Bundespatentgericht, EuGH-Vorlage vom 11.01.2011, Az. 33 W (pat) 133/08

33. Senat | REWIS RS 2011, 10606

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "Multi Markets Fund MMF" – Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union zur Auslegung von Art. 3 Abs. 1 b) und c) der Richtlinie 2008/95/EG (juris-Abkürzung: EGRL 95/2008) – zur Anwendbarkeit des Eintragungshindernisses des Art. 3 Abs. 1 b) und/oder c) der Richtlinie 2008/95/EG (juris-Abkürzung: EGRL 95/2008) auf ein Wortzeichen, das aus der Zusammenfügung einer beschreibenden Wortkombination und einer nicht beschreibenden Buchstabenfolge besteht, wenn die Buchstabenfolge vom Verkehr als Abkürzung der beschreibenden Wörter wahrgenommen wird


Leitsatz

Multi Markets Fund MMF

Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird zur Auslegung von Art. 3 Abs. 1 b) und c) der Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken vom 22. Oktober 2008 (ABl. EU Nr. L 299 vom 08.11.2008, S. 25) [juris-Abkürzung: EGRL 95/2008] folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist das Eintragungshindernis des Art. 3 Abs. 1 b) und/oder c) der Richtlinie auch auf ein Wortzeichen anzuwenden, das aus der Zusammenfügung einer beschreibenden Wortkombination und einer nicht beschreibenden Buchstabenfolge besteht, wenn die Buchstabenfolge vom Verkehr als Abkürzung der beschreibenden Wörter wahrgenommen wird, weil sie deren Anfangsbuchstaben wiedergibt, und die Gesamtmarke damit als Kombination sich gegenseitig erläuternder beschreibender Angaben bzw. Abkürzungen verstanden werden kann?

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 307 01 591.2

hier: Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union

hat der 33. Senat ([X.]) des [X.] in der Sitzung vom 11. Januar 2011 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.], der Richterin [X.] und des Richters Kätker

beschlossen:

1. Dem [X.] wird zur Auslegung von Art. 3 Abs. 1 b) und c) der Richtlinie 2008/95/[X.] und des [X.] über die Marken vom 22. Oktober 2008 ([X.]. [X.] Nr. L 299 vom 08.11.2008, S. 25) folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist das Eintragungshindernis des Art. 3 Abs. 1 b) und/oder c) der Richtlinie auch auf ein Wortzeichen anzuwenden, das aus der Zusammenfügung einer beschreibenden Wortkombination und einer nicht beschreibenden Buchstabenfolge besteht, wenn die Buchstabenfolge vom Verkehr als Abkürzung der beschreibenden Wörter wahrgenommen wird, weil sie deren Anfangsbuchstaben wiedergibt, und die [X.] damit als Kombination sich gegenseitig erläuternder beschreibender Angaben bzw. Abkürzungen verstanden werden kann?

2. Das Beschwerdeverfahren wird bis zu Erledigung des Vorabentscheidungsersuchens zu 1. ausgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Wortmarke

2

Multi [X.] Fund [X.]

3

ist beim [X.] für folgende Dienstleistungen angemeldet worden:

4

Klasse 36: Versicherungswesen (Beratung, Verkauf und Vermittlung von Versicherungen); Beratung in Versicherungsangelegenheiten; Finanzwesen (Dienstleistungen von Bank- und Kreditinstituten, Finanzberatungen, Geldanlagen, Treuhandabwicklungen, Geldangelegenheiten); [X.] (Liegenschafts- und Hausverwaltungen, Immobilienvermittlungen); Vermögens- und Finanzberatungen.

