Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.03.2010, Az. 10 AZR 66/09

10. Senat | REWIS RS 2010, 8103

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Gegenstand

Reichweite des Wettbewerbsverbots - Nebentätigkeit - bloße Hilfstätigkeit ohne Wettbewerbsbezug - unmittelbarer Wettbewerb im Sinne des § 11 Abs 2 MTV-DP AG


Leitsatz

Bei der Bestimmung der Reichweite des im laufenden Arbeitsverhältnis bestehenden Wettbewerbsverbots muss die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit des Arbeitnehmers stets Berücksichtigung finden. Daher ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls festzustellen, ob die anderweitige Tätigkeit zu einer Gefährdung oder Beeinträchtigung der Interessen des Arbeitgebers führt. Es spricht viel dafür, dass bloße Hilfstätigkeiten ohne Wettbewerbsbezug nicht erfasst werden.

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 27. August 2008 - 10 [X.]/08 - aufgehoben.

2. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 15. Januar 2008 - 5 Ca 1336/07 - abgeändert.

3. Es wird festgestellt, dass die Klägerin berechtigt ist, eine Nebentätigkeit als Zeitungszustellerin bei der [X.] jeweils eine Stunde täglich bis 6:00 Uhr von jeweils montags bis sonnabends auszuüben.

4. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Berechtigung der Klägerin, eine Nebentätigkeit als Zeitungszustellerin auszuüben.

2

Die Klägerin ist seit 1985 bei der [X.] und ihrer Rechtsvorgängerin als Sortiererin in einem Briefzentrum beschäftigt. Ihre Wochenarbeitszeit beträgt 15 Stunden, ihre monatliche Vergütung ca. 1.200,00 Euro brutto. Auf das Arbeitsverhältnis findet [X.] der Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer der [X.] vom 18. Juni 2003 (im Folgenden: [X.]) Anwendung.

3

§ 11 [X.] enthält folgende Regelungen:

        

„Nebentätigkeit, [X.]verbote

        

(1) Will der Arbeitnehmer einer Nebentätigkeit nachgehen, hat er diese rechtzeitig vor der Aufnahme dem Arbeitgeber unter Angabe der Art, des zeitlichen Umfangs und des Arbeitgebers schriftlich anzuzeigen.

        

(2) Der Arbeitgeber kann die Nebentätigkeit untersagen, wenn infolge übermäßiger Beanspruchung des Arbeitnehmers durch die Nebentätigkeit die geschuldete vertragliche Arbeitsleistung beeinträchtigt werden kann oder Gründe des unmittelbaren [X.] dagegen sprechen.

        

(3) Bei einem Teilzeitarbeitnehmer ist eine Überbeanspruchung des Arbeitnehmers und demzufolge eine Beeinträchtigung der geschuldeten vertraglichen Arbeitsleistung im Regelfall erst dann zu vermuten, wenn der zeitliche Umfang aller Tätigkeiten die jeweils geltende regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit eines vollzeit-beschäftigten Arbeitnehmers überschreitet.

        

(4) Wird ein nachvertragliches [X.]verbot vereinbart, erfolgt eine Entschädigung nach den Regelungen des Handelsgesetzbuches.“

4

Im November 2006 teilte die Klägerin auf Aufforderung mit, dass sie einer Nebentätigkeit als Zeitungszustellerin mit einer Wochenarbeitszeit von ca. sechs Stunden und einem Bruttomonatslohn von ca. 350,00 Euro nachgehe. Dabei stellt sie Abonnenten frühmorgens ausschließlich Zeitungen und Presseerzeugnisse ([X.], [X.], [X.] usw.) zu. Die Tätigkeit erfolgt für die [X.](im Folgenden: [X.]), die in der Zeitungszustellung und der Briefzustellung tätig ist. Die [X.] stellt im Verlauf des [X.] neben Briefsendungen ebenfalls Zeitungen und sonstige Presseerzeugnisse zu.

5

Im Februar 2007 untersagte die [X.] der Klägerin die Ausübung ihrer Nebentätigkeit. Hiergegen wendet sich die Klägerin.

