Bundessozialgericht, Urteil vom 23.05.2017, Az. B 12 KR 2/15 R

12. Senat | REWIS RS 2017, 10474

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Krankenversicherung - freiwilliges Mitglied - Beitragsschuldner - Beitragsabführung durch Einzugsermächtigungslastschriftverfahren - Erfüllung der Beitragsforderung - konkludente Genehmigung


Leitsatz

1. Wird der Beitrag eines freiwillig Versicherten durch die Krankenkasse im Lastschriftverfahren vom Konto seines Arbeitgebers eingezogen, tritt Erfüllung erst mit der Genehmigung der Kontobelastung durch den Arbeitgeber ein.

2. Die Genehmigung kann auch konkludent erteilt sein, wenn der Beitragseinzug regelmäßig in dieser Form erfolgt, der Arbeitgeber die Kontobelastung in der Vergangenheit bereits einmal genehmigt hat und der aktuellen Kontobelastung nicht innerhalb einer angemessenen Überlegungsfrist widerspricht.

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 24. Februar 2015 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob eine Forderung von Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung ([X.]) und [X.] Pflegeversicherung ([X.]) bereits erfüllt wurde.

2

Der Kläger ist freiwillig versichertes Mitglied der beklagten Krankenkasse und bei der [X.] in der [X.] versichert. Beiträge zur [X.] und [X.] führte seine ehemalige Arbeitgeberin abredegemäß an die Beklagte ab, welche die fälligen Beiträge regelmäßig im Lastschriftverfahren bei der Arbeitgeberin abbuchte. Nach dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Arbeitgeberin im April 2010 stornierte der vorläufige Insolvenzverwalter sämtliche Lastschriften. Die bereits eingezogenen Beiträge des [X.] für die Monate Januar bis März 2010 in Höhe von 641,25 Euro je Monat wurden zurückgebucht.

3

Mit Bescheid vom 16.6.2010 setzte die Beklagte - zugleich im Namen der Beigeladenen - gegen den Kläger Beiträge zur freiwilligen Versicherung in der [X.] und zur [X.] für die [X.] ab Januar 2010 in Höhe von monatlich insgesamt 641,25 Euro fest. Den Widerspruch des [X.], der hinsichtlich der Monate Januar bis März 2010 die bereits eingetretene Erfüllung der Beitragsforderung geltend machte, wies die Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 29.11.2010).

4

Die Klage hat das [X.] abgewiesen (Urteil vom 20.5.2011). Das L[X.] hat die Berufung des [X.] zurückgewiesen: Allein der Kläger sei für die Beiträge der Monate Januar bis März 2010 zahlungspflichtig. Die Beitragsforderung der [X.] gegen ihn sei nicht durch Erfüllung erloschen, denn die durchgeführte Lastschrift sei nicht genehmigt worden. Insbesondere könne eine konkludente Genehmigung des [X.] im Lastschriftverfahren auch nach der neueren Rechtsprechung des [X.] nicht angenommen werden, weil das rein passive Geschehenlassen des [X.] hierfür nicht ausreiche. Ein objektiver Erklärungswert sei dem Schweigen im Rechtsverkehr nicht immanent, auch wenn die Beiträge des [X.] zuvor Monat für Monat widerspruchsfrei abgeführt worden seien. Bei der Rückbuchung habe der Insolvenzverwalter im Rahmen seines rechtlichen Könnens gehandelt, ohne dass es darauf ankomme, ob er sich auch im Rahmen seines rechtlichen Dürfens bewegt habe. Auch wenn dem Kläger das Risiko einer Rückbuchung in der Insolvenz nicht bewusst gewesen sei, finde angesichts der hohen Bedeutung der Versichertengemeinschaft und der verminderten Schutzbedürftigkeit freiwillig Versicherter keine Verlagerung der [X.] statt (Urteil vom 24.2.2015).