5

Die Markenstelle für Klasse 36 des [X.]s hat die Anmeldung mit Beschlüssen vom 23. Mai 2008 und vom 11. September 2008 (letzterer im Erinnerungsverfahren) zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie insbesondere ausgeführt, dass die angemeldete Marke nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 u. 2 [X.] von der Eintragung ausgeschlossen sei. [X.]" bezeichne einen Fonds, der in viele verschiedene Märkte investiere. Die Buchstabenfolge "[X.]" sei zum einen eine Abkürzung für "money market fund" (zu deutsch: Geldmarktfonds). Zum anderen liege es nahe, dass der Verkehr, soweit er die Buchstabenfolge "[X.]" nicht als eigenständige Abkürzung kenne, sie als eine sich aus dem angemeldeten Zeichen selbst erklärende Abkürzung der ersten drei Wortelemente verstehen werde, da sie den drei Wörtern direkt nachgestellt sei und mit deren Anfangsbuchstaben übereinstimme. In seiner Gesamtheit gehe das Zeichen nicht über die Summe der Einzelbestandteile hinaus. Zwar könnten der Buchstabenfolge "[X.]" bei isolierter Betrachtung verschiedene Bedeutungen zukommen. Im Kontext mit den übrigen [X.]en und den beanspruchten Dienstleistungen reduziere sich die Auswahl jedoch offensichtlich auf die erwähnten Bedeutungen.

6

Mit der hiergegen gerichteten Beschwerde begehrt der Anmelder die Aufhebung der angefochtenen Entscheidungen. Zur Begründung hat er insbesondere vorgetragen, dass die [X.] weder als rein dienstleistungsbezogene Sachaussage angesehen werden könne, noch sei ein spezifischer Bezug zu einer besonderen Finanzdienstleistung ersichtlich. Hierfür bedürfe es vielmehr weiterer gedanklicher Zwischenschritte, zumal sich die beanspruchten Dienstleistungen auch an Endverbraucher wendeten. Die Marke sei ausreichend vage und lasse auch im Bank- und Finanzdienstleistungsbereich eine Vielzahl an Bedeutungen zu, so dass letztlich ein konkreter Sachbezug fehle.

7

[X.][X.]" sei nicht lediglich eine Abkürzung für "Multi [X.] Fund". Vielmehr könne es sich um eine Vielzahl von Abkürzungen (etwa für "make money fast", "[X.]", "[X.]", "[X.]", "Master Message File", "[X.]", "[X.]"), eine reine Phantasie- oder eine Rechtsformbezeichnung, einen Namen oder um ein Firmenkürzel handeln. Bereits diese Vieldeutigkeit spreche gegen die Eignung zur beschreibenden Verwendung. Dementsprechend sei das Zeichen keine im Vordergrund stehende Sachaussage für Finanzdienstleistungen.

8

Eine Bedeutung der Buchstabenfolge "[X.]" als Akronym ergebe sich nicht durch die Interpretation der Abkürzung der vorhergehenden Wörter. Dies ergebe ohnehin keinen Sinn. Denn auch wenn die Buchstabenfolge "[X.]" den Wörtern "Multi [X.] Fund" direkt nachgestellt sei und mit deren Anfangsbuchstaben übereinstimme, sei dies schon angesichts der Vielzahl möglicher Bedeutungen von "[X.]" kein automatischer Hinweis darauf, dass der Verkehr die Buchstabenfolge als gleichbedeutende Verkürzung der vorangehenden Wörter auffasse. Angesichts des großen Bedeutungsspektrums könne den [X.] kein hinreichend klarer Begriffsinhalt beigeordnet werden, zumal das Verzeichnis der Dienstleistungen nur aus Ober- bzw. Sammelbegriffen bestehe. Ergänzend verweist der Anmelder auf verschiedene Eintragungen von Marken wie u. a. "[X.]", "[X.]", "[X.]".

[X.]

9

1. Der Erfolg der Beschwerde hängt von der Auslegung der Richtlinie 2008/95/[X.] und des Rates vom 22. Oktober 2008 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (kodifizierte Fassung) - im Folgenden: [X.] - ab. Vor der Entscheidung über das Rechtsmittel ist deshalb das Verfahren gemäß § 148 ZPO auszusetzen und gem. Art. 267 Abs. 1 b) Abs. 2 AEUV eine Vorabentscheidung des [X.] zu den im [X.] gestellten Fragen einzuholen.

