Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 16.11.2011, Az. 7 ABR 27/10

7. Senat | REWIS RS 2011, 1380

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Gegenstand

(Leistungsbeurteilung nach § 7 Ziff 2 ERA-TV für die bayerische Metall- und Elektroindustrie - Regelungssperre des § 77 Abs 3 Satz 1 BetrVG)


Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des [X.] vom 25. Februar 2010 - 3 [X.]/09 - wird zurückgewiesen.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten über einen Anspruch des Betriebsrats auf Durchführung einer Betriebsvereinbarung.

2

Die Arbeitgeberin ist aufgrund ihrer Verbandsmitgliedschaft an den Entgeltrahmentarifvertrag für die [X.] Metall- und Elektroindustrie vom 1. November 2005 ([X.]) gebunden. Antragsteller ist der bei ihr gebildete Betriebsrat.

3

Der [X.] legt für das Grundentgelt die Eingruppierung der Arbeitnehmer in einer [X.] fest (vgl. § 2 Ziff. 1 [X.]). Es sind zwölf [X.]n vorgesehen (vgl. § 3 [X.]). Daneben enthält der [X.] in seinem Abschnitt [X.] Bestimmungen über die Zahlung eines leistungsabhängigen Entgelts, mit dem eine über der Bezugsleistung liegende Leistung abgegolten wird (vgl. § 6 Ziff. 1 Satz 3 [X.]). Das [X.] ist bei [X.] mit der Methode der Leistungsbeurteilung zu ermitteln (vgl. § 6 Ziff. 2 Satz 1 Buchst. a). Die Bestimmungen des [X.] zur Leistungsbeurteilung haben auszugsweise folgenden Wortlaut:

        

[X.]

        

§ 7 Leistungsbeurteilung

        

…       

        

2.    

Bei [X.] bzw. aus dem Berufsausbildungsverhältnis Übernommenen erfolgt die Leistungsbeurteilung spätestens zum Ablauf des 3. Monats nach der Einstellung bzw. der Übernahme. Diese Frist kann in den [X.]n 6 bis 12 durch freiwillige Betriebsvereinbarung bis zum Ablauf des 6. Monats verlängert werden.

        

…       

        
        

9.    

Bei Übernahme einer höherwertigen Tätigkeit und entsprechender Höhergruppierung erfolgt eine neue Leistungsbeurteilung analog Ziff. 2. Bis zur Neufestsetzung der [X.] ist der bisherige Geldbetrag weiter zu gewähren.“

4

Am 9. Januar 2007 schlossen die Betriebsparteien eine Betriebsvereinbarung „[X.] Entgelt“ ([X.]). Darin ist ua. bestimmt:

        

„3    

Entgeltgrundsatz [X.]

                 

…       

                 

(5)     

Bei [X.] bzw. aus dem Berufsausbildungsverhältnis Übernommenen erfolgt die Leistungsbeurteilung grundsätzlich zum Ablauf des 3. Monats der Einstellung bzw. Übernahme. In den [X.]n 6 bis 12 erfolgt die Leistungsbeurteilung abweichend von Satz 1 zum Ablauf des 6. Monats der Einstellung bzw. Übernahme.

                 

(6)     

... (Satz 3) [X.] im Rahmen der Einführung des [X.] erfolgt bis spätestens 31. Mai 2007.“

5

Im Fall der Höhergruppierung von Arbeitnehmern in die [X.]n 6 bis 12 des [X.] erstellt die Arbeitgeberin - zumindest gelegentlich - Leistungsbeurteilungen vor Ablauf von sechs Monaten nach der Umgruppierung.

6

Der Betriebsrat hat in dem von ihm beim Arbeitsgericht eingeleiteten Beschlussverfahren die Ansicht vertreten, die Praxis der Arbeitgeberin, Leistungsbeurteilungen bereits vor Ablauf von sechs Monaten nach einer Höhergruppierung vorzunehmen, verstoße gegen Ziff. 3 Abs. 5 [X.].