6

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, es fehle an einem [X.] im Sinne des Tarifvertrags. Insbesondere könne sich die [X.] nicht auf Gründe des unmittelbaren [X.] stützen. Der Marktbereich der beiden Unternehmen überschneide sich nur in einem sehr kleinen Teilbereich. Weit überwiegende Haupttätigkeit der [X.] seien Briefdienstleistungen, bei der [X.] hingegen Zeitungszustellungen. Die Tätigkeit der Klägerin als Zeitungszustellerin beeinträchtige die Interessen der [X.] als Briefdienstleisterin nicht. Soweit die [X.] in sehr geringem Umfang Zeitungen zustelle, sei ein anderes Marktsegment betroffen. Auch liege keine die [X.] unterstützende Tätigkeit zulasten der [X.] vor. Allein die Einbringung der Arbeitskraft reiche hierfür nicht aus, erforderlich seien zusätzliche Umstände. Daran fehle es bei der untergeordneten Tätigkeit der Klägerin ohne jeden Kundenkontakt. Eine abstrakte oder zukünftig mögliche [X.]situation könne nicht dazu führen, die Nebentätigkeit zu verbieten. Die Versagung der Nebentätigkeit durch die [X.] sei mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit nicht in Einklang zu bringen. Die Klägerin sei auf die Tätigkeit aufgrund von [X.] angewiesen und habe darauf vertraut, diese weiter ausüben zu können.

7

Die Klägerin hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass sie berechtigt ist, eine Nebentätigkeit als Zeitungszustellerin bei der [X.] jeweils eine Stunde täglich bis 6:00 Uhr von jeweils montags bis sonnabends auszuüben.

8

Die [X.] hat Klageabweisung beantragt. Die Klägerin arbeite für einen unmittelbaren Wettbewerber, der sich als Briefdienstleister im Marktbereich der [X.] betätige. Durch ihre Tätigkeit als Zustellerin unterstütze und fördere sie die [X.] bei deren Konkurrenztätigkeit. Durch Gewinne bei der Zeitungszustellung werde der Ausbau der Briefzustellung ermöglicht. Nicht entscheidend sei, ob die Interessen der [X.] durch die Tätigkeit konkret beeinträchtigt würden. Im Übrigen bestehe die Gefahr, dass die [X.] die Klägerin zukünftig in der Briefzustellung einsetze, da sie dieses Geschäftsfeld ausweiten wolle. Umgekehrt stelle die [X.] selbst Zeitungen zu, so dass auch insoweit unmittelbarer Wettbewerb stattfinde. Trotz der unterschiedlichen [X.] seien Marktsegment und Kundenzielgruppe identisch. Daraus, dass die Klägerin die Nebentätigkeit über Jahre ausgeübt haben wolle, könne sie nichts herleiten. Der [X.] sei die Nebentätigkeit erst im November 2006 bekannt geworden.

9

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

I. Der Antrag der Klägerin ist zulässig.

1. Nach § 11 [X.] AG ist zur Ausübung einer Nebentätigkeit keine Zustimmung des Arbeitgebers erforderlich. Die Nebentätigkeit bedarf lediglich einer schriftlichen Anzeige (§ 11 Abs. 1 [X.] AG) und kann vom Arbeitgeber nur aus den in § 11 Abs. 2 [X.] AG genannten Gründen untersagt werden. Dem [X.] entspricht deshalb ein auf die Feststellung gerichteter Antrag, dass die Klägerin zur Ausübung der begehrten Tätigkeit als Zeitungszustellerin berechtigt sei (vgl. [X.] 28. Februar 2002 - 6 [X.] - EzA BGB § 611 Nebentätigkeit Nr. 7). Eine die Untersagung der Nebentätigkeit revidierende Erklärung der [X.] ist entgegen der Auffassung des [X.] nicht erforderlich. Das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich aus der Untersagung der Nebentätigkeit durch die Beklagte.

2. Der Antrag ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die begehrte Nebentätigkeit wird nach Arbeitgeber, Art, Umfang und Zeit eindeutig konkretisiert.