5

Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 362 BGB, § 675x BGB und §§ 129 ff Insolvenzordnung. Die streitige Beitragsforderung sei wegen Erfüllung erloschen, weil eine konkludente Genehmigung des [X.] vorgelegen habe. Das L[X.] habe die vom [X.] hierzu entwickelten Grundsätze nicht beachtet, wonach eine Genehmigungsfiktion eintrete, soweit der Schuldner nicht innerhalb einer angemessenen Überlegungsfrist, für die im Rahmen laufender Geschäftsbeziehungen auch drei Tage genügen könnten, aktiv widerspreche. In diesem Fall gehe auch die nachfolgende Versagung der Genehmigung durch einen vorläufigen Insolvenzverwalter ins Leere (Hinweis auf [X.] Urteil vom 29.1.2015 - [X.]/12 - [X.]Z 204, 74). Dies betreffe jedenfalls die Beitragszahlungen für Januar und Februar 2010. Dem Anfechtungsrecht des Insolvenzverwalters stehe zudem entgegen, dass die Zahlungen nicht aus dem Vermögen der Gemeinschuldnerin, sondern aus seinem (des [X.]) Vermögen erfolgt seien. Schließlich sei die vorliegende Konstellation nicht mit der des abredewidrig die Beiträge nicht zahlenden Arbeitgebers vergleichbar, da die jeweiligen Zahlungen bei der [X.] zunächst tatsächlich eingegangen seien und nicht mehr hätten wirksam widerrufen werden können.

6

Der Kläger beantragt,
die Urteile des [X.] vom 24. Februar 2015 und des [X.] vom 20. Mai 2011 aufzuheben sowie den Bescheid der [X.] vom 16. Juni 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. November 2010 aufzuheben, soweit darin Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und [X.] Pflegeversicherung für die Monate Januar bis März 2010 gefordert werden.

7

Die Beklagte beantragt sinngemäß,
die Revision des [X.] zurückzuweisen.

8

Sie verteidigt das angegriffene Urteil.

9

Die Beigeladene stellt keine Anträge.

Entscheidungsgründe

Die Revision des [X.] ist zulässig und im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Zurückverweisung der Sache an das [X.] begründet. Hierüber konnte der Senat durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§§ 165 S 1, 153 Abs 1 S 1, 124 Abs 2 [X.]G), da sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben.

1. Die Revision des [X.] ist zulässig erhoben. Die Revisionsbegründung entspricht den Anforderungen des § 164 Abs 2 [X.]G.

Der 5. Senat des B[X.] hat ua aus Anlass des in diesem Rechtsstreit ergangenen Anfragebeschlusses vom [X.] seine Auffassung zu den Anforderungen an eine hinreichende Revisionsbegründung mit Beschlüssen vom 6.10.2016 ([X.] SF 3/16 AR und [X.] SF 4/16 AR - Juris) und - zum vorliegenden Rechtsstreit - vom 23.2.2017 ([X.] SF 5/16 AR) klargestellt. Diese deckt sich mit derjenigen des erkennenden Senats, sodass eine Vorlage an den [X.] des B[X.] nach § 41 [X.]G entbehrlich war (vgl hierzu im Einzelnen Urteil des Senats vom [X.] KR 16/14 R, zur Veröffentlichung in [X.] und [X.] vorgesehen). Den gemeinsamen Anforderungen wird die Revisionsbegründung des [X.] gerecht.

2. Die Revision ist auch begründet, jedoch nur im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Zurückverweisung der Sache an das [X.].

Der Senat kann auf Grundlage der vom [X.] festgestellten Tatsachen nicht abschließend entscheiden, ob das [X.] die Berufung des [X.] gegen das Urteil des [X.] zu Recht zurückgewiesen hat oder ob die streitigen Beitragsforderungen der [X.] und der Beigeladenen gegen den Kläger für die Monate Januar bis März 2010 wegen Erfüllung vollständig oder teilweise erloschen sind und deswegen das Urteil des [X.] und die angefochtenen Bescheide der [X.] in diesem Umfang aufzuheben waren. Dies führt zur Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] (vgl § 170 Abs 2 S 2 [X.]G).