7

Er hat zuletzt beantragt,

        

1.    

der Arbeitgeberin aufzugeben, es zu unterlassen, Leistungsbeurteilungen in den [X.]n 6 bis 12 des [X.] früher als sechs Monate nach einer Höhergruppierung vorzunehmen;

        

2.    

die Arbeitgeberin zu verpflichten, im Falle von Höhergruppierungen die bisherige [X.] für den Zeitraum von sechs Monaten bis zur neuen Leistungsbeurteilung gemäß der Betriebsvereinbarung vom 9. Januar 2007 zum leistungsabhängigen Entgelt abzurechnen.

8

Die Arbeitgeberin hat beantragt, die Anträge abzuweisen. Sie hat gemeint, die Öffnungsklausel des § 7 Ziff. 2 Satz 2 [X.] erlaube nur eine Verlängerung des [X.] durch eine Betriebsvereinbarung und keine Festlegung eines Beurteilungszeitpunkts. Ziffer 3 Abs. 5 [X.] sei daher unwirksam und trage das vom Betriebsrat beanspruchte Unterlassungsbegehren nicht.

9

Das Arbeitsgericht hat die Anträge abgewiesen. Das [X.] hat die Beschwerde des Betriebsrats zurückgewiesen. Mit seiner Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat die Anträge weiter. Die Arbeitgeberin beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

B. Die zulässige Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist unbegründet. Das [X.] hat zwar rechtsfehlerhaft angenommen, Ziff. 3 Abs. 5 [X.] sei wegen Verstoßes gegen die [X.] des § 77 Abs. 3 Satz 1 [X.] unwirksam. Die Entscheidung des [X.]s stellt sich aber aus anderen Gründen als richtig dar, § 561 ZPO. Der zulässige Unterlassungsantrag des Betriebsrats ist unbegründet. Der für den Fall des Obsiegens mit dem Unterlassungsbegehren gestellte [X.] fällt nicht zur Entscheidung an.

I. Das zulässige Unterlassungsbegehren hat keinen Erfolg.

1. Der Antrag zu 1. ist zulässig.

a) Er ist - nach der gebotenen Auslegung - hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

aa) Ein Unterlassungsantrag muss - bereits aus rechtsstaatlichen Gründen - eindeutig erkennen lassen, was vom Schuldner verlangt wird. Soll der Schuldner zur künftigen Unterlassung einzelner Handlungen verpflichtet werden, müssen diese so genau bezeichnet sein, dass kein Zweifel besteht, welche Handlungen im Einzelnen betroffen sind. Für den Schuldner muss aufgrund des [X.] erkennbar sein, welche Handlungen er künftig zu unterlassen hat, um sich rechtmäßig verhalten zu können (vgl. [X.] 17. März 2010 - 7 [X.] - Rn. 13 mwN, [X.]E 133, 342).

bb) Diesen Anforderungen genügt der Antrag zu 1. Der Antrag beschreibt die Maßnahmen, die die Arbeitgeberin unterlassen soll, mit der Wendung: „Leistungsbeurteilungen in den [X.]n 6 bis 12 des [X.] früher als sechs Monate nach einer Höhergruppierung vorzunehmen“. Dies bezieht sich auf die (unstreitige) Praxis der Arbeitgeberin, nach einer Höhergruppierung von Arbeitnehmern in den [X.]n 6 bis 12 nach § 3 [X.] die die Festsetzung der [X.] bestimmende Leistungsbeurteilung - zumindest gelegentlich - vor Ablauf von sechs Monaten nach der Höhergruppierung zu erstellen. Dies beanstandet der Betriebsrat als betriebsvereinbarungswidrig und hierauf bezieht er sein Unterlassungsbegehren. Damit steht dessen Gegenstand hinreichend fest. Für die Arbeitgeberin ist erkennbar, was von ihr verlangt wird: Sie soll sich bei in bestimmte [X.]n höhergruppierten Arbeitnehmern einer für die Neufestsetzung der [X.] erforderlichen Leistungsbeurteilung vor Ablauf von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt der Höhergruppierung enthalten. Dass es dabei um die „Leistungsbeurteilung“ nach § 7 [X.] geht, ist nicht zweifelhaft.

b) Der Betriebsrat ist [X.]. Er hat geltend gemacht, selbst Träger des streitbefangenen Rechts zu sein. Nach seinem Vorbringen verfolgt er nicht die Individualinteressen einzelner Arbeitnehmer, sondern begehrt die Durchsetzung eines von ihm behaupteten eigenen betriebsverfassungsrechtlichen Durchführungsanspruchs.

