Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 16.08.2011, Az. 1 ABR 30/10

1. Senat | REWIS RS 2011, 4010

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Gegenstand

Zuständigkeit der Paritätischen Kommission bei Reklamationen - ERA-TV Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg


Leitsatz

1. Der Betriebsrat hat nach § 10.3 Abs. 2 Satz 2 iVm. § 6.4 ERA-TV einen Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Übergabe der schriftlichen Beschreibung und Bewertung der Arbeitsaufgaben der reklamierenden Arbeitnehmer an die Paritätische Kommission, wenn über das Ergebnis der Überprüfung gemäß § 10.2 ERA-TV kein Einverständnis erzielt wird und daher eine weitere Überprüfung der Einstufung in der Paritätischen Kommission erfolgt.

2. Weigern sich die Vertreter einer Seite, in der Paritätischen Kommission an einer Abstimmung teilzunehmen, sind entsprechend den zu § 76 Abs. 5 Satz 2 BetrVG entwickelten Grundsätzen nur die tatsächlich abgegebenen Stimmen zu zählen.

Tenor

1. Auf die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des [X.] vom 21. April 2010 - 2 [X.] - aufgehoben, soweit es den Anträgen zu 2) und zu 3) entsprochen hat und insoweit zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

a) Der Antrag zu 3) wird abgewiesen.

b) Im Übrigen werden die Beschwerden der Arbeitgeberin und des Betriebsrats gegen den Beschluss des [X.] vom 10. März 2009 - 2 [X.] - zurückgewiesen.

2. Die weitergehende Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin wird zurückgewiesen.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten über die Durchführung des Reklamationsverfahrens nach dem [X.] ([X.]) der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg.

2

Die Arbeitgeberin ist ein Unternehmen der Automobilzulieferindustrie mit zuletzt 327 Mitarbeitern. Sie ist Mitglied im [X.] ist der bei ihr gebildete Betriebsrat.

3

Am 16. September 2003 schlossen der [X.] und die [X.] den räumlich für das [X.] geltenden [X.] ([X.]) sowie den [X.] zum [X.] ([X.]). Bei der Arbeitgeberin fand die Einführung des [X.] am 1. Januar 2008 statt. In diesem Tarifvertrag ist bestimmt:

        

„...   

        

§ 4     

        

Grundsätze der Grundentgeltermittlung

        

4.1     

Grundlage für die Ermittlung des Grundentgeltanspruchs des/der Beschäftigten gemäß § 9.1 ist die eingestufte Arbeitsaufgabe.

        

4.2     

Die Arbeitsaufgabe wird durch die [X.] bestimmt. Sie wird ganzheitlich betrachtet. Zu ihrer Einstufung werden alle übertragenen Teilaufgaben im Rahmen der folgenden Bestimmungen berücksichtigt.

        

...     

        
        

§ 7     

        

Paritätische Kommission

        

7.1     

In den Betrieben wird eine paritätisch besetzte Einstufungs- bzw. Reklamationskommission (im Folgenden: Paritätische Kommission) gebildet (siehe auch § 8).

        

7.1.1 

Die Paritätische Kommission besteht aus je drei Vertretern des Arbeitgebers einerseits sowie der Beschäftigten andererseits. Mindestens ein Vertreter der Beschäftigten muss dem Betriebsrat angehören.

        

7.1.2 

Die Vertreter des Arbeitgebers werden von diesem, die Vertreter der Beschäftigten vom Betriebsrat bestimmt. Beide Seiten benennen eine entsprechende Anzahl von Stellvertretern.

                 

...     

        

7.2     

Aufgaben der Paritätischen Kommission

        

7.2.1 

Der Paritätischen Kommission obliegt die

                 

-       

Einstufung bestehender, aber nicht bewerteter Arbeitsaufgaben,

                 

-       

Einstufung neu entstehender oder veränderter Arbeitsaufgaben,

                 

soweit dieser Tarifvertrag ihr nicht weitere Aufgaben zuweist.