In diesem Zusammenhang erachtet der Senat folgende Vorschriften als entscheidungserheblich:

Art. 3 Abs. 1 b) und c) [X.] lauten (in [X.] Fassung):

"Folgende Zeichen oder Marken sind von der Eintragung ausgeschlossen oder unterliegen im Falle der Eintragung der Ungültigerklärung:

b) Marken, die keine Unterscheidungskraft haben;

c) Marken, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, welche im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geografischen Herkunft oder der [X.] oder der Erbringung der Dienstleistung oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Ware oder Dienstleistung dienen können"

Diesen Vorschriften entsprechen inhaltlich die Bestimmungen des § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 des Gesetzes über den Schutz von Marken und sonstigen Kennzeichen (im Folgenden: [X.]). Diese lauten:

"Von der Eintragung ausgeschlossen sind Marken,

1. denen für die Waren oder Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft fehlt,

2. die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geografischen Herkunft, der [X.]n oder der Erbringung der Dienstleistungen oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können".

2. Der Senat neigt dazu, die angemeldete Marke als solche anzusehen, die im Sinne des Art. 3 Abs. 1 c) [X.], § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] ausschließlich aus Angaben besteht, die im Verkehr zur Bezeichnung von Merkmalen der Dienstleistungen dienen können. Dabei kommt es darauf an, wie das [X.] im Hinblick auf die aus mehreren Bestandteilen zusammengesetzte angemeldete Marke auszulegen ist.

a) Die vorliegend angemeldete Marke setzt sich erkennbar aus mehreren Bestandteilen zusammen. Sie besteht aus einer Folge von drei Wörtern und einer nachgestellten Buchstabenfolge.

Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] sind solche kombinierten Zeichen nach ihrem Gesamteindruck zu beurteilen. Maßgebend ist nicht, ob die einzelnen Bestandteile an sich, isoliert gesehen, beschreibender Natur sind. Entscheidend ist vielmehr, ob dies auch für die angemeldete Kombination als Ganzes gilt. So kann etwa eine ungewöhnliche Kombination von einem beschreibenden Gehalt wegführen (vgl. [X.] vom 16.09.04, [X.]/02, Rn. 28, 35 - SAT.2; Slg. 2004, [X.]).

Um aber den Gesamteindruck zu erkennen, ist zuerst eine Betrachtung der einzelnen Elemente der Marke vorzunehmen. Der beschreibende Charakter einer aus mehreren Wörtern zusammengesetzten Marke kann teilweise für jeden ihrer Begriffe oder ihrer Bestandteile getrennt geprüft werden, muss aber in jedem Fall auch für die Gesamtheit der Bestandteile festgestellt werden ([X.], a. a. [X.], Rn. 28, 35 - SAT.2; [X.] vom [X.], [X.]/08, Rn. 38 - manufacturing score card).

b) Vorliegend wird der Verkehr bei der Wahrnehmung der [X.] zunächst die drei Wörter "Multi [X.] Fund" lesen oder hören. Sie werden sowohl für sich genommen als auch in ihrer Gesamtfolge von den angesprochenen Verkehrskreisen leicht verstanden. Zum einen kann von [X.] Verkehrsteilnehmern auf dem Gebiet von Dienstleistungen mit Schwerpunkt auf Vermögensanlage und -verwaltung ein vergleichsweise gehobenes Verständnis von in der Finanzfachsprache häufig auftauchenden [X.] Grundwörtern der [X.] erwartet werden (was aber nicht automatisch auch für [X.] Fachabkürzungen gilt, s. u.). Zum anderen sind die in der Marke enthaltenen Wörter mit den entsprechenden [X.] Begriffen ("multi", "Markt" bzw. (plural) "Märkte", "Fonds") entweder identisch oder doch so ähnlich, dass selbst ein fremdsprachlich ungewandter [X.] Verbraucher sie mühelos verstehen kann.

