Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07.09.2011, Az. 1 StR 343/11

1. Strafsenat | REWIS RS 2011, 3538

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Gegenstand

Betrug: Voraussetzungen der Gewerbsmäßigkeit im Rahmen der Spendenwerbung für einen Verein


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 12. Januar 2011 im Strafausspruch aufgehoben. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Betruges in 123 Fällen und wegen Untreue zu vier Jahren Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt sowie hinsichtlich zweier Beträge festgestellt, dass nur deswegen nicht auf (erweiterten) Verfall erkannt werde, weil Ansprüche Geschädigter (§ 73 Abs. 1 Satz 2 StGB und § 73d Abs. 1 Satz 3 StGB) entgegenstehen. Seine hiergegen gerichtete, auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision hat im tenorierten Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO), im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

2

Der Schuldspruch und die Feststellungen nach § 111i StPO begegnen aus den vom [X.] in seiner Antragsschrift vom 1. August 2011 zutreffend dargelegten Gründen keinen revisionsgerichtlichen Bedenken. Indes können die verhängten [X.]n und damit der Gesamtstrafausspruch keinen Bestand haben. Der näheren Erörterung bedarf insofern Folgendes:

3

1. Hinsichtlich der Straftaten des Betruges hat die [X.] zutreffend jeweils den für besonders schwere Fälle erhöhten Strafrahmen des § 263 Abs. 3 StGB zugrunde gelegt (a); die Erwägungen zur konkreten Strafhöhenbestimmung weisen jedoch Rechtsfehler auf (b).

4

a) Die Annahme besonders schwerer Fälle des [X.]. § 263 Abs. 3 StGB wird von den Feststellungen getragen und ist rechtfehlerfrei.

5

aa) Nach den Feststellungen war der Angeklagte alleiniger Vorstand des [X.] ([X.]) mit Sitz in [X.], für den er zahlende Spender mit „nicht vollumfassend die Realität“ widerspiegelnden ([X.]) Behauptungen werben ließ, die vor allem dahin gingen, der [X.] vermittle Patenschaften für hilfsbedürftige Kinder in der [X.]. Für einen monatlichen Beitrag von 30 € könne eine solche Patenschaft, für einen Betrag von 15 € monatlich eine [X.] übernommen werden. Derart geworbene „Paten“ zahlten im Vertrauen auf die Richtigkeit der Angaben entsprechende Beträge auf Konten des [X.]. Tatsächlich war lediglich ein minimaler Geldfluss an [X.] Projekte in [X.] feststellbar, überwiegend wurde das Geld - soweit nicht für Verwaltungsaufwendungen verbraucht - auf einem Konto des [X.] belassen. Der Angeklagte handelte, um „dem [X.] durch die Tatbegehung eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle zu verschaffen und sodann mit dem eingenommenen Geld nach eigenem Gutdünken zu verfahren“ ([X.] = [X.]).

6

bb) Dies belegt die Annahme gewerbsmäßigen Handelns (§ 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB). [X.] liegt vor, wenn der Täter in der Absicht handelt, sich durch wiederholte Tatbegehung eine fortlaufende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen. Hierfür reicht aus, dass sich der Täter mittelbare Vorteile aus den Tathandlungen verspricht, etwa wenn die Vermögensvorteile - wie hier - an einen von ihm beherrschten Verein fließen; insoweit ist erforderlich, dass der Täter ohne weiteres auf diese Vorteile zugreifen kann ([X.], Beschluss vom 26. Mai 2009 - 4 StR 10/09; [X.], Beschluss vom 5. Juni 2008 - 1 [X.]). Eines tatsächlichen Zugriffs bedarf es hierfür allerdings nicht, auch wenn ein solcher angesichts der festgestellten Barabhebungen von Konten des [X.] naheliegt; die diesbezügliche Einlassung des Angeklagten, er habe 45.000 € an ihm [X.] in [X.] übergeben, hat die [X.] als unzutreffende Schutzbehauptung gewertet ([X.] ff.). Maßgeblich und ausreichend ist vielmehr eine dahingehende Absicht. Diese hat die [X.] rechtsfehlerfrei festgestellt, dass nämlich der Angeklagte handelte, um mit dem gesammelten Geld, auf das er jederzeit und unmittelbar Zugriff nehmen konnte, „nach eigenem Gutdünken zu verfahren“ ([X.]). Liegt ein derartiges Gewinnstreben vor, ist schon die erste der ins Auge gefassten Tathandlungen als gewerbsmäßig anzusehen (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteil vom 11. September 2003 - 4 [X.]). Die [X.] hat auch bedacht, dass die Indizwirkung des [X.] durch besondere strafmildernde Umstände entkräftet werden kann (vgl. [X.], Beschluss vom 5. Mai 2011 - 1 [X.] [X.]), und dies rechtsfehlerfrei verneint ([X.] 207).

