Bundessozialgericht, Beschluss vom 18.07.2019, Az. B 13 R 259/17 B

13. Senat | REWIS RS 2019, 5296

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Gegenstand

Sozialgerichtsverfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Gehörsverletzung - Anhörungsmitteilung


Tenor

Der Antrag des [X.], ihm für die Durchführung des Verfahrens der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des [X.] vom 1. Juni 2017 Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde des [X.] gegen die Nichtzulassung der Revision in dem benannten Beschluss wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten für das Beschwerdeverfahren zu erstatten.

Gründe

1

I. Mit Beschluss vom [X.] hat das [X.] einen Anspruch des [X.] auf Rente wegen Erwerbsminderung im Zugunstenverfahren nach § 44 [X.]B X verneint.

2

Die Beklagte lehnte die Gewährung der begehrten Rente erstmals mit Bescheid vom [X.] sowie nach Auswertung eines in [X.] am [X.] erstellten Gutachtens wiederholend mit Bescheid vom [X.] ab. Sie sah den Kläger ab 14.4.2007, dem Tag der vorerst letzten stationären Aufnahme wegen seiner paranoid halluzinatorischen Psychose, als voll erwerbsgemindert an. Zu diesem Zeitpunkt seien aber die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt.

3

Widerspruch und Klage dagegen blieben erfolglos. Das [X.] holte ein nervenärztliches Gutachten nach Aktenlage ein, wonach sich eine Erwerbsminderung bis zur Begutachtung in [X.] nicht belegen lasse, zumal die festgestellte Erkrankung schubförmig auftrete. Das [X.] verneinte auf dieser Grundlage einen Anspruch des [X.]; die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente seien letztmals am [X.] erfüllt gewesen. Im nachfolgenden Berufungsverfahren hat der Kläger medizinische Unterlagen aus der Klinik in [X.] ab dem [X.] vorgelegt, in der der Kläger bis zum [X.] regelmäßig behandelt worden ist. Das L[X.] holte hierzu eine ergänzende Stellungnahme des [X.] ein. Der Kläger nahm die Berufung in der mündlichen Verhandlung am 7.8.2014 zurück.

4

Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 15.4.2015 lehnte die Beklagte den Überprüfungsantrag des [X.] ab. Neue ärztliche Unterlagen seien nicht vorgelegt worden. Klage und Berufung dagegen sind unter Bezugnahme auf die früheren Verfahren erfolglos geblieben.

5

Der Kläger hat - vertreten durch seinen Schwager - gegen die Nichtzulassung der Revision in dem genannten Beschluss Beschwerde eingelegt und Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragt. Zugleich hat er eine Vollmacht und einen [X.]n Bescheid des [X.] vom 27.11.2008 über eine finanzielle Hilfe vorgelegt, die mit einer am 12.11.2008 festgestellten Körperbeschädigung von 90% begründet wird.

6

II. 1. Der PKH-Antrag des [X.] ist abzulehnen. Nach § 73a [X.] [X.]G iVm § 114 [X.] ZPO kann einem Beteiligten, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten für die Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, für das Verfahren vor dem B[X.] nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

7

Die Rechtsverfolgung des [X.] bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Es ist nicht zu erkennen, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter (§ 73 Abs 4 [X.]G) in der Lage wäre, eine Nichtzulassungsbeschwerde des [X.] erfolgreich zu begründen.

8

Im Verfahren der als Rechtsmittel gegen die L[X.]-Entscheidung allein statthaften Nichtzulassungsbeschwerde (§§ 160, 160a [X.]G) geht es nicht darum, ob die Entscheidung des L[X.] richtig oder falsch ist. Vielmehr darf gemäß § 160 Abs 2 [X.]G die Revision nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat ([X.]), die Entscheidung des L[X.] von einer Entscheidung des B[X.], des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes ([X.]) oder des [X.] abweicht und auf dieser Abweichung beruht ([X.]) oder wenn ein Verfahrensmangel vorliegt, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann ([X.] 3).