Es ist davon auszugehen, dass der Verkehr die drei Wörter als zusammengehörige und sinnvoll auf einander bezogene Einheit erkennt. Denn es ist sowohl in der [X.] als auch in der [X.] Sprache üblich, Gesamtbegriffe durch sinnschaffende Aneinanderreihung von Einzelbegriffen zu bilden, bei denen der letzte Einzelbegriff (hier: "Fund") durch die vorangestellten Wörter spezifiziert wird. Insofern entspricht die angemeldete Marke nicht nur alltäglichen [X.] Wörtern wie "[X.]" sondern auch [X.] oder [X.] Gesamtbegriffen wie [X.] "Multi Asset Fonds" oder "Multi Strategie Fonds", die im Finanzbereich anzutreffen sind. Bereits dies belegt, dass der normal informierte Durchschnittsverbraucher die Wortfolge "Multi [X.] Fund" schon nach dem natürlichen Sprachverständnis ohne weiteres als Fond versteht, der in mehrere Märkte investiert.

Zudem hat die Recherche des vorlegenden Senats ergeben, dass der Begriff "Multi Market Fund" in der [X.] Finanzfachsprache, die auch dem [X.] Fachpublikum verständlich ist, in Zusammenhang mit verschiedenen Anbietern verwendet wird. Es handelt sich dabei um eine beschreibende Bezeichnung für eine bestimmte Gattung von Investmentfonds, die in verschiedene Märkte investieren. Diese Fachbezeichnung stimmt mit Ausnahme der Singularform "Market" mit der in der angemeldeten Marke vorhandenen Wortfolge überein. Unter diesen Umständen geht der Senat davon aus, dass es sich bei der Wortfolge "Multi [X.] Fund" um eine Angabe handelt, die die beanspruchten Dienstleistungen dahingehend beschreibt, dass sie speziell in Bezug auf einen Fond erbracht werden, der in mehrere Märkte investiert, etwa dass die von einer Lebensversicherung verwalteten oder die von Kreditinstituten angelegten Gelder in einem solchen oder mit Hilfe eines solchen Fonds verwaltet werden oder dass die Beratungsdienstleistungen speziell in Bezug auf solche Fonds erbracht werden. Lediglich für die rein immobilienbezogenen Dienstleistungen ("[X.], Liegenschafts- und Hausverwaltungen, Immobilienvermittlungen") liegt eine Merkmalsbeschreibung i. S. d. Art. 3 Abs. 1 c) [X.], § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] nicht zwingend auf der Hand.

c) Sodann ist die Buchstabenfolge "[X.]" als weiteres Markenelement zu betrachten. Der Verkehrsteilnehmer wird sie direkt im [X.] an die Wortfolge "Multi [X.] Fund" lesen oder hören. Deshalb geht der vorlegende Senat davon aus, dass der Verkehr den Buchstabenbestandteil als nachgestellte Abkürzung der vorangehenden Wortfolge versteht. Dies entspricht nach der Lebenserfahrung der natürlichen und nahe liegenden Wahrnehmung durch den normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher. Denn zum einen wird ihm in Form der begleitenden, hier sogar vorausgehenden, ausgeschriebenen Wörter eine bestimmte Bedeutung der Buchstaben bequem an die Hand gegeben, so dass er nicht weiter über die mögliche Bedeutung der Buchstabenfolge nachdenken muss. Zum anderen ist der Verkehr an derartige Kombinationen sich gegenseitig erläuternder Wörter und Buchstabenfolgen in den verschiedensten Schreibweisen und Reihenfolgen der Buchstaben oder Wörter gewöhnt. Dies gilt sowohl für beschreibende Wort-/Buchstabenkombinationen ([X.] "overhead camshaft - [X.]", "[X.] (intelligence quotient)", "DVD ([X.])", "[X.] ([X.])") wie auch für kennzeichnende Kombinationen ([X.] "[X.] - International Business Machines"; "[X.] - British Petroleum", "[X.] - [X.]"). Bei natürlicher Wahrnehmung der [X.] wird der Verkehr daher die den Wörtern "Multi [X.] Fund" folgende Buchstabenfolge "[X.]" ohne weiteres als Abkürzung der begleitenden Wörter auffassen, vor allem, wenn sämtliche [X.]e in gleicher Schrift und in einer Zeile erscheinen.

