Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 15.05.2018, Az. 1 ABR 75/16

1. Senat | REWIS RS 2018, 9200

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Betriebsvereinbarung - Tarifsperre - Tarifvertrag - Eintritt der Nachwirkung


Leitsatz

1. Ein dem Geltungsbereich eines Tarifvertrags unterfallender tarifungebundener Arbeitgeber kann mit dem bei ihm bestehenden Betriebsrat aufgrund der Regelungssperre des § 77 Abs. 3 BetrVG in einer Betriebsvereinbarung keine inhaltsgleichen Regelungen festlegen, sofern es sich nicht um Angelegenheiten der zwingenden Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 BetrVG handelt.

2. Der Verstoß gegen die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 BetrVG führt zur Unwirksamkeit der Betriebsvereinbarung. Weder ein späterer Eintritt der Nachwirkung des einschlägigen Tarifvertrags noch eine nachfolgende fehlende Tarifwilligkeit des tarifschließenden Arbeitgeberverbandes bewirken nachträglich die erforderliche Kompetenz der Betriebsparteien beim Abschluss dieser Betriebsvereinbarung.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des [X.] vom 12. Oktober 2016 - 10 [X.] - wird zurückgewiesen.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer Betriebsvereinbarung.

2

Die nicht tarifgebundene Arbeitgeberin führt seit 2001 mit der [X.], der [X.] und der [X.] einen gemeinsamen Betrieb. In diesem ist der antragstellende Betriebsrat gebildet.

3

Arbeitgeberin und Betriebsrat schlossen am 28. März 2006 eine „Betriebsvereinbarung Urlaub und Freistellung von der Arbeit“ ([X.]) für „alle [X.] des Unternehmens“ (Nr. 2 [X.]). In Nr. 3 [X.] („Urlaubsbestimmungen“) werden in den Abschnitten Nr. 3.1 bis 3.13 die Anspruchsvoraussetzungen für einen Urlaubsanspruch und dessen Umfang, die Wartezeit, der Anspruch auf Teilurlaub, [X.], dessen Übertragbarkeit, das Urlaubsentgelt sowie die Modalitäten der Urlaubsgewährung sowie in Nr. 4 [X.] eine jährliche [X.] von mindestens 30 Arbeitstagen geregelt. Unter welchen Voraussetzungen und mit welcher Dauer eine „Freistellung von der Arbeit aus persönlichen Gründen“ beansprucht werden kann, bestimmt Nr. 5 [X.]. Daneben enthält die [X.] noch eine Präambel (Nr. 1) und die Schlussbestimmungen (Nr. 6).

4

Der zwischen dem [X.] ([X.]) und der [X.] ([X.]) geschlossene Einheitliche Manteltarifvertrag ([X.]) regelt in der bei Abschluss der Betriebsvereinbarung gültigen Fassung in § 20 „Urlaubsbestimmungen“, in § 21 die „[X.]“ und in § 22 die „Freistellung von der Arbeit aus persönlichen Gründen“. Der Betrieb der Arbeitgeberin wird vom fachlichen Geltungsbereich des § 1 Nr. 3 [X.] erfasst. Der zwischen den genannten Tarifvertragsparteien vereinbarte Entgelttarifvertrag vom 12. August 2010 ([X.]) hat ua. folgenden Inhalt:

        

§ 5 Öffnungsklausel

        

Arbeitgeber und Betriebsrat können unter Wahrung der tariflichen Mindestbestimmungen ergänzend zu diesem Tarifvertrag für Arbeitnehmer günstigere Betriebsvereinbarungen unter Beachtung des § 77 Abs. 3 [X.] abschließen. Bis zum Inkrafttreten dieses Tarifvertrags abgeschlossene ergänzende für Arbeitnehmer günstigere Betriebsvereinbarungen, die sich auf andere (alte) Tarifregelungen beziehen, gelten unabhängig von dieser Öffnungsklausel weiter und können unter Beachtung von § 77 Ziff. 3 [X.] geändert werden. …“

