Bundesfinanzhof, Urteil vom 16.01.2018, Az. VI R 2/16

6. Senat | REWIS RS 2018, 15602

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Gegenstand

Doppelte Haushaltsführung - Hauptwohnung am Beschäftigungsort


Leitsatz

1. NV: Eine doppelte Haushaltsführung liegt nicht vor, wenn die Hauptwohnung, d.h. der "eigene Hausstand" i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG, ebenfalls am Beschäftigungsort belegen ist .

2. NV: Die Hauptwohnung ist i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG am Beschäftigungsort belegen, wenn der Steuerpflichtige von dieser seine Arbeitsstätte in zumutbarer Weise täglich erreichen kann . Die Entscheidung hierüber obliegt in erster Linie der tatrichterlichen Würdigung durch das FG .

Tenor

Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des [X.] vom 16. Dezember 2015 7 K 7366/13 wegen Einkommensteuer 2010 und 2011 aufgehoben.

Die Klage wird insoweit abgewiesen.

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens haben die Kläger zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) wohnten seit August 1999 in der [X.] in [X.] Darüber hinaus bewohnte der Kläger seit Januar 2009 eine Wohnung in der [X.] in [X.] mit einer Größe von 103 qm.

2

Der Kläger war als Angestellter [X.] tätig. Seine Arbeitsstätte befand sich in den Streitjahren (2010 bis 2012) in der [X.] in [X.]. Nach den Angaben in den Einkommensteuererklärungen suchte der Kläger diese von der Wohnung in der [X.] aus im Jahr 2010 an 203 Tagen, im Jahr 2011 an 210 Tagen und im Jahr 2012 an 190 Tagen auf. Die Aufwendungen für diese Wohnung machte er anteilig bezogen auf 60 qm als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus [X.]er Arbeit geltend.

3

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) erkannte die geltend gemachten Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung auch im Einspruchsverfahren nicht an. Die Klage hatte aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte ([X.]) 2016, 1005 veröffentlichten Gründen im Streitpunkt ebenfalls keinen Erfolg.

4

Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung formellen und materiellen Rechts.

5

Das [X.] hat während des Revisionsverfahrens aus hier nicht im Streit stehenden Gründen geänderte Einkommensteuerbescheide für 2010 und 2011 erlassen.

6

Die Kläger beantragen sinngemäß,
das Urteil des Finanzgerichts ([X.]) vom 16. Dezember 2015  7 K 7366/13 aufzuheben und die Einkommensteuerbescheide für 2010 und 2011 vom 5. Februar 2016 und den Einkommensteuerbescheid für 2012 vom 24. April 2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28. November 2013 dahin zu ändern, dass weitere Werbungskosten bei den Einkünften des [X.] aus [X.]er Arbeit in Höhe von 5.378 € für 2010, in Höhe von 5.108 € für 2011 und in Höhe von 4.911 € für 2012 berücksichtigt werden.

7

Das [X.] beantragt sinngemäß,
das Urteil des [X.] vom 16. Dezember 2015  7 K 7366/13 wegen Einkommensteuer 2010 und 2011 aufzuheben, die Klage insoweit abzuweisen und die Revision im Übrigen zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

8

1. Das Urteil des [X.] ist --soweit es die [X.]inkommensteuer für 2010 und 2011 betrifft-- aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben, weil sich während des Revisionsverfahrens der Verfahrensgegenstand, über dessen Rechtmäßigkeit das [X.] entschieden hat, geändert hat (§ 127 der [X.]inanzgerichtsordnung --[X.]O--). An die Stelle der [X.]inkommensteuerbescheide für 2010 vom 27. Juli 2012 und für 2011 vom 24. April 2013, jeweils in Gestalt der [X.]inspruchsentscheidung vom 28. November 2013, sind während des Revisionsverfahrens die Bescheide vom 5. [X.]ebruar 2016 getreten und nach § 121 Satz 1 i.V.m. § 68 Satz 1 [X.]O zum Gegenstand des Verfahrens geworden. Das angefochtene Urteil ist daher insoweit gegenstandslos und aufzuheben (Urteile des [X.] --[X.]-- vom 3. Juni 2014 II R 45/12, [X.], 374, [X.], 806, und vom 15. März 2017 II R 10/15, [X.], 1153, jeweils m.w.N.).

