Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.01.2018, Az. V ZB 178/16

V. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 15786

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]:[X.]:[X.]:2018:110118BVZB178.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V [X.]
vom

11. Januar 2018

in der [X.]sache

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 15 Abs. 6
§ 15 Abs. 6 Satz 4 [X.], wonach die richterliche Anordnung des [X.] im Transitbereich
eines Flughafens nur zulässig ist, wenn die Abreise in-nerhalb der Anordnungsdauer zu erwarten ist, stellt keine strengeren Anforde-rungen an die erforderliche Prognose als § 62 Abs. 3 Satz 3 [X.] an die entsprechende Prognose bei der Abschiebungshaft.
[X.], Beschluss vom 11. Januar 2018 -
V [X.] -
LG [X.] am Main

AG [X.] am Main

-
2
-
Der V.
Zivilsenat des [X.] hat am 11. Januar 2018
durch die Vorsitzende Richterin Dr.
Stresemann, die Richterin Prof.
Dr.
Schmidt-Räntsch, [X.]
Kazele, die Richterin [X.] und [X.]
Hamdorf

beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 29. Zivilkammer des [X.]s [X.] am Main vom 15. November 2016 wird auf Kosten des Betroffenen zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert des [X.] beträgt

Gründe:

I.

Der Betroffene kam am 23. August 2016 auf dem Luftweg aus [X.] auf dem Flughafen [X.] am Main an und äußerte im Transitbereich ein Schutzersuchen. Identitätspapiere
führte er nicht bei sich. Seinen Asylantrag lehnte das [X.] mit Bescheid vom 31. [X.] 2016 als offensichtlich unbegründet ab, und dem Betroffenen wurde die Einreise verweigert (§ 18a Abs. 3 [X.]). Ein Antrag auf vorläufigen Rechts-schutz blieb erfolglos. Am 14. September 2016 ordnete das Amtsgericht den vorläufigen Aufenthalt des Betroffenen in der Asylbewerberunterkunft auf dem Gelände des Flughafens [X.] am Main bis zum 26. Oktober 2016 an.
1
-
3
-

Auf Antrag der beteiligten Behörde hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 24. Oktober 2016 die Unterbringung des Betroffenen zur Sicherung der Ausreise bis einschließlich 7. Dezember 2016 verlängert. Die hiergegen gerich-tete Beschwerde hat das [X.] mit Beschluss vom 15. November 2016 zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Betroffene, dem am 2. Dezember 2016 die Einreise gestattet worden ist, mit der Rechtsbeschwerde.

II.

Das Beschwerdegericht hält die Verlängerung des [X.] für rechtmäßig. Unabhängig
von der Frage, ob im Rahmen der [X.] gemäß § 15 Abs. 6 [X.] die Regelung des § 62 Abs. 3 Satz 3 [X.] anwendbar sei, stehe die voraussichtliche Haftdauer der Anordnung der [X.] nicht entgegen. Die Behörde habe konkret ausgeführt, dass nach der Dokumentation der bundesweiten Zentrale [X.] ([X.]) eine [X.] innerhalb von zehn Wochen möglich sei. Die Mitteilung des [X.] Generalkonsulats gegenüber der beteiligten Be-hörde vom 21. Oktober 2016, dass es keinen festgelegten Zeitraum für die Dauer des Verfahrens gebe, welches möglicherweise mehrere Monate in [X.] nehmen könne, stehe dazu nicht in einem erkennbaren Widerspruch. Auch nach diesem Schreiben seien eine erfolgreiche [X.] und die anschließende Zurückweisung des Betroffenen innerhalb von drei Monaten nicht ausgeschlossen. Die beteiligte Behörde betreibe dessen Rückführung mit der gebotenen Beschleunigung.
2
3
-
4
-
III.

1. Die Rechtsbeschwerde ist analog § 62 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig (vgl. Senat, Beschluss vom 30. Juni 2011 -
V
[X.], [X.] 2011, 315 Rn. 7 ff.). Der richterlich angeordnete Aufenthalt eines Aus-länders steht nach § 15 Abs. 6 Satz 1 [X.] einer Freiheitsentziehung im Sinne von § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 FamFG jedenfalls dann
gleich, wenn die richterliche Anordnung -
wie hier -
über den in § 15 Abs. 6 Satz 2 [X.] ge-nannten Zeitraum von 30 Tagen hinausreicht (Senat, Beschluss vom 14.
Juli
2011 -
V [X.], [X.] 2011 Rn. 5; Beschluss vom 30. Okto-
ber 2013 -
V
[X.],
[X.] 2014, 57 Rn. 6; Beschluss vom 16.
März
2017 -
V [X.], [X.] 2017, 136 Rn. 6 mwN).

2. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
Die Verlängerung des Auf-enthalts
des Betroffenen im Transitbereich des Flughafens bis zum [X.] 2016 ist nicht zu beanstanden.

a) Anders als die Rechtsbeschwerde meint, stellt § 15 Abs. 6 Satz 4
[X.], wonach die richterliche Anordnung des Aufenthalts im Transitbereich eines Flughafens nur zulässig ist, wenn die Abreise innerhalb der [X.] zu erwarten ist, keine strengeren Anforderungen an die erforderliche Prognose als § 62 Abs. 3 Satz 3 [X.]
an
die entsprechende Prognose bei der Abschiebungshaft.

§ 62 Abs. 3 Satz 3 [X.], wonach die Abschiebungshaft unzulässig ist, wenn feststeht, dass die Abschiebung aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann, regelt nur die sog. Prognose, also die Prüfung, ob die Abschiebung in-4
5
6
7
-
5
-
nerhalb des [X.] möglich sein wird (vgl. dazu Senat, Beschluss vom 11. Mai 2011 -
V [X.], [X.] 2011, 201 Rn. 9 [zu § 62 Abs. 2 Satz 4 [X.] aF]). Daneben muss der Haftrichter aber berücksichtigen, dass die Haft zur Sicherung der Abschiebung nach § 62 Abs. 1 Satz 2 [X.] auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken ist; vor diesem Hintergrund hat er auch zu prüfen, wie schnell die Abschiebung bei Beachtung des Beschleunigungs-grundsatzes erfolgen kann (vgl. Senat, Beschluss vom 31. Januar 2013

V
ZB
20/12, [X.] 2013, 130
Rn. 18).

Die Vorschrift des § 15 Abs. 6 [X.] regelt die Anordnung des weite-ren [X.] seit der am 28. August 2007 in [X.] getretenen Ände-rung durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts-
und asylrechtlicher Richtli-hinge-gen eigenständig. Sie verweist in Satz 5 über § 15 Abs. 5 Satz 2 nur auf
§ 62 Abs. 4
[X.] und bestimmt damit die Höchstfrist von sechs bzw. 18 Mona-ten. Nicht Bezug genommen wird auf § 62 Abs. 1 und 3 [X.].
Die Notwen-digkeit einer Prognose im dargestellten Sinn und der auch für den Transitauf-enthalt
geltende Grundsatz, dass die Haft auf die kürzest mögliche Zeit zu be-schränken ist (vgl. dazu Senat, Beschluss vom 30. Juni 2011 -
V [X.], [X.] 2011, 450 Rn. 23; Beschluss vom 7. Juli 2011 -
V [X.], juris Rn. 5; Beschluss vom 30. Oktober 2013 -
V [X.], [X.] 2014, 57 Rn. 6),
werden vielmehr in § 15 Abs. 6 Satz 4 [X.] zusammengefasst. Hieraus erklärt sich die gegenüber § 62 Abs. 3 Satz 3 [X.] abweichende [X.]; strengere Anforderungen an die bei einem Transitaufenthalt anzustellen-de Prognose sind damit nicht verbunden.

8
-
6
-

b) Die angefochtene Entscheidung wird den sich aus § 15 Abs. 6 Satz 4 [X.] ergebenden Anforderungen hinsichtlich der Prognose und der erfor-derlichen
Haftdauer gerecht.