5

Der [X.] wurde von beiden Tarifvertragsparteien zum Ende des Jahres 2011 gekündigt. Der [X.] hat zum 1. Januar 2013 seine Satzung dahin geändert, dass er „derzeit nicht tariffähig“ ist. Seit dem 1. März 2013 schließt die Arbeitgeberin mit neu eingestellten Arbeitnehmern Arbeitsverträge, die eine [X.] von 28 Tagen vorsehen. Die Bestimmungen der [X.] wendet die Arbeitgeberin nur noch auf neun, namentlich benannte Arbeitnehmer an, deren Arbeitsverhältnisse anlässlich eines Betriebsübergangs auf sie übergegangen waren.

6

Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, die Betriebsvereinbarung verstoße nicht gegen § 77 Abs. 3 Satz 1 [X.]. Die Vorschrift greife nur ein, wenn ein Tarifvertrag insgesamt zum Inhalt einer Betriebsvereinbarung gemacht werde. Durch die fehlende Tarifwilligkeit des [X.] sei auch die Tarifüblichkeit der im [X.] enthaltenen Bestimmungen entfallen. Zudem erstrecke sich die Öffnungsklausel in § 5 [X.] auch auf Inhalte, die im [X.] geregelt seien und erfasse gleichfalls in der Vergangenheit geschlossene Betriebsvereinbarungen. Schließlich handele es sich bei der [X.] um eine zulässige andere Abmachung iSd. § 4 Abs. 5 [X.].

7

Der Betriebsrat hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass die Betriebsvereinbarung „Urlaub und Freistellung von der Arbeit“, die zwischen dem Betriebsrat und der Arbeitgeberin am 28. März 2006 abgeschlossen worden ist, unabhängig von einem bestimmten Eintrittsstichtag für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Arbeitgeberin zur Anwendung kommt und nicht auf folgende - im Einzelnen namentlich benannte - Arbeitnehmer/Arbeitnehmerinnen beschränkt ist,

        

hilfsweise,

        

dem Antrag mit der Maßgabe stattzugeben, dass die Feststellung für Eintritte seit dem 1. Januar 2013 begehrt wird.

8

Die Arbeitgeberin hat beantragt, die Anträge abzuweisen.

9

Die Vorinstanzen haben die Anträge abgewiesen. Mit seiner Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat seine bisherigen Begehren weiter. Darüber hinaus hat er in der [X.] äußerst hilfsweise beantragt

        

festzustellen, dass die Regelungen in der Betriebsvereinbarung „Urlaub und Freistellung von der Arbeit“, die zwischen dem Betriebsrat und der Arbeitgeberin am 28. März 2006 abgeschlossen wurden, als Gesamtzusage unabhängig von einem bestimmten Eintrittsstichtag für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Arbeitgeberin zur Anwendung kommen und nicht auf folgende - im Einzelnen namentlich benannte - Arbeitnehmer/Arbeitnehmerinnen beschränkt sind.

B. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist insgesamt ohne Erfolg. Die in den Tatsacheninstanzen gestellten Anträge sind unbegründet. Der weitere, äußerst hilfsweise gestellte Antrag ist als Antragserweiterung in der [X.] unzulässig.