2. Der Unterlassungsantrag ist unbegründet. Die Arbeitgeberin verstößt durch die vom Betriebsrat beanstandete Praxis nicht gegen Ziff. 3 Abs. 5 [X.].

a) Nach § 77 Abs. 1 Satz 1 [X.] hat der Arbeitgeber die Betriebsvereinbarung im Betrieb durchzuführen. Der Betriebsrat hat in diesem Zusammenhang (auch) einen Anspruch darauf, dass der Arbeitgeber gegen eine Betriebsvereinbarung verstoßende Maßnahmen unterlässt (vgl. [X.] 29. April 2004 - 1 [X.] - zu [X.] 2 a bb (1) der Gründe, [X.]E 110, 252; 27. Oktober 1998 - 1 [X.] - zu [X.] 3 a der Gründe mwN, [X.]E 90, 76). Der Betriebsrat kann die Durchführung einer Betriebsvereinbarung vom Arbeitgeber unabhängig davon verlangen, ob ein grober Pflichtenverstoß iSv. § 23 Abs. 3 [X.] vorliegt ([X.] 29. April 2004 - 1 [X.] - aaO).

b) Vorliegend fehlt es an einem Verstoß der Arbeitgeberin gegen die einschlägige Vereinbarung der Betriebsparteien.

aa) Dies folgt allerdings nicht aus der vom [X.] angenommenen Unwirksamkeit der Ziff. 3 Abs. 5 [X.]. Das [X.] hat zwar zutreffend erkannt, dass der Betriebsrat vom Arbeitgeber nicht die Durchführung einer tarifvertragswidrigen Betriebsvereinbarung verlangen könne. Rechtsfehlerhaft nimmt es aber an, dass der für das Unterlassungsbegehren einzig in Betracht kommenden Bestimmung der Ziff. 3 Abs. 5 [X.] die [X.] des § 77 Abs. 3 [X.] entgegenstehe.

(1) Voraussetzung für den Durchführungsanspruch aus einer Betriebsvereinbarung ist deren Wirksamkeit. Die Betriebsvereinbarung darf insbesondere nicht gegen § 77 Abs. 3 Satz 1 [X.] verstoßen. Nach § 77 Abs. 3 Satz 1 [X.] können Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Die Vorschrift gewährleistet die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie. Dazu räumt sie den Tarifvertragsparteien den Vorrang zur Regelung von Arbeitsbedingungen ein. Diese Befugnis soll nicht durch ergänzende oder abweichende Regelungen der Betriebsparteien ausgehöhlt werden können. Eine gegen die [X.] des § 77 Abs. 3 Satz 1 [X.] verstoßende Betriebsvereinbarung ist unwirksam. Etwas anderes gilt nach § 77 Abs. 3 Satz 2 [X.] dann, wenn der Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zulässt (vgl. [X.] 29. April 2004 - 1 [X.] - zu [X.]I 2 a der Gründe mwN, [X.]E 110, 252).

(2) Ziffer 3 Abs. 5 [X.] verstößt nicht gegen die [X.] des § 77 Abs. 3 Satz 1 [X.].

(a) Gegenstand der Betriebsvereinbarungsbestimmung ist keine durch den [X.] geregelte Arbeitsbedingung. Während § 7 Ziff. 2 [X.] für die Leistungsbeurteilungsvornahme einen Zeitraum vorgibt, legt Ziff. 3 Abs. 5 [X.] hierfür einen innerhalb dieses Zeitraums liegenden Zeitpunkt fest. Eine solche Zeitpunktfestlegung ist durch die tarifliche Vorgabe nicht gesperrt.

(aa) § 7 Ziff. 2 Satz 1 und Satz 2 [X.] legt für die Vornahme der Leistungsbeurteilung (nur) einen Zeitraum fest, der in bestimmten [X.]n durch Betriebsvereinbarung verlängert werden kann. Dies ergibt die Auslegung der Tarifnorm.

