Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.10.2005, Az. VIII ZR 208/05

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2005, 1278

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.] [X.] ZR 208/05 vom 19. Oktober 2005 in dem Re[X.]htsstreit

- 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat am 19. Oktober 2005 dur[X.]h [X.] [X.] als Vorsitzenden und [X.], [X.], [X.] sowie die Ri[X.]hterin [X.] bes[X.]hlossen: Der Antrag der [X.], die Zwangsvollstre[X.]kung aus dem Urteil der [X.] des [X.] vom 18. August 2005 einstweilen einzustellen, wird zurü[X.]kgewiesen.

Gründe: [X.] Die [X.] sind Mieter, der Kläger Vermieter einer Doppelhaushälfte mit Gartenflä[X.]he in [X.] , [X.]weg

Nr. 59. Der Kläger kündigte das Mietverhältnis am 1. September 2004 fristlos wegen Zahlungsverzugs der [X.] mit der Miete. Dur[X.]h Urteil des [X.] vom 3. März 2005 sind die [X.] zur Räumung des Mietob-jekts und zur Zahlung rü[X.]kständiger Miete in Höhe von 10.131,51 • nebst Zin-sen verurteilt worden. Auf die Berufung der [X.] hat das [X.] die [X.] unter Abänderung des amtsgeri[X.]htli[X.]hen Urteils zur Zahlung von 10.040,65 • nebst Zinsen verurteilt, die Berufung im Übrigen zurü[X.]kgewie-sen und den [X.] eine Räumungsfrist bis zum 31. Oktober 2005 gewährt. Gegen die Ni[X.]htzulassung der Revision in dem ihnen am 31. August 2005 zugestellten Berufungsurteil haben die [X.] am 16. September 2005 - 3 - Bes[X.]hwerde eingelegt. Die Frist für die Begründung der Ni[X.]htzulassungsbe-s[X.]hwerde ist auf ihren Antrag bis zum 2. Januar 2006 verlängert worden; eine Begründung liegt no[X.]h ni[X.]ht vor. Die [X.] beantragen, die [X.] aus dem Urteil des [X.] gemäß § 719 Abs. 2 ZPO einstwei-len einzustellen. I[X.] Der Antrag der [X.] auf einstweilige Einstellung der [X.] ist ni[X.]ht begründet. 1. Wird Revision gegen ein für vorläufig vollstre[X.]kbar erklärtes Urteil [X.], so ordnet das Revisionsgeri[X.]ht auf Antrag gemäß § 719 Abs. 2 ZPO an, dass die Zwangsvollstre[X.]kung einstweilen eingestellt wird, wenn die Vollstre-[X.]kung dem S[X.]huldner einen ni[X.]ht zu ersetzenden Na[X.]hteil bringen würde und wenn ni[X.]ht ein überwiegendes Interesse des Gläubigers entgegensteht. Im [X.] über die Ni[X.]htzulassungsbes[X.]hwerde gilt dies entspre[X.]hend (§ 544 Abs. 5 Satz 2 ZPO). Na[X.]h der ständigen Re[X.]htspre[X.]hung des [X.] kann si[X.]h der S[X.]huldner nur dann auf die Gefahr eines ni[X.]ht zu ersetzen-den Na[X.]hteils berufen, wenn er bereits in der Berufungsinstanz einen Vollstre-[X.]kungss[X.]hutzantrag na[X.]h § 712 ZPO gestellt hat. Hat der S[X.]huldner dies ver-säumt, kommt eine Einstellung der Zwangsvollstre[X.]kung na[X.]h § 719 Abs. 2 ZPO grundsätzli[X.]h ni[X.]ht in Betra[X.]ht. Eine Ausnahme gilt allenfalls dann, wenn es dem S[X.]huldner im Berufungsverfahren aus besonderen Gründen ni[X.]ht mög-li[X.]h oder ni[X.]ht zumutbar war, einen Antrag na[X.]h § 712 ZPO zu stellen, oder wenn si[X.]h na[X.]hträgli[X.]h neue Gründe ergeben haben (zuletzt [X.]sbes[X.]hluss vom 27. Oktober 2004 - [X.] ZR 215/04, Grundeigentum 2004, 1523, unter [X.].). Hier haben die [X.] weder in der Berufungsinstanz [X.] 4 - stre[X.]kungss[X.]hutz na[X.]h § 712 ZPO beantragt, no[X.]h vorgetragen, dass oder wa-rum es ihnen ni[X.]ht mögli[X.]h war, dies zu tun. 2. Die [X.] ma[X.]hen vielmehr geltend, die Dur[X.]hführung der Zwangsvollstre[X.]kung sei für die Beklagte zu 2 mit einer akuten Suizidgefahr verbunden. Ob unter Bea[X.]htung der grundre[X.]htli[X.]hen Gewährleistung des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstre[X.]kung gemäß § 719 Abs. 2 ZPO au[X.]h dann geboten sein kann, wenn der S[X.]huldner eine sol-[X.]he [X.] von ihm wie hier von den [X.] bereits im [X.] ni[X.]ht zum Anlass für einen S[X.]hutzantrag na[X.]h § 712 ZPO ge-nommen hat, kann dahinstehen. Denn die [X.] haben eine ohne Einstel-lung der Zwangsvollstre[X.]kung ni[X.]ht beherrs[X.]hbare Suizidgefahr für die Beklagte zu 2 entgegen § 719 Abs. 2 Satz 2 ZPO ni[X.]ht hinrei[X.]hend glaubhaft gema[X.]ht. a) Soweit es um die Verurteilung zur Zahlung geht, folgt dies s[X.]hon [X.], dass die von ihnen vorgelegten Atteste von Ärzten und Psy[X.]hologen allein die Räumung als mögli[X.]hen Auslöser für eine krisenhafte Zuspitzung der gege-benen depressiven Symptomatik der [X.] zu 2 ansehen. Dass s[X.]hon die bloße Zahlungsvollstre[X.]kung die bestehende Konfliktsituation bis hin zu einer akuten Suizidgefahr vers[X.]härfen könnte, ergibt si[X.]h daraus ni[X.]ht. b) Soweit es um die Zwangsvollstre[X.]kung aus dem [X.] geht, kann ni[X.]ht unberü[X.]ksi[X.]htigt bleiben, dass die zur Glaubhaftma[X.]hung der Sui-zidgefahr eingerei[X.]hten ärztli[X.]hen und psy[X.]hologis[X.]hen Bes[X.]heinigungen zum überwiegenden Teil aus dem ersten Halbjahr 2005 und damit aus der [X.] vor Erlass des Berufungsurteils stammen. Na[X.]h der psy[X.]hotherapeutis[X.]hen Be-s[X.]heinigung der Diplompsy[X.]hologin Dr. M. vom 6. Juni 2005 bestand damals eine akute Suizidgefährdung dur[X.]h die —re[X.]htli[X.]h ungeklärte und offene Situati-onfi. Der Diplompsy[X.]hologe [X.]des Bezirksamtes T.