        

7.2.2 

Sie ist darüber hinaus berechtigt, von Fall zu Fall bestehende Einstufungen zu überprüfen, sofern dargelegt werden kann, dass sich auf Grund veränderter Anforderungen eine Veränderung der Einstufung ergeben könnte.

        

7.3     

Entscheidungsfindung in der Paritätischen Kommission

        

7.3.1 

Der Arbeitgeber übergibt der Paritätischen Kommission zur Vorbereitung der Entscheidung die entsprechenden Unterlagen (§ 6.4) und teilt die vorläufige Einstufung mit.

                 

Jede Seite der Paritätischen Kommission kann unter Angabe von Gründen vom Arbeitgeber die Überprüfung der Beschreibung der Arbeitsaufgabe hinsichtlich ihrer Übereinstimmung mit der übertragenen Arbeitsaufgabe und ggf. die Überarbeitung der Beschreibung verlangen.

                 

...     

        

7.3.3 

Kommt es in der Paritätischen Kommission zu keiner Einigung, so wird auf Antrag einer Seite je ein sachkundiger stimmberechtigter Vertreter der Tarifvertragsparteien hinzugezogen (erweiterte Paritätische Kommission).

        

7.3.4 

Kommt nach eingehender Beratung in dieser erweiterten Paritätischen Kommission eine einheitliche oder mehrheitliche Meinung nicht zu Stande, wird auf Antrag einer Seite eine Schiedsstelle gebildet.

                 

…       

                 

Der Vorsitzende der Schiedsstelle unternimmt zunächst einen Vermittlungsversuch. Scheitert dieser, so entscheidet die Schiedsstelle sowohl bezüglich der Merkmalstufen als auch der [X.] im Rahmen der gestellten Anträge.

                 

Die Entscheidung ist durch den Vorsitzenden binnen einer Frist von drei Wochen schriftlich zu begründen.

                 

…       

        

7.3.7 

Mit der Entscheidung der Paritätischen Kommission nach § 7.3.1, der erweiterten Paritätischen Kommission nach § 7.3.3, der Schiedsstelle nach § 7.3.4 oder der erweiterten Paritätischen Kommission nach § 7.3.5 ist das Einstufungsverfahren abgeschlossen.

                 

Die Entscheidung ist damit verbindlich, sofern nicht - binnen einer Frist von zwei Wochen nach der Entscheidung bzw. dem Vorliegen der Begründung - Arbeitgeber oder Betriebsrat beim Arbeitsgericht die Feststellung beantragen, dass die Entscheidung unverbindlich ist, weil ein Verfahrensfehler vorliegt oder die Bewertung unter grober Verkennung der Grundsätze in §§ 4 - 6 vorgenommen worden ist.

        

7.3.8 

Wird die Entscheidung aufgehoben, ist die Arbeitsaufgabe durch die Paritätische Kommission unter Beachtung der gerichtlichen Begründung erneut zu bewerten.

                 

...     

        

§ 8     

        

Vereinfachtes Einstufungsverfahren

        

8.1     

In Betrieben mit bis zu 500 Beschäftigten, in konzernabhängigen Betrieben mit bis zu 300 Beschäftigten, wird keine ständige Paritätische Kommission gebildet.

        

8.2     

An ihrer Stelle übernimmt der Betriebsrat die Entgegennahme der Mitteilung des Arbeitgebers über die:

                 

-       

Einstufung bestehender, aber noch nicht bewerteter Arbeitsaufgaben;

                 

-       

Einstufung neu entstehender oder veränderter Arbeitsaufgaben.

                 

Dabei sind die entsprechenden Unterlagen gemäß § 6.4 zu übergeben.

                 

Die Einstufung des Arbeitgebers ist verbindlich.

                 

Führt die Einstufung des Arbeitgebers zu einer niedrigeren als der bisherigen, wird sie erst nach Ablauf von 8 Wochen wirksam. Bei Reklamation durch den Betriebsrat gemäß § 10 verlängert sich diese Frist bis zur Beendigung des Reklamationsverfahrens, jedoch längstens auf insgesamt 5 Monate.