9

[X.]iner Zurückverweisung der Sache an das [X.] nach § 127 [X.]O bedarf es jedoch nicht, da sich aufgrund der Änderungsbescheide bei den zwischen den Beteiligten streitigen Punkten keine Änderungen ergeben haben (s. dazu [X.]-Urteile in [X.], 374, [X.], 806, und in [X.], 1153). Die vom [X.] getroffenen tatsächlichen [X.]eststellungen bilden nach wie vor die Grundlage für die [X.]ntscheidung des [X.]; sie fallen durch die Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils nicht weg, da das finanzgerichtliche Urteil nicht an einem Verfahrensmangel leidet (s. unter II.2.).

Die Sache ist spruchreif. Die Klage wegen [X.]inkommensteuer 2010 und 2011 ist unbegründet. Die gemäß § 121 Satz 1 i.V.m. § 68 Satz 1 [X.]O zum Gegenstand des Revisionsverfahrens gewordenen [X.]inkommensteuerbescheide für 2010 und 2011 vom 5. [X.]ebruar 2016 sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 121 Satz 1 i.V.m. § 100 Abs. 1 Satz 1 [X.]O).

Die Revision wegen [X.]inkommensteuer 2012 ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 [X.]O).

2. Die von den Klägern erhobene Verfahrensrüge greift nicht durch.

a) Nach § 76 Abs. 1 Satz 1 [X.]O hat das [X.] den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen und gemäß § 81 Abs. 1 Satz 2 [X.]O die erforderlichen Beweise zu erheben. Von den Verfahrensbeteiligten angebotene Beweise muss das [X.] grundsätzlich erheben, wenn es einen Verfahrensmangel vermeiden will ([X.]surteil vom 3. Dezember 2009 VI R 58/07, [X.][X.] 227, 365, [X.], 531). Auf eine beantragte Beweiserhebung kann es im Regelfall nur verzichten, wenn das Beweismittel für die zu treffende [X.]ntscheidung unerheblich ist, wenn die in [X.]rage stehende Tatsache zugunsten des Beweisführenden als wahr unterstellt werden kann, das Beweismittel unerreichbar, unzulässig oder absolut untauglich ist (ständige Rechtsprechung, z.B. [X.] vom 13. November 2007 VI B 100/07, [X.]/NV 2008, 219; vom 1. [X.]ebruar 2007 VI B 124/06, [X.]/NV 2007, 956, und vom 16. November 2005 VI R 71/99, [X.]/NV 2006, 753, jeweils m.w.N.).

Allerdings ist das [X.] nicht verpflichtet, unsubstantiierten Beweisanträgen nachzugehen ([X.]surteil vom 18. Juni 2015 VI R 10/14, [X.][X.] 250, 145, [X.], 940, m.w.N.). [X.]in Beweisantrag ist unsubstantiiert, wenn er nicht angibt, welche konkrete Tatsache durch welches Beweismittel nachgewiesen werden soll ([X.]-Urteil vom 17. Mai 2017 II R 35/15, [X.][X.] 258, 95, [X.], 966). In welchem Maße eine Substantiierung zu fordern ist, hängt von der im [X.]inzelfall bestehenden Mitwirkungspflicht des Beteiligten ab ([X.]surteil in [X.][X.] 250, 145, [X.], 940, m.w.N.).

Wird als Verfahrensmangel gerügt, das [X.] habe einen gestellten Beweisantrag übergangen (Rüge mangelnder Sachaufklärung gemäß § 76 Abs. 1 Satz 1 [X.]O), so ist darzulegen, welche Tatfrage aufklärungsbedürftig ist, welche Beweismittel das [X.] zu welchem Beweisthema nicht erhoben hat, die genauen [X.]undstellen (Schriftsatz mit Datum und Seitenzahl, Terminprotokoll), in denen die Beweismittel und Beweisthemen angeführt worden sind, das voraussichtliche [X.]rgebnis der Beweisaufnahme, inwiefern das Urteil des [X.] aufgrund dessen sachlich-rechtlicher Auffassung auf der unterbliebenen Beweisaufnahme beruhen kann und dass die Nichterhebung der Beweise vor dem [X.] rechtzeitig gerügt worden ist oder aufgrund des Verhaltens des [X.] nicht mehr vor diesem gerügt werden konnte (ständige [X.]-Rechtsprechung, z.B. Beschlüsse vom 24. Juli 2002 V B 25/02, [X.][X.] 199, 85, und vom 17. März 2000 VII B 1/00, [X.]/NV 2000, 1125, m.w.N.).