II. Der Antrag ist begründet. Entgegen der Auffassung des [X.] ist die Klägerin berechtigt, die von ihr begehrte Nebentätigkeit als Zeitungszustellerin bei der [X.] auszuüben. Insbesondere sprechen keine Gründe des unmittelbaren [X.] iSd. § 11 Abs. 2 [X.] AG dagegen.

1. Dem Arbeitnehmer ist während des rechtlichen Bestehens eines Arbeitsverhältnisses jede Konkurrenztätigkeit zum Nachteil seines Arbeitgebers untersagt, auch [X.]n keine entsprechenden individual- oder kollektivvertraglichen Regelungen bestehen. Für [X.] ist dies in § 60 Abs. 1 [X.] ausdrücklich geregelt. Der Arbeitsvertrag schließt über den Geltungsbereich dieser Vorschrift hinaus aber ein [X.]verbot ein, das vielfach aus der Treuepflicht des Arbeitnehmers abgeleitet wurde (st. Rspr., zB [X.] 26. Januar 1995 - 2 [X.] 355/94 - zu II 2 a der Gründe, EzA BGB § 626 nF Nr. 155). Nunmehr ist diese Verhaltenspflicht zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des Vertragspartners ausdrücklich in § 241 Abs. 2 BGB normiert (Senat 20. September 2006 - 10 [X.] 439/05 - Rn. 16, [X.]E 119, 294).

Diese Maßstäbe gelten grundsätzlich auch für die Ausübung von Nebentätigkeiten, etwa im Rahmen eines weiteren Arbeitsverhältnisses. Bei der Beurteilung, unter welchen Voraussetzungen sich eine Tätigkeit bei einem anderen Arbeitgeber als Konkurrenz auswirkt, soll es dabei nach der bisherigen Rechtsprechung unerheblich sein, auf welche Art und Weise der Arbeitnehmer den auch im Tätigkeitsbereich seines Hauptarbeitgebers aktiven Konkurrenten unterstützt, sofern der Nebentätigkeit nicht ausnahmsweise von vornherein jegliche unterstützende Wirkung abgesprochen werden kann (vgl. [X.] 24. Juni 1999 - 6 [X.] 605/97 - zu I 1 b bb der Gründe, [X.] BGB § 611 Nebentätigkeit Nr. 5 = EzA BGB § 611 Nebentätigkeit Nr. 2). Ebenso [X.]ig soll es auf die Funktion des Arbeitnehmers beim Konkurrenten ankommen; vielmehr sei dem Arbeitnehmer „jedwede Dienstleistung“ für diesen verboten (vgl. [X.] 16. August 1990 - 2 [X.] 113/90 - zu [X.] 2 c cc der Gründe, [X.] BGB § 611 Treuepflicht Nr. 10 = EzA KSchG § 4 nF Nr. 38).

Der Senat hat Bedenken, ob an dieser Rechtsprechung festgehalten werden kann, [X.]n es sich lediglich um einfache Tätigkeiten handelt, die allenfalls zu einer untergeordneten wirtschaftlichen Unterstützung des Konkurrenzunternehmens führen können, und im Übrigen schutzwürdige Interessen des Arbeitgebers nicht berührt werden. In jedem Fall muss bei der Bestimmung der Reichweite des [X.]verbots die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit des Arbeitnehmers Berücksichtigung finden. Daher ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls festzustellen, ob nach Art der Haupt- und Nebentätigkeit und der beteiligten Unternehmen überhaupt eine Gefährdung oder Beeinträchtigung der Interessen des Arbeitgebers vorliegt. Es spricht viel dafür, dass die Reichweite des [X.]verbots auf unmittelbare Konkurrenztätigkeiten beschränkt werden muss und bloße Hilfstätigkeiten ohne [X.]bezug nicht erfasst werden (vgl. etwa MünchKomm[X.]/von [X.] 2. Aufl. § 60 Rn. 46; [X.]/[X.] [X.] § 60 Rn. 15; [X.]/[X.] 2009 16. Aufl. Stichwort Wettbewerb Rn. 6; [X.] ArbR-Hdb. 13. Aufl. § 57 Rn. 7; [X.]/Diller 3. Aufl. § 60 [X.] Rn. 21; [X.] [X.] Nebenpflichten des Arbeitnehmers 1228 Rn. 269; [X.] [X.] [X.]verbot II 1830.2 Rn. 53; [X.] [X.]verbote für Arbeitnehmer 2. Aufl. S. 12 f.; [X.] Das Doppelarbeitsverhältnis S. 35 f.; [X.] Arbeits- und sozialrechtliche Fragen von Zweitarbeitsverhältnissen S. 74). Dies gilt insbesondere, [X.]n der Arbeitnehmer lediglich eine Teilzeittätigkeit ausübt und deshalb zur Sicherung seines Lebensunterhalts auf die Ausübung einer weiteren Erwerbstätigkeit angewiesen ist ([X.]/Kreuder AuR 1994, 214, 219 f.). Gerade im Bereich der einfacheren Tätigkeiten ist das in zunehmendem Maß der Fall.