Der Kläger war Schuldner der mit den streitgegenständlichen Bescheiden geltend gemachten Beitragsforderung (hierzu a), die im Falle ihrer Erfüllung erloschen wären (hierzu b). Eine zur Erfüllung führende Genehmigung des jeweiligen [X.] der Beiträge für die streitigen Monate kann aufgrund der Tatsachenfeststellungen des [X.] ebenso wenig ausgeschlossen werden wie die wirksame Verweigerung der Genehmigung durch den Widerspruch des vorläufigen Insolvenzverwalters (hierzu c).

a) Der Kläger war im Verhältnis zur [X.] und zur Beigeladenen Schuldner der streitigen Beitragsforderungen, nicht aber seine Arbeitgeberin. Er war im streitigen Zeitraum freiwillig versichertes Mitglied der [X.] und bei der Beigeladenen in der [X.] versichert. Aus diesem Grunde hatte er nach § 223 Abs 1 [X.]B V bzw § 54 Abs 2 S 2 [X.]B XI für jeden Tag der Mitgliedschaft Beiträge zu zahlen, die er nach § 250 Abs 2 [X.]B V bzw § 59 Abs 4 S 1 [X.]B XI selbst zu tragen und nach § 252 Abs 1 S 1 [X.]B V bzw § 60 Abs 1 [X.]B XI auch zu zahlen hatte. Die Zahlung sowohl der Krankenversicherungs- als auch der Pflegeversicherungsbeiträge hatte an die Beklagte zu erfolgen (vgl § 252 Abs 2 S 2 [X.]B V bzw § 60 Abs 3 S 1 Halbs 1 [X.]B XI). Trotz der zwischen dem Kläger, seiner Arbeitgeberin und der [X.] getroffenen Absprache über die Zahlung der Beiträge des [X.] durch dessen Arbeitgeberin ist diese nicht an Stelle des [X.] in die Schuldnerstellung eingetreten. Anhaltspunkte dafür, dass zwischen Kläger und seiner Arbeitgeberin eine Schuldübernahme (§ 414 [X.]) vereinbart und durch Beklagte sowie Beigeladene genehmigt (§ 415 [X.]) worden wäre, hat das [X.] nicht festgestellt und sind auch nicht ersichtlich.

b) Für die Prüfung des vom Kläger geltend gemachten Erfüllungseinwands ist von folgenden rechtlichen Erwägungen auszugehen: Ein Schuldverhältnis erlischt, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger - hier bezogen auf die Krankenversicherungsbeiträge die Beklagte - oder an einen [X.] - bezogen auf die der Beigeladenen zustehenden Beiträge zur [X.] wiederum die Beklagte - zum Zwecke der Erfüllung bewirkt wird (§ 362 [X.]). Dies gilt auch im Sozialrecht (vgl B[X.] Urteil vom [X.] - 5 RJ 52/94 - [X.] 80, 41, 42 f = [X.] 3-2200 § 1303 [X.]; Urteil vom 29.6.2000 - B 4 RA 57/98 R - [X.] 86, 262, 278 = [X.] 3-2600 § 210 [X.]). Dazu muss die Leistung nicht unmittelbar durch den Schuldner bewirkt werden; abgesehen vom hier nicht vorliegenden Sonderfall höchstpersönlicher Leistungen kann sie auch - wie vorliegend durch die Arbeitgeberin des [X.] - durch einen Erfüllungsgehilfen (§ 278 [X.]) oder einen [X.] (§§ 267, 268 [X.]) bewirkt werden ([X.] [X.], [X.], 76. Aufl 2017, § 362 Rd[X.] 3). Im Rahmen des hier durchgeführten Lastschriftverfahrens gilt die Leistung allerdings erst als bewirkt, wenn die [X.] - bzw der die Beitragszahlung für den Kläger durchführenden Arbeitgeberin - dessen Konto wirksam belastet und die [X.] dem Gläubiger den Betrag gutgeschrieben hat ([X.], [X.]O, § 362 Rd[X.] 11). Die vorgenommene Belastung des [X.] ist abgesehen von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen in der vorliegend genutzten Variante des Lastschriftverfahrens, dem Einzugsermächtigungsverfahren, erst dann wirksam, wenn die Belastung durch den Schuldner genehmigt wird; erst dann ist die Forderung des Gläubigers erfüllt (vgl [X.] Urteil vom [X.] - [X.]Z 174, 84 Rd[X.] 13).