b) Die Kläger haben in der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] ausweislich der Sitzungsniederschrift beantragt, "bei den auf der Strecke von ...[A-[X.]] nach ...[[X.]] tätigen Verkehrsunternehmen [X.]rmittlungen zur Dauer der tatsächlichen [X.]ahrtzeit von 2006 bis 2010 anzustellen". Der [X.] kann dahinstehen lassen, ob dieser Beweisantrag hinreichend bestimmt ist oder ob es sich --wie das [X.] in dem angefochtenen Urteil angenommen hat-- um einen Ausforschungsbeweisantrag bzw. einen Beweisermittlungsantrag handelte, durch den die entscheidungserheblichen Tatsachen erst aufgedeckt werden sollten (dazu auch [X.]surteil in [X.][X.] 250, 145, [X.], 940, m.w.N.). Jedenfalls ergibt sich aus dem [X.] der Kläger nicht, welches voraussichtliche [X.]rgebnis die Beweiserhebung ergeben hätte und inwiefern das Urteil des [X.] aufgrund dessen sachlich-rechtlicher Auffassung aufgrund des voraussichtlichen [X.]rgebnisses der Beweisaufnahme anders ausgefallen wäre.

c) Soweit die Kläger rügen, der Beweisantrag sei im Protokoll über die mündliche Verhandlung "nicht ganz korrekt wiedergegeben", steht diesem Vorbringen die Beweiskraft des Protokolls (§ 94 [X.]O i.V.m. § 165 der Zivilprozessordnung --ZPO--) entgegen. Die Kläger haben auch weder einen Antrag auf Protokollberichtigung (§ 94 [X.]O i.V.m. § 164 ZPO) gestellt noch den Nachweis der [X.]älschung (§ 94 [X.]O i.V.m. § 165 Satz 2 ZPO) geführt.

d) Ausweislich der Sitzungsniederschrift haben die Kläger in der mündlichen Verhandlung keine weiteren Beweisanträge gestellt und das Unterbleiben einer Beweiserhebung insoweit auch nicht gerügt. Damit haben die Kläger ihr [X.] verloren. Der im finanzgerichtlichen Verfahren geltende Untersuchungsgrundsatz ist eine Verfahrensvorschrift, auf deren [X.]inhaltung ein Beteiligter ausdrücklich oder durch Unterlassen einer Rüge verzichten kann (§ 155 [X.]O i.V.m. § 295 ZPO). Das Unterlassen der rechtzeitigen Rüge hat den endgültigen [X.] zur [X.]olge (z.B. [X.]-Beschluss vom 5. Juni 2013 III B 47/12, [X.]/NV 2013, 1438, Rz 3).

Die Kläger konnten schon der Ladung des [X.] zum Termin zur mündlichen Verhandlung entnehmen, dass die Vorinstanz die [X.]ahrzeiten von der Wohnung in der [X.] zu der Arbeitsstelle des [X.] in der [X.] durch [X.] ermittelt hatte und es nicht beabsichtigte, weitere Beweise zu erheben. In einer solchen Situation bestand für die Kläger Anlass, das Unterbleiben einer für erforderlich erachteten Beweiserhebung förmlich zu rügen. Durch das Unterlassen einer entsprechenden Rüge haben die Kläger ihr [X.] verloren (§ 155 [X.]O i.V.m. § 295 ZPO).

3. Das [X.] hat die geltend gemachten Aufwendungen für die Wohnung des [X.] in der [X.] zu Recht nicht als Werbungskosten bei den [X.]inkünften aus nichtselbständiger Arbeit anerkannt.

Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 1 des [X.]inkommensteuergesetzes in der in den Streitjahren geltenden [X.]assung ([X.]StG) sind notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen, Werbungskosten, und zwar unabhängig davon, aus welchen Gründen die doppelte Haushaltsführung beibehalten wird. [X.]ine doppelte Haushaltsführung liegt nur vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 [X.]StG).