([X.]) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt nach ständiger Rechtsprechung des [X.] den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln ([X.] 24. August 2011 - 4 [X.] - Rn. 15 mwN). Danach ist vom [X.] auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am [X.] zu haften. Bei nicht eindeutigem Wortsinn ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist dabei stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen - ohne Bindung an eine Reihenfolge - weitere Kriterien, wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags oder die praktische Tarifübung, ergänzend heranziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, gesetzeskonformen und praktisch brauchbaren Regelung führt ( vgl. zB [X.] 4. April 2001 - 4 [X.]/00 - zu I 2 a der Gründe, [X.]E 97, 271).

(bbb) Bereits dem Wortlaut nach regelt § 7 Ziff. 2 [X.] keine Zeitpunkte, sondern Zeiträume. Sowohl das Wort „spätestens“ in § 7 Ziff. 2 Satz 1 [X.] als auch der Begriff „Frist“ in § 7 Ziff. 2 Satz 2 [X.] deuten auf die Festlegung einer Zeitspanne. Hätten die Tarifvertragsparteien einen (bestimmten oder bestimmbaren) Termin regeln wollen, an oder zu dem die Leistungsbeurteilung genau erfolgen soll, hätte es keinen Sinn gemacht, das Adverb „spätestens“ zu verwenden. Verstärkt wird diese Interpretation durch den Gebrauch des Worts „verlängern“ in Bezug auf die Frist, vgl. § 7 Ziff. 2 Satz 2 [X.]. Ein Zeitpunkt kann, wie auch das [X.] zutreffend erkannt hat, nicht verlängert werden. Ein solcher wird „verschoben“ oder „verlegt“. Schließlich spricht die juristische Terminologie für eine entsprechende Verwendung der Begrifflichkeiten. Termin iSd. [X.] ist ein bestimmter Zeitpunkt, an dem etwas geschehen soll oder eine Rechtswirkung eintritt. Bei einer Frist handelt es sich um eine abgegrenzte - bestimmte oder bestimmbare - Zeitspanne (vgl. [X.]/Ellenberger [X.] 70. Aufl. § 186 Rn. 3 f. mwN). Anhaltspunkte dafür, dass die Tarifvertragsparteien von diesem grundsätzlichen Begriffsverständnis abweichen wollten, haben im Tarifvertrag keinen Niederschlag gefunden. Das Verständnis wird von der Entstehungsgeschichte der Tarifnorm gestützt. Die Formulierung der Vorgängerregelung des § 7 Ziff. 2 des Lohn- und Gehaltsrahmentarifvertrags für die gewerblichen Arbeitnehmer, für die Angestellten und für die Auszubildenden der [X.]n Metall- und Elektroindustrie vom 24. Mai 2002 deutete noch auf eine „Termin“festlegung für die Leistungsbeurteilung („… erfolgt die Leistungsbeurteilung erstmals zum Ablauf des 3. Monats …“). Nach dem Vorbringen der Arbeitgeberin haben die Tarifvertragsparteien schon diese Regelung dahingehend verstanden, dass eine Leistungsbeurteilung grundsätzlich vor Ablauf des 3. Monats erfolgen dürfe. Jedenfalls hätten sich die Tarifvertragsparteien aber veranlasst gesehen, mit dem Wortlaut des § 7 Ziff. 2 Satz 1 und Satz 2 [X.] die „Fristen“regelung deutlich zu machen. Diesem Vorbringen ist der Betriebsrat nicht entgegengetreten. Für das Verständnis sprechen auch Sinn und Zweck der Regelung sowie Gesichtspunkte einer vernünftigen, praktikablen Handhabung. Den Tarifvertragsparteien ging es ersichtlich nicht darum, einen genauen Termin für die Leistungsbeurteilung zu bestimmen, sondern einen Zeitraum festzulegen, innerhalb dessen sie zu erfolgen hat.

(bb) Demgegenüber legt die Betriebsvereinbarung in Ziff. 3 Abs. 5 für die Leistungsbeurteilung keinen Zeitraum, sondern einen Zeitpunkt fest. Dies ergibt deren Auslegung.

([X.]) Betriebsvereinbarungen sind wegen ihres normativen Charakters wie Tarifverträge und Gesetze auszulegen. Auszugehen ist danach vom Wortlaut der Bestimmung und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Insbesondere bei unbestimmtem Wortsinn sind der wirkliche Wille der Betriebsparteien und der von ihnen beabsichtigte Zweck zu berücksichtigen, sofern und soweit sie im Text ihren Niederschlag gefunden haben. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Regelungen. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Bestimmung führt (vgl. zuletzt [X.] 18. Oktober 2011 - 1 [X.] - Rn. 15 mwN).