c) Der Senat kann nicht abschließend entscheiden, ob eine Genehmigung der Belastungen des Kontos der Arbeitgeberin des [X.], die jeweils infolge des [X.] für die streitigen Monate Januar bis März 2010 durch die Beklagte erfolgten, vorliegt oder ob der vorläufige Insolvenzverwalter die Genehmigung durch seinen Widerspruch wirksam verweigert hat. Nach der Rechtsprechung des [X.] zu Anforderungen an die konkludente Genehmigung von [X.] im Lastschriftverkehr (hierzu [X.]), ist eine solche Genehmigung aufgrund der vom [X.] festgestellten Tatsachen nicht auszuschließen. Dieser Ansicht schließt sich der erkennende Senat an. Jedoch reichen diese Tatsachenfeststellungen nicht aus, um abschließend zu entscheiden, ob der Lastschrifteinzug der streitigen Beitragsforderungen bezüglich aller oder zumindest einzelner Monate des ersten Quartals 2010 genehmigt wurde bzw als genehmigt gilt oder ob der Widerspruch des Insolvenzverwalters dem entgegensteht (hierzu [X.]). Dies führt zur Zurückverweisung der Sache zur weiteren Sachverhaltsaufklärung an das [X.] (hierzu cc).

[X.]) Eine Genehmigung der Belastung des Kontos der Arbeitgeberin des [X.] aufgrund des [X.] kann nicht ausgeschlossen werden. Zwar wurde eine solche Genehmigung nach den für den Senat insoweit bindenden tatsächlichen Feststellungen des [X.] (§ 163 [X.]G) nicht ausdrücklich erklärt. Doch beruft sich der Kläger zu Recht darauf, dass eine solche Genehmigung nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] auch konkludent erfolgen kann.

Eine konkludente Genehmigung von [X.] kommt nach dieser Rechtsprechung (zusammenfassend [X.] Urteil vom 29.1.2015 - [X.]/12 - [X.]Z 204, 74 Rd[X.] 9 mwN) in Betracht, wenn es sich für die Zahlstelle erkennbar um regelmäßig wiederkehrende Lastschriften aus einer laufenden Geschäftsbeziehung handelt, die der Kontoinhaber in der Vergangenheit bereits einmal genehmigt hat. Erhebt der Schuldner in Kenntnis eines erneuten [X.], der sich im Rahmen der bereits genehmigten [X.] bewegt, gegen diesen nach einer angemessenen Überlegungsfrist keine Einwendungen, so kann auf Seiten der Zahlstelle die berechtigte Erwartung entstehen, auch diese Belastungsbuchung solle Bestand haben ([X.] Urteil vom 27.9.2011 - [X.] - [X.], 2041 Rd[X.] 17 mwN). Dabei muss es sich nicht um eine Reihe von im Wesentlichen gleichbleibenden Zahlungen handeln. Werden im unternehmerischen Verkehr fortlaufend Forderungen in unterschiedlicher Höhe im Rahmen von laufenden Geschäftsbeziehungen mittels Lastschrift im Einzugsermächtigungsverfahren eingezogen, so kommt eine konkludente Genehmigung einer Lastschriftbuchung auch dann in Betracht, wenn sie sich innerhalb einer Schwankungsbreite von bereits zuvor genehmigten [X.] bewegt oder diese nicht wesentlich über- oder unterschreitet ([X.] Urteil vom 8.11.2011 - [X.] - [X.], 2358 Rd[X.] 20; [X.] Urteil vom 1.12.2011 - [X.] - [X.], 160 Rd[X.] 11, jeweils mwN). Beruhen [X.] erkennbar auf Zahlungspflichten, deren variierende Höhe der Schuldner gegenüber der für die Einziehung zuständigen Stelle erklärt hat, besteht aus Sicht der kontoführenden Bank für den Schuldner nicht die Notwendigkeit zu einer umfassenden Überprüfung. Als Überprüfungsfrist kann eine Frist von drei Tagen genügen. Da diesen Buchungen eine konkrete Anmeldung des Schuldners zugrunde liegt, kommt eine konkludente Genehmigung auch dann in Betracht, wenn sich die einzelnen Beträge nicht innerhalb der Schwankungsbreite vorangegangener [X.] bewegen ([X.] Urteil vom 1.12.2011, [X.]O Rd[X.] 11; [X.] Urteil vom 3.4.2012 - XI ZR 39/11 - [X.], 933 Rd[X.] 47 f; [X.]Z 194, 1 Rd[X.] 8).