9

Ein solcher Zulassungsgrund ist nach Prüfung des Streitstoffs unter Berücksichtigung des Vorbringens des [X.] sowie des Inhalts der Gerichts- und Verwaltungsakten nicht gegeben.

Der Rechtssache kommt nach Aktenlage keine grundsätzliche Bedeutung zu (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]G), denn sie wirft keine entscheidungserheblichen Rechtsfragen auf, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig sind. Es handelt sich im Wesentlichen um eine Wertung im Einzelfall.

Anhaltspunkte dafür, dass eine [X.] (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]G) Aussicht auf Erfolg versprechen könnte, bestehen nicht. Eine Divergenz kann nur dann zur Revisionszulassung führen, wenn das L[X.] einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem abstrakten Rechtssatz in einer Entscheidung des B[X.], des [X.] oder des [X.] aufgestellt hat (vgl B[X.] Beschluss vom 29.11.1989 - 7 [X.]/88 - [X.] 1500 § 160a [X.] 67 S 89). Derartige Rechtssätze sind nicht auszumachen.

Die summarische Prüfung des Senats hat ebenso wenig einen Anhalt für das Vorliegen eines [X.] (§ 160 Abs 2 [X.] 3 [X.]G) ergeben, auf dem die Entscheidung des L[X.] beruhen kann.

Zwar kann ein Verfahrensmangel darin gesehen werden, dass das L[X.] in seiner Anhörungsmitteilung vom 6.3.2017 über das weitere Vorgehen nach § 153 Abs 4 [X.]G - Beschluss ohne mündliche Verhandlung - nicht ausdrücklich auf die Äußerungsmöglichkeit des [X.] hierzu hingewiesen hat (zu diesem Erfordernis bei [X.] vgl B[X.] Urteil vom [X.] [X.] 94/00 R - [X.] 3-1500 § 153 [X.]4 S 45, Juris Rd[X.]2). Darauf kann die Entscheidung des L[X.] unter Berücksichtigung der Aktenlage und des [X.] jedoch nicht beruhen.

Die nicht in jeder Hinsicht ordnungsgemäß durchgeführte Anhörung nach § 153 Abs 4 [X.] [X.]G stellt eine Gehörsverletzung dar, deren Kausalität für die angegriffene Entscheidung allerdings nicht zu unterstellen ist (vgl B[X.] Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 61/12 B - Juris Rd[X.] 8). Denn weder die unvollkommen formulierte Anhörungsmitteilung noch der mangelnde [X.] lassen die in § 153 Abs 4 S 1 [X.]G festgelegten Voraussetzungen für die Befugnis des L[X.], ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, zwangsläufig entfallen. Davon könnte nur dann die Rede sein, wenn der Fehler den Betroffenen an Vorbringen gehindert hat, welches das L[X.] hätte veranlassen müssen, von einem Beschluss nach § 153 Abs 4 [X.]G Abstand zu nehmen (vgl B[X.] Beschluss vom [X.] - B 5 R 386/07 B - [X.] 4-1500 § 153 [X.] 7 Rd[X.]9).

Dies ist jedoch nicht ansatzweise ersichtlich. Die Entscheidung des L[X.] ist erst knapp drei Monate nach der Anhörungsmitteilung ergangen. Der Kläger hatte im Laufe des gesamten Verfahrens ausreichend Gelegenheit zum Vortrag und zur Vorlage von Unterlagen. Zudem war er durch den ausführlich begründeten ablehnenden PKH-Beschluss des L[X.] vom 20.2.2017 über die Einschätzung der Sach- und Rechtslage durch das L[X.] informiert. Hierauf hat er auch mit Schriftsatz vom 28.2.2017 reagiert, jedoch nur seine Forderung nach Befragung der behandelnden Ärzte wiederholt. Eine weitere Stellungnahme war daher nach Lage der Dinge nicht zu erwarten (vgl B[X.] Beschluss vom [X.] KR 28/16 B - Juris Rd[X.] 8). Auch der dem B[X.] vorgelegte [X.] Bescheid vom 27.11.2008 hätte zu keiner Änderung im Verfahrensgang des L[X.] führen können. Denn dieser Bescheid ist materiell-rechtlich nicht entscheidungserheblich, weil er Rückschlüsse auf den Eintritt der Erwerbsminderung zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht zulässt.