                 

...     

        

§ 9     

        

Grundentgeltanspruch der Beschäftigten

        

9.1     

Der Beschäftigte hat Anspruch auf das Grundentgelt derjenigen [X.], die der Einstufung der im Rahmen der festgelegten [X.] ausgeführten Arbeitsaufgabe entspricht.

                 

...     

        

§ 10   

        

Reklamation

        

10.1   

Beschäftigte oder Betriebsrat können die mitgeteilte [X.] (siehe § 9.2) schriftlich beim Arbeitgeber reklamieren.

                 

Bei der Reklamation ist schriftlich oder mündlich darzulegen, dass - und aus welchen Gründen - die [X.] nicht zutreffend sein soll.

        

10.2   

Nach der Reklamation ist die [X.] und ggf. die Einstufung der Arbeitsaufgabe durch den Arbeitgeber zu überprüfen.

                 

Dies soll in der Regel innerhalb von 2 Monaten erfolgen.

                 

Das Ergebnis der Überprüfung ist dem Beschäftigten und dem Betriebsrat unverzüglich schriftlich mitzuteilen.

        

10.3   

Wird über das Ergebnis der Überprüfung kein Einverständnis erzielt, erfolgt eine weitere Überprüfung der Einstufung in der Paritätischen Kommission (§ 7.1 bzw. § 8.3).

                 

In diesem Fall hat der Arbeitgeber, soweit nicht vorhanden, eine Aufgabenbeschreibung anzufertigen, in der die im Rahmen der festgelegten [X.] ausgeführte Arbeitsaufgabe dargestellt ist. Die entsprechenden Unterlagen gemäß § 6.4 sind der Paritätischen Kommission zu übergeben.

        

10.4   

Kommt es in der Paritätischen Kommission zu keiner Einigung, ist entsprechend § 7.3.3 ff. zu verfahren.

        

10.5   

Führt die Überprüfung zu einer höheren [X.], so gilt diese ab dem Zeitpunkt der Reklamation.

        

10.6   

Führt die Überprüfung zu einer niedrigeren [X.], so gilt diese ab dem Zeitpunkt der verbindlichen Entscheidung.

        

10.7   

Der Beschäftigte kann im Hinblick auf das Ergebnis der Überprüfung den Rechtsweg beschreiten.

                 

Er kann jedoch nur geltend machen, dass ein Verfahrensfehler vorliegt oder die Bewertung unter grober Verkennung der Grundsätze der §§ 4 - 6 vorgenommen worden ist.“

4

Im [X.] ist bestimmt:

        

„§ 3   

        

Sachliche Voraussetzungen zur Einführung des [X.]

        

...     

        
        

3.2     

Ersteinstufung

        

3.2.1 

Grundlage für die Einführung des [X.] ist die Neubewertung der betrieblichen Arbeitsaufgaben. Bis zum Einführungsstichtag soll möglichst eine verbindliche, muss jedoch zumindest eine vorläufige Einstufung des Arbeitgebers vorliegen.

                 

…       

        

3.2.3 

Verbindliche Einstufungen können innerhalb einer Frist von 3 Jahren nach der betrieblichen ERA-Einführung nur mit der Begründung reklamiert werden, dass die im Rahmen der festgelegten [X.] ausgeführte Arbeitsaufgabe nicht der bewerteten Arbeitsaufgabe entspricht.