I. Der zulässige Hauptantrag ist unbegründet.

1. Der Antrag ist, wie die gebotene Auslegung ergibt, zulässig.

a) Das Antragsbegehren ist darauf gerichtet, das wirksame Bestehen der zwischen den Beteiligten vereinbarten [X.] festzustellen. Es kann dahinstehen, ob der Betriebsrat nach dem Wortlaut des Antrags und der Antragsschrift den personellen Geltungsbereich der [X.] festgestellt wissen wollte. Das Arbeitsgericht hat den Antrag dahin verstanden, dass er auf „Feststellung der Rechtswirksamkeit einer Betriebsvereinbarung“, also deren Bestand gerichtet ist. Ein etwaiger Verstoß des Arbeitsgerichts gegen den Grundsatz der Bindung an die Anträge der Beteiligten nach § 308 Abs. 1 ZPO wäre in der Beschwerdeinstanz geheilt worden. Der Betriebsrat hat sich in seiner Beschwerdebegründungsschrift nicht gegen dieses Verständnis seines Antrags gewendet und ausgeführt, aus welchen Gründen die [X.] wirksam sein soll. Damit hat er zum Ausdruck gebracht, an der erstinstanzlichen Auslegung festhalten zu wollen und einen möglichen Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO genehmigt (vgl. [X.] 1. Juli 2009 - 4 [X.] - Rn. 15 mwN, [X.]E 131, 176). Dieses [X.] hat der Betriebsrat in der mündlichen Anhörung vor dem Senat ausdrücklich bestätigt.

b) Der Feststellungsantrag ist zulässig. Das Bestehen oder Nichtbestehen der [X.] stellt ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis zwischen den Betriebsparteien iSd. § 256 Abs. 1 ZPO dar.

2. Der Hauptantrag ist unbegründet. Die [X.] ist wegen eines Verstoßes der Nr. 3 bis Nr. 5 [X.] gegen die sich aus § 77 Abs. 3 Satz 1 [X.] ergebende [X.] insgesamt unwirksam.

a) [X.] in Nr. 3 bis Nr. 5 [X.] werden von der Sperrwirkung des § 77 Abs. 3 Satz 1 [X.] erfasst.

aa) Nach § 77 Abs. 3 Satz 1 [X.] können Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Dies gilt nach Satz 2 der Vorschrift jedoch nicht, soweit ein Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zulässt. Eine tarifliche Regelung von Arbeitsbedingungen liegt vor, wenn sie in einem Tarifvertrag enthalten sind und der Betrieb in den räumlichen, betrieblichen, fachlichen und persönlichen Geltungsbereich dieses Tarifvertrags fällt (st. Rspr., [X.] 5. März 2013 - 1 [X.] - Rn. 19). Die Sperrwirkung der Vorschrift gilt unabhängig von der [X.] des Arbeitgebers ([X.] 13. März 2012 - 1 [X.] - Rn. 20). Sie greift nicht ein, soweit es um Angelegenheiten geht, die nach § 87 Abs. 1 [X.] der erzwingbaren Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegen ([X.] 17. Mai 2011 - 1 [X.] - Rn. 30 mwN, [X.]E 138, 68).

bb) Nach diesen Maßstäben verstoßen Nr. 3 bis Nr. 5 [X.] gegen § 77 Abs. 3 [X.].

(1) Der Betrieb der Arbeitgeberin wird nach den Feststellungen des [X.] vom fachlichen Geltungsbereich des § 1 Nr. 3 [X.] erfasst. Davon gehen auch die Beteiligten aus.

(2) Die Regelungen in Nr. 3 bis Nr. 5 [X.] sind mit den Bestimmungen der §§ 20 bis 22 [X.] inhaltlich identisch. Entgegen der Auffassung des Betriebsrats liegt ein Verstoß gegen § 77 Abs. 3 [X.] nicht erst dann vor, wenn ein Tarifvertrag insgesamt zum Inhalt einer Betriebsvereinbarung gemacht wird. Die Sperrwirkung des § 77 Abs. 3 Satz 1 [X.] soll verhindern, dass auch einzelne Gegenstände, derer sich die Tarifvertragsparteien angenommen haben, konkurrierend - und sei es inhaltsgleich - in Betriebsvereinbarungen geregelt werden ([X.] 13. März 2012 - 1 [X.] - Rn. 20). Der Betriebsrat kann sich auch nicht auf die angezogene Entscheidung des Senats vom 22. November 2001 stützen. Er übersieht, dass sich die Ausführungen mit einer Betriebsvereinbarung befassen, die einzelne Tarifverträge vollständig in Bezug genommen hatte ([X.] 22. November 2001 - 1 [X.] - zu II 2 a der Gründe), ohne dass der Senat davon ausgegangen ist, dies sei für einen Verstoß gegen § 77 Abs. 3 [X.] erforderlich.