Letztlich bedarf diese Frage im Streitfall aber im Hinblick auf die Regelung in § 11 Abs. 1 bis 3 [X.] AG keiner abschließenden Entscheidung.

2. § 11 Abs. 1 bis 3 [X.] AG schränkt die dargestellten allgemeinen Grundsätze entgegen der Auffassung des [X.] zugunsten der Arbeitnehmer ein. Der Arbeitgeber ist danach nur berechtigt, Nebentätigkeiten für ein Konkurrenzunternehmen zu untersagen, [X.]n nach der Stellung des Arbeitnehmers oder der Art der dortigen Tätigkeit eine unmittelbare Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Interessen droht. Die nur untergeordnete wirtschaftliche Unterstützung des Wettbewerbers reicht nicht aus.

a) § 11 [X.] AG geht von der grundsätzlichen Zulässigkeit der Ausübung von Nebentätigkeiten aus und verlangt lediglich deren Anzeige. Zum Schutz seiner Interessen ist der Arbeitgeber allerdings berechtigt, eine Nebentätigkeit zu verbieten, [X.]n infolge übermäßiger Beanspruchung des Arbeitnehmers durch die Nebentätigkeit die geschuldete vertragliche Arbeitsleistung beeinträchtigt werden kann oder [X.]n Gründe des unmittelbaren [X.] dagegen sprechen (§ 11 Abs. 2 [X.] AG).

b) Die tarifliche Nebentätigkeitsregelung als solche begegnet keinen Wirksamkeitsbedenken. Sie verstößt insbesondere nicht gegen höherrangiges Recht (vgl. hierzu zB [X.] 26. Juni 2001 - 9 [X.] 343/00 - zu I 1 b der Gründe, [X.]E 98, 123). Hiervon geht auch das [X.] aus, ohne dass die Revision Ein[X.]dungen erhebt.

c) Entgegen der Auffassung des [X.] können die Tätigkeit für einen Wettbewerber und „Gründe des unmittelbaren [X.]“ nicht gleichgesetzt werden. Vielmehr ist eine arbeitgeber- und tätigkeitsbezogene [X.]situation erforderlich, um eine Untersagung zu rechtfertigen. Dabei müssen schutzwürdige Interessen des Arbeitgebers beeinträchtigt sein.