        

…“    

        

5

Zur Vorbereitung der Einführung des [X.] hatte die Arbeitgeberin im Jahre 2006 die Arbeitsaufgaben der Beschäftigten bewertet und eingestuft. Ende November 2007 teilte sie ihnen die Zusammensetzung ihres Entgelts nach der [X.] mit. Daraufhin reklamierten im Januar 2008 insgesamt 40 Arbeitnehmer gemeinsam mit dem Betriebsrat die erfolgten Einstufungen mit der jeweils im Einzelnen näher dargelegten Begründung, die Arbeitgeberin habe bei der Bewertung der Arbeitsaufgaben nicht alle tatsächlich ausgeführten Tätigkeiten ausreichend berücksichtigt. Der Betriebsrat leitete die Reklamationsscheine an die Arbeitgeberin weiter und forderte diese in einem Begleitschreiben auf, die [X.] und gegebenenfalls die Einstufung der Arbeitsaufgabe zu überprüfen. Anfang Mai 2008 wies die Arbeitgeberin die Reklamationen gegenüber den Arbeitnehmern zurück und teilte dies zugleich dem Betriebsrat mit. Dessen Forderung, den Fall zur weiteren Behandlung an die [X.] zu übergeben, lehnte sie ab.

6

Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, die [X.] habe im Reklamationsverfahren auch zu prüfen, ob die tatsächlich ausgeführten mit den bewerteten Arbeitsaufgaben übereinstimmen. Die Arbeitgeberin habe ihr deshalb die schriftlichen Arbeitsaufgabenbeschreibungen, die Begründungen für die Aufgabenbewertungen sowie die Reklamationsscheine zu übergeben. Des Weiteren habe sie die von ihr entsandten Mitglieder der [X.] anzuweisen, die Reklamationen unter formellen und materiellen Gesichtspunkten zu prüfen und über sie zu entscheiden.

7

Der Betriebsrat hat zuletzt beantragt,

        

1.    

der Arbeitgeberin aufzugeben, der bei ihr gebildeten Paritätischen Kommission die Beschreibung der Arbeitsaufgaben und die Bewertungsbegründung für diejenigen Arbeitsplätze, auf denen am 27. November 2007 die in Anlage 1 zur Antragsfassung vom 10. März 2009 genannten Arbeitnehmer eingesetzt waren und die Reklamationsscheine dieser Arbeitnehmer zu übergeben;

        

2.    

der Arbeitgeberin aufzugeben, die von ihr in die tarifliche Paritätische Kommission entsandten Mitglieder anzuweisen, alle bei ihr gegen die mitgeteilten Einstufungen eingegangenen Reklamationen, soweit die Antragsgegnerin ihnen nicht stattgegeben hat, unter formellen (Reklamationsbefugnis, Schriftform, schriftliche oder mündliche Darlegung der Reklamationsgründe) und materiellen (insbesondere der Prüfung der Übereinstimmung der zugrunde gelegten Arbeitsaufgabenbeschreibung mit der tatsächlich ausgeführten Arbeitsaufgabe) Gesichtspunkten zu prüfen und zu entscheiden;

        

3.    

festzustellen, dass die Prüfungskompetenz der nach den Regelungen des [X.] bei der Antragsgegnerin gebildeten Paritätischen Kommission sich auch auf die Prüfung der Übereinstimmung der zugrunde gelegten Arbeitsaufgabenbeschreibung mit der tatsächlich ausgeführten Arbeitsaufgabe erstreckt.

8

Die Arbeitgeberin hat beantragt, die Anträge abzuweisen.

9

Das Arbeitsgericht hat den Anträgen zu 1 und zu 3 stattgegeben und den Antrag zu 2 abgewiesen. Gegen den Beschluss haben beide Beteiligten im Umfang ihres jeweiligen Unterliegens Beschwerde eingelegt. Das [X.] hat den Anträgen insgesamt stattgegeben und die Beschwerde der Arbeitgeberin zurückgewiesen. Mit ihrer Rechtsbeschwerde verfolgt diese ihren Abweisungsantrag weiter.

B. Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin hat teilweise Erfolg. Der Antrag zu 2 ist unbegründet, der Antrag zu 3 ist unzulässig. Soweit sie sich gegen den Antrag zu 1 wendet, ist die Rechtsbeschwerde unbegründet.