Dies gilt selbst dann, wenn die Buchstabenfolge "[X.]", würde sie dem Verkehr im hier relevanten Finanzbereich isoliert begegnen, andere Bedeutungen haben kann. Hier könnte etwa die beschreibende Bedeutung "[X.]" in Betracht kommen, die im Zurückweisungsbeschluss auch vom [X.] erwähnt worden ist. Dagegen spricht jedoch, dass sich angesichts der oben erläuterten Struktur der angemeldeten Marke bereits eine andere Bedeutung aufdrängt, nämlich die der Wortfolge "Multi [X.] Fund". Außerdem kann von einem Großteil der von den Dienstleistungen angesprochenen [X.] Verkehrsteilnehmer, zu denen auch breite Endverbraucherkreise gehören, nicht die Kenntnis der [X.] Fachabkürzung "[X.]" für "[X.]" erwartet werden, zumal in [X.] zur Bezeichnung eines derartigen Fonds das [X.] Wort "Geldmarktfonds" üblich und bekannt ist. Gegen ein Verständnis des [X.] "[X.] als Abkürzung für "[X.]" selbst durch Fachleute auf dem Gebiet des Finanzwesens spricht bei der vorliegenden Marke nicht zuletzt auch der inhaltliche Gegensatz mit der vorangestellten Wortfolge "Multi [X.] Fund". Denn die Bezeichnung eines in mehrere Märkte investierenden Fonds und die Bezeichnung eines nur auf dem Geldmarkt investierenden Fonds widersprechen sich gegenseitig.

Im Übrigen hat der Senat keine zureichenden Hinweise dafür aufgefunden, dass die Buchstabenfolge "[X.]" als solche auf dem hier relevanten Dienstleistungsgebiet eine beschreibende Bedeutung haben kann. Insbesondere ist sie ausweislich der Recherche des Senats in [X.] nicht als Abkürzung für "Multi Market(s) Fund" oder als eine andere Fachabkürzung im Finanzbereich bekannt und auch die weitere mögliche Bedeutung "make money fast", kommt hier nicht als Merkmalsbeschreibung der beanspruchten Dienstleistungen in Betracht, da sich letztere nur auf Kettenbriefe bzw. Internet-Spam bezieht. Das Zeichenelement "[X.]" ist daher vorliegend bei isolierter Betrachtung als Buchstabenkombination anzusehen, der als solcher keine beschreibende Bedeutung beigemessen werden kann.

d)Jedoch könnte die Zusammenfügung mit dem weiteren [X.] "Multi [X.] Fund" dazu führen, dass der Verkehr bei der Wahrnehmung der [X.] durch die vorangehende Wortfolge dahingehend zu einem Verständnis des zweiten [X.]s "[X.]" gelangt, dass er die Buchstabenfolge lediglich als Abkürzung der Wortfolge "Multi [X.] Fund" begreift und ihr infolgedessen ebenfalls eine beschreibende Bedeutung beimisst. Damit wäre das [X.] nach Art. 3 Abs. 1 c) [X.], § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] erfüllt, denn nunmehr würde die [X.] ausschließlich aus Angaben bestehen, die Merkmale der Dienstleistungen bezeichnen kann.