aa) Schon der Wortlaut des § 11 Abs. 2 [X.] AG, von dem vorrangig auszugehen ist (st. Rspr., vgl. etwa Senat 11. Februar 2009 - 10 [X.] 264/08 - Rn. 25, [X.] 2009, 259), macht deutlich, dass die tarifliche Regelung sich nicht vollständig mit dem Inhalt des allgemeinen [X.]verbots deckt. Sie verweist nicht lediglich auf eine entsprechende An[X.]dung des § 60 Abs. 1 [X.] oder die allgemeinen Grundsätze. Dies hätte aber nahe gelegen, hätten die Tarifvertragsparteien ohnehin Geltendes nur deklaratorisch wiedergeben wollen, wie sie es etwa beim nachvertraglichen [X.]verbot in § 11 Abs. 4 [X.] AG mit einem Verweis auf die Regelungen des [X.] getan haben. Die Tarifnorm benennt als [X.] auch nicht allgemein berechtigte Interessen des Arbeitgebers, [X.]- oder Konkurrenzgründe. Vielmehr sollen gemäß § 11 Abs. 2 [X.] AG ausdrücklich nur Gründe des „unmittelbaren“ [X.], also solche direkter Konkurrenz, für eine Untersagung der Nebentätigkeit ausreichen. Nebentätigkeiten mit bloß mittelbarem [X.]bezug werden damit als erlaubt angesehen. Solche Gründe des unmittelbaren [X.] müssen „dagegen sprechen“, also der Nebentätigkeit entgegenstehen. Die Formulierung zeigt, dass die Tarifvertragsparteien die Nebentätigkeit mit unmittelbarem [X.]bezug vor Augen hatten und nicht von vornherein jede denkbare Tätigkeit bei einem Konkurrenzunternehmen als [X.] verstanden wissen wollten, auch [X.]n sie den anderen Arbeitgeber im weitesten Sinne unterstützen mag.

bb) Der tarifliche Gesamtzusammenhang bestätigt dieses Verständnis. Die in § 11 Abs. 1 [X.] AG geregelte Anzeigepflicht verlangt die Angabe der Art, des zeitlichen Umfangs und des Arbeitgebers der Nebentätigkeit, um dem Hauptarbeitgeber eine Prüfung zu ermöglichen, ob ein [X.] in Betracht kommt. Während die Angabe des zeitlichen Umfangs primär dazu dient, den [X.] der Überbeanspruchung prüfen zu können, ist das Erfordernis der Angabe des Zweitarbeitgebers auf die Untersagung aus [X.]gründen zugeschnitten. Zusätzlich verlangt die Anzeige aber auch die Angabe der Art der Nebentätigkeit, die demnach ebenfalls von Bedeutung sein kann.

cc) Diese Auslegung steht im Einklang mit dem Zweck der tariflichen Nebentätigkeitsregelung. Einerseits soll die Tarifnorm den Schutz des Arbeitgebers vor [X.]handlungen seiner Arbeitnehmer konkretisieren und für die betriebliche Praxis handhabbar machen. Andererseits darf sie die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit der Arbeitnehmer und deren Interesse an einer Verwertung ihrer Arbeitskraft nur soweit einschränken, wie dies erforderlich ist. Sie dient damit dem Ausgleich der Interessen beider Vertragsparteien und der weitestmöglichen Auflösung der Interessenkollision. Ob es überhaupt zu einer Gefährdung oder Beeinträchtigung der Interessen des Arbeitgebers kommt, kann nur anhand einer Gesamtwürdigung aller Umstände festgestellt werden. Dabei sind sowohl die beteiligten Unternehmen als auch die Art der Haupt- und Nebentätigkeit einzubeziehen.

3. Unter Zugrundelegung dieses Verständnisses sprechen keine Gründe des unmittelbaren [X.] gegen die Tätigkeit der Klägerin als Zeitungszustellerin bei der [X.]. Die Beklagte und die [X.] stehen zwar in Teilbereichen des Markts im Wettbewerb. Die konkrete Tätigkeit der Klägerin beim Konkurrenzarbeitgeber hat aber keinen [X.]bezug. Es handelt sich um eine bloße Hilfstätigkeit und eine lediglich untergeordnete wirtschaftliche Unterstützung. Die Klägerin kann nicht etwa bei der [X.] erworbene spezifische Fähigkeiten, Kenntnisse oder Erfahrungen zum Vorteil des Wettbewerbers einsetzen.

