Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.09.2017, Az. XII ZR 54/16

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 4657

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:270917BXIIZR54.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZR 54/16
vom
27. September
2017
in dem
Rechtsstreit

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2
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Der XII. Zivilsenat des [X.] hat am 27. September
2017
durch den
Vorsitzenden Richter Dose,
[X.] Dr. [X.],
Schilling
und Guhling und die Richterin Dr. [X.]
beschlossen:
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin
wird die [X.] gegen das Urteil des
1. Zivilsenats des [X.]s [X.]
vom 7. April
2016
zugelassen, soweit darin
die Berufung der Klägerin gegen ihre auf die Widerklage erfolgte Verurteilung zur Räumung und Herausgabe sowie
zur Zahlung von mehr als

in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
aus einem Betrag von 2014 und aus einem Betrag von 4.7zurückgewiesen worden ist.
Auf die Revision der Klägerin wird das vorgenannte Urteil im Kos-tenpunkt und im Umfang der Zulassung aufgehoben. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Revisionsverfahrens,
an das [X.] zurückverwiesen.

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Gründe:
I.
Die
Klägerin schloss im März 2009 mit der Streithelferin des [X.] einen gewerblichen Mietvertrag über ein als Club ("[X.]") genutztes Objekt. In § 5.3 des Vertrags war formularmäßig vorgesehen, dass der Mieter gegenüber Ansprüchen des Vermieters nur mit Gegenansprüchen aufrechnen oder ein Zurückbehaltungsrecht ausüben darf, wenn der Gegenanspruch oder das Zurückbehaltungsrecht vom Vermieter anerkannt oder rechtskräftig [X.] wurde. Im August 2011 ereignete sich ein Starkregen, in dessen Folge Wasser in die Mieträume eindrang. Die Klägerin macht insbesondere geltend, dass dadurch Wasserschäden an dem auf dem Fußboden verklebten
Teppich-boden, an einer Trockenbauwand sowie an einem
als Holzkonstruktion errichte-ten [X.] entstanden seien. Nachdem weder die Streithelferin noch der Beklagte, der die Immobilie im Jahr 2012 von der Streithelferin erworben hatte, zur Beseitigung der Wasserschäden oder zur Kostenübernahme bereit waren, zahlte die Klägerin
zwischen
August 2013 und Juli 2014 keine Miete mehr. Der Beklagte kündigte das Mietverhältnis im Februar 2014 fristlos wegen [X.].
Die Klägerin hat mit ihrer Klage von dem [X.] die Kosten für die von ihr veranlassten Reparaturen der Wasserschäden sowie für einen Be-triebsausfallschaden
in
einer Gesamthöhe von 71.724,99

, gegebenenfalls unter Verrechnung der nicht gezahlten
Mieten geltend gemacht.
Das [X.] hat die Klage abgewiesen und die Klägerin auf die Widerklage des [X.] zur Räumung und Herausgabe der Mieträume und zur Zahlung von Mit ihrer dagegen ge-richteten Berufung hat die Klägerin ihr Zahlungsbegehren noch in einer Höhe 1
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beantragt. Das [X.] hat die Berufung zurückgewiesen.
Die Klägerin wendet sich mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde nur noch gegen ihre Verurteilung zur Räumung und Herausgabe der Mieträume sowie gegen ihre Verpflichtung
zur Zahlung rückständiger Miete von mehr als 9.971,91

nebst Zinsen.

II.
Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Nichtzulassungsbeschwer-de der Klägerin ist begründet. Die zuzulassende
Revision führt im Umfang der Anfechtung des Berufungsurteils durch die Klägerin zu dessen Aufhebung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht
(§ 544 Abs. 7 ZPO).
1. Das Berufungsgericht hat -
soweit für das Revisionsverfahren von Inte-resse -
seine Entscheidung wie folgt begründet: Der
Klägerin stünden nicht deswegen Ansprüche zu, weil der Beklagte als Vermieter mit der Beseitigung der von ihm nicht zu vertretenden Wasserschäden in Verzug geraten wäre. Die Pflicht des Vermieters zur Instandhaltung gelte nicht für Einbauten wie Theken, Podeste oder Wandverkleidungen, die der Mieter selbst eingebracht habe. Sie umfasse lediglich
Einrichtungen wie Fußböden oder Türen, Fenster und Wän-de, die zum festen Bestandteil der Mietsache gehörten. Im vorliegenden Fall mache die Klägerin ganz überwiegend Schäden an solchen Einrichtungen gel-tend, die nicht im Eigentum des [X.] stünden, sondern für deren Instand-haltung die Klägerin als Eigentümerin selbst verantwortlich sei. Dies ergebe sich aus dem am 20. März 2009 abgeschlossenen Kaufvertrag zwischen der Klägerin und der Vormieterin des Objektes, wonach das gesamte "bewegliche 3
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und unbewegliche Inventar"