3. Weitgehend die gleichen Erwägungen gelten hinsichtlich des [X.]ses nach Art. 3 Abs. 1 b) [X.], 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.]. [X.]" erschöpft sich in einer beschreibenden Angabe, ohne dass ihr die Eignung zukommt, Versicherungs- und Finanzdienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen eines anderen Unternehmens zu unterscheiden. Aufgrund des engen sachlichen Zusammenhangs des durch die Wortfolge "Multi [X.] Fund" bezeichneten Gegenstandes mit dem [X.], bei dem es stets auch um Investitionen und Vermögensanlagen geht, neigt der Senat darüber hinaus dazu, die Unterscheidungskraft der Wortfolge auch für diese Dienstleistungen zu verneinen. Auch hier stellt sich damit die entscheidende Frage, wie die aus der Wortfolge "Multi [X.] Fund" und der Buchstabenfolge "[X.]" zusammen gesetzte Marke vom Verkehr verstanden wird.

4. Damit stellt sich die vorgelegte Auslegungsfrage.

Der Senat neigt aus den oben unter Ziff. 2. genannten Gründen zur Bejahung dieser Frage, mit der Konsequenz, dass die angemeldete Marke nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 [X.] von der Eintragung ausgeschlossen ist.

a) In diesem Sinne hat der vorlegende Senat bereits in einer Entscheidung zur Marke "[X.]" entschieden (Beschluss vom 16. Mai 2007, 33 W (pat) 3/05; [X.]). Die damals vom Senat zugelassene Rechtsbeschwerde zum [X.] ist nicht eingelegt worden.

Inzwischen hat der [X.] allerdings einen Fall - wenn auch im Rahmen einer Markenkollision - entschieden, in dem es um eine angegriffene Marke ging, die im Rahmen einer grafischen Gestaltung die unterschiedlich groß geschriebenen Bestandteile "idw" und "Informationsdienst Wissenschaft" aufwies. Darin hat der [X.] festgestellt, dass die Buchstabenfolge "idw", anders als bei einer Fantasiebezeichnung, die Abkürzung der weiteren Wortbestandteile darstelle und der sachliche Bezug der Buchstabenfolge zu den weiteren Wortbestandteilen einer Neigung des Verkehrs zur Verkürzung entgegenstehen könne. Zugleich hat der [X.] die Sache an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ([X.] vom 13.12.2007 - [X.], [X.]r. 37; [X.]).

Hierauf hat der 27. Senat des [X.]s festgestellt, dass die Buchstabenfolge "[X.]" in der älteren Wortmarke "[X.]" und in der weiteren (älteren) Bildmarke mit den Wortbestandteilen "[X.] Verlag GMBH" als Akronym wirke. Sie wirke daher als in das jüngere Zeichen "idw Informationsdienst Wissenschaft" übernommen und durch Text ergänzt, der das Akronym erläutere. Der angesprochene Verbraucher werde annehmen, es handele sich beim jüngeren Zeichen um eine Marke der Inhaberinnen der älteren Marken, in der die Abkürzung erläutert sei ([X.]atG vom 13.07.2009 - 27 W (pat) 19/09, unter [X.]) cc) und. 4) d).)

Der 24. Senat des [X.] hatte in jüngerer [X.] ebenfalls eine Markenkollisionssache zu entscheiden, bei der die angegriffene Marke aus einem (grafisch ausgestalteten) Kürzel "pn" und dem nachfolgenden Wort " printnet " bestand. Der Senat hielt es nicht für ausgeschlossen, dass der Verkehr die Buchstabenkombination als Anfangsbuchstaben der Bestandteile des nachfolgenden [X.] und damit als Abkürzung dieses [X.]s wahrnimmt, so dass sie gegenüber dem Bestandteil " printnet " keine eigenständige Bedeutung habe ([X.]atG, 24. Senat vom 11.08.2009, 24 W (pat) 82/08) unter [X.] 1.c) cc) (1)).

