Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07.03.2012, Az. 1 StR 662/11

1. Strafsenat | REWIS RS 2012, 8490

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Vorenthalten von Arbeitsentgelt: Konkurrenzverhältnis zu Betrug nach der neuen Gesetzeslage


Tenor

Die Revision des Angeklagten S.     gegen das Urteil des [X.] vom 14. September 2011 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass er wegen einer Anstiftung zu 115 Fällen des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt ist, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt ist.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen "Anstiftung zu 115 Fällen des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt, jeweils rechtlich zusammentreffend mit gewerbsmäßigem Betrug zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird".

2

Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er ein Verfahrenshindernis geltend macht und die Verletzung materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel führt zu der aus der [X.] ersichtlichen Änderung des angefochtenen Urteils (§ 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 analog StPO).

3

I. Ein Verfahrenshindernis liegt nicht vor; Verfolgungsverjährung ist für die im Zeitraum 2001 bis 2003 begangenen Taten nicht eingetreten.

4

Der vorliegende konkrete Einzelfall gibt dem [X.] keinen Anlass von der gefestigten Rechtsprechung abzuweichen, dass bei echten [X.] wie § 266a Abs. 1 StGB und § 266a Abs. 2 Nr. 2 StGB die Taten erst beendet sind, wenn die Beitragspflicht erloschen ist, sei es durch Beitragsentrichtung, sei es durch Wegfall des Beitragsschuldners (vgl. u.a. [X.]sbeschluss vom 11. August 2011 - 1 StR 295/11; [X.]sbeschluss vom 18. Mai 2010 - 1 [X.] mwN; [X.], Beschluss vom 27. September 1991 - 2 [X.]/91).

5

II. [X.] (§ 26 StGB zu § 266a StGB in Tateinheit mit § 263 StGB) hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

6

1. Das [X.] hat die im Entscheidungszeitpunkt geänderte, dem Angeklagten günstigere Rechtslage nicht berücksichtigt.

7

Von dem durch Gesetz vom 23. Juli 2004 ([X.]) neu gefassten Tatbestand des § 266a StGB sind nunmehr auch betrugsähnliche [X.] erfasst, so dass die Vorenthaltung von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteilen nach neuem Recht dem Betrug als lex specialis vorgeht (vgl. BT-Drucks. 15/2573 S. 28; [X.]sbeschluss vom 24. April 2007 - 1 [X.]). Diese Gesetzeslage ist bei der gebotenen konkreten Betrachtungsweise als die dem Angeklagten günstigere gemäß § 2 Abs. 3 StGB zur Anwendung zu bringen. Dies gilt hier schon deshalb, weil die Strafkammer das Regelbeispiel des § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB bejaht hat (vgl. hierzu [X.]sbeschluss aaO und [X.], Beschlüsse vom 20. Dezember 2007 - 5 [X.] und 5 StR 482/07).

8

Daher hat die Verurteilung wegen tateinheitlich begangenen Betruges zu entfallen.

9

Entgegen der Auffassung des Revisionsführers wäre ansonsten die Bejahung eines Betruges grundsätzlich nicht zu beanstanden gewesen. Denn den Urteilsgründen (insbesondere [X.] und [X.] ff.) lassen sich hinreichend die jeweiligen Einzugsstellen entnehmen und, dass der Arbeitgeber dort erfasst ist (vgl. zur Problematik auch [X.]sbeschluss vom 18. Mai 2010 - 1 [X.]). Nach den Feststellungen wurden die zuständigen Einzugsstellen über die jeweils fortbestehende Verpflichtung zur Abführung der Beiträge getäuscht (vgl. auch [X.]surteil vom 11. August 2010 - 1 [X.] Rn. 29).

2. Zutreffend weist der [X.] darauf hin, dass der Angeklagte in rechtlicher Hinsicht nur eine Anstiftungshandlung (zu 115 Fällen) begangen hat und auch deshalb der Schuldspruch entsprechend zu ändern ist.

Der [X.] schließt aus, dass der Angeklagte sich bei einem Hinweis gemäß § 265 StPO anders, insbesondere erfolgreicher hätte verteidigen können und stellt daher den Schuldspruch selbst in dem aus der [X.] ersichtlichen Umfang um.

III. Die Änderung des Schuldspruchs hat den Fortfall der vom [X.] festgesetzten Einzelstrafen zur Folge. Der [X.] kann jedoch in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO die Gesamtstrafe als Einzelstrafe bestehen lassen. Er schließt aus, dass bei richtiger Bewertung des [X.] (einerseits betreffend die Anzahl der Taten und andererseits hinsichtlich des Zurücktretens des Betruges) und bei Berücksichtigung auch der Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 28, 49 StGB im Ergebnis eine (noch) niedrigere Strafe verhängt worden wäre. In Übereinstimmung mit dem Antrag des [X.]s ist der [X.] der Überzeugung, dass nach dem [X.] und dem durch die Anstiftungshandlung des Angeklagten verwirklichten Unrecht der Tatrichter auf keine geringere Strafe als die - zur Bewährung ausgesetzte - Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten erkannt hätte.

Auf die Frage, ob diese in Anbetracht aller Umstände milde Strafe gemäß § 354 Abs. 1a StPO ohnehin angemessen wäre, kommt es danach nicht an.

IV. Der geringfügige Erfolg des Rechtsmittels gibt keinen Anlass, den Angeklagten von den Kosten des Verfahrens und seinen Auslagen auch nur teilweise zu entlasten (§ 473 Abs. 4 StPO).

Nack                          [X.]

                 Elf                                [X.]

Meta

1 StR 662/11

07.03.2012

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Augsburg, 14. September 2011, Az: 9 KLs 503 Js 141083/10

§ 2 Abs 3 StGB, § 263 StGB, § 266a StGB vom 23.07.2004

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07.03.2012, Az. 1 StR 662/11 (REWIS RS 2012, 8490)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 8490

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

1 StR 662/11 (Bundesgerichtshof)


1 StR 111/10 (Bundesgerichtshof)

Betrug und Vorenthalten von Arbeitsentgelt: Konkludente Täuschung der zuständigen Sozialversicherungsträger durch Unterlassen der Meldung von …


3 OLG 6 Ss 16/16 (OLG Bamberg)

Unzulässige Wahlfeststellung zwischen Betrug und Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt - Darlegungsanforderungen bei Beitragsnichtabführung


1 StR 275/20 (Bundesgerichtshof)

Hinterziehung von Lohnsteuer sowie Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt: Konkurrenzverhältnis bei mittelbarer Täterschaft; Beginn der …


1 StR 51/22 (Bundesgerichtshof)

Steuerstrafverfahren: Konkurrenzverhältnis bei Tatbegehung in mittelbarer Täterschaft und Steuerberatungsgesellschaft als Werkzeug


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.