(bbb) Bereits der Wortlaut von Ziff. 3 Abs. 5 Satz 1 und Satz 2 [X.] drückt deutlich die Festlegung eines Termins für die Leistungsbeurteilung aus. Abweichend von § 7 Ziff. 2 Satz 1 [X.] fehlt bei Ziff. 3 Abs. 5 Satz 1 [X.] das Wort „spätestens“. Damit wird deutlich, dass es hier nicht um einen Zeitraum, sondern um einen Zeitpunkt geht. Ziffer 3 Abs. 6 Satz 3 [X.] zeigt zudem, dass die Betriebsparteien in der Wahl ihrer Sprachwendungen durchaus differenziert haben. Im Zusammenhang mit der Einführung des [X.] ist in Ziff. 3 Abs. 6 Satz 3 [X.] bestimmt, dass die Erstbeurteilung „bis spätestens 31. Mai 2007“ erfolgen soll. Mit der dort gegenüber Ziff. 3 Abs. 5 Satz 1 und Satz 2 [X.] anders gewählten Formulierung („bis“) ist kenntlich gemacht, einen Zeitraum regeln zu wollen. Es hätte nahegelegen, den sprachlichen Ausdruck „bis“ auch für die Regelung der Ziff. 3 Abs. 5 Satz 1 und Satz 2 [X.] zu wählen, wenn es den Betriebsparteien allein um die Festlegung einer Zeitspanne gegangen wäre.

([X.]) Wegen der unterschiedlichen inhaltlichen Sachregelungen nach § 7 Ziff. 2 [X.] und nach Ziff. 3 Abs. 5 [X.] greift die [X.] des § 77 Abs. 3 Satz 1 [X.] nicht ein. Gegenstand von Ziff. 3 Abs. 5 [X.] ist nicht etwas, was bereits durch § 7 Ziff. 2 [X.] geregelt wäre. Es handelt sich bei Ziff. 3 Abs. 5 [X.] insoweit auch nicht etwa um eine ergänzende Betriebsvereinbarungsbestimmung iSd. § 77 Abs. 3 Satz 2 [X.]. Auf die Öffnungsklausel des § 7 Ziff. 2 Satz 2 [X.] kommt es nicht an. Selbst ohne diese Öffnungsklausel wäre den Betriebsparteien die Festlegung eines Zeitpunkts für die Leistungsbeurteilung durch (freiwillige) Betriebsvereinbarung nicht verwehrt, solange der Zeitpunkt - wie vorliegend - innerhalb der tarifvertraglich festgelegten Zeitspanne liegt.

(b) Ziffer 3 Abs. 5 [X.] betrifft auch keine Arbeitsbedingung, die iSv. § 77 Abs. 3 Satz 1 [X.] üblicherweise durch Tarifvertrag geregelt ist. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass ein Zeitpunkt für das Erstellen der Leistungsbeurteilung typischerweise oder herkömmlich im einschlägigen Tarifvertrag geregelt worden ist oder geregelt wird. Der [X.] enthält überhaupt keine Regelungen hierzu. Der bis zum Inkrafttreten des [X.] geltende Lohn- und Gehaltsrahmentarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer, für die Angestellten und für die Auszubildenden der [X.]n Metall- und Elektroindustrie legte einen solchen Termin - jedenfalls im Verständnis der Tarifvertragsparteien - gleichfalls nicht fest. Von einer Tarifüblichkeit kann daher nicht ausgegangen werden.

