Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.12.2019, Az. 1 StR 402/19

1. Strafsenat | REWIS RS 2019, 245

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Gegenstand

Betrug: Berechnung des Vermögensschadens bei Umschuldung eines Darlehens


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 22. Mai 2019 im Ausspruch über die Einzelstrafen in den Fällen 2 bis 11 der Urteilsgründe sowie im [X.] aufgehoben.

2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung, Betruges in zwei Fällen, [X.] in acht Fällen und wegen Urkundenfälschung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt.

2

Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.

3

Das [X.] hat - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

4

1. Am 13. März 2017 schloss der Angeklagte mit der [X.] in deren Geschäftsräumen ein Universaldarlehen über einen Betrag in Höhe von 40.000 Euro, verzinslich mit einem effektiven Jahreszinssatz von 6,69 % ab. Dabei täuschte er den Bankmitarbeiter darüber, dass er finanziell zur Rückzahlung des Kredits in der Lage war, woraufhin der Kredit bewilligt wurde (Fall 2 der Urteilsgründe).

5

Zu diesem Zeitpunkt bestand bereits ein Darlehensvertrag zwischen den Parteien, aus dem der Angeklagte noch 12.537,18 Euro schuldete. Zudem wies sein [X.] bei der [X.] einen Negativ-Saldo von 9.606,86 Euro auf. Das neue Darlehen sollte zur Umschuldung des bereits bestehenden Darlehens und dem Ausgleich des Dispositionskredits dienen sowie im Übrigen zur freien Verfügung des Angeklagten stehen. Am 28. März 2017 zahlte die [X.] die nach Verrechnung mit dem vorangegangenen Darlehen verbleibende Summe von 27.462,82 Euro auf das Girokonto des Angeklagten aus, so dass nach weiterer Verrechnung mit dem dortigen Dispositionskredit, der zu diesem Zeitpunkt noch 9.570,73 Euro betrug, ein Guthaben von 17.892,09 Euro verblieb.

6

Das [X.] geht von einem Gesamtschaden von 27.462,82 Euro aus; von der ausbezahlten Darlehenssumme bringt es nur die offene Forderung aus dem vorangegangenen Darlehensvertrag, nicht aber diejenige aus der Überziehung des Girokontos in Abzug.

7

2. Im Rahmen der Strafzumessung hat die [X.] bei den Fällen 2 bis 11 der Urteilsgründe - hinsichtlich derer der Angeklagte geständig war - jeweils zu seinen Lasten berücksichtigt, dass dieser „weder im Rahmen des polizeilichen Ermittlungsverfahrens ... noch der Hauptverhandlung ansatzweise Reue oder Einsicht in seine Taten“ gezeigt habe (vgl. [X.] zu Fall 2 der Urteilsgründe). Diese negative Wertung hat das [X.] im Fall 2 der Urteilsgründe damit begründet, dass der Angeklagte im Rahmen des Ermittlungsverfahrens zu den Tatvorwürfen auf die Frage einer Polizeibeamtin, ob er sich überlegt habe, wie er sich zu den Betrugsstraftaten stelle, erklärt habe, dass doch niemand gestorben sei. Bei den übrigen Taten in den Fällen 3 bis 11 der Urteilsgründe wird auf diese Begründung jeweils Bezug genommen.

II.

8

Der Ausspruch über die Einzelstrafen in den Fällen 2 bis 11 der Urteilsgründe sowie der [X.] halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

9

1. Im Fall 2 der Urteilsgründe hat das [X.] den [X.] rechtsfehlerhaft bestimmt.

a) Vermögensschaden im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB ist die Vermögensminderung infolge der Täuschung, also der Unterschied zwischen dem Wert des Vermögens vor und nach der täuschungsbedingten Vermögensverfügung (st. Rspr.; vgl. etwa [X.], Beschluss vom 9. Oktober 2019 - 1 StR 395/19 Rn. 11; Urteil vom 4. Oktober 2018 - 3 [X.] Rn. 22). Durch das Auszahlen des Darlehens hatte die Bank bereits ihre Hauptleistungspflicht (§ 488 Abs. 1 Satz 1 BGB) erfüllt (Erfüllungsstadium); daher sind die Grundsätze eines Eingehungsbetrugs durch Abschluss eines Vertrags, bei welchem für den [X.] maßgeblich auf den jeweiligen Wert der beiderseitigen Vertragspflichten abzustellen ist, nur bedingt anwendbar. Dem Auszahlungsbetrag zu seinem nominellen Geldwert ist der Wert des dadurch erlangten Rückzahlungsanspruchs (§ 488 Abs. 1 Satz 2 BGB) gegenüberzustellen. Es ist grundsätzlich zu ermitteln, was die [X.] am Markt wert ist (vgl. [X.], Urteil vom 4. Oktober 2018 - 3 [X.] Rn. 22).

