Bundessozialgericht, Beschluss vom 16.02.2017, Az. B 9 V 48/16 B

9. Senat | REWIS RS 2017, 15497

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensfehler - Untersuchungsgrundsatz - Darlegung der Verfahrens- und Prozessgeschichte sowie des tatsachengerichtlich festgestellten Sachverhalts - Vernehmung medizinischer Laien zu Krankheitssymptomen - abweichende Einschätzungen von Sachverständigen - Darlegung der Erforderlichkeit weiterer Ermittlungen - gesteigerte Substantiierungslast - unterschiedliche Anknüpfungs- bzw Befundtatsachen in den Gutachten - richterliche Beweiswürdigung - weiteres Gutachten nicht zwingend erforderlich - Qualität des Gutachtens - mangelhafte Befragung der Begutachtungsperson - konkretisierende Angaben in der Beschwerdebegründung - Umfang der Amtsermittlungspflicht - konkretes Beweisthema im Beweisantrag - Darlegungsanforderungen


Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 23. Juni 2016 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

I. Die Klägerin begehrt Entschädigung für die Folgen rechtsstaatswidriger Haft in der ehemaligen [X.] im Jahr 1987.

2

Im November 2008 beantragte die Klägerin zum [X.] Versorgungsleistungen wegen der [X.]. Sie leide deshalb [X.] an Depressionen und Schlaflosigkeit. Der [X.]eklagte lehnte den Antrag nach medizinischen Ermittlungen ab, weil kein Zusammenhang zwischen den vorgebrachten Gesundheitsstörungen und der Inhaftierung bestehe ([X.]escheid vom [X.], Widerspruchsbescheid vom 6.12.2010).

3

Das [X.] holte ein Gutachten des Psychiaters Prof. Dr. S. ein, der der Klägerin als Folge der Haft ein subsyndromales posttraumatisches [X.]elastungssyndrom ([X.]) bescheinigte und einen Grad der Schädigung (GdS) von 10 vorschlug. Das [X.] hat den [X.]eklagten unter Änderung der angefochtenen [X.]escheide verurteilt, als Folgen der Haft eine sonstige Reaktion auf schwere [X.]elastung (subsyndromales [X.]) anzuerkennen und die Klage im Übrigen abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 10.10.2014).

4

Die Klägerin hat dagegen [X.]erufung, der [X.]eklagte Anschlussberufung eingelegt. Das L[X.] hat auf Antrag der Klägerin ein Gutachten des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Prof. Dr. P. eingeholt. Nach seiner Ansicht liegt bei der Klägerin das Vollbild einer [X.] vor, die auf Dauer mit einem GdS von 40 zu bewerten sei. Das L[X.] ist dagegen dem erstinstanzlich gehörten Gutachter gefolgt, hat den Gerichtsbescheid aufgehoben, die Klage abgewiesen und die [X.]erufung der Klägerin zurückgewiesen. Nach den gängigen Diagnosesystemen entsprechend der Nomenklatur der [X.] und der [X.] ([X.]) könne sich der Senat vom Vorliegen einer [X.] bei der Klägerin nicht überzeugen. Es fehle jedenfalls an dem C- oder [X.] sowie an dem D- oder Hypersensitivitätskriterium (Urteil vom 23.6.2016).

5

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat die Klägerin [X.]eschwerde beim [X.][X.] eingelegt. Das L[X.] habe Verfahrensfehler begangen, sei von der Rechtsprechung des [X.][X.] abgewichen und habe die grundsätzliche [X.]edeutung der Rechtssache verkannt.

6

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Die [X.]egründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil weder die behaupteten Verfahrensmängel (1.) noch die angebliche Divergenz und grundsätzliche [X.]edeutung (2.) ordnungsgemäß dargetan worden sind (vgl § 160a Abs 2 S 3 [X.]G).

7

1. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, es liege ein Verfahrensmangel vor, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 [X.] Halbs 1 [X.]G), so müssen bei der [X.]ezeichnung dieses [X.] (§ 160a Abs 2 S 3 [X.]G) zunächst substantiiert die ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen dargetan werden. Daran fehlt es hier.

8

a) Die [X.]eschwerde hat den behaupteten Verstoß des L[X.] gegen seine Pflicht zur Amtsermittlung aus § 103 [X.]G und in diesem Zusammenhang gegen §§ 128 Abs 2, 106 Abs 3 und 4 [X.]G sowie § 412 ZPO nicht hinreichend substantiiert dargelegt.

