Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.10.2014, Az. 2 StR 337/14

2. Strafsenat | REWIS RS 2014, 2379

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Gegenstand

Anfrage beim Großen Senat für Zivilsachen und den anderen Strafsenaten: Berücksichtigung der Vermögenslage des Geschädigten und des Schädigers bei Zuerkennung eines Schmerzensgeldanspruchs im Adhäsionsverfahren


Tenor

1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 12. Mai 2014 wird verworfen, soweit sie sich gegen den Schuldspruch und den Strafausspruch richtet.

2. Die Entscheidung über die Revision des Angeklagten gegen die im vorbezeichneten Urteil getroffene Adhäsionsentscheidung sowie über die Kosten des Rechtsmittels bleibt einer abschließenden Entscheidung vorbehalten.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen, versuchten schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern und mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen, und wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es den Angeklagten verurteilt, an die Neben- und Adhäsionsklägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 5.000 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 6. Februar 2014 zu zahlen, dieses Urteil gegen eine Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärt, sowie festgestellt, dass der Angeklagte verpflichtet ist, "sämtliche zukünftig noch entstehenden materiellen und immateriellen Schäden aus den obigen Taten zu ersetzen, soweit diese nicht auf den Sozialversicherungsträger übergegangen sind".

2

Die gegen dieses Urteil gerichtete, auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 [X.], soweit sie sich gegen den Schuldspruch und den Strafausspruch richtet (1.); im Übrigen bleibt die Entscheidung über die Revision des Angeklagten einer abschließenden Entscheidung des [X.]s nach Durchführung des Anfrage- und [X.]s gemäß § 132 [X.] vorbehalten (2. und 3.).

3

1. Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Sachrüge hat hinsichtlich des Schuld- und Strafausspruchs keinen den Angeklagten [X.] Rechtsfehler ergeben.

4

2. Indes begegnet nach Ansicht des [X.]s die Entscheidung über die Entschädigung der Verletzten (§ 406 [X.]) in mehrfacher Hinsicht rechtlichen Bedenken.

5

a) Soweit das [X.] ausgeführt hat, künftige materielle und immaterielle Schäden seien bei der Nebenklägerin "denkbar", genügt dies - worauf der [X.] zu Recht hinweist - nicht den [X.] bei Feststellung einer Ersatzpflicht für künftige Schäden (vgl. nur [X.], Beschluss vom 26. September 2013 - 2 StR 306/13 juris Rn. 12 mwN); im Übrigen geht der Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens nicht auf den Sozialversicherungsträger über ([X.]/[X.], [X.], 74. Aufl., vor § 249 Rn. 117).

6

b) Im Übrigen hat das [X.] bei der Bemessung der Höhe des Schmerzensgeldes neben den [X.] und den Folgen der Taten für die Geschädigte ausdrücklich auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten, der nach den Feststellungen als Montierer angestellt ist und 860 Euro monatlich netto verdient, und, wenn auch nicht näher erläutert, der Geschädigten abgestellt. Dies wäre im Ansatz nach der bisherigen Rechtsprechung des [X.] nicht zu beanstanden, da die Strafsenate des [X.] vor dem Hintergrund der Entscheidung des [X.] vom 6. Juli 1955 - [X.] ([X.], 149, 159 ff.) die Erörterung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers und des Geschädigten regelmäßig für erforderlich erachten (vgl. nur [X.], Beschlüsse vom 2. September 2014 - 3 [X.] und vom 18. Juni 2014 - 4 [X.] juris Rn. 3; [X.], Urteil vom 5. März 2014 - 2 StR 503/13, insoweit in NStZ-RR 2014, 185 nicht abgedruckt).

7

Der [X.] beabsichtigt jedoch, diese Rechtsprechung aufzugeben, da es nach seiner Auffassung bei der Bemessung der billigen Entschädigung in Geld (§ 253 Abs. 2 [X.]) weder auf die Vermögenslage der Geschädigten noch die des Schädigers ankommen darf. Unter dieser Prämisse würde der Adhäsionsausspruch auf der Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten auch der Höhe nach beruhen. Der [X.] kann zumindest nicht ausschließen, dass das [X.] auf ein niedrigeres Schmerzensgeld erkannt hätte, wenn es die wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse der Beteiligten nicht berücksichtigt hätte, zumal nicht erkennbar ist, ob es diese als anspruchserhöhend oder anspruchsmindernd gewertet hat. Da der [X.] die Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse schon an sich für verfehlt hält, kann insoweit dahinstehen, ob - wie der [X.] meint - die diesbezüglich getroffenen Feststellungen unzureichend sind.

