Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.07.2017, Az. 2 StR 110/17

2. Strafsenat | REWIS RS 2017, 8554

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:050717U2STR110.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
2 StR 110/17
vom
5. Juli 2017
in der Strafsache
gegen

wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln u.a.

-
2
-
Der 2.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 5.
Juli 2017, an der teilgenommen haben:
[X.] am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Krehl

als Vorsitzender,

[X.] am Bundesgerichtshof
Dr. [X.],
[X.]in am Bundesgerichtshof
Dr. [X.],
die [X.] am Bundesgerichtshof
Dr. [X.],
[X.],

Staatsanwalt

als Vertreter der [X.],

Rechtsanwalt

als Verteidiger des Angeklagten,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
-
3
-
1.
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 25.
Oktober
2016 mit den Fest-stellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere [X.] des [X.]s zurückverwiesen.
2.
Die Revision des Angeklagten gegen das
vorbezeichnete Urteil wird verworfen.
3.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

-
4
-
Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von [X.] in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaub-ten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Frei-heitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Darüber hinaus hat es die sicherge[X.]n Betäubungsmittel

eingezogen. Dagegen richtet sich die auf die unausge-führte Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Die zuungunsten des An-geklagten eingelegte
und auf sachlich-rechtliche Einwendungen gestützte Revi-sion der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.

I.
1. Nach den Feststellungen transportierte der Angeklagte am 17.
Februar 2016 im Auftrag unbekannt gebliebener Dritter für einen Kurierlohn von 1.000

insgesamt 62,5 Kilogramm Haschisch mit einem Wirkstoffgehalt von 15,5
Prozent
aus den [X.] nach [X.]. Er wusste, dass das Rauschgift gewinnbringend weiterveräußert werden sollte. Der Angeklagte [X.] sein Fahrzeug auftragsgemäß in einem Industriegebiet ab und ging spazie-ren. Während seiner Abwesenheit wurde das Rauschgift von [X.] in seinem Fahrzeug deponiert.
Bei einer Polizeikontrolle in [X.] wurde das Rauschgift entdeckt und sichergestellt.
2. Der Angeklagte hatte sich über Verteidigererklärungen
in der [X.] dahin eingelassen, dass

Transport von 10
Kilogramm Haschisch ausgegangen sei; ihm sei von seinen Auftraggebern gesagt worden, dass er sein Fahrzeug in einem Industriegebiet abstellen und spazieren gehen solle; während seiner Abwesenheit würden 10
Kilogramm Haschisch in dem 1
2
3
-
5
-
Fahrzeug deponiert. Das [X.] vermochte sich ungeachtet einer
auf ei-nem der Rauschgiftpakete gesicherten daktyloskopischen Spur des rechten Daumens des Angeklagten nicht davon zu überzeugen, dass der Angeklagte hinsichtlich der Gesamtmenge mit jedenfalls bedingtem Vorsatz handelte.

II.

Die Revision des Angeklagten ist unbegründet.
Die Nachprüfung des [X.] deckt keinen den Angeklagten [X.] Rechtsfehler auf.

III.
Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg. Die Beweiswürdigung zur subjektiven Tatseite hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
1. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters (§
261 StPO). Ihm ob-liegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteil vom 12.
Februar 2015

4
StR
420/14, [X.], 148 mwN). Das Revisionsgericht hat die [X.] Beweiswürdigung selbst dann hinzunehmen, wenn eine andere Beurtei-lung näher gelegen hätte oder überzeugender gewesen wäre (vgl. [X.], Urteil vom 24.
März 2015

5
StR
521/14, [X.], 178, 179). Die revisionsge-richtliche Prüfung erstreckt sich allein darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies
ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Be-weiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkge-4
5
6
-
6
-
setze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. nur Senat, Urteil vom 1. Februar 2017

2 StR 78/16, [X.], 183, 184; [X.], Urteil vom 13.
Juli 2016

1
StR
94/16, juris
Rn.
9). Insbesondere sind die Beweise er-schöpfend zu würdigen. Dabei ist der Tatrichter gehalten, sich mit den von ihm festgestellten Tatsachen unter allen für die Entscheidung wesentlichen [X.] auseinanderzusetzen, wenn sie geeignet sind, das Beweisergeb-nis zu beeinflussen (vgl. [X.], Urteil vom 12.
Februar 2015