Diese Grundsätze sind auch beim Einzug der Beiträge freiwillig [X.] zur [X.] und [X.] durch die Krankenkassen im Lastschriftverfahren zu beachten. Besonderheiten des diesbezüglichen Beitragsrechts, die eine bereichsspezifisch abweichende Handhabung erforderlich machten, liegen nicht vor. Insbesondere wird durch eine trotz erfolgter Genehmigung dann zu Unrecht erfolgende Stornierung der Lastschriftgutschrift auf dem Konto der Gläubigerin - hier also der [X.] - das Risiko der Insolvenz von Arbeitgebern, die die Beiträge für ihre freiwillig versicherten Arbeitnehmer zahlen, nicht auf die Krankenkassen verlagert. Denn der Gläubiger der dem Lastschrifteinzug zugrunde liegenden Beitragsforderung - hier also die Beklagte und die Beigeladene - kann bei unbegründeter Rückbuchung eines wirksamen [X.] von seiner Bank girovertraglich weiterhin Erfüllung der durch den wirksamen Lastschrifteinzug begründeten Forderung verlangen. Die [X.] ist verpflichtet, die ihrem Kunden zu Unrecht entzogene Buchposition durch berichtigten Kontenausweis seines [X.] wiederherzustellen (vgl [X.] Urteil vom 28.6.2012 - IX ZR 219/10 - [X.]Z 194, 1 Rd[X.] 14; vgl auch [X.], [X.] 2015, 604, 605).

Demgegenüber kann sich die Beklagte nicht darauf berufen, dass ein rein passives Geschehenlassen des [X.] keine Genehmigung des [X.] im Lastschriftverkehr bewirken könne, weil ein objektiver Erklärungswert dem Schweigen im Rechtsverkehr gerade nicht immanent sei. Insoweit gilt, dass dem Schweigen im Rechtsverkehr nur dann kein - insbesondere Zustimmung ausdrückender - Erklärungswert zukommt, wenn gesetzlich (zB § 362 HGB - Schweigen des Kaufmanns) oder vertraglich (zB Fiktion der Genehmigung einer Lastschriftbelastungsbuchung beim Unterlassen rechtzeitiger Einwendungen nach [X.] der Bedingungen für Zahlungen mittels Lastschrift im Einzugsermächtigungsverfahren - Bedingungen Einzugsermächtigungslastschriftverfahren - in der hier anzuwendenden ab 1.11.2009 geltenden Fassung, abgedruckt in [X.], [X.], 3. Aufl 2011; hierzu sogleich) nichts anderes vorgesehen ist (vgl allgemein Ellenberger in [X.], [X.], 76. Aufl 2017, Einf vor § 116 Rd[X.] 7 ff). Darüber hinaus kann eine Willenserklärung auch durch schlüssiges Verhalten konkludent abgegeben werden (vgl Ellenberger, [X.]O, ebenda, Rd[X.] 6).

[X.]) Auf Grundlage dieser rechtlichen Erwägungen ist die Annahme, der vorläufige Insolvenzverwalter über das Vermögen der Arbeitgeberin des [X.] habe die Erfüllung der Beitragsforderungen der [X.] und der Beigeladenen verhindert, nicht durch die vom Berufungsgericht festgestellten Tatsachen gedeckt. Denn die Versagung der Genehmigung einer Lastschriftbuchung durch einen vorläufigen Insolvenzverwalter geht ins Leere, wenn die Buchung bereits zuvor wirksam genehmigt wurde (Urteil vom 29.1.2015 - [X.]/12 - [X.]Z 204, 74 Rd[X.] 14). Eine solche, bereits vor dem Widerruf des Insolvenzverwalters bzw sogar vor dessen Bestellung durch die Arbeitgeberin erfolgte Genehmigung der [X.] wegen des Einzugs der Beiträge des [X.] durch die Beklagte ist aufgrund der vom [X.] festgestellten Tatsachen bei Anwendung der oben dargestellten Grundsätze der Rechtsprechung des [X.] zur konkludenten Genehmigung von [X.] nicht auszuschließen.