c) Demgegenüber wirkt die Rechtsprechung des Gerichts der [X.] und des [X.] nicht einheitlich. In einem Kollisionsfall, bei dem es um eine angegriffene grafisch ausgestaltete Marke mit dem groß geschriebenen Bestandteil "[X.]" und dem (wesentlich kleiner) darunter geschriebenen Bestandteil "[X.]" ging, hat das Gericht festgestellt, dass der Bestandteil "[X.]" die von der angemeldeten Marke umfassten Waren und Dienstleistungen nicht beschreibe, so dass ihm eine gewisse Kennzeichnungskraft zukomme, während der Ausdruck "[X.]" für Waren im Bereich der Medizin nur eine sehr geringe Kennzeichnungskraft besitze. Das Gericht hat sodann eine Zeichenähnlichkeit und Verwechslungsgefahr aus der Übereinstimmung der Marken im Bestandteil "[X.]" hergeleitet. Dabei hat es neben einer visuellen und klanglichen Ähnlichkeit auch eine Ähnlichkeit der Marken in begrifflicher Hinsicht mit der Erwägung bejaht, dass die Verbraucher, die die ältere Marke gesehen haben, dem Kürzel "[X.]" dieselbe Bedeutung zuordnen werden ([X.], [X.]/03, [X.]. 80 - 86; Slg. 2007, [X.]).

In einem Verfahren über die Löschung der Gemeinschaftsmarke "[X.][X.]" wegen Verfalls hat das Gericht zur Frage der rechtserhaltenden Benutzung und der sich dabei stellenden Frage der Beeinflussung der Unterscheidungskraft der benutzten Form i. S. d. Art. 15 Abs. 2 a) der [X.] ausgeführt, dass das in der benutzten Form (gegenüber der eingetragenen Marke) zusätzlich vorhandene Kürzel "[X.]" nicht nur wegen der Gestaltung der Verwendungsform eine zweitrangige Stellung einnehme, sondern als Hinzufügung der Abkürzung des Ausdrucks "[X.]" denselben Bedeutungsgehalt wie die eingetragene Marke "[X.][X.]" habe und daher nicht geeignet sei, die Unterscheidungskraft der Marke in ihrer eingetragenen Form zu beeinflussen ([X.] vom 10.06.2010, [X.]/08, [X.]. 40).

Dagegen hat die Vierte [X.] des [X.] für den Binnenmarkt in einer Entscheidung die Zurückweisung der Anmeldung der Marke "[X.] - [X.]" (für [X.], verschiedene finanzbezogene Dienstleistungen und Datenbankdienstleistungen) durch den Prüfer mit der Erwägung aufgehoben, dass die Buchstabenkombination "[X.]" als solche keine beschreibende Bedeutung habe und sich dies nicht dadurch ändere, dass die [X.] die Wortfolge "[X.]" enthalte. Andernfalls würde eine nicht beschreibende Buchstabenfolge durch den Zusatz von weiteren Wörtern "nachträglich" beschreibend werden. Eine Marke werde jedoch von den Verkehrskreisen in ihrer Gesamtheit wahrgenommen, damit in ihren beschreibenden und nicht beschreibenden Bestandteilen. Der Markeninhaber sei grundsätzlich nicht gehindert, einer unterscheidungskräftigen Angabe weitere erläuternde beschreibende Angaben hinzuzufügen ([X.], Vierte [X.] vom 15.10.2009 ([X.]/2008-4), [X.]. 12 u. 16).

d) Die Erwägung der [X.], dass eine für sich genommen nicht beschreibende und demnach in Alleinstellung auch als Marke schutzfähige Buchstabenkombination durch eine Zusammenstellung mit weiteren (beschreibenden) Wortelementen zu einer [X.] nicht "nachträglich" beschreibend werden könne, unterstreicht hier den Auslegungsbedarf. Denn zunächst unterliegt eine Buchstabenfolge, die nicht als beschreibende Abkürzung feststellbar ist und der auch nicht aus sonstigen Gründen die Unterscheidungskraft fehlt, keinem [X.] i. S. d. Art. 3 Abs. 1 b) bis d) [X.]. Auch für Buchstaben und Buchstabenfolgen gilt der Grundsatz, dass es keine Markenkategorie gibt, bei der im Vergleich zu anderen Markenkategorien andere Maßstäbe an die Unterscheidungskraft anzusetzen sind. Insbesondere hat stets eine konkrete Prüfung der Unterscheidungskraft zu erfolgen (vgl. zu Einzelbuchstaben: [X.], Urteil vom 09.09. 2010, [X.]/09, [X.]. 32 - 40 - [X.] / [X.]). Dies könnte auf den ersten Blick dafür sprechen, ein und dieselbe Buchstabenkombination für gleiche Waren und Dienstleistungen auch stets gleich zu beurteilen, unabhängig davon, ob die Buchstabenkombination in Alleinstellung oder zusammen mit weiteren (erläuternden) Bestandteilen als Marke angemeldet wird.