9

Rügt ein [X.]eschwerdeführer Verstöße gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht (§ 103 [X.]G), muss die [X.]eschwerdebegründung hierzu jeweils folgende Punkte enthalten: (1) [X.]ezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren [X.]eweisantrags, dem das L[X.] nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des L[X.], aufgrund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen, (3) Darlegung der von dem betreffenden [X.]eweisantrag berührten Tatumstände, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten, (4) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen [X.]eweisaufnahme und (5) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des L[X.] auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen [X.]eweisaufnahme beruhen kann, das L[X.] mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der unterlassenen [X.]eweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem [X.]eschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können ([X.][X.] [X.]-1500 § 160a [X.] Rd[X.] 5 mwN; Fichte in [X.]reitkreuz/Fichte, [X.]G, 2. Aufl 2014, § 160a Rd[X.] 56).

Diesen Erfordernissen wird die [X.]eschwerdebegründung nicht gerecht. Zunächst fehlt es an der zusammenhängenden und aus sich heraus verständlichen Darlegung der Verfahrens- und Prozessgeschichte sowie des vom L[X.] festgestellten Sachverhalts und damit der Tatumstände, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass hätten geben können. Die [X.]eschwerde beschränkt sich insoweit auf eine wenige Zeilen umfassende "Vorbemerkung" mit einer bruchstückhaften Zusammenfassung des Prozessgeschehens aus Sicht der Klägerin.

Darüber hinaus hat die Klägerin nicht dargelegt, einen prozessordnungsgemäßen [X.]eweisantrag gestellt zu haben. Der von ihr wiedergegebene Antrag,

sie neurologisch, psychiatrisch und psychotherapeutisch von Amts wegen begutachten zu lassen zu der Frage, ob bei ihr das Vollbild [X.] nach der [X.] GM 2016 [X.] F43.1 und/oder dem [X.] IV oder dem [X.] 5 erfüllt ist bzw aufgrund der unterschiedlichen Einschätzungen zweier Sachverständiger zur Schwere der Ausprägung der psychischen Erkrankung im Sinne von Teil [X.] [X.].7 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze sowie zur Feststellung des Grades der [X.] Anpassungsstörungen aufgrund der Unterschiedlichkeit der Sachverständigengutachten,
enthält weder die erforderliche, hinreichend bestimmte [X.]eweisbehauptung ("ob"), noch gibt er das voraussichtliche Ergebnis der beantragten [X.]eweiserhebung an. Darüber hinaus lässt der Antrag zwar erkennen, zu welchen Tatsachen die Klägerin eine [X.]eweiserhebung für nötig erachtet hat. Um in der aktuellen Prozesssit[X.]tion ein [X.]eweisthema für das L[X.] hinreichend genau zu bezeichnen, hätte sie aber zusätzlich angeben müssen, warum gerade diese Punkte weiter klärungsbedürftig sein sollten. Denn je mehr Aussagen von Sachverständigen oder (sachverständigen) Zeugen zum [X.]eweisthema bereits vorliegen, desto genauer muss der [X.]eweisantragsteller auf mögliche Unterschiede und Differenzierungen eingehen (Fichte, [X.]b 2000, 653, 656). Angesichts dessen reichte es nicht aus, lediglich nochmals das [X.]estehen einer [X.] im Vollbild unter [X.]eweis zu stellen bzw ohne nähere Erläuterung auf die abweichenden Einschätzungen der Sachverständigen zur psychischen Erkrankung der Klägerin zu verweisen, da zu diesen Themenkomplexen bereits drei Sachverständigengutachten vorlagen. Der allgemein gehaltene und relativ undifferenzierte Antrag der Klägerin war daher nicht dazu geeignet, dem [X.]erufungsgericht noch klärungsbedürftige Punkte aufzuzeigen und es damit zu weiteren Ermittlungen zu veranlassen.