Klägerin verkauft worden sei. Gegen die Behauptung der Klägerin, dass die bodenfest verbundenen Gegenstände -
insbesondere das
in Form einer Holz-konstruktion aufgebaute [X.] -
nicht mit veräußert worden seien, spreche der eindeutige Wortlaut des Kaufvertrags und der Umstand, dass sich der hohe welches in einem gebrauchten Zustand gewesen sei, nicht schlüssig erklären lasse. Anhaltspunkte für einen möglichen "Anspruch aus § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB"
seien
daher allein hinsichtlich der zerstörten Fußböden denkbar. Die von der Klägerin eingereichten Abrechnungen und Auflistungen über die im [X.] durchgeführten Sanierungsarbeiten ermöglichten aber wegen fehlender Differenzierung keine Überprüfung, ob der Klägerin zumindest ein Teilbetrag wegen der Erneuerung des Fußbodens zugesprochen werden könne.
2. Zu Recht beanstandet
die Klägerin, dass das Berufungsgericht seine Feststellungen zum Vertragsgegenstand
der
schriftlichen Vereinbarung
vom 20.
März 2009 unter Verletzung
des Anspruchs der Klägerin auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) getroffen hat.
a) Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Dabei soll das Gebot des rechtlichen Gehörs als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass die Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, welche ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der [X.]en haben. In diesem Sinne gebietet Art. 103 Abs. 1 GG in Verbindung mit den Grundsätzen der Zivilprozessordnung die Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge. Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze [X.] (Senatsbeschlüsse
vom 5. Oktober 2016 -
XII ZR 130/15 -
juris Rn. 10 und 6
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6
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vom 7. September
2011 -
XII ZR 114/10 -
GuT 2012, 268 Rn. 9 mwN). Das gilt auch und insbesondere dann, wenn diese Nichtberücksichtigung auf vorwegge-nommener tatrichterlicher Beweiswürdigung beruht, also der von einer [X.] angebotene Beweis nicht erhoben wird, weil das Gericht dem unter Beweis ge-stellten Vorbringen wegen seiner bereits gewonnenen Überzeugung kein Ge-wicht mehr beimisst ([X.] Beschluss vom 19. Januar 2012 -
V ZR 141/11 -
WuM 2012, 164 Rn. 8 mwN).
b) Das Berufungsgericht hat seine Überzeugung, dass insbesondere die Trockenbauwand und das
aus Holz gefertigte Podest
von der Vereinbarung zwischen der Klägerin und der ausscheidenden Mieterin umfasst gewesen [X.], aus seinem Verständnis des in der Vertragsurkunde verwendeten Begriffs
"unbewegliches Inventar"
gewonnen, den das Berufungsgericht für eindeutig hält. Zwar gehört zu den anerkannten Grundsätzen für die -
an sich dem Tatrichter vorbehaltene -
Auslegung einer Individualvereinbarung, dass der Wortlaut der Vereinbarung den Ausgangspunkt einer Auslegung bildet. Jedoch geht der übereinstimmende [X.]wille dem Wortlaut und jeder anderen [X.] vor, selbst wenn er im Inhalt der Erklärung keinen oder nur einen un-vollkommenen Ausdruck gefunden hat (Senatsbeschluss vom 30. April 2014