[X.]) Das Beschwerdegericht prüft, welcher Zeitraum für die Beschaffung der [X.] des Betroffenen erforderlich ist. Es stützt sich auf die
Angaben, die die Behörde zu der voraussichtlichen Dauer der [X.] aufgrund der ihr bekannten Referenzfälle gemacht hat. Die Behörde hat darge-legt, dass nach der Dokumentation des
Zentralen [X.]
([X.]) für [X.] im Zeitraum vom 1. September 2015 bis 31. August 2016 innerhalb von zehn Wochen sechs Passersatzbeschaffungen mit und eine Zu-sage ohne Vorliegen von [X.] erfolgt sind. Sie hat zudem auf einen weiteren Referenzfall verwiesen, der eine erfolgreiche [X.] belegt.

bb) Die Angaben der Behörde waren eine hinreichende [X.] für die Prognoseentscheidung des [X.], dass die Zurück-weisung des Betroffenen innerhalb des [X.] zu erwarten war. Etwas anderes folgt nicht aus der Antwort des [X.] Generalkonsulats vom 21. Oktober 2016 gegenüber der Behörde auf deren Frage nach dem für die Beschaffung des [X.] zu veranschlagenden Zeitraum. Zwar ist dann, wenn die ausländische Stelle, die die [X.] zu erteilen hat, auf Nachfrage eine Auskunft über den dafür zu veranschlagenden Zeitraum erteilt, grundsätzlich diese der Prognoseentscheidung zu Grunde zu legen. Die Recherche in [X.] und die Angabe von Referenzfällen
sind
nämlich nur ein Hilfsmittel, auf das die an dem Freiheitsentziehungsverfahren beteiligte [X.] zurückgreifen kann, um die erforderliche Dauer der Freiheitsentziehung und die Durchführbarkeit der Abschiebung, der Rücküberstellung oder der Rückrei-se einzuschätzen und darzulegen
(vgl. Senat, Beschluss vom 30. Juni 2016 9
10
11
-
7
-

V
ZB 143/14, [X.] 2016, 277 Rn. 7). Kann die ausländische Stelle, die die [X.] zu erteilen hat, auf konkrete Nachfrage aber den für die Beschaffung der Papiere zu veranschlagenden Zeitraum nicht festlegen, kann das Haftgericht seine Prognose, dass die Zurückweisung innerhalb der Anord-nungszeit zu erwarten ist, auf die von der Behörde in [X.] recherchierten und bezeichneten Referenzfälle stützen, es sei denn, es besteht Anlass für wei-tere Ermittlungen nach § 26 FamFG.

Letzteres ist hier nicht der Fall. Das [X.] Generalkonsulat hat nur mitgeteilt, es gebe keinen festgelegten Zeitraum für die Dauer des Verfahrens, welches möglicherweise mehrere Monate in Anspruch nehmen könne. Diese Auskunft steht nicht in Widerspruch zu dem Rechercheergebnis der Behörde. Sie hinderte das Beschwerdegericht nicht anzunehmen, dass bei realistischer Betrachtungsweise eine Zurückweisung des Betroffenen innerhalb des ange-ordneten [X.] von insgesamt drei Monaten zu erwarten war, zumal die Nummer des Reisepasses des Betroffenen
bekannt und das Überprüfungs-verfahren für die Beschaffung des [X.] eingeleitet worden war.
12
-
8
-

3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 74 Abs. 7 FamFG ab-gesehen.

[X.]
Rin[X.] Prof. Dr. Schmidt-Räntsch Kazele

ist infolge Krankheit an der Unter-

schrift gehindert.

[X.], den 1. März 2018

Die Vorsitzende

Stresemann

[X.] Hamdorf

Vorinstanzen:

AG [X.] am Main, Entscheidung vom 25.10.2016 -
934 [X.] B -

LG [X.] am Main, Entscheidung vom 15.11.2016 -
2-29 T 223/16 -

13

Meta

V ZB 178/16

11.01.2018

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.01.2018, Az. V ZB 178/16 (REWIS RS 2018, 15786)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 15786

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

V ZB 178/16 (Bundesgerichtshof)

Ausländeraufenthalt: Richterliche Anordnung des Aufenthalts im Transitbereich eines Flughafens


V ZB 143/14 (Bundesgerichtshof)

Transitaufenthaltssache: Verlängerung wegen Beschaffung der erforderlichen Rückreisepapiere; Verweisung auf Auskunft der zuständigen ausländischen Stelle; Amtsermittlungspflicht …


V ZB 188/14 (Bundesgerichtshof)


V ZB 143/14 (Bundesgerichtshof)


V ZB 188/14 (Bundesgerichtshof)

(Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger: Anordnungen von Haft zur Sicherung der Zurückweisung oder des Verbleibs im …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

V ZB 178/16

V ZB 275/10

V ZB 170/16

V ZB 265/10

V ZB 274/10

V ZB 90/13

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.