Auch der von der Klägerin weiter wiedergegebene Antrag, ihren Lebensgefährten als Zeugen zur Feststellung der Symptome der Krankheit, insbesondere der [X.] Anpassungsschwierigkeiten im [X.]ereich Partnerschaft, sonstige [X.] [X.]eziehungen und an ihrem Arbeitsplatz zu vernehmen, gibt nicht hinreichend substantiiert an, welche Tatsachen genau in das Wissen des Zeugen gestellt werden und teilt zudem das zu erwartende Ergebnis der Zeugenvernehmung nicht mit (vgl [X.][X.] [X.]eschluss vom 13.8.2015 - [X.] V 13/15 [X.] - Rd[X.]0 mwN). Hierzu hätte in besonderem Maße Veranlassung bestanden, nachdem sich die eingeholten Gutachten entsprechend den Angaben der [X.]eschwerdebegründung mit der relevanten Krankheitssymptomatik befasst hatten. Konkretisierende Angaben in der [X.]eschwerdebegründung vermögen einen prozessordnungsgemäßen [X.]eweisantrag im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht zu ersetzen. Zudem erscheint es in der konkreten Sit[X.]tion vertretbar, wenn das [X.]erufungsgericht die Vernehmung eines medizinischen Laien zu spezifischen Krankheitssymptomen als von vornherein völlig ungeeignetes [X.]eweismittel angesehen hat, vgl § 244 Abs 3 S 2 Strafprozessordnung, obwohl dieser im Übrigen durchaus geeignet sein kann zur Aufklärung von Tatsachen beizutragen, denen im weiteren Erkenntnisprozess medizinische [X.]edeutung zukommt (vgl [X.][X.] hierzu [X.]eschluss vom 7.4.2011 - [X.] S[X.] 47/10 [X.] - mwN).

Unabhängig davon hat die [X.]eschwerde auch nicht schlüssig dargelegt, warum die Anträge der Klägerin das L[X.] hätten zu weiterer [X.]eweiserhebung drängen müssen. Dazu hätte es der Darlegung bedurft, warum das Gericht objektiv gehalten gewesen war, den Sachverhalt weiter aufzuklären und den beantragten [X.]eweis zu erheben (vgl [X.][X.] [X.]eschluss vom [X.] S[X.] 47/09 [X.] - Juris). Daran fehlt es hier. Die Würdigung voneinander abweichender Gutachtenergebnisse oder ärztlicher Auffassungen gehört wie die anderer sich widersprechender [X.]eweisergebnisse zur [X.]eweiswürdigung selbst. Eine Verpflichtung zur Einholung eines so genannten [X.] (zu diesem [X.]egriff [X.] in [X.], [X.]G, Stand September 2016, § 128 Rd[X.] 73) besteht auch bei einander widersprechenden Gutachtensergebnissen im Allgemeinen nicht; vielmehr hat sich das Gericht im Rahmen der [X.]eweiswürdigung mit den einander entgegenstehenden Ergebnissen auseinanderzusetzen ([X.] in [X.]/[X.]/ [X.], [X.]G, 11. Aufl 2014, § 128 Rd[X.] 7d, 7e mwN). Hält das Gericht eines von mehreren Gutachten für überzeugend, darf es sich diesem anschließen, ohne ein weiteres Gutachten einzuholen ([X.] aaO § 128 Rd[X.] 71). [X.]ei einer derartigen Fallgestaltung ist für eine weitere [X.]eweiserhebung regelmäßig kein Raum ([X.][X.] [X.]-1500 § 160a [X.] Rd[X.] 8). Gründe für eine Ausnahme sind hier nicht dargelegt. Liegen bereits mehrere Gutachten vor, ist das [X.] nur dann zu weiteren [X.]eweiserhebungen verpflichtet, wenn die vorhandenen Gutachten ungenügend sind, § 118 Abs 1 S 1 [X.]G iVm § 412 Abs 1 ZPO, weil sie grobe Mängel oder unlösbare Widersprüche enthalten oder von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen ausgehen oder Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde des Gutachters geben (vgl [X.][X.] [X.]-1500 § 160a [X.] Rd[X.] 9 mwN).