I. Das [X.] hat über die Anträge zutreffend im Beschlussverfahren entschieden. Es handelt sich um eine Angelegenheit aus dem [X.] iSd. § 2a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG. Dies ist nicht nur der Fall, wenn die durch das [X.] geregelte Ordnung des Betriebs und die gegenseitigen Rechte und Pflichten der Betriebsparteien als Träger dieser Ordnung im Streit sind, sondern auch dann, wenn es um Rechte betriebsverfassungsrechtlicher Organe geht, die ihre Grundlage in Tarifverträgen haben ([X.] 31. März 2001 - 1 [X.] [X.] der Gründe, [X.]E 97, 167). Der Betriebsrat beruft sich hier auf Rechtspositionen, die er durch den [X.] begründet sieht. Dieser ergänzt in den §§ 7 ff. die gesetzlichen Mitbestimmungsrechte aus §§ 99 ff. [X.] bei Ein- und [X.], ohne diese jedoch auszuschließen ([X.] 12. Januar 2011 - 7 [X.] - Rn. 28 ff., EzA [X.] 2001 § 99 Eingruppierung Nr. 8). Eine derartige Ergänzung der Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten ist zulässig (vgl. [X.] 24. August 2004 - 1 ABR 28/03 - [X.]E 111, 350).

II. Der Betriebsrat ist [X.]. Er macht mit seinen Anträgen geltend, ihm seien durch den [X.] eigene Rechte eingeräumt worden. Ob diese tatsächlich bestehen, ist eine Frage der Begründetheit der Anträge.

III. In dem Verfahren war die [X.] nicht nach § 83 Abs. 3 ArbGG zu hören. Diese ist nicht beteiligtenfähig iSd. § 10 Satz 1 Halbs. 2 ArbGG, weil sie nicht selbst Träger eigener betriebsverfassungsrechtlicher Rechte ist. Der [X.] hat vielmehr den Betriebsparteien die das [X.] ergänzenden Rechte und Pflichten bei Ein- und [X.] zugewiesen und die [X.]en lediglich als Einrichtung zur Lösung von Meinungsverschiedenheiten in diesen Fragen geschaffen. Eine Übertragung eigener betriebsverfassungsrechtlicher Rechte an die [X.] ist damit jedoch nicht verbunden.

IV. Der Antrag zu 1 ist zulässig und begründet.

1. Er erfüllt die Anforderungen des auch im Beschlussverfahren anwendbaren § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Unterlagen, welche die Arbeitgeberin der [X.] übergeben soll, sind hinreichend bestimmt bezeichnet. Aus dem Vorbringen des Betriebsrats ist ersichtlich, auf welche Reklamationen sich das Begehren bezieht.

2. Der Antrag zu 1 ist begründet.

a) Der Betriebsrat hat bei einer Reklamation der dem Arbeitnehmer mitgeteilten [X.] gemäß § 10.3 Abs. 2 Satz 2 iVm. § 6.4 [X.] einen Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Übergabe der schriftlichen Beschreibung und Bewertung der Arbeitsaufgaben des betreffenden Arbeitnehmers an die [X.], wenn - wie hier - über das Ergebnis der Überprüfung gemäß § 10.2 [X.] kein Einverständnis erzielt wird und daher eine weitere Überprüfung der Einstufung in der [X.] erfolgt. Dieser sind des Weiteren die Reklamationsscheine zuzuleiten, aus denen sich die Gründe für die Reklamation ergeben, weil nur dann eine sachgerechte Prüfung der Einwände möglich ist. Der Anspruch auf Übergabe der Unterlagen an die [X.] steht dem Betriebsrat zu, da die [X.] selbst nicht Träger eigener betriebsverfassungsrechtlicher Rechte und Pflichten ist.