von - 5 - [X.]s[X.]hreibt in seiner Stellungnahme vom 15. Juni 2005 einer —[X.] wesentli[X.]hen Anteil an einer mögli[X.]hen [X.] zu. Damit übereinstimmend befürworteten alle Atteste aus dem ersten Halbjahr 2005 eine Aussetzung der Zwangsvollstre[X.]kung nur bis zu weiteren geri[X.]htli[X.]hen Ent-s[X.]heidungen, die zu jener [X.] dur[X.]h das Berufungsgeri[X.]ht no[X.]h bevorstanden. [X.]) Eine au[X.]h na[X.]h Erlass des Berufungsurteils fortbestehende [X.] der [X.] zu 2 im Falle einer Zwangsräumung lässt si[X.]h allein der sozialpsy[X.]hiatris[X.]hen Stellungnahme der Fa[X.]härztin für Neurologie und Psy[X.]hi-atrie D. des Bezirksamtes T.

vom 19. August 2005 ent-nehmen. Dana[X.]h lag am 18. August 2005 bei der [X.] zu 2 eine [X.] Symptomatik mit latenter Suizidalität vor, für die die —bekannte Wohnungs-problematikfi ursä[X.]hli[X.]h war, und hatte si[X.]h trotz medikamentöser und psy[X.]ho-therapeutis[X.]her Behandlung der psy[X.]his[X.]he Zustand der [X.] zu 2 ni[X.]ht verbessert. Es könne [X.] so die Stellungnahme [X.] davon ausgegangen werden, dass si[X.]h die depressive Symptomatik vers[X.]hle[X.]htern werde, falls es zur [X.] komme. Selbst wenn dies eine konkrete Gefahr für Leben und Gesundheit der [X.] zu 2 bedeuten sollte, kann aber die Zwangsvollstre[X.]kung ni[X.]ht ohne weiteres einstweilen eingestellt werden. Es ist vielmehr stets sorgfältig zu prü-fen, ob der Gefahr ni[X.]ht au[X.]h auf andere Weise als dur[X.]h Einstellung der Zwangsvollstre[X.]kung wirksam begegnet werden kann ([X.], Bes[X.]hluss vom 4. Mai 2005 [X.] I ZB 10/05, [X.], 1859, unter [X.] 2 b). Im Hinbli[X.]k auf das entgegenstehende Grundre[X.]ht des Gläubigers auf S[X.]hutz seines Eigentums (Art. 14 Abs. 1 GG) kann dabei au[X.]h von dem S[X.]huldner selbst jedes [X.] Bemühen um eine Verringerung des [X.] verlangt werden ([X.], Bes[X.]hluss vom 27. Juni 2005 [X.] 1 BvR 224/05, [X.], 657, unter [X.] b [X.][X.]; NJW 2004, 49, 50; NJW-RR 1993, 463, 464; NJW 1992, 1155). - 6 - Einem S[X.]huldner kann dementspre[X.]hend, wenn er dazu in der Lage ist, zugemutet werden, fa[X.]hli[X.]he Hilfe [X.] au[X.]h dur[X.]h einen stationären Aufenthalt in einer Klinik [X.] in Anspru[X.]h zu nehmen, um die Gefahr einer Selbsttötung auszu-s[X.]hließen oder zu verringern ([X.], Bes[X.]hluss vom 4. Mai 2005, aaO). Die [X.] haben ledigli[X.]h glaubhaft gema[X.]ht, dass die bisherige ambulante [X.] der [X.] zu 2 ihren psy[X.]his[X.]hen Zustand ni[X.]ht stabilisiert habe. Sie ma[X.]hen jedo[X.]h ni[X.]ht geltend, dass si[X.]h au[X.]h dur[X.]h eine stationäre [X.] der [X.] zu 2 vor und während der Räumung der Gefahr einer Selbsttötung ni[X.]ht wirksam begegnen lasse. Na[X.]h der vorgenannten sozialpsy-[X.]hiatris[X.]hen Stellungnahme vom 19. August 2005 re[X.]htfertigte zwar das aktuel-le Krankheitsbild zu jener [X.] eine stationäre Unterbringung na[X.]h dem Gesetz für psy[X.]his[X.]h Kranke (Psy[X.]hKG) des [X.]ni[X.]ht, muss aber [X.] aktuell beurteilt werden, ob sie während einer eventuellen Räumungssi-tuation erforderli[X.]h wird. Das lässt den S[X.]hluss zu, dass die Suizidgefahr jeden-falls dur[X.]h eine stationäre Behandlung der [X.] zu 2 in zeitli[X.]hem Zu-sammenhang mit der Räumung beherrs[X.]hbar ers[X.]heint. 3. S[X.]hließli[X.]h muss eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstre-[X.]kung au[X.]h daran s[X.]heitern, dass die Ni[X.]htzulassungsbes[X.]hwerde der [X.] na[X.]h ihrer Begründung in dem Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstre[X.]kung keine Aussi[X.]ht auf Erfolg bietet ([X.], Bes[X.]hluss vom 11. April 2002 [X.] V ZR 308/01, NJW-RR 2002, 1090, unter II). Der [X.] hat die - 7 - von den [X.] vorgetragenen Zulassungsgründe geprüft (§ 543 Abs. 2 ZPO) und ni[X.]ht für dur[X.]hgreifend era[X.]htet.

Dr. [X.] [X.] [X.]
[X.] [X.]

Meta

VIII ZR 208/05

19.10.2005

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.10.2005, Az. VIII ZR 208/05 (REWIS RS 2005, 1278)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 1278

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.