(3) Ein Verstoß gegen § 77 Abs. 3 [X.] entfällt weiterhin nicht aufgrund der Tariföffnungsklauseln des § 5 [X.]. Zwar enthält die Tarifbestimmung in Satz 1 und Satz 2 Öffnungsklauseln iSd. § 77 Abs. 3 Satz 2 [X.]. Diese lassen aber keine betrieblichen Vereinbarungen für Regelungsgegenstände des [X.] zu.

(a) Nach dem Wortlaut des § 5 Satz 1 [X.] haben die Tarifvertragsparteien ergänzende günstigere Betriebsvereinbarungen nur „zu diesem Tarifvertrag“, also den Regelungsgegenständen des [X.] zugelassen. Dies gilt auch, soweit § 5 Satz 2 [X.] für vor Abschluss des [X.] vereinbarte und für die Arbeitnehmer günstigere Betriebsvereinbarungen, die sich auf „andere (alte) Tarifregelungen beziehen“, deren weitere Geltung vorsieht. Die Systematik des § 5 [X.] zeigt, dass der Bezugspunkt der Öffnungsklausel in Satz 2 Regelungen „zu diesem Tarifvertrag“ in Satz 1, also der [X.] ist. Für eine Erstreckung dieser Öffnungsklausel auf „(alte) Tarifregelungen“, deren Gegenstände auch in anderen Tarifverträgen vereinbart sind, fehlt es an den erforderlichen deutlichen Anhaltspunkten (vgl. dazu [X.] 17. Januar 2012 - 1 [X.] - Rn. 27 mwN).

(b) Darüber hinaus enthält die [X.] keine Vereinbarungen, die die §§ 20 bis 22 [X.] ergänzen oder für die Arbeitnehmer günstigere Bestimmungen enthalten. Sie regelt in den [X.]. 3 bis 5 vielmehr inhaltlich identisch zum [X.] die Urlaubsbestimmungen, die [X.] und die Freistellung von der Arbeit aus persönlichen Gründen.

(4) Die [X.] ist nicht unter dem Gesichtspunkt einer mitbestimmungspflichtigen Angelegenheit aufgehoben. Die [X.] enthält in den [X.]. 3 bis 5 nach dem allein in Betracht kommenden Mitbestimmungsrecht des § 87 Abs. 1 Nr. 5 [X.] keine Regelungen über Gegenstände der zwingenden Mitbestimmung. Nr. 3.8 [X.] sieht lediglich vor, dass ein Urlaubsplan unter Wahrung der Mitbestimmung des Betriebsrats noch zu erstellen und nach Nr. 3.12 [X.] der Betriebsurlaub durch eine Betriebsvereinbarung zu bestimmen ist. Festlegungen zu den beiden Regelungstatbeständen enthält die [X.] jedoch nicht.

(5) Der Eintritt der Nachwirkung des [X.] ab dem 1. Januar 2012 wie auch die fehlende Tarifwilligkeit des [X.] ab dem 1. Januar 2013 führen nicht zu einer Wirksamkeit der [X.]. Soweit der Senat in der Entscheidung vom 20. April 1999 angenommen hat, die Tarifvertragsparteien könnten durch eine rückwirkende Öffnungsklausel auch nachträglich Betriebsvereinbarungen genehmigen, die aufgrund eines Verstoßes gegen § 77 Abs. 3 [X.] zunächst unwirksam waren (- 1 [X.] - zu II 3 b der Gründe, [X.]E 91, 244), liegt eine solche Fallgestaltung nicht vor. Weder die mit Beginn des Jahres 2012 eingetretene Nachwirkung des [X.] noch die fehlende Tarifwilligkeit des [X.] ab dem 1. Januar 2013 haben zu einer rechtlichen Gestaltungsmacht der Betriebsparteien für den Abschluss der gegen § 77 Abs. 3 [X.] verstoßenden [X.] im Jahr 2006 geführt.