7

cc) Die Feststellungen belegen überdies, dass der Angeklagte in der Absicht handelte, eine große Anzahl von Menschen - nämlich sogar in mehr als den 123 festgestellten Einzelfällen - in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen (§ 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StGB), ohne dass hierzu abschließender Klärung bedarf, wann eine große Zahl von Menschen vorliegt (zum [X.] vgl. z.B. [X.]/[X.] in [X.]/[X.], StGB, 28. Aufl., § 263 Rn. 188d). Denn jedenfalls bei der hier gegebenen Anzahl ist dieses Merkmal erfüllt. Besteht diese Absicht, so kann schon die erste Tat als besonders schwerer Fall eingestuft werden ([X.], Beschluss vom 9. November 2000 - 3 StR 371/00).

8

b) Soweit die [X.] jedoch für das Finden einer Strafe innerhalb des rechtsfehlerfrei bestimmten Strafrahmens zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt hat, dass er „im Verlaufe des über fünf Monate dauernden Prozesses keinerlei Einsicht“ hat erkennen lassen, dass „er möglicherweise in fehlerhafter Weise agiert“ hat, und bis zum Schluss darauf beharrte, „alles besser zu wissen und nichts falsch gemacht zu haben“ ([X.] 208), lässt dies besorgen - worauf der [X.] zutreffend hingewiesen hat -, dass prozessual zulässiges Verteidigungsverhalten zu Unrecht strafschärfend berücksichtigt wurde (vgl. [X.], Beschluss vom 4. August 2010 - 3 [X.]; [X.], Beschluss vom 9. Mai 2007 - 1 [X.] jew. [X.]). Zwar kann ein Verhalten des [X.] nach der Tat strafschärfend wirken, wenn es trotz der ihm zustehenden Verteidigungsfreiheit auf Rechtsfeindschaft, seine Gefährlichkeit oder die Gefahr künftiger Rechtsbrüche hinweist oder andere mit der Tat zusammenhängende ungünstige Schlüsse auf seine Persönlichkeit zulässt (vgl. [X.], Urteil vom 25. März 1981 - 3 [X.]; [X.], Urteil vom 24. Juli 1985 - 3 [X.]) oder wenn die Grenzen angemessener Verteidigung eindeutig überschritten sind und das Vorbringen des Angeklagten eine selbständige Rechtsgutsverletzung enthält (vgl. [X.], Urteil vom 8. April 2004 - 4 StR 576/03; zum Ganzen auch [X.]/[X.] in [X.]/[X.], StGB, 28. Aufl., § 46 Rn. 41 [X.]; [X.]/[X.]/[X.], Praxis der Strafzumessung, 4. Aufl., Rn. 378 ff.). Dafür ist hier jedoch nichts dargetan oder ersichtlich. Schon aus diesem Grund können die [X.]n von je zehn Monaten für die 123 Fälle des Betruges keinen Bestand haben. Der [X.] kann nicht mit der erforderlichen Gewissheit ausschließen, dass diese bei [X.] Strafzumessung niedriger ausgefallen wären, wenngleich die Verhängung noch geringerer [X.]n angesichts des festgestellten [X.] und der Verwirklichung von zwei Regelbeispielen des § 263 Abs. 3 StGB (vgl. hierzu [X.]/[X.]/[X.], aaO, Rn. 401) wenig nahe liegend erscheint.

9

2. Auch die hinsichtlich der ausgeurteilten Untreue verhängte [X.] begegnet aus den vom [X.] in seiner Antragsschrift dargelegten Gründen rechtlichen Bedenken.