Beim Einzug der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge des [X.] durch die Beklagte vom Konto der Arbeitgeberin handelte es sich im Sinne der dargestellten Rechtsprechung des [X.] für die Zahlstelle, also die Bank der Arbeitgeberin, erkennbar um regelmäßig wiederkehrende Lastschriften aus einer laufenden Geschäftsbeziehung, denn nach den Feststellungen des [X.] wurden diese Beiträge im Rahmen des Lastschriftverfahrens "ausnahmslos Monat für Monat abgeführt und erfüllt". Auch wenn eine ausdrückliche Genehmigung früherer [X.] durch die Arbeitgeberin vom [X.] nicht festgestellt worden ist, liegt eine Genehmigung [X.] vertraglicher Fiktion vorliegend nahe. Denn nach [X.] und 3 Bedingungen Einzugsermächtigungslastschriftverfahren (zuvor inhaltsgleich [X.] der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken - [X.] - abgedruckt idF vom [X.] in [X.]/[X.], Handelsgesetzbuch, 33. Aufl 2008, Anhang 8; zur Vereinbarkeit von [X.] [X.] mit § 308 [X.] 5 [X.] vgl [X.] Urteil vom [X.] - [X.] - [X.]Z 177, 69 Rd[X.] 28) hat der (Bank-)Kunde, wenn er eine Belastungsbuchung aus einer Lastschrift, für die er dem Gläubiger eine Einzugsermächtigung erteilt hat, nicht schon genehmigt hat, Einwendungen gegen diese im Saldo des nächsten Rechnungsabschlusses enthaltene Belastungsbuchung bis spätestens vor Ablauf von sechs Wochen nach Zugang des Rechnungsabschlusses zu erheben; das Unterlassen rechtzeitiger Einwendungen gilt als Genehmigung der Belastung. Einen solchen Rechnungsabschluss hat die Bank, sofern nichts anderes vereinbart ist, jeweils zum Ende eines [X.] zu erteilen ([X.] 7 Abs 1 S 1 [X.]). Mithin könnte schon im Februar 2010 durch Schweigen der Arbeitgeberin eine (fiktive) Genehmigung früherer [X.] aus dem Lastschrifteinzug von Beiträgen des [X.] in Form des Unterlassens von Einwendungen gegen den Rechnungsabschluss für das 4. Quartal 2009 erfolgt sein. Zugleich ist es sehr wahrscheinlich, dass sich die monatlichen [X.] - bezogen auf den vom [X.] nicht festgestellten Gesamtbetrag des jeweiligen [X.] im Lastschriftverfahren - innerhalb der Schwankungsbreite der bereits zuvor genehmigten Buchungen bewegten, ohne diese wesentlich zu über- oder unterschreiten. Daher könnte, sofern der Buchung jeweils eine konkrete Meldung der Arbeitgeberin über die geschuldeten Beiträge zugrunde lag, eine konkludente Genehmigung durch die Arbeitgeberin schon nach Ablauf einer angemessenen Überprüfungsfrist von drei Tagen ([X.] Urteil vom 29.1.2015 - [X.]/12 - [X.]Z 204, 74 Rd[X.] 9), zumindest aber nach Ablauf einer Überprüfungsfrist von vierzehn Tagen ([X.] Urteil vom 3.4.2012 - XI ZR 39/11 - [X.], 933 Rd[X.] 48; [X.] Urteil vom 1.12.2011 - [X.] - [X.], 160 [X.] und Rd[X.] 15) erfolgt sein. Wären diese Fristen bezüglich der jeweiligen [X.] aus dem Beitragseinzug für die Monate Januar bis März 2010 zum Zeitpunkt des Widerspruchs des Insolvenzverwalters bereits verstrichen gewesen, wäre dieser Widerspruch ins Leere gegangen und die Leistung der Arbeitgeberin auf die Beitragsforderung für die betreffenden Monate wirksam bewirkt worden. Soweit dieses der Fall ist, wären die Beitragsforderungen der [X.] und der Beigeladenen gegen den Kläger für den jeweiligen Monat wegen Erfüllung erloschen und der angefochtene Bescheid vom 16.6.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.] insoweit aufzuheben.