a) Der Ort des eigenen [X.] und der Beschäftigungsort müssen demnach auseinander fallen ([X.]surteile vom 21. Januar 1972 VI R 95/71, [X.][X.] 104, 193, [X.] 1972, 262; vom 8. Oktober 2014 VI R 16/14, [X.][X.] 247, 406, [X.], 511; vom 7. Mai 2015 VI R 71/14, [X.]/NV 2015, 1240, und vom 16. November 2017 VI R 31/16, [X.][X.] 260, 143; [X.]/[X.], [X.]StG, 36. Aufl., § 9 Rz 229; [X.] in [X.], [X.]StG, 16. Aufl., § 9 Rz 99, 108; [X.] in [X.]/[X.]/[X.] --[X.]--, § 9 [X.]StG Rz 496; [X.], in: [X.]/Söhn/[X.], [X.]StG, § 9 Rz G 60; [X.]/[X.], [X.]StG, § 9 Rz 325; [X.] in Lademann, [X.]StG, § 9 [X.]StG Rz 92; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], Kommentar, § 9 Rz 1020). Nur dann ist der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 [X.]StG beschäftigt. [X.]ine doppelte Haushaltsführung ist deshalb nicht gegeben, wenn der Steuerpflichtige in einer Wohnung am Beschäftigungsort einen (beruflich veranlassten) Zweithaushalt führt und auch der vorhandene "eigene Hausstand" am Beschäftigungsort belegen ist. Denn dann fallen der Ort des eigenen [X.] und der Beschäftigungsort nicht auseinander.

b) Beschäftigungsort i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 [X.]StG ist der Ort der langfristig und dauerhaft angelegten Arbeitsstätte (z.B. [X.]surteile vom 11. Mai 2005 VI R 7/02, [X.][X.] 209, 502, [X.] 2005, 782, und VI R 34/04, [X.][X.] 209, 527, [X.] 2005, 793, sowie vom 19. September 2012 VI R 78/10, [X.][X.] 239, 80, [X.] 2013, 284).

aa) Nach der langjährigen Rechtsprechung des erkennenden [X.]s ist der Begriff des Beschäftigungsortes weit auszulegen und darunter insbesondere nicht nur die politische Gemeinde, in der die Arbeitsstätte liegt, zu verstehen. So hatte der [X.] bereits mit Urteil vom 9. November 1971 VI R 96/70 ([X.][X.] 103, 506, [X.] 1972, 134; s.a. [X.]surteil vom 16. Dezember 1981 VI R 227/80, [X.][X.] 135, 57, [X.] 1982, 302) darauf erkannt, dass ein Arbeitnehmer auch dann am Beschäftigungsort i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 [X.]StG wohnt, wenn er in der Umgebung der politischen Gemeinde wohnt, in der sich seine Arbeitsstätte befindet, und von dort aus zur Arbeitsstätte fährt (aus neuerer [X.] z.B. [X.]surteile vom 19. April 2012 VI R 59/11, [X.][X.] 237, 449, [X.] 2012, 833; vom 26. Juni 2014 VI R 59/13, [X.]/NV 2015, 10, und vom 16. November 2017 VI R 31/16, [X.][X.] 260, 143). [X.]r hat entschieden, dass eine Wohnung dem Wohnen am Beschäftigungsort dient, wenn sie dem Arbeitnehmer ungeachtet von Gemeinde- oder Landesgrenzen ermöglicht, seine Arbeitsstätte täglich aufzusuchen, und hat dies bei Wegezeiten von etwa einer Stunde bejaht ([X.]surteile in [X.][X.] 237, 449, [X.] 2012, 833, und in [X.]/NV 2015, 10).

bb) Dementsprechend haben auch die [X.]inanzgerichte, die [X.]inanzverwaltung sowie die Kommentarliteratur eine Wohnung am Beschäftigungsort bejaht, wenn der Arbeitnehmer von dort üblicherweise täglich zu seiner Arbeitsstätte fahren kann (z.B. [X.] des Saarlandes, Urteil vom 25. Juni 1993  1 K 189/92, [X.][X.] 1994, 201; [X.] Münster, Urteil vom 19. Oktober 1999  13 K 2468/94 [X.], juris; [X.] Hamburg, Urteil vom 26. [X.]ebruar 2014  1 K 234/12, [X.][X.] 2014, 1185; [X.] Baden-Württemberg, Urteil vom 16. Juni 2016  1 K 3229/14, [X.][X.] 2016, 1423, bestätigt durch [X.]surteil vom 16. November 2017 VI R 31/16, [X.][X.] 260, 143; [X.] 2013 H 9.11 (1-4) "Zweitwohnung am Beschäftigungsort"; [X.]/[X.], a.a.[X.], § 9 Rz 229; Wagner, in: [X.]mann/Wagner, [X.], [X.], Rz 313; [X.]/Meeßen/Wolf, ABC-[X.]ührer Lohnsteuer, "Doppelte Haushaltsführung" Rz 47, 48; [X.] in [X.], a.a.[X.], § 9 Rz 109; [X.]/[X.], § 9 [X.]StG Rz 360; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], a.a.[X.], § 9 Rz 1040; [X.] in [X.]rotscher, [X.]StG, [X.]reiburg 2011, § 9 Rz 186; [X.], [X.] Steuerrecht --DStR-- 2012, 1737, 1740; kritisch aber [X.], Deutsche Steuer-[X.]ung 2017, 323).