[X.] -
juris Rn. 17 mwN; [X.] Beschluss vom 11. November 2014

VIII ZR 302/13 -
NJW 2015, 409 Rn. 11 mwN).
Im Streitfall hat die Klägerin sowohl in erster als auch in zweiter Instanz zu
einem abweichenden
Verständ-nis des Kaufvertrags
vorgetragen und durch Vernehmung des Zeugen S. unter Beweis gestellt, dass mit "unbeweglichem Inventar"
lediglich die Bar und die Theke des Lokals gemeint gewesen sein
sollen. Da sich aus der Erhebung des von der Klägerin angebotenen Beweises wesentliche Erkenntnisse für die Aus-legung des Kaufvertrags hätten ergeben können, konnte es
diesen Beweisan-trag nicht unter Hinweis auf einen vermeintlich eindeutigen Vertragswortlaut übergehen, ohne dadurch den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör zu 8
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verletzen (vgl. Senatsbeschluss vom 30. April 2014 -
[X.] -
juris Rn.
17; [X.] Urteil vom 15. Februar 2017 -
VIII ZR 284/15 -
MDR 2017, 597
Rn.
28). Die vom Berufungsgericht zur Stützung seines Auslegungsergebnisses angestellten Erwägungen zum schlüssigen Zusammenhang zwischen der Höhe des Kaufpreises und dem Gegenstand des Kaufvertrags
stellen insoweit ledig-lich eine -
unzulässige -
vorweggenommene Beweiswürdigung
dar, für die es im Übrigen an einer belastbaren tatsächlichen Grundlage fehlt.
3. Der von der Klägerin gerügte Gehörsverstoß ist auch entscheidungs-erheblich.
a) Es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht bei Erhebung des gebotenen Beweises zu einem abweichenden Verständnis von der Reich-weite der
Vereinbarung zwischen der Klägerin und dem Vormieter gelangt [X.]. Hat der neue
Mieter die
von dem Vormieter in die Mietsache eingebrachten Einrichtungen (hier insbesondere den
Fußbodenbelag, die in Leichtbauweise errichtete Zwischenwand und das [X.]) und das damit verbundene Recht zur Wegnahme dieser Einrichtungen (§ 539 Abs. 2 BGB) nicht im Wege einer Ablösungsvereinbarung übernommen, hängt es von der Auslegung des Mietvertrags zwischen dem Vermieter und dem Nachmieter ab, ob die von dem Vormieter in den Mieträumen zurückgelassenen Einrichtungen als Bestandteile der Mietsache mitvermietet worden sind oder nicht. Ist dies der Fall, wovon [X.] bei solchen, fest mit der Mietsache verbundenen Einbauten mangels einer ausdrücklich entgegenstehenden Vereinbarung im Zweifel auszugehen sein dürfte, erstreckt sich die [X.] (§ 535 Abs. 1 Satz 2 BGB) des Vermieters auch auf diese Einrichtungen. Dann ist es auch
nicht aus-zuschließen,
dass das Berufungsgericht beim Vorliegen der sonstigen Voraus-setzungen des
§ 536 a Abs. 2 Nr. 1 BGB einen Aufwendungsersatzanspruch der Klägerin wegen Verzugs des [X.] -
und/oder der Streithelferin -
mit 9
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der Beseitigung der streitgegenständlichen Wasserschäden insbesondere an der Trockenbauwand und dem
[X.]
bejaht hätte.
b) Die Entscheidung des Berufungsgerichts erweist sich -
soweit sie an-gefochten worden ist -
auch nicht aus anderen Gründen ganz oder teilweise als richtig. Insbesondere stand der Aufrechnung mit einem etwaigen Aufwen-dungsersatzanspruch der Klägerin gegen die laufende Miete -
was schon das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat -
das im vorliegenden Mietvertrag for-mularmäßig
vereinbarte [X.] nicht entgegen. Der Mieter von Geschäftsräumen
wird durch eine Formularklausel, die dahingehend ausgelegt werden kann, dass die Möglichkeit der Aufrechnung mit einer unbestrittenen Forderung zusätzlich von deren Anerkennung durch den Vermieter abhängig ist, im Sinne von
§ 307
BGB unangemessen benachteiligt, so dass die Klausel insgesamt unwirksam ist (vgl. Senatsurteil vom 27. Juni 2007 -
XII ZR 54/05 -
NJW 2007, 3421, 3422; vgl. auch [X.] Urteile vom 16. März 2006 -
I [X.]/03 -NJW-RR 2006, 1350, 1351 und vom 1. Dezember 1993 -
VIII ZR 41/93 -
NJW 1994, 657 f.).
Dose
[X.]
Schilling

Guhling
[X.]
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 04.08.2015 -
11 O 316/13 -

OLG [X.], Entscheidung vom 07.04.2016 -
1 U 883/15 -

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Meta

XII ZR 54/16

27.09.2017

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.09.2017, Az. XII ZR 54/16 (REWIS RS 2017, 4657)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 4657

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XII ZR 54/16

XII ZR 114/10

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