(6) Die [X.] kann schließlich nicht unter dem Gesichtspunkt einer anderen Abmachung iSd. § 4 Abs. 5 [X.] als wirksam angesehen werden. Dessen Voraussetzungen liegen nicht vor.

(a)  Nach § 4 Abs. 5 [X.] können die Regelungen eines Tarifvertrags nach dessen Ablauf durch eine andere Abmachung ersetzt werden, soweit sie denselben Regelungsbereich erfassen. Für die Annahme einer solchen Abmachung zur Ablösung eines nachwirkenden Tarifvertrags ist es zwar nicht erforderlich, dass diese erst nach Eintritt der Nachwirkung geschlossen wird. Die Abrede muss aber vom [X.] der Parteien darauf gerichtet sein, bestimmte bestehende Tarifregelungen in Anbetracht ihrer absehbar bevorstehenden Beendigung und des darauffolgenden Eintritts der Nachwirkung abzuändern ([X.] 7. Juni 2017 - 1 [X.] - Rn. 35 mwN, [X.]E 159, 222).

(b) Danach handelt es sich bei der [X.] entgegen der Rechtsausfassung des Betriebsrats nicht um eine andere Abmachung iSd. § 4 Abs. 5 [X.]. Der Wortlaut der Betriebsvereinbarung lässt bereits nicht erkennen, diese sei auf die Beseitigung oder die Verhinderung einer zukünftigen Nachwirkung des [X.] gerichtet. Vielmehr sollte bereits mit Wirkung zum 1. Januar 2006 und nicht erst zum Zeitpunkt des Eintritts einer Nachwirkung dieser Regelungen eine Vereinbarung zwischen den Betriebsparteien entsprechend den Inhaltsnormen des [X.] geschlossen werden. Der Betriebsrat führt selbst aus, das Ziel einer einheitlichen Regelung für das Unternehmen sei „völlig unabhängig von einem Bestand von Tarifverträgen“ gewesen.

b) Der Verstoß der Regelungen in Nr. 3 bis Nr. 5 [X.] gegen die [X.] des § 77 Abs. 3 Satz 1 [X.] führt zur Unwirksamkeit der gesamten [X.].

aa) Nr. 3 bis Nr. 5 [X.] sind infolge eines solchen Verstoßes gegen die [X.] unwirksam (zu dieser Rechtsfolge [X.] 26. August 2008 - 1 [X.] - Rn. 11 mwN, [X.]E 127, 297). Soweit der Senat von einer Verdrängungswirkung tariflicher Normen gegenüber einer gegen die [X.] verstoßenden Betriebsverfassungsnorm ausgegangen ist ([X.] 13. März 2012 - 1 [X.] - Rn. 22), bringt das nichts anderes zum Ausdruck. § 77 Abs. 3 Satz 1 [X.] ist keine Kollisions-, sondern Kompetenznorm (vgl. [X.] 22. März 2005 - 1 [X.] - zu [X.] 2 c ee (1) der Gründe mwN, [X.]E 114, 162).

bb) Die Unwirksamkeit der genannten Bestimmungen der [X.] bedingt nach dem Rechtsgedanken des § 139 BGB ([X.] 9. Juli 2013 - 1 [X.] - Rn. 39 mwN, [X.]E 145, 330) die Unwirksamkeit der gesamten [X.]. Der verbleibende Teil der Betriebsvereinbarung - Präambel, personeller Geltungsbereich und Schlussbestimmungen - stellt ersichtlich keine sinnvolle und in sich geschlossene Regelung mehr dar.