cc) An seiner vorgenannten langjährigen Rechtsprechung, die der [X.] in seinem Urteil vom 16. November 2017 VI R 31/16 ([X.][X.] 260, 143) nochmals bestätigt hat, hält er auch in Ansehung des Vorbringens der Kläger im Streitfall weiterhin fest. Neue entscheidungserhebliche Gesichtspunkte, die der [X.] bisher nicht erwogen hätte, ergeben sich aus deren Vortrag nicht.

c) Die [X.]ntscheidung darüber, ob die fragliche Wohnung so zur Arbeitsstätte gelegen ist, dass der Arbeitnehmer in zumutbarer Weise täglich von dort seine Arbeitsstätte aufsuchen kann, obliegt in erster Linie der tatrichterlichen Würdigung durch das [X.]. Denn die Antwort darauf kann nur aufgrund der Berücksichtigung und Würdigung aller wesentlichen Umstände des [X.]inzelfalles gegeben werden und ist insbesondere von den individuellen Verkehrsverbindungen und Wegezeiten zwischen der Wohnung und der Arbeitsstätte abhängig; dabei ist naturgemäß die [X.]ntfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte ein wesentliches, allerdings kein allein entscheidungserhebliches Merkmal ([X.]surteile in [X.][X.] 237, 449, [X.] 2012, 833, und in [X.]/NV 2015, 10).

[X.]ine Mindestentfernung zwischen Haupt- und beruflicher Zweitwohnung bestimmt das [X.]inkommensteuergesetz nicht ([X.], in: [X.]/Söhn/[X.], [X.]StG, § 9 Rz G 60). Sie können sich deshalb sogar in derselben politischen Gemeinde befinden. Da der Begriff des Beschäftigungsortes nicht auf Gemeinde- oder Landesgrenzen abstellt, kann dies in Ausnahmefällen, z.B. in Großstädten, in Betracht kommen ([X.]/[X.], a.a.[X.], § 9 Rz 229; [X.]/[X.], § 9 [X.]StG Rz 496; [X.]/ [X.], § 9 [X.]StG Rz 361; [X.]/[X.], Personalbuch 2017, Stichwort: Doppelte Haushaltsführung, Rz 11; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], a.a.[X.], § 9 Rz 1040; [X.]uhrmann in Korn, § 9 [X.]StG Rz 111.2; s.a. die Vereinfachungsregelung im Schreiben des Bundesministeriums der [X.]inanzen vom 24. Oktober 2014, [X.], 1412, Rz 101; wenn ausnahmsweise ein tägliches [X.]ahren nicht zumutbar erscheint, [X.], [X.], 1737, 1738).

d) Nach diesen Maßstäben ist die Vorentscheidung nicht zu beanstanden.

aa) Nach den nicht angegriffenen und den [X.] bindenden tatsächlichen [X.]eststellungen des [X.] (§ 118 Abs. 2 [X.]O) unterhielten die Kläger einen eigenen Hausstand in der [X.] in A-[X.]. Das [X.] hat weiter festgestellt, dass sich die regelmäßige Arbeitsstätte des [X.] in den Streitjahren in der [X.] in [X.] befand.

Die Vorinstanz hat darüber hinaus festgestellt, dass der einfache Arbeitsweg des [X.] von der Wohnung in A-[X.] zu seiner regelmäßigen Arbeitsstätte in [X.] 21 km betrug. [X.]s hat die [X.]ahrzeit für diese Wegstrecke mit dem PKW auf 37 Minuten, für die [X.]ahrt mit der [X.] auf 46 bis 50 Minuten und für die [X.]ahrt mit Bus und U-Bahn auf etwa 57/60 bis 65 Minuten geschätzt (§ 162 der Abgabenordnung i.V.m. § 96 Abs. 1 Satz 1 [X.]O).

