Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.09.2016, Az. V ZB 43/16

V. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 5458

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[X.]:[X.]:BGH:2016:150916BVZB43.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 43/16
vom

15. September 2016

in der Rücküberstellungshaftsache

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Der V.
Zivilsenat des [X.] hat am 15. September 2016
durch die Vorsitzende Richterin Dr.
[X.], die Richterinnen Prof.
Dr.
Schmidt-Räntsch und Dr.
Brückner, [X.]
Göbel und die Richterin Haberkamp

beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird unter Zurückweisung der Rechtsmittel im Übrigen der Beschluss der 29.
Zivilkammer des [X.] vom 17.
Februar 2016
aufgehoben, soweit die Beschwerde für den [X.]raum ab dem 27. November 2015 zurückgewiesen worden ist.

Es wird festgestellt, dass der Beschluss des [X.] vom 4. November 2015 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat, soweit [X.] für den [X.]raum vom 27.
November
2015 bis 2.
Dezember
2015 angeordnet wurde.

Von den gerichtlichen Kosten trägt der Betroffene 4/5. Weitere gerichtliche Kosten werden nicht erhoben. Der [X.] trägt 1/5 der außergerichtlichen Kosten des Betroffenen. Im Übrigen trägt sie dieser selbst.

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Gründe:

I.

Der Betroffene, ein [X.] Staatsangehöriger, reiste am 1. Oktober 2014 in das Bundesgebiet
ein. Sein Asylantrag wurde als unzulässig abgelehnt. Am 4. November 2015 wurde er in [X.] festgenommen. Mit [X.] vom selben
Tag hat das Amtsgericht Haft zur Sicherung der Rücküber-stellung nach [X.] bis zum 2. Dezember 2015
angeordnet. Dagegen hat der Betroffene Beschwerde eingelegt und beantragt, die Rechtswidrigkeit der Haftanordnung festzustellen. Im Nichtabhilfeverfahren erfuhr der Amtsrichter am 27.
November 2015, dass die
für den 24. November 2015 geplante Rück-überstellung
des Betroffenen an dessen passiven Widerstand
gescheitert war. Nachfolgend hat das
Amtsgericht der Beschwerde nicht abgeholfen, das [X.] hat sie zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Be-troffene, der am 2.
Dezember 2015 aus der Haft entlassen worden ist,
seinen Feststellungsantrag weiter.

II.

Die mit dem Feststellungsantrag analog § 62 FamFG statthafte (§ 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 FamFG) und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist nur zum Teil begründet. Der Betroffene ist durch den die Haft anordnenden Beschluss des Amtsgerichts in dem [X.]raum vom 27. November 2015 bis 2.
Dezember 2015 in seinen Rechten verletzt. Bezogen auf den [X.]raum vom 4. November 2015 bis 26. November 2015 ist die Rechtsbeschwerde hingegen unbegründet.
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1. Die Entscheidung des [X.] ist rechtsfehlerhaft, soweit es die Haft für den [X.]raum vom 27. November 2015 bis 2. Dezember 2015 betrifft. Der Betroffene ist in seinen Rechten verletzt (§ 62 Abs. 1 FamFG), weil das Amtsgericht die Haft nicht aufgehoben hat, nachdem es Kenntnis von dem Scheitern der am 24. November 2015 vorgesehenen Rückführung erlangt hat.

a) Nach § 426 Abs. 1 Satz 1 FamFG ist der Beschluss, durch den eine Freiheitsentziehung angeordnet wird, von Amts wegen aufzuheben, wenn der Grund für die Freiheitsentziehung weggefallen ist. Eine Haft zur Sicherung der Abschiebung darf nicht aufrecht erhalten werden, wenn sich ergibt, dass eine Zurückschiebung innerhalb des angeordneten Haftzeitraums nicht mehr durch-geführt werden kann (Senat, Beschluss vom 10. April 2014 -
V [X.], juris Rn. 7). Ein die Freiheitsentziehung anordnender Beschluss ist deshalb in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen darauf zu untersuchen, ob der Grund für die Freiheitsentziehung entfallen ist (vgl. Senat, Beschluss vom
25.
Februar 2010 -
V [X.], [X.] 2010, 150 Rn. 27).