(c) Auf die Frage, ob die [X.] des § 77 Abs. 3 [X.] deshalb aufgehoben ist, weil es sich bei Ziff. 3 Abs. 5 [X.] um Angelegenheiten der erzwingbaren Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 [X.] handeln würde, für die der [X.] nach § 77 Abs. 3 [X.] nicht gilt (vgl. dazu [X.] [X.] 3. Dezember 1991 - [X.] 2/90 - zu [X.] der Gründe, [X.]E 69, 134; 24. Januar 1996 - 1 [X.] - zu I 2 der Gründe, [X.]E 82, 89), kommt es daher nicht entscheidend an.

bb) Die angefochtene Entscheidung erweist sich aber aus anderen Gründen als richtig, § 561 ZPO. Ziffer 3 Abs. 5 [X.] vermag den verfahrensgegenständlichen Unterlassungsanspruch nicht zu begründen. Die Norm bestimmt einen Zeitpunkt für die Leistungsbeurteilung bei „[X.] bzw. aus dem Berufsausbildungsverhältnis Übernommenen“, der für diese Arbeitnehmer bei den [X.]n 6 bis 12 des [X.] anders (später) festgelegt ist. Das Unterlassungsbegehren bezieht sich demgegenüber allein auf - in bestimmte [X.]n - höhergruppierte, also nicht „neu eingestellte“ oder „übernommene“ Arbeitnehmer.

(1) Ziffer 3 Abs. 5 [X.] legt nur für die Vornahme der Leistungsbeurteilungen bei neu eingestellten oder aus dem Berufsausbildungsverhältnis übernommenen Arbeitnehmern einen Zeitpunkt fest. Die Regelung betrifft nicht die in die [X.]n 6 bis 12 des [X.] höhergruppierten Arbeitnehmer und deren Leistungsbeurteilungen nach der Höhergruppierung. Für ein solches Verständnis geben Wortlaut und [X.] der Bestimmung nichts her. Ziffer 3 Abs. 5 Satz 1 und Satz 2 [X.] betreffen „[X.]“ sowie „aus dem Berufsausbildungsverhältnis Übernomme“ und knüpfen an die „Einstellung bzw. Übernahme“ an. [X.] bereits beschäftigter Arbeitnehmer werden hierdurch nicht geregelt.

(2) Ein auch auf die in die [X.]n 6 bis 12 nach dem [X.] bezogener Regelungsinhalt von Ziff. 3 Abs. 5 [X.] ist entgegen der Ansicht des Betriebsrats nicht durch den Verweis des § 7 Ziff. 9 Satz 1 [X.] auf § 7 Ziff. 2 „vermittelt“. § 7 Ziff. 2 Satz 1 und Satz 2, Ziff. 9 Satz 1 [X.] treffen fristbestimmte Regelungen zum Erstellen der Leistungsbeurteilungen. Nur für diese Fristen haben die Tarifvertragsparteien einen „Gleichlauf“ bei [X.] und aus dem Berufsausbildungsverhältnis Übernommenen einerseits und in bestimmte [X.]n höhergruppierten Arbeitnehmern andererseits sicherstellen wollen. Daher mag eine nach § 7 Ziff. 2 Satz 2 [X.] durch Betriebsvereinbarung getroffene „bloße“ Fristverlängerung für die Leistungsbeurteilungen neu eingestellter Arbeitnehmer in den [X.]n 6 bis 12 des [X.] nach § 7 Ziff. 9 Satz 1 [X.] auch für in diese [X.]n höhergruppierte Arbeitnehmer gelten. Für die Annahme, die Betriebsparteien hätten in Ziff. 3 Abs. 5 [X.] den Zeitpunkt der Leistungsbeurteilung auch für Fälle der Höhergruppierung regeln wollen, fehlt es aber an hinreichend deutlichen Anhaltspunkten in der Betriebsvereinbarung.

II. Der [X.] zu 2. fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an. Er ist ersichtlich nur für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. gestellt. Der Betriebsrat hat das in der Anhörung vor dem Senat ausdrücklich bestätigt.

        

    Linsenmaier    

        

    Kiel    

        

    Schmidt    

        

        

        

    Coulin    

        

    M. Zwisler    

                 

Meta

7 ABR 27/10

16.11.2011

Bundesarbeitsgericht 7. Senat

Beschluss

Sachgebiet: ABR

vorgehend ArbG Kempten, 17. September 2009, Az: 5 BV 22/09, Beschluss

§ 77 Abs 3 S 1 BetrVG, § 1 TVG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 16.11.2011, Az. 7 ABR 27/10 (REWIS RS 2011, 1380)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 1380

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

4 TaBVGa 16/17

4 TaBV 30/17

14 TaBV 6/16

7 TaBV 100/15

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