Soweit das L[X.] den Antrag des [X.] im Schriftsatz vom 28.2.2017 abgelehnt hat, seine Klinik bzw seine behandelnden Ärzte zum Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit im Zeitraum 2002 zu befragen, ergibt sich daraus keine Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 103 [X.]G). Dem nicht durch einen Rechtsanwalt vertretenen Kläger kann zwar nicht entgegengehalten werden, dass er den Antrag nicht nach Erhalt der Anhörungsmitteilung ausdrücklich aufrechterhalten hat (vgl zu diesem Erfordernis bei rechtskundig vertretenen Klägern zB B[X.] Beschluss vom 18.12.2000 - [X.] U 336/00 B - [X.] 3-1500 § 153 [X.]2, Juris Rd[X.] 4). Das L[X.] musste sich aber nicht zu weiterer Aufklärung gedrängt fühlen. Denn dem L[X.] waren bereits im vorangegangenen Verfahren die Dokumentation der Klinik seit August 2000 und ein Attest vom 26.4.2013 vorgelegen, wonach der Kläger seit dem [X.] unter ständiger Kontrolle und Therapie gewesen sei und es zu vorübergehenden Remissionen aber auch Verschlechterungen des Zustands gekommen sei, sodass er seitdem nicht in der Lage gewesen sei, seinen Beruf auszuüben. Nach gutachterlicher Auswertung hatte das L[X.] aus diesen Angaben jedoch keinen Nachweis über das Vorliegen einer Erwerbsminderung zum relevanten Zeitpunkt (spätestens April 2002) abgeleitet. Aus dem Antrag des [X.] vom 28.2.2017 wird insoweit nicht ersichtlich, welche neuen entscheidungserheblichen Tatsachen er unter Beweis stellen wollte, aus denen sich im Verfahren nach § 44 [X.]B X eine Unrichtigkeit des Bescheids vom [X.] wegen fehlerhafter Sachverhaltsannahme ergeben sollte.

Dass der Kläger mit der Auswertung und Würdigung der medizinischen Unterlagen durch das L[X.] nicht einverstanden ist, ist für das [X.] unerheblich. Denn insoweit wendet er sich gegen die Beweiswürdigung des L[X.]. Auf Angriffe gegen die Beweiswürdigung (§ 128 [X.] [X.]G) kann aber nach dem eindeutigen Wortlaut des § 160 Abs 2 [X.] 3 [X.]G eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht gestützt werden.

Da kein Anspruch auf Bewilligung von PKH besteht, ist auch der Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts abzulehnen (§ 73a [X.] [X.]G iVm § 121 Abs 1 ZPO).

2. Die von dem Schwager des [X.] eingelegte Beschwerde ist unzulässig. Sie leidet an einem Formmangel, denn sie ist - anders als § 73 Abs 4 [X.]G es vorschreibt - nicht durch einen vor dem B[X.] zugelassenen Prozessbevollmächtigten eingelegt worden. Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 3 [X.]G durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

3. [X.] beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 [X.]G.

Meta

B 13 R 259/17 B

18.07.2019

Bundessozialgericht 13. Senat

Beschluss

Sachgebiet: R

vorgehend SG Landshut, 24. Mai 2016, Az: S 10 R 575/15 A, Urteil

§ 153 Abs 4 S 1 SGG, § 153 Abs 4 S 2 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 18.07.2019, Az. B 13 R 259/17 B (REWIS RS 2019, 5296)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 5296

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