Die von ihr behaupteten, nur durch ein weiteres Gutachten aufzulösenden Widersprüche zwischen den unterschiedlichen Gutachten hat die [X.]eschwerde nicht substantiiert dargelegt. Entgegen ihrer Auffassung genügt es dafür nicht schon, dass das auf Antrag der Klägerin eingeholte Sachverständigengutachten einerseits sowie die vom Gericht sowie vom [X.]eklagten eingeholten Gutachten andererseits aus ihrer Sicht miteinander nicht zu vereinbarende Tatsachenfeststellungen enthalten. So ist auch der von der [X.]eschwerde zitierte Senatsbeschluss vom 12.5.2015 ([X.] S[X.]3/14 [X.]) nicht zu verstehen. Nach dieser Entscheidung braucht das [X.] jedenfalls dann kein weiteres Gutachten einzuholen, wenn der Kläger bereits nicht darlegt, dass sich die Tatsachengrundlagen der Gutachten widersprechen. Daraus ergibt sich aber umgekehrt noch nicht, dass bereits widersprüchliche Tatsachenfeststellungen verschiedener Gutachten stets ein weiteres Gutachten erzwingen, um den Widerspruch aufzulösen. [X.] vielmehr die Differenzen zwischen den Auffassungen von Sachverständigen darauf, dass diese von verschiedenen tatsächlichen Annahmen ausgehen, dann muss der Tatrichter, ggf nach weiterer Aufklärung, die für seine Überzeugungsbildung maßgebenden Tatsachen feststellen oder begründen, weshalb und zu wessen Lasten sie beweislos geblieben sind (vgl [X.] Urteil vom 23.9.1986 - [X.]). Diese letztgültige Feststellung der maßgeblichen Anknüpfungs- bzw [X.]efundtatsachen muss nicht zwingend durch ein weiteres Gutachten, sondern kann in freier [X.]eweiswürdigung der von den Sachverständigen festgestellten Tatsachen erfolgen. Denn haben die Sachverständigen unterschiedliche [X.]efunde erhoben, so obliegt es grundsätzlich dem [X.], die Aussagekraft der erhobenen [X.]efunde anhand nachvollziehbarer Kriterien zu gewichten, soweit es dazu nicht auf medizinische Sachkunde zurückgreifen muss, die ihm die Sachverständigen im zu entscheidenden Fall nicht vermittelt haben und über die es auch sonst nicht verfügt.

Die [X.]eschwerde hat nicht substantiiert dargelegt, warum diese nachvollziehbare Gewichtung der unterschiedlichen [X.]efunde dem L[X.] misslungen sein sollte. Was insbesondere eine erhöhte Reizbarkeit und Konzentrationsschwierigkeiten als maßgebliche (Unter-)Symptome einer [X.] angeht, hat das L[X.] die Feststellungen des von Amts wegen gehörten Sachverständigen als überzeugender angesehen. Diese habe sich - anders als der auf Antrag der Klägerin gehörte Sachverständige - nicht allein auf ihre Schilderungen verlassen, sondern die objektiv feststellbaren [X.]efunde ausgewertet und zum Zeitpunkt der [X.]egutachtung insbesondere eine Reizbarkeit sowie nennenswerte Konzentrationsstörungen nicht feststellen können. Die [X.]eschwerde legt nicht substantiiert dar, warum diese nachvollziehbare Argumentation des L[X.], die den Kernbereich der grundsätzlich der Tatsacheninstanz vorbehaltenen Tatsachenwürdigung betrifft, offensichtlich [X.] gewesen sein könnte.

Nichts anderes gilt für die Verneinung des C- oder [X.]s durch das L[X.], das sich insoweit der im Verwaltungsverfahren gehörten Sachverständigen angeschlossen hat, deren Gutachten es zulässigerweise im Wege des [X.] verwertet hat. Das L[X.] hat maßgeblich auf die von der Sachverständigen hervorgehobenen intensiven regelmäßigen Kontakte der Klägerin zu ihren Mithäftlingen aus der Haftzeit abgestellt, durch die sie aktiv mit dem Trauma konfrontiert werde sowie auf Reisen der Klägerin in ihrer Heimat und die [X.]eschäftigung mit ihrer Stasiakte verwiesen. Der Vorwurf der [X.]eschwerde, diese Tatsachenfeststellungen der Sachverständigen seien unvollständig und die Sichtweise des L[X.] selektiv, zeigt nicht substantiiert auf, warum das L[X.] seinen [X.]eurteilungsspielraum bei der Gewichtung unterschiedlicher [X.]efunde überschritten haben sollte. In diesem Zusammenhang fehlt es zudem an der Darlegung, warum die von der [X.]eschwerde kritisierte Verneinung des Merkmals der Vermeidung für sich genommen für die Entscheidung des L[X.] tragend gewesen sein könnte, da das L[X.] gleichzeitig das [X.] der [X.] verneint und die [X.]eschwerde, wie ausgeführt, nicht substantiiert dargelegt hat, warum insoweit ihrem [X.]eweisantrag stattzugeben gewesen wäre.