b) Ergeben sich nach Anordnung der Haft für das Gericht hinreichende Anhaltspunkte, dass die Voraussetzungen der Freiheitsentziehung möglicher-weise nicht (mehr) vorliegen, hat es deshalb gemäß § 26 FamFG den
Sachver-halt aufzuklären (vgl. [X.], FamFG, 17. Aufl., § 426 Rn. 8). Das gilt auch für das Amtsgericht, das zu prüfen hat, ob es einer Beschwerde des Be-troffenen abhilft (§ 68 Abs. 1 Satz 1 FamFG). Unterlässt es das Gericht, in die gebotene Sachaufklärung einzutreten, verletzt die weitere Freiheitsentziehung den Betroffenen in seinem Freiheitsgrundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG, Art.
104 GG (vgl. Senat, Beschluss vom 30. Oktober 2013 -
V [X.], [X.] 2014, 138 Rn. 7; vgl. auch Beschluss vom 25. Februar 2010
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V [X.], [X.] 2010, 150 Rn.
27).
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c) So ist es hier. Die beteiligte Behörde hat dem Amtsgericht am 27.
November 2015 mitgeteilt, dass die Rücküberstellung des Betroffenen am 24. November 2015 gescheitert war. Das Amtsgericht hätte daraufhin die Grundlagen für die Fortdauer der Haft überprüfen müssen. Die
Prognose am 27.
November 2015 hätte ergeben, dass die Rücküberstellung des Betroffenen nicht mehr innerhalb der bis zum 2. Dezember 2015 befristeten Haftdauer erfol-gen konnte. Da sich der Betroffene der Rücküberstellung entzogen hatte, war ein begleiteter Flug zu buchen. Es war abzusehen, dass das in der Kürze der [X.] nicht möglich sein würde. Nach
den Feststellungen des Beschwerdege-richts werden
die Flugbuchungen in [X.] durch die [X.] in [X.] durchgeführt. Zwischen Flugbuchung und Überstellungstermin ist eine [X.]spanne von zehn
Werktagen einzurechnen, da das [X.] Behörden von der anstehenden Rückführung in Kenntnis setzen muss.

d) Da die Haft nach Art. 28 Abs. 1 Dublin-III-Verordnung der Sicherung der Rücküberstellung dient, darf sie nicht aufrechterhalten werden, wenn sich im Beschwerdeverfahren ergibt, dass eine Rückführung innerhalb des [X.] Haftzeitraums nicht mehr durchgeführt werden kann. Eine mögliche, aber (noch) nicht angeordnete Haftverlängerung ist dabei nicht zu berücksichtigen. Die Aufrechterhaltung der angeordneten [X.] bis zu der Entschei-dung über eine Haftverlängerung ist nämlich nicht zulässig. Sie dient dann nicht mehr unmittelbar der Sicherung der Rückführung. Eine nur mittelbare Sicherung dieses Zwecks sieht das Gesetz nicht vor (vgl. Senat, Beschluss vom
10. April 2014 -
V [X.], juris Rn. 7 zur Zurückschiebungshaft nach § 57 Abs. 2 [X.]; Beschluss vom 21. März 2013 -
V [X.], juris Rn. 9 zur Abschiebehaft nach § 62 Abs. 3 [X.]).

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2. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 74 Abs. 7 FamFG ab-gesehen.

[X.] Schmidt-Räntsch Brückner

RiBGH Dr. Göbel ist infolge

Haberkamp

Urlaubs an der Unterschrift

gehindert.

[X.], den 23. September 2016

Die Vorsitzende

[X.]

Vorinstanzen:

AG [X.], Entscheidung vom 04.11.2015 -
934 [X.] 1593/15 B -

LG [X.], Entscheidung vom 17.02.2016 -
2-29 T 247/15 -

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Meta

V ZB 43/16

15.09.2016

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.09.2016, Az. V ZB 43/16 (REWIS RS 2016, 5458)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 5458

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