b) Die Arbeitgeberin kann die Übergabe der Unterlagen und damit die Überprüfung der Reklamation durch die [X.] nicht mit der Begründung ablehnen, diese sei hierfür nicht zuständig. Hierüber hat die [X.] selbst zu befinden. Der [X.] weist der Arbeitgeberin insoweit kein Vorprüfungsrecht zu. Wird über die Zulässigkeit des Reklamationsverfahrens in der [X.] keine Einigung erzielt, tritt auf Antrag einer Seite die erweiterte [X.] nach § 10.4 iVm. § 7.3.3 [X.] zusammen. Kommt auch dort keine einheitliche oder mehrheitliche Meinung zustande, wird auf Antrag einer Seite eine Schiedsstelle gebildet. Nach § 7.3.7 [X.], auf den in § 10.4 [X.] verwiesen ist, können Arbeitgeber und Betriebsrat die Entscheidung der Schiedsstelle gerichtlich überprüfen lassen. In diesem Verfahren ist dann auch über die Zulässigkeit des Reklamationsverfahrens zu entscheiden, weil es sich hierbei um eine Verfahrensfrage handelt, die nach § 7.3.7 [X.] der gerichtlichen Überprüfung unterliegt.

V. Der Antrag zu 2 ist zulässig, aber unbegründet.

1. Mit dem Antrag zu 2 verlangt der Betriebsrat, der Arbeitgeberin aufzugeben, die von ihr in die [X.] entsandten Mitglieder anzuweisen, alle bei ihr gegen die mitgeteilten Einstufungen eingegangenen Reklamationen, soweit sie ihnen nicht stattgegeben hat, unter formellen und materiellen Gesichtspunkten zu prüfen und hierüber zu entscheiden. Dem Betriebsrat geht es damit - wie er in der Anhörung vor dem Arbeitsgericht klargestellt hat - darum, dass die Arbeitgeberin ihren Vertretern in der [X.] die Weisung erteilt, zu den streitigen Punkten zu verhandeln und an der Abstimmung hierüber teilzunehmen. So verstanden ist der Antrag hinreichend bestimmt.

2. Der Antrag ist jedoch unbegründet. Der [X.] enthält für das Begehren des Betriebsrats keine Rechtsgrundlage.

a) Der [X.] ergänzt die gesetzlichen Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei Ein- und [X.] und sieht für Fälle fehlender Übereinstimmung der Betriebsparteien bei Einstufungen und Reklamationen sowie bei Reklamationen durch Beschäftigte die Bildung einer [X.] zur Herbeiführung einer Einigung vor. So hat nach § 10.3 [X.] eine weitere Überprüfung der Einstufung in der [X.] zu erfolgen, wenn im Falle einer Reklamation über das Ergebnis der Überprüfung kein Einverständnis erzielt wird. Zur effektiven Durchführung dieses tariflichen Regelungsauftrags hat der Betriebsrat das Recht, vom Arbeitgeber die Benennung und Entsendung von Vertretern in die [X.] verlangen zu können. Andernfalls könnte der Arbeitgeber die Bildung der tarifvertraglich vorgesehenen [X.] verhindern.

