Abkürzungen verstanden wird.

Dabei liegt aus der Sicht des vorliegenden Senats eher kein Widerspruch dahingehend vor, dass eine Buchstabenfolge für die gleichen Waren oder Dienstleistungen einmal als nicht beschreibend und unterscheidungskräftig angesehen werden kann, wenn sie dem Verkehr als isolierte Kennzeichnung begegnet, und [X.] als beschreibende und nicht unterscheidungskräftige Angabe angesehen werden muss, wenn sie mit bestimmten anderen beschreibenden [X.]n zu einer [X.] zusammengestellt ist. Denn es kommt stets auf die Betrachtung der Marke in ihrer Gesamtheit an. Daher ist es ohne weiteres möglich, dass die Hinzufügung oder Weglassung weiterer [X.] eine andere Beurteilung zur Folge hat. So könnte beispielsweise ein isolierter Buchstabe (z. B. „D“) mangels beschreibenden Bezugs eintragungsfähig sein, während die Hinzufügung einer Zahl (z. B. „3D“) geeignet wäre, die Merkmale bestimmter Waren zu bezeichnen.

Bei einer solchen Auslegung von Art. 3 Abs. 1 c) [X.] wäre dem Löschungsantrag zumindest für die angemeldeten Dienstleistungen aus dem Finanzwesen stattzugeben und die Beschwerde insoweit zurückzuweisen.

b) Einer Wortmarke, die [X.]. 3 Abs. 1 c) der [X.] bzw. § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] Merkmale von Waren oder Dienstleistungen beschreibt, fehlt nach der Rechtsprechung des [X.]H zwangsläufig die Unterscheidungskraft in Bezug auf diese Waren oder Dienstleistungen ([X.]H C-363/99 ([X.]) - Postkantoor; [X.]H C-265/00 (Nr. 19 - [X.]). Bei derartigen beschreibenden Angaben gibt es keinen tatsächlichen Anhaltspunkt, dass der Verkehr sie als Unterscheidungsmittel versteht, so dass der Senat auch dazu neigt, das Vorliegen eines [X.]ses nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] bzw. Art. 3 Abs. 1 b) [X.] zu bejahen.

Bei einer solchen Auslegung von Art. 3 Abs. 1 b) [X.] wäre dem Löschungsantrag zumindest für die angemeldeten Dienstleistungen aus dem Finanzwesen stattzugeben und die Beschwerde insoweit zurückzuweisen.

Ergänzend wird auf das parallele Vorabentscheidungsersuchen des [X.] vom heutigen Tage in der Sache BPatG 33 W (pat) 133/08 zur Marke „Multi Markets Fund MMF“ hingewiesen.

Meta

33 W (pat) 77/08

11.01.2011

Bundespatentgericht 33. Senat

EuGH-Vorlage

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, EuGH-Vorlage vom 11.01.2011, Az. 33 W (pat) 77/08 (REWIS RS 2011, 10676)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 10676

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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