Zwar belegen die Feststellungen, wonach der Angeklagte für den [X.] als dessen Vereinsvorstand eine von ihm zuvor privat ersteigerte, überwiegend marode und unbewohnbare sowie für Zwecke des Vereins ungeeignete Immobilie erwarb, die Annahme eines vom Angeklagten pflichtwidrig herbeigeführten Vermögensschadens jedenfalls unter dem Gesichtspunkt des persönlichen Schadenseinschlags (vgl. dazu auch [X.], Beschluss vom 14. April 2011 - 1 StR 458/10 [X.]). Sie tragen indes nicht die Einschätzung des [X.]s, der Angeklagte habe einen Vermögensschaden großen Ausmaßes herbeigeführt (§§ 266 Abs. 2, 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB).

Nach den Urteilsgründen ersteigerte der Angeklagte die Immobilie im Februar 2008 für 175.000 € und veräußerte sie im Dezember 2008 für 230.000 € an den [X.], wobei der Wert eines dem Angeklagten zusätzlich eingeräumten, lebenslangen Wohn- und Nutzungsrechtes an Teilen des Gebäudes mit rund 45.000 € in Ansatz gebracht wurde. Zugleich teilt die [X.] mit, dass ein - im Auftrag des Angeklagten erstelltes - Gutachten den Wert der veräußerten Immobilie mit 350.000 € beziffert habe. Die [X.] setzt sich mit diesem Gutachten nicht näher auseinander, etwa mit der naheliegenden Frage, ob es sich um ein unbeachtliches Gefälligkeitsgutachten gehandelt haben könnte (vgl. [X.], Urteil vom 3. April 2008 - 3 [X.]). Auch Feststellungen zur Frage einer zumutbaren Verwertbarkeit der Immobilie enthält das Urteil nicht. Damit bleibt die auch ansonsten für die Strafzumessung als verschuldete Auswirkung der Tat (§ 46 Abs. 2 StGB) bestimmende (vgl. [X.], Beschluss vom 14. April 2011 - 1 StR 458/10 [X.]) Höhe des dem geschädigten Verein tatsächlich verbleibenden Schadens unklar.

3. Die Aufhebung der [X.]n zieht die Aufhebung des [X.] nach sich. Einer Aufhebung der von den [X.] insgesamt nicht betroffenen Feststellungen bedarf es nicht. Das neue Tatgericht wird ergänzende, zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehende Feststellungen (zum Beispiel zu Verwertbarkeit oder Wert der dem [X.] gegen Zahlung übertragenen Immobilie) treffen können.

4. Die Abfassung der Urteilsgründe gibt überdies Anlass zu dem Hinweis, dass es sich ab einem gewissen Umfang zwar empfiehlt, die abgeurteilten Taten in einer Art Vorspann zusammenzufassen, dieser aber nicht geeignet ist, die Übersichtlichkeit zu erhöhen, wenn er nur um wenige Seiten kürzer ist, als die nachfolgende Darstellung der zu den einzelnen Taten getroffenen Feststellungen oder mit diesen über ganze Absätze hinweg wortgleich ist. Die schriftlichen Urteilsgründe sollen auch nicht in der Art eines Protokolls die Einlassung des Angeklagten oder eines jeden einzelnen Zeugen referieren, zumal wenn sich diese - wie hier - hinsichtlich ihres entscheidungserheblichen [X.] unschwer zusammenfassen lassen. Denn die Urteilsgründe sollen dem Leser ermöglichen, die die Entscheidung tragenden Feststellungen ohne aufwändige eigene Bemühungen zu erkennen. Dementsprechend soll die Beweiswürdigung lediglich belegen, warum bedeutsame tatsächliche Umstände so wie geschehen festgestellt wurden. Nur soweit hierfür erforderlich, sind Angaben des Angeklagten, Zeugenaussagen und sonst angefallene Erkenntnisse heranzuziehen (vgl. [X.], Beschluss vom 13. September 2010 - 1 [X.]10 [X.]).

Nack                                      Wahl                                    Elf

                     Jäger                                     [X.]

Meta

1 StR 343/11

07.09.2011

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Augsburg, 12. Januar 2011, Az: 10 KLs 507 Js 104806/09, Urteil

§ 263 Abs 3 S 2 Nr 1 StGB, § 263 Abs 3 S 2 Nr 2 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07.09.2011, Az. 1 StR 343/11 (REWIS RS 2011, 3538)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 3538

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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