bb) Bei dieser Sachlage ist die tatsächliche Würdigung des [X.], der Kläger habe seine regelmäßige Arbeitsstätte in [X.] von seiner Wohnung in A-[X.] aus in zumutbarer Weise täglich aufsuchen können, zumindest möglich und damit revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Zutreffend hat das [X.] in diesem Zusammenhang neben der reinen [X.]ntfernung zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte sowie der benötigten [X.]ahrzeiten mit dem PKW auch auf den gut erreichbaren öffentlichen Personennahverkehr mittels [X.] bzw. Bus und U-Bahn abgestellt. Das [X.] hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, [X.]ahrzeiten von täglich etwa einer Stunde für den Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte würden von einer Vielzahl von Arbeitnehmern auf sich genommen und seien zumutbar.

Mit ihren hiergegen erhobenen [X.]inwendungen setzen die Kläger lediglich ihre Würdigung des Sachverhalts an die Stelle der Würdigung des [X.]. Dies kann der Revision jedoch nicht zum [X.]rfolg verhelfen. Insbesondere ergibt sich aus dem Vorbringen der Kläger nicht, dass es dem Kläger aufgrund besonderer Umstände des [X.]inzelfalls unzumutbar gewesen sei, von der Wohnung in A-[X.] zu seiner Arbeitsstätte in [X.] und zurück zu gelangen. Dies gilt insbesondere in Bezug auf die von den Klägern geschilderte Situation der öffentlichen Verkehrsmittel, das Alter des [X.] und die allgemeinen (gesundheitlichen) Belastungen, die mit einer etwa einstündigen [X.]ahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte verbunden sein mögen. Das [X.] hat daher zu Recht entschieden, dass (auch) die Wohnung der Kläger in A-[X.] am Beschäftigungsort belegen war.

4. Die Aufwendungen des [X.] für die Zweitwohnung in [X.] können ferner nicht gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 [X.]StG als Werbungskosten abgezogen werden. Die Aufwendungen für eine (Zweit-) Wohnung sind als Kosten der Lebensführung grundsätzlich nicht beruflich veranlasst.

Auch wenn der Kläger die Wohnung in der [X.] aus beruflichen Gründen gemietet hat, um seine Arbeitsstelle besser und schneller erreichen zu können, ergibt sich daraus kein Werbungskostenabzug für die Unterkunftskosten nach § 9 Abs. 1 Satz 1 [X.]StG. Denn die vom Kläger für die Zweitwohnung geltend gemachten Aufwendungen dienten jedenfalls auch dem der steuerlich unbeachtlichen Privatsphäre zuzurechnenden Wohnen. Aufwendungen hierfür sind auch nach Aufgabe des [X.] (Beschluss des Großen [X.]s des [X.] vom 21. September 2009 GrS 1/06, [X.][X.] 227, 1, [X.], 672) --jenseits der vorrangigen Regelung in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 [X.]StG-- grundsätzlich als nicht abziehbare und nicht aufteilbare Aufwendungen für die Lebensführung anzusehen ([X.] in [X.]/[X.]/[X.], a.a.[X.], § 9 Rz 1002).

Dies gilt für Unterkunftskosten nach der Rechtsprechung des [X.] --wenn der Regelungsgegenstand des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 [X.]StG betroffen ist-- insbesondere dann, wenn die Voraussetzungen für eine steuerlich anzuerkennende doppelte Haushaltsführung --wie vorliegend-- nicht erfüllt sind ([X.]surteil vom 16. November 2017 VI R 31/16, [X.][X.] 260, 143, m.w.N.). Denn § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 [X.]StG ist lex specialis zu § 9 Abs. 1 Satz 1 [X.]StG ([X.], in: [X.]/ Söhn/[X.], [X.]StG, § 9 Rz G 7; [X.]/[X.], § 9 [X.]StG Rz 326; jeweils m.w.N.).

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1, Abs. 2 [X.]O.

Meta

VI R 2/16

16.01.2018

Bundesfinanzhof 6. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 16. Dezember 2015, Az: 7 K 7366/13, Urteil

§ 9 Abs 1 S 1 EStG 2009, § 9 Abs 1 S 3 Nr 5 EStG 2009, § 12 Nr 1 EStG 2009, § 76 FGO, § 295 ZPO, EStG VZ 2010, EStG VZ 2011, EStG VZ 2012

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 16.01.2018, Az. VI R 2/16 (REWIS RS 2018, 15602)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 15602

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