b) Der Betriebsrat kann jedoch vom Arbeitgeber nicht die Erteilung bestimmter Weisungen an die von ihm entsandten Vertreter fordern. Das Verfahren in der [X.] bezweckt eine betriebsnahe einfache Konfliktlösung in Fällen der Ein- und Umgruppierung. Dabei gehen die Tarifvertragsparteien davon aus, dass die Mitglieder der [X.] aktiv und weisungsungebunden an der Lösung streitiger [X.] mitwirken. Den Fall der Passivität oder des bewussten Fernbleibens von Sitzungen der [X.] haben sie nicht bedacht. Insoweit besteht eine unbewusste Regelungslücke, die von den Gerichten für Arbeitssachen zu schließen ist, weil sich unter Berücksichtigung von Treu und Glauben ausreichende Anhaltspunkte für den mutmaßlichen Willen der Tarifvertragsparteien ergeben (vgl. [X.] 29. April 2004 - 6 [X.] - zu 4 a der Gründe, [X.]E 110, 277). Mit Blick auf die mit dem Verfahren in der [X.] bezweckte einfache Konfliktlösung liegt es nahe, die bestehende Regelungslücke durch Anwendung der in der betrieblichen Praxis bekannten Verfahrensgrundsätze des Einigungsstellenverfahrens zu schließen. [X.] sich die Vertreter einer Seite, in der [X.] an einer Abstimmung teilzunehmen, sind daher entsprechend den zu § 76 Abs. 5 Satz 2 [X.] entwickelten Grundsätzen nur die tatsächlich abgegebenen Stimmen zu zählen (vgl. [X.] 17. September 1991 - 1 [X.] - zu [X.] der Gründe, [X.]E 68, 277; [X.]/[X.] 12. Aufl. § 76 Rn. 78; [X.] 25. Aufl. § 76 Rn. 74; [X.]/[X.] 11. Aufl. § 76 [X.] Rn. 20; [X.] GK-[X.] 9. Aufl. § 76 Rn. 111; [X.] [X.] 12. Aufl. § 76 Rn. 103, die Stimmenthaltungen als Nein-Stimmen werten). Dies bewirkt für die Mitglieder der [X.] einen Mitwirkungszwang und verhindert eine Blockade des Reklamationsverfahrens durch eine der Betriebsparteien, weil die erschienenen und abstimmungswilligen Mitglieder der [X.] eine Sachentscheidung herbeiführen können.

VI. Der zu 3 gestellte Feststellungsantrag ist unzulässig. Er ist nicht auf die Feststellung eines Rechtsverhältnisses iSv. § 256 Abs. 1 ZPO gerichtet.

1. Nach dieser auch im Beschlussverfahren anwendbaren Vorschrift kann die gerichtliche Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses beantragt werden, wenn der Antragsteller ein rechtliches Interesse an der entsprechenden richterlichen Entscheidung hat. Ein Rechtsverhältnis ist jede durch die Herrschaft einer Rechtsnorm über einen konkreten Sachverhalt entstandene rechtliche Beziehung einer Person zu einer anderen Person oder zu einer Sache. Der Antrag nach § 256 Abs. 1 ZPO muss sich dabei nicht notwendig auf das Rechtsverhältnis als Ganzes erstrecken. Er kann sich auch auf daraus folgende einzelne Beziehungen, Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Rechtspflicht beschränken. Bloße Elemente oder Vorfragen eines Rechtsverhältnisses können jedoch ebenso wie abstrakte Rechtsfragen nicht Gegenstand eines Feststellungsantrags sein. Das liefe auf die Erstellung eines Rechtsgutachtens hinaus, was den Gerichten verwehrt ist ([X.] 14. Dezember 2010 - 1 [X.] - Rn. 12, [X.] 2002 § 256 Nr. 10).

2. Nach diesen Grundsätzen ist der Antrag zu 3 nicht auf die Feststellung einer rechtlichen Beziehung einer Person (des Betriebsrats) zu einer anderen Person (der Arbeitgeberin) gerichtet. Es geht dem Betriebsrat vielmehr um die Feststellung des Umfangs der Prüfungskompetenz der [X.] und dabei konkret um die Frage, ob sich diese auch auf die Prüfung der Übereinstimmung der zugrunde gelegten Arbeitsaufgabenbeschreibung mit der übertragenen Arbeitsaufgabe erstreckt. Das betrifft kein Rechtsverhältnis, sondern zielt auf die Erstattung eines Rechtsgutachtens zum Umfang der Prüfungskompetenz der [X.].

        

    Schmidt    

        

    Koch    

        

    Linck    

        

        

        

    Platow    

        

    [X.]    

                 

Meta

1 ABR 30/10

16.08.2011

Bundesarbeitsgericht 1. Senat

Beschluss

Sachgebiet: ABR

vorgehend ArbG Ulm, 10. März 2009, Az: 2 BV 8/08, Beschluss

§ 1 TVG, § 2a ArbGG, § 10 ArbGG, § 256 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 16.08.2011, Az. 1 ABR 30/10 (REWIS RS 2011, 4010)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 4010

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Leistungsbeurteilung - paritätische Kommission


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