Ebenso wenig substantiiert dargelegt hat die [X.]eschwerde die behaupteten Q[X.]litätsmängel der von ihr kritisierten Sachverständigengutachten des Prof. Dr. S. und der Frau [X.] und die angeblich daraus resultierende Notwendigkeit weiterer [X.]eweiserhebung. Das L[X.] hat sein ablehnendes Urteil auf der Grundlage der sachverständigen Feststellungen - wie von der Rechtsprechung des [X.][X.] (vgl [X.][X.] Urteil vom 9.5.2006 - [X.] 2 U 1/05 R - [X.][X.]E 96, 196 = [X.]-2700 § 8 [X.]) vorausgesetzt - ausdrücklich zumindest an einem der gängigen Diagnosesysteme, dem [X.], orientiert, sowie zusätzlich am System des [X.] IV. Dabei hat das L[X.] den aus seiner Sicht fehlenden Nachweis ausreichend objektivierbarer [X.]efunde insbesondere zu einer relevanten Konzentrationsschwäche und sowie einer Reizbarkeit der Klägerin auf eine Gesamtschau der von den Sachverständigen erhobenen [X.]efunde gestützt. So hat es [X.] argumentiert, das Fehlen des Kriteriums der Hypersensitivität ergebe sich letztlich schon aus dem Wahlgutachten von Prof. Dr. P., weil allein eigenanamnestische Angaben der Klägerin nicht ausreichten, um medizinische Umstände hinreichend verlässlich festzustellen. Die [X.]eschwerde hat nicht dargelegt, warum die aus ihrer Sicht fehlende [X.]erücksichtigung spezieller Literatur zu der besonderen Sit[X.]tion von [X.]-Haftopfern, insbesondere zur langen Latenzzeit von Traumafolgestörungen, durch den Sachverständigen Prof. Dr. S. der Grund dafür gewesen sein könnte, warum sich bei ihr die vollständigen Symptome für die Diagnose einer [X.], wie sie nach den Ausführungen aller Sachverständigen erforderlich waren, nach der nicht angreifbaren [X.]eweiswürdigung des L[X.] insgesamt nicht hinreichend objektivieren ließen. Mit dem Vorwurf, der Sachverständige Prof. Dr. S. habe die Klägerin mangelhaft befragt, weshalb es ihm nicht gelungen sei, gewisse Symptome "herausz[X.]rbeiten", kritisiert die [X.]eschwerde ohne substantiierte [X.]elege letztlich nur Methode und Vorgehensweise des Sachverständigen.

Mit der [X.]ehauptung, die Klägerin erfülle die Diagnosekriterien des Diagnosesystems [X.] 5 für eine posttraumatische [X.]elastungsstörung, was keiner der Gutachter bisher dezidiert geprüft habe, versucht die [X.]eschwerde schließlich, eigene medizinische Sachkunde an die Stelle derjenigen der Sachverständigen zu setzen. Insoweit hat die Klägerin zudem nicht substantiiert dargelegt, warum nur eine [X.]egutachtung nach dem Diagnosesystem [X.] 5 dem aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis entsprochen hätte.

b) Auch die Verletzung rechtlichen Gehörs hat die Klägerin nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Ein solcher Verstoß liegt [X.] vor, wenn das Gericht seiner Pflicht, das Vorbringen der [X.]eteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in seine Erwägungen einzubeziehen, nicht nachgekommen ist (vgl [X.][X.] [X.] 3-1500 § 62 [X.] mwN) oder sein Urteil auf Tatsachen und [X.]eweisergebnisse stützt, zu denen sich die [X.]eteiligten nicht haben äußern können (vgl [X.][X.] [X.] 3-1500 § 62 [X.]). Dementsprechend sind insbesondere Überraschungsentscheidungen verboten (vgl dazu [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.]G, 11. Aufl 2014, § 62 Rd[X.] 8b mwN). Zur [X.]egründung eines entsprechenden [X.] ist nicht nur der Verstoß gegen diesen Grundsatz selbst zu bezeichnen, sondern auch darzutun, welches Vorbringen ggf dadurch verhindert worden ist und inwiefern die angefochtene Entscheidung darauf beruhen kann ([X.][X.] [X.] 1500 § 160a [X.]6). Ferner ist Voraussetzung für den Erfolg einer Gehörsrüge, dass der [X.]eschwerdeführer darlegt, seinerseits alles getan zu haben, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen ([X.][X.] [X.] 3-1500 § 160 [X.]; vgl auch [X.][X.]E 68, 205, 210 = [X.] 3-2200 § 667 [X.] S 6).