4
StR
420/14, [X.], 148 mwN). Eine Beweiswürdigung, die über schwerwiegende Verdachtsmomente hinweggeht, ist rechtsfehlerhaft (vgl. [X.], Urteil vom 23.
Juli 2008

2
StR
150/08,
NJW 2008, 2792, 2793

insofern in [X.]St 52, 314
nicht abgedruckt). Aus den Urteilsgründen muss sich außerdem ergeben,
dass der Tatrichter die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt hat (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteil vom 2. Februar 2017

4 [X.], juris Rn.
8). [X.] ist eine Beweiswürdigung schließlich auch dann, wenn an die zur [X.] erforderliche Gewissheit überspannten Anforderungen gestellt worden sind. Dabei ist es weder im Hinblick auf den [X.] noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten von Annahmen auszugehen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat (vgl. Senat, Urteil vom 1. Februar 2017

2 StR 78/16, [X.], 183, 184).
2.
Nach diesem Maßstab begegnet die Beweiswürdigung des Landge-richts durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die Beweiserwägungen sind lü-ckenhaft und lassen besorgen, dass das [X.] überspannte Anforderun-gen an die Annahme bedingten Vorsatzes bezogen auf die Menge des [X.] Rauschgifts gestellt hat. Insoweit gilt:

7
-
7
-
Ein Drogenkurier, der sich zum Transport von Betäubungsmitteln bereit erklärt und weder auf die Menge des ihm übergebenen Rauschgifts Einfluss nehmen noch diese Menge überprüfen kann, wird in der Regel damit rechnen
müssen, dass ihm mehr Rauschgift zum Transport übergeben wird, als man ihm offenbart
hat. Ist ihm bei dieser Sachlage die tatsächliche Menge der [X.] gleichgültig, so handelt er mit bedingtem Vorsatz bezüglich der tatsächlich transportierten Gesamtmenge (vgl. Senat, Beschluss vom 31.
März 1999

2
StR 82/99, [X.], 467; [X.], Urteil vom 21.
April 2004

1
[X.], [X.], 281). Dies liegt in [X.], in denen zwischen dem Kurier und seinem Auftraggeber kein persönliches Vertrauensverhältnis besteht, re-gelmäßig nahe. Gegen
einen bedingten Vorsatz können im Einzelfall Umstände sprechen, die dem Kurier die Überzeugung zu vermitteln vermögen, sein Auf-traggeber habe ihm in Bezug auf die [X.] die Wahrheit ge-sagt (vgl. Senat, Beschluss vom 31.
März 1999

2
StR 82/99, [X.], 467).
a) Die tatrichterlichen Beweiserwägungen sind lückenhaft, weil der Tatrichter die allein über Verteidigererklärungen
erfolgte Einlassung des Ange-klagten
in der Hauptverhandlung nicht auf ihre Plausibilität überprüft und in [X.] zu seinen früheren Bekundungen gesetzt hat. Das [X.] ist insoweit davon ausgegangen, dass die Einlassung des Angeklagten unterstellt

werden müsse und nur dann widerlegt werden könne, wenn gegenteilige Anhaltspunkte vorliegen. Dies greift zu kurz. An die Bewertung der Einlassung des Angeklag-ten sind die gleichen Anforderungen zu stellen wie an die Beurteilung sonstiger Beweismittel
(vgl. Senat, Urteil vom 1. Februar 2017

2 StR
78/16, [X.], 183, 184).
Der Tatrichter hat sich aufgrund einer Gesamtwürdigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme seine Überzeugung von der Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Einlassung zu bilden ([X.], Urteil vom 6.
November 2003

4 [X.], [X.], 88; Urteil vom 6.
März 1986

4
StR 48/86,
8
9
-
8
-
[X.]St 34, 29, 34). Dabei kann ein Wechsel der Angaben im Verlaufe des [X.] ein Indiz für die Unrichtigkeit der Einlassung in der Hauptverhandlung sein und ihre Bedeutung für die Beweiswürdigung verringern oder unter [X.] ganz entfallen lassen (Senat, Urteil vom 16.
August 1995

2
StR 94/95, [X.]R StPO § 261 Einlassung 6). Im Hinblick auf die Möglichkeit einer Anpassung der Einlassung an die Ergebnisse der Beweisaufnahme kann auch der Zeitpunkt, zu dem sich ein Angeklagter zur Sache einlässt, ein Umstand sein, der im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung gegen die Glaubhaf-tigkeit der Einlassung sprechen kann (Senat, Urteil vom 1.
Februar 2017