II. Der in den Tatsacheninstanzen gestellte Hilfsantrag ist zulässig, aber unbegründet.

1. Er ist, wie die gebotene Auslegung ergibt, zulässig, da auf die Feststellung gerichtet, die [X.] bestehe jedenfalls ab der fehlenden Tarifwilligkeit des [X.] seit Beginn des Jahres 2013 und erfasse diejenigen Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis nach dem 31. Dezember 2012 begonnen habe. Neben dem Bestehen eines Rechtsverhältnisses aufgrund einer wirksamen Betriebsvereinbarung (oben [X.] 1 a) kann zugleich deren Auslegung durch einen Feststellungsantrag iSd. § 256 Abs. 1 ZPO geklärt werden (vgl. [X.] 10. Dezember 2013 - 1 [X.] - Rn. 20 mwN).

2. Der Antrag ist unbegründet. Die [X.] ist unwirksam. Weder die Kündigung des [X.] zum Ende des Jahres 2011 noch die ab dem 1. Januar 2013 bestehende fehlende Tarifwilligkeit des [X.] führen zu einem anderen Ergebnis (oben [X.] 2 a bb [5]).

III. Bei dem äußerst hilfsweise gestellten Antrag handelt es sich um eine in der [X.] unzulässige Antragserweiterung.

1. Antragserweiterungen sind ebenso wie sonstige Antragsänderungen im Rechtsbeschwerdeverfahren grundsätzlich unzulässig (§ 559 ZPO). Eine Ausnahme besteht dann, wenn der geänderte Sachantrag sich auf einen in der Beschwerdeinstanz festgestellten Sachverhalt stützen kann, die anderen Verfahrensbeteiligten gegen die Antragsänderung oder -erweiterung keine Einwendungen erheben, ihre Verfahrensrechte nicht verkürzt werden und die geänderte Antragstellung darauf beruht, dass die Vorinstanzen einen nach § 139 Abs. 1 ZPO gebotenen Hinweis unterlassen haben.

2. Danach ist der weitere Hilfsantrag unzulässig. Durch den jetzigen Antrag, der auf die Feststellung einer Regelungsabrede und einer gegenüber allen Arbeitnehmern erteilten Gesamtzusage (zu den Voraussetzungen [X.] 19. Juni 2012 - 1 [X.] - Rn. 21) gerichtet ist, wird das Prüfprogramm des Senats erweitert. Hierzu fehlt es bereits an den erforderlichen Feststellungen durch das [X.].

        

    Schmidt    

        

    K. Schmidt    

        

    Treber    

        

        

        

    Schwitzer    

        

    Hann    

                 

Meta

1 ABR 75/16

15.05.2018

Bundesarbeitsgericht 1. Senat

Beschluss

Sachgebiet: ABR

vorgehend ArbG München, 26. April 2016, Az: 13 BV 395/15, Beschluss

§ 77 Abs 3 BetrVG, § 87 Abs 1 BetrVG, § 4 Abs 5 TVG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 15.05.2018, Az. 1 ABR 75/16 (REWIS RS 2018, 9200)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 9200


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 1 ABR 75/16

Bundesarbeitsgericht, 1 ABR 75/16, 15.05.2018.


Az. 13 BV 395/15

ArbG München, 13 BV 395/15, 26.04.2016.


Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

2 AZR 405/16 (Bundesarbeitsgericht)

Tariflicher Sonderkündigungsschutz - Tarifvorrang - Umdeutung einer unwirksamen Betriebsvereinbarung in eine vertragliche Einheitsregelung


1 AZR 65/17 (Bundesarbeitsgericht)

Betriebsvereinbarung - Tarifvorrang - Gesamtzusage


1 AZR 64/18 (Bundesarbeitsgericht)

Betriebsvereinbarung - Tarifvorrang


13 BV 395/15 (ArbG München)

Wirksamkeit einer gegen § 77 Abs. 3 S. 1 BetrVG verstoßenden Betriebsvereinbarung nach Kündigung des …


10 TaBV 58/16 (LArbG München)

Wirksamkeit einer gegen § 77 Abs. 3 BetrVG verstoßenden Betriebsvereinbarung nach Kündigung des Tarifvertrages und …


Referenzen
Wird zitiert von

2 BV 47/19

13 TaBV 34/20

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.