Diesen Anforderungen wird die [X.]eschwerdebegründung nicht gerecht. Die Klägerin gibt an, sie und ihr Prozessbevollmächtigter seien durch die Ausführungen des L[X.] in der mündlichen Verhandlung zu den Haftbedingungen in der [X.] überrascht und sprachlos gewesen. Damit räumt die Klägerin selber ein, dass sie vor dem L[X.] Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt hätte. Soweit die Klägerin vorträgt, sie hätte, um die Einschätzung des L[X.] zu widerlegen, historische Unterlagen vorlegen können, gibt sie zu einem deren Inhalt nicht substantiiert an. Zum anderen erschließt sich nicht, warum sie die Möglichkeit zur Vorlage dieser Unterlagen nicht durch einen Vertagungs- bzw einen [X.]eweisantrag hätte erzwingen und sich so rechtliches Gehör verschaffen können.

c) Ebenso wenig hat die [X.]eschwerde den behaupteten Verstoß des L[X.] gegen § 123 [X.]G und den darin enthaltenen Grundsatz ne ultra petita substantiiert dargelegt. Die [X.]eschwerde zeigt nicht in schlüssiger Weise auf, dass das L[X.] den Streitgegenstand des Verfahrens verkannt und deshalb § 123 [X.]G verletzt habe (zu einem solchen Verfahrensmangel vgl [X.][X.] [X.]eschluss vom 29.3.2001 - [X.] [X.] 214/00 [X.] - [X.] 3-1500 § 123 [X.]; [X.][X.] [X.]eschluss vom 13.6.2013 - [X.]3 R 454/12 [X.] - Juris Rd[X.]3 ff). Denn sie legt nicht dar, weshalb das L[X.] über einen anderen Streitgegenstand als den von ihr geltend gemachten entschieden habe. Hierzu hätte zumindest aufgezeigt werden müssen, welchen Antrag die anwaltlich vertretene Klägerin zum Schluss des [X.]erufungsverfahrens gestellt und inwiefern das L[X.] durch seine Entscheidung die von ihr geltend gemachten Ansprüche ganz oder teilweise verfehlt hat. Der Verweis auf Ausführungen der Gutachter kann diese Darlegungen nicht ersetzen.

Soweit die [X.]eschwerde in diesem Zusammenhang rügt, das L[X.] hätte auch zum Vorliegen einer Erkrankung nach ICD 10 F 43.8 - sonstige Reaktionen auf schwere [X.]elastung - von Amts wegen weiter ermitteln müssen, so hat sie nicht substantiiert dargelegt, warum ihr ausdrücklich auf das Vorliegen eines "Vollbilds einer posttraumatischen [X.]elastungsstörung nach [X.] Nummer [X.]" gerichteter [X.]eweisantrag entgegen der Annahme des L[X.] auch diese Gesundheitsstörung mitumfasste.