a) Die Beklagte und die [X.] stehen jedenfalls in Teilbereichen des Markts im Wettbewerb. Beide Unternehmen bieten Briefdienstleistungen an. Dass es sich dabei bei der [X.] um ein Kerngeschäft handelt, während sich die Geschäftssparte bei der [X.] erst im Aufbau befindet, ist unerheblich. Die Unternehmen sind insoweit unmittelbare Konkurrenten. Ob dies auch im Bereich der Zeitungszustellung so ist, kann dahinstehen. Zwar spricht manches dafür, dass es sich bei der Zustellung an Abonnenten in den frühen Morgenstunden einerseits und der Zustellung mit der täglichen Post andererseits um unterschiedliche Marktsegmente handelt, die sich nur unwesentlich überschneiden. Zugunsten der [X.] kann aber unterstellt werden, dass sie sich auch insoweit mit der [X.] in Konkurrenz befindet.

b) Die Nebentätigkeit der Klägerin hat keinen unmittelbaren [X.]bezug.

Die Klägerin beschränkt ihr Begehren ausdrücklich darauf, bei der [X.] eine Nebentätigkeit als Zeitungszustellerin ausüben zu wollen. Die Zustellung von Briefsendungen ist davon nicht umfasst (vgl. auch [X.] 9. April 2003 - 4 [X.]/02 - zu [X.] 2 der Gründe).

Die Tätigkeiten der Klägerin bei der [X.] als Sortiererin und bei der [X.] als Zeitungszustellerin weisen keine erheblichen Überschneidungen auf. Sie beschränken sich bei beiden Arbeitgebern auf die Ausführung von vorgegebenen Arbeitsaufgaben. Ein Kundenkontakt findet bei der [X.] nicht und im Rahmen der Zeitungszustellung allenfalls zufällig statt. Interessen der [X.] werden dadurch nicht berührt. Weder besteht eine Verwechslungsgefahr, für [X.] die Klägerin gerade tätig ist, noch besteht ihre Aufgabe in der Kundengewinnung. Es ist ebenfalls nicht ersichtlich, dass die Klägerin bei der [X.] erworbene firmenspezifische Fähigkeiten, Kenntnisse oder Erfahrungen zur Förderung des Wettbewerbers einsetzen könnte. Vielmehr kann die Zeitungszustellung von [X.] ohne besondere Qualifikation wahrgenommen werden.

Müsste die [X.] auf die Arbeitsleistung der Klägerin verzichten, würde sie an deren Stelle eine andere Arbeitskraft mit derselben Tätigkeit beschäftigen. Die Annahme, dass die [X.] stattdessen auf eine Zustellung von Zeitungen am frühen Morgen verzichtete und die Beklagte mit der Zustellung im Verlaufe des Tages beauftragte, liegt fern. Zwar mag man allein in der Tatsache, dass die Klägerin ihre Arbeitskraft einsetzt, eine Unterstützung der [X.] sehen, die im weitesten Sinn das [X.]verhältnis berührt. Allenfalls kann hier aber von einer mittelbaren, untergeordneten Förderung des Wettbewerbers gesprochen werden. Gegen die Tätigkeit sprechende Gründe des „unmittelbaren“ [X.] im Sinn der Tarifregelung liegen darin nicht.

Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin zukünftig im Rahmen ihrer Nebentätigkeit mit der Briefzustellung beauftragt werden könnte. Die Klägerin wäre in einem solchen Fall gemäß § 11 Abs. 1 [X.] AG verpflichtet, die Änderung der Tätigkeit anzuzeigen. Die Beklagte könnte dann überprüfen, ob nunmehr ein [X.] im Hinblick auf die geänderte Tätigkeit gegeben ist.

[X.]. Die Beklagte hat gemäß § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

        

    Mikosch    

        

    Marquardt    

        

    [X.]    

        

        

        

    Rudolph    

        

    Großmann    

                 

Meta

10 AZR 66/09

24.03.2010

Bundesarbeitsgericht 10. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Rosenheim, 15. Januar 2008, Az: 5 Ca 1336/07, Urteil

Art 12 Abs 1 GG, § 60 Abs 1 HGB, § 241 Abs 2 BGB, § 1 TVG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.03.2010, Az. 10 AZR 66/09 (REWIS RS 2010, 8103)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 8103

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