2
StR
78/16, [X.], 183, 184).
b) Das [X.] hat zwar erkannt, dass die über [X.] erfolgte Einlassung des Angeklagten in einem zentralen Punkt mit den üb-rigen Beweisergebnissen nicht oder jedenfalls nicht ohne Weiteres in Einklang zu bringen war; seine Erklärung, während des Verladens des Rauschgifts in sein Fahrzeug spazieren gegangen zu sein, lässt sich jedenfalls nicht ohne Weiteres damit in Einklang bringen, dass auf dem Verpackungsmaterial eines der Betäubungsmittelpakete unterhalb des [X.] eine [X.]

der Abdruck des rechten Daumens

des Angeklagten gesichert worden ist. Soweit die [X.] die Beweisbedeutung dieses Indizes mit der Begründung rela-tivierte, die festgestellte einzelne [X.] deute nicht darauf hin, dass der Angeklagte die

sehr große, aus 56 Blöcken und 208 Platten bestehende

Rauschgiftmenge selbst in das Fahrzeug gelegt oder bei einem Verbrin-gen der Betäubungsmittel in das Fahrzeug in irgendeiner Weise mitgewirkt

ha-be, da anderenfalls mehr als nur eine einzelne [X.] hätte
aufge-funden werden müssen, sind diese Erwägungen lückenhaft. Das [X.] hat die Lage der [X.] unterhalb der Verpackung nicht erkennbar in den Blick genommen. Darüber hinaus hat es sich nicht mit der nahe liegenden [X.] auseinander gesetzt, dass der Angeklagte bei der [X.]
-
9
-
gung der Betäubungsmittel in das professionelle Schmuggelversteck seines Fahrzeuges anwesend gewesen sein könnte und dabei eines der [X.] hat. Eine solche [X.] wäre zwanglos mit der Spurenlage vereinbar und könnte zugleich dafür sprechen, dass der Angeklagte Kenntnis von der ungefähren Gesamtmenge der von ihm tatsächlich transportierten [X.] hatte.
c) Schließlich fehlt es an der erforderlichen Gesamtwürdigung aller für und gegen die Annahme eines auf die tatsächlich transportierte
Gesamtmenge bezogenen bedingten Vorsatzes
des Angeklagten. In
diesem Zusammenhang wäre auch in die Erwägungen einzustellen gewesen, dass der Angeklagte das

.
Bei dieser Sachlage bedarf die Sache neuer Verhandlung und Entschei-dung.
3. Der Senat hebt auch die auf §
33 Abs.
2 BtMG gestützte Einziehungs-anordnung auf, um dem neuen Tatrichter die Gelegenheit zu geben, sie [X.] bestimmt abzufassen. Der Ausspruch über die Anordnung einer Einzie-hung hat die einzuziehenden Gegenstände so genau zu kennzeichnen, dass bei allen Beteiligten und bei der Vollstreckungsbehörde Klarheit über den [X.] der Einziehung besteht. Im Falle der Einziehung von Betäubungsmitteln gehört dazu die Angabe von Art
und Menge des einzuziehenden Rauschgifts, die sich aus dem [X.] ergeben muss. Dies wird der neu zur Entschei-dung berufene Tatrichter nachzuholen haben.
Für das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich auf Folgendes hin:
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13
14
-
10
-
Sollte der neue Tatrichter Zweifel an der subjektiven Tatseite hinsichtlich der [X.] nicht zu überwinden vermögen, wird er zu prüfen haben, ob dem Angeklagten insoweit Fahrlässigkeit zur Last fällt
(vgl. Senat, Beschluss vom 31.
März 1999

2
StR 82/99, [X.], 467; [X.], Urteil vom 21. April 2004

1 [X.], [X.], 281).
Ri[X.] Prof. Dr. Krehl ist

[X.]

[X.]
durch Urlaub an der
Unterschrift gehindert.

[X.]

Ri[X.] Dr. [X.] ist

[X.]

durch Urlaub an der

Unterschrift gehindert.

[X.]

15

Meta

2 StR 110/17

05.07.2017

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.07.2017, Az. 2 StR 110/17 (REWIS RS 2017, 8554)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 8554

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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