cc) Auf Grundlage der dargestellten rechtlichen Beurteilung des Rechtsstreits durch den Senat (§ 170 Abs 5 [X.]G) wird das [X.] im Rahmen seiner erneuten Verhandlung und Entscheidung insbesondere festzustellen haben, ob die [X.], die von in [X.] tätigen privatrechtlich organisierten Kreditinstituten allgemein angewandt werden (vgl [X.] in [X.]/[X.], [X.]O, Anhang 8 Einleitung Rd[X.] 1), und die Bedingungen Einzugsermächtigungs-lastschriftverfahren mit dem dargestellten Inhalt auch auf die Führung des durch den Beitragseinzug belasteten Kontos der Arbeitgeberin Anwendung fanden. Sollten diese oder andere Regelwerke mit vergleichbarem Inhalt anzuwenden sein, wird das [X.] weiter feststellen müssen, über welchen Zeitraum bereits der Beitragseinzug per Lastschrift bei der Arbeitgeberin praktiziert wurde, in welcher Schwankungsbreite sich die zuvor ausdrücklich oder [X.] vertraglicher Fiktion genehmigten Lastschrifteinzüge durch die Beklagte bewegten und ob die Lastschrifteinzüge für die Monate Januar bis März 2010 innerhalb dieser Schwankungsbreite lagen bzw auch im Hinblick auf die Beiträge freiwillig [X.] auf einer konkreten Anmeldung der Arbeitgeberin beruhten. Ausgehend von diesen Feststellungen wird das [X.] festzustellen haben, nach Verstreichen welcher Frist eine konkludente Genehmigung der Lastschrifteinzüge für die Monate Januar bis März 2010 angenommen werden konnte, weil auf Seiten der Zahlstelle (= Bank der Arbeitgeberin des [X.]) die berechtigte Erwartung entstand, auch diese [X.] sollten Bestand haben (siehe hierzu oben [X.])[X.]). Schließlich wird es für den Eintritt der Genehmigungsfiktionen darauf ankommen, an welchen Tagen genau die Kontobelastungen für die streitbefangenen Beiträge vorgenommen wurden. Für die den Rechtstreit entscheidende Frage, ob der Widerspruch des Insolvenzverwalters dem Eintritt der Erfüllungswirkung entgegenstand, wird es sodann darauf ankommen, wann genau dieser erfolgte.

3. [X.] bleibt der das Verfahren abschließenden Entscheidung des [X.] vorbehalten.

Meta

B 12 KR 2/15 R

23.05.2017

Bundessozialgericht 12. Senat

Urteil

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Oldenburg (Oldenburg), 20. Mai 2011, Az: S 61 KR 321/10, Urteil

§ 250 Abs 2 S 2 SGB 5, § 252 Abs 1 S 1 SGB 5, § 59 Abs 4 S 1 SGB 11, § 60 Abs 1 SGB 11, § 60 Abs 3 S 1 Halbs 1 SGB 11, § 362 BGB, Nr 2.4 Abs 2 S 1 BankAGB, Nr 2.4 Abs 2 S 3 BankAGB, Nr 7 Abs 1 S 1 BankAGB, Nr 7 Abs 3 BankAGB, § 305 BGB, §§ 305ff BGB

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 23.05.2017, Az. B 12 KR 2/15 R (REWIS RS 2017, 10474)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 10474

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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XI ZR 39/11

IX ZR 258/12

XI ZR 215/10

XI ZR 158/10

IX ZR 58/11

IX ZR 219/10

2 BvR 912/15

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