b) Zwar hat das [X.] den Wert des Rückzahlungsanspruchs der Bank hier zutreffend mit Null angesetzt; nicht richtig bestimmt hat es jedoch den Auszahlungsbetrag. In Fällen einer Umschuldung in einem Zwei-Personen-Verhältnis sind im Rahmen der Gesamtsaldierung die Beträge gegenüberzustellen, die der Schuldner dem Gläubiger vor und nach der maßgeblichen Vermögensverfügung schuldet. Vorliegend belief sich die wertlose Forderung der [X.]          bereits vor Auszahlung des Darlehens in Höhe von 40.000 Euro auf 22.107,91 Euro; 12.537,18 Euro aus dem abgelösten Darlehen und 9.570,73 Euro aus der Überziehung des Girokontos. Dieser Betrag - nicht lediglich der offene Betrag aus dem abgelösten Darlehen - ist von den 40.000 Euro in Abzug zu bringen, so dass der Vermögensschaden sich vorliegend nur auf 17.892,09 Euro beläuft. Das [X.] ist mithin von einem zu hohen [X.] ausgegangen.

2. Die Strafzumessungserwägungen der [X.] in den Fällen 2 bis 11 der Urteilsgründe sind ebenfalls durchgreifend rechtsfehlerhaft, soweit sie zu Lasten des Angeklagten dessen fehlende Reue bzw. Einsicht berücksichtigt haben.

a) Ist ein Täter - wie vorliegend - geständig, kann ihm zwar grundsätzlich der Vorwurf mangelnder Unrechtseinsicht und Reue gemacht werden (Schäfer/[X.]/[X.], Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 674; LK/Theune, StGB, 12. Aufl., § 46 Rn. 209). Uneinsichtigkeit des [X.] darf allerdings nur dann straferhöhend wirken, wenn sein Verhalten unter Berücksichtigung von Tat und Persönlichkeit auf Rechtsfeindschaft, seine Gefährlichkeit und die Gefahr künftiger Rechtsbrüche schließen lässt (st. Rspr.; vgl. zuletzt [X.], Beschluss vom 21. November 2018 - 1 StR 401/18 Rn. 7 mwN).

b) Dass diese Voraussetzung hier vorliegt, hat das [X.] nicht hinreichend dargetan. Zwar ist in der von der [X.] in diesem Zusammenhang zitierten Bemerkung des Angeklagten, durch die [X.] sei doch niemand gestorben, eine gewisse Bagatellisierung der Taten zu erkennen. Auf Rechtsfeindschaft und die Gefahr künftiger Rechtsbrüche kann allein aus dieser einmaligen Äußerung im Ermittlungsverfahren jedoch noch nicht geschlossen werden. Von dieser fehlerhaften Strafzumessungserwägung sind die Einzelstrafen in den Fällen 2 bis 11 der Urteilsgründe betroffen. Sie unterliegen daher der Aufhebung.

3. Die Aufhebung der [X.] in den Fällen 2 bis 11 der Urteilsgründe entzieht auch der Gesamtstrafe die Grundlage.

4. Die Feststellungen des [X.]s sind von den aufgezeigten [X.] nicht betroffen und können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Der neue Tatrichter kann aber ergänzende, zu den bisherigen nicht im Widerspruch stehende Feststellungen treffen.

Raum     

        

Bellay     

        

Fischer

        

Bär     

        

Hohoff     

        

Meta

1 StR 402/19

18.12.2019

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Hechingen, 22. Mai 2019, Az: 24 Js 4898/18 jug - 1 KLs

§ 263 Abs 1 StGB, § 488 Abs 1 S 1 BGB, § 488 Abs 1 S 2 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.12.2019, Az. 1 StR 402/19 (REWIS RS 2019, 245)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 245

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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1 StR 395/19

3 StR 283/18

1 StR 401/18

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