e) Dennoch stellt es aus der Sicht des vorlegenden Senats keinen Widerspruch dar, wenn eine Buchstabenfolge für die gleichen Waren oder Dienstleistungen einmal als nicht beschreibend und unterscheidungskräftig angesehen werden kann, wenn sie dem Verkehr als isolierte Kennzeichnung begegnet, und [X.] als beschreibende und nicht unterscheidungskräftige Angabe angesehen werden muss, wenn sie mit bestimmten anderen beschreibenden [X.]n zu einer [X.] zusammengestellt ist. Denn es kommt stets auf die Betrachtung der Marke in ihrer Gesamtheit an. Daher ist es ohne weiteres möglich, dass die Hinzufügung oder Weglassung weiterer [X.] eine andere Beurteilung zur Folge hat. So wird [X.] das isolierte Wort "pretty" in Bezug auf [X.] anders beurteilt werden als die Wortkombination "pretty good", ebenso [X.] die isolierte Zahl "3" gegenüber der Kombination "3D" im Bereich der Unterhaltungselektronik.

Im vorliegenden Fall werden die Markenwörter "Multi", "[X.]" und "Fund" vom Senat ebenfalls nach den gleichen Grundsätzen beurteilt und als (beschreibende) Gesamtwortfolge angesehen, ohne dass sich die Frage stellt, ob eines der drei Markenwörter in Alleinstellung hätte schutzfähig sein können. Für den Senat ist kein Grund ersichtlich, eine hinzugefügte Buchstabenfolge anders zu beurteilen.

f) Im Übrigen zeigen die oben genannten Entscheidungen, dass die Auslegungsfrage auch Einfluss auf Markenkollisionsfälle haben kann. Auch bei [X.] stellt sich häufig die Frage, ob eines von mehreren [X.]n dominierend ist, wobei auch in der [X.] Rechtsprechung oftmals intensiv die Stellung und Bedeutung der einzelnen [X.]e in der [X.] und ihr Verhältnis zueinander untersucht werden. So hat der Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 2. September 2010, [X.]/09 - [X.] / [X.] zur Marke "[X.] [X.] KENNYA " das Gericht zustimmend darin zitiert, dass dem [X.] "[X.]" gegenüber dem Bestandteil " [X.] KENNYA " eine akzessorische Bedeutung zukomme, so dass er zu vernachlässigen sei ([X.]. 57). Dies zeigt nach Auffassung des vorlegenden Senats, dass Interdependenzen zwischen Wortbestandteilen und Buchstabenkombinationen bestehen, die als Abkürzung der Wortbestandteile in Betracht kommen, und dass diese Interdependenzen bei der markenrechtlichen Beurteilung zu beachten sind.

Ergänzend wird auf das parallele Vorabentscheidungsersuchen des [X.]s vom heutigen Tage in der Sache 33 W (pat) 77/08 zur Marke "[X.] - [X.]" hingewiesen.

Meta

33 W (pat) 133/08

11.01.2011

Bundespatentgericht 33. Senat

EuGH-Vorlage

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, EuGH-Vorlage vom 11.01.2011, Az. 33 W (pat) 133/08 (REWIS RS 2011, 10606)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 10606

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

33 W (pat) 77/08

Zitiert

33 W (pat) 77/08

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