2. Ebenso wenig hat die [X.]eschwerde die Voraussetzungen einer Divergenz iS von § 160 Abs 2 [X.] [X.]G dargelegt. Sie liegt vor, wenn die tragenden abstrakten Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind, nicht übereinstimmen. Eine solche Divergenz kommt nur dann in [X.]etracht, wenn das L[X.] einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des [X.][X.], des [X.] oder des [X.] aufgestellt hat. Wer eine Rechtsprechungsdivergenz entsprechend den gesetzlichen Anforderungen darlegen will, muss daher entscheidungstragende abstrakte Rechtssätze in der Entscheidung des [X.]erufungsgerichts einerseits und in der herangezogenen höchstrichterlichen Entscheidung des [X.][X.], des [X.] oder des [X.] andererseits gegenüberstellen und dazu ausführen, weshalb beide miteinander unvereinbar sein sollen (vgl z[X.] [X.][X.] [X.]eschluss vom [X.] KR 31/09 [X.] - Rd[X.] 4; [X.][X.] [X.]eschluss vom [X.] - [X.] KR 26/10 [X.] - Rd[X.] 4; [X.][X.] [X.]eschluss vom 22.12.2010 - [X.] KR 100/10 [X.] - Juris Rd[X.] 4 mwN). Erforderlich ist, dass das L[X.] bewusst einen abweichenden Rechtssatz aufgestellt hat und nicht etwa lediglich fehlerhaft das Recht angewendet hat (vgl z[X.] [X.][X.] [X.]eschluss vom 15.1.2007 - [X.] KR 149/06 [X.] - Rd[X.] 4; [X.][X.] [X.] 3-1500 § 160 [X.]6 S 44 f mwN).

Einen solchen abstrakten Rechtssatz bezeichnet die [X.]eschwerde nicht, sondern behauptet lediglich, das L[X.] habe sich über die Vorgaben der Entscheidung des Senats vom 12.5.2015 - [X.] S[X.]3/14 [X.] - hinweggesetzt. Dies trifft zum einen, wie bereits ausgeführt, in der Sache nicht zu. Vor allem aber kritisiert die [X.]eschwerde damit letztlich nur die Rechtsanwendung des L[X.] im Fall der Klägerin. Die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung des L[X.] im Einzelfall ist aber nicht Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde (vgl [X.][X.] [X.] 1500 § 160a [X.] 7).

Dasselbe gilt für die von der [X.]eschwerde aufgestellte [X.]ehauptung, das L[X.] setzte sich in Widerspruch zur Rechtsprechung des [X.][X.] und des darin geforderten Rückgriffs auf aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse, insbesondere zu den Folgen rechtsstaatswidriger Haft in der ehemaligen [X.]. Auch insoweit zeigt die [X.]eschwerde keinen abstrakten Rechtssatz des L[X.] auf, mit dem dieses diese Notwendigkeit infrage gestellt hätte. Vielmehr rügt die [X.]eschwerde insoweit wiederum lediglich die vermeintlich falsche Rechtsanwendung des L[X.] im Einzelfall. Soweit sie dem L[X.] vorwirft, es habe zu Unrecht das Diagnosesystem des [X.] nicht herangezogen, so legt sie darüber hinaus auch nicht dar, warum dieser vermeintliche Rechtsfehler für die Entscheidung des L[X.] erheblich gewesen sein sollte. Denn das L[X.] hat ausdrücklich offengelassen, ob das Diagnosesystem heranzuziehen ist, weil auch unter seiner Zugrundelegung die Voraussetzungen einer [X.] nicht erfüllt seien.

Dasselbe gilt hinsichtlich der von der [X.]eschwerde behaupteten, aber nicht näher ausgeführten angeblichen grundsätzlichen [X.]edeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]G). Die [X.]eschwerde hat weder dargelegt und ausformuliert, welche grundsätzliche Rechtsfrage der Fall der Klägerin aufwerfen sollte, noch, warum sich eine solche Rechtsfrage nicht anhand der von ihr selber zitierten Rechtsprechung des [X.][X.] beantworten lässt.

Die [X.]eschwerde ist somit ohne Zuziehung [X.] zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2, § 169 [X.]G).

Von einer weiteren [X.]egründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 [X.]G).

3. [X.] beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 [X.]G.

Meta

B 9 V 48/16 B

16.02.2017

Bundessozialgericht 9. Senat

Beschluss

Sachgebiet: V

vorgehend SG Mannheim, 10. Oktober 2014, Az: S 1 VH 647/12, Gerichtsbescheid

§ 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 2 SGG, § 103 SGG, § 128 Abs 2 SGG, § 106 Abs 3 SGG, § 106 Abs 4 SGG, § 118 Abs 1 S 1 SGG, § 123 SGG, § 163 SGG, § 373 ZPO, § 412 Abs 1 ZPO, § 244 Abs 3 S 2 StPO, Anlage Teil B Nr 3.7 VersMedV, Nr F43.1 ICD-10-GM, Nr F43.8 ICD-10-GM

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 16.02.2017, Az. B 9 V 48/16 B (REWIS RS 2017, 15497)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 15497

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