8

Der [X.] kann allerdings die Adhäsionsentscheidung insoweit nicht aufheben und gemäß § 406 Abs. 1 Satz 3 [X.] von einer Entscheidung absehen bzw. eine Grundentscheidung treffen, ohne von der geschilderten Rechtsprechung abzuweichen. Er hat deshalb mit Beschluss vom gleichen Tag (2 [X.] und 337/14), auf dessen Gründe insoweit Bezug genommen wird, bei den anderen Strafsenaten sowie dem Großen [X.] für Zivilsachen gemäß § 132 [X.] angefragt, ob an entgegenstehender Rechtsprechung festgehalten wird.

9

3. Da auf Grund des [X.]s über die Revision des Angeklagten, soweit sie die Adhäsionsentscheidung betrifft, voraussichtlich nicht in absehbarer [X.] entschieden werden kann, hält der [X.] eine Entscheidung über den "entscheidungsreifen" strafrechtlichen Teil des angefochtenen Urteils für zulässig und geboten.

a) Eine Teilerledigung, die zur Herbeiführung von Teilrechtskraft führt, ist nur dann zulässig, wenn der rechtskräftige ebenso wie der nichtrechtskräftige [X.] von dem übrigen Urteilsinhalt losgelöst, selbständig geprüft und rechtlich beurteilt werden kann; die Grenzen bestimmen sich nach denselben Grundsätzen, nach denen sich die Wirksamkeit der [X.] beurteilt (vgl. [X.], Urteil vom 6. Juli 2004 - 4 [X.], [X.]St 49, 209, 211; Beschluss vom 20. Januar 2011 - 4 [X.]; LR/[X.], 26. Aufl., § 353 Rn. 5; [X.], [X.], 57. Aufl., § 353 Rn. 6; KK-Gericke, [X.], 7. Aufl., § 353 Rn. 10, jeweils mwN).

Gemessen daran können hier der strafrechtliche Teil des Urteils und die Adhäsionsentscheidung selbständig geprüft und beurteilt werden. Nach der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung des § 406a Abs. 2 Satz 1 [X.] kann der Angeklagte die stattgebende Entscheidung über die Entschädigung auch ohne den strafrechtlichen Teil des Urteils mit dem sonst nach der [X.] zulässigen Rechtsmittel anfechten, über den dann isoliert entschieden werden kann.

b) Im vorliegenden Fall gebieten auch schwerwiegende Interessen des Revisionsführers ein Abweichen von der gesetzlichen Regel einer einheitlichen Entscheidung durch das Revisionsgericht (vgl. §§ 353, 354 [X.]) durch "horizontale" Teilentscheidung (vgl. [X.], Urteil vom 6. Juli 2004 - 4 [X.], [X.]St 49, 209, 212 f.; Beschluss vom 20. Januar 2011 - 4 [X.]; [X.], Beschlüsse vom 19. November 2004 - 2 [X.], vom 20. August 2004 - 2 [X.] und 2 [X.]). Die Dauer des Anfrage- und [X.]s ist - zumal bei Beteiligung des [X.] - nicht absehbar. Zwar stellt die Durchführung eines Anfrage- und [X.]s nach § 132 [X.] keine prozessordnungswidrige, rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung dar. Im Hinblick auf das verfassungsrechtliche (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) und in Art. 6 Abs. 1 Satz 1 [X.] ausdrücklich normierte Beschleunigungsgebot hält es der [X.] indes nicht für vertretbar, das Verfahren, obwohl es zum - für den Angeklagten im Vordergrund seines Rechtsmittels stehenden - Schuldspruch und Strafausspruch entscheidungsreif ist, bis zum Abschluss des Anfrage- und [X.]s nicht weiter zu betreiben. Er entscheidet daher über den Schuldspruch und den Strafausspruch vorab und wird entsprechend § 406a Abs. 2 Satz 2 [X.] eine isolierte Entscheidung über den Adhäsionsausspruch treffen, sobald das [X.] abgeschlossen ist.

4. Der [X.] hat durch [X.] vom 8. Oktober 2014 das hiesige Verfahren zum Verfahren 2 [X.]/14 hinzuverbunden, um für die Durchführung des [X.] eine breitere Beurteilungsgrundlage zu schaffen. Er ist dadurch nicht gehindert, über die Rechtsmittel jeweils durch Beschluss zu entscheiden, da auch bei einer solchen Verbindung entsprechend § 237 [X.] in jeder Sache gesonderte Erkenntnisse ergehen (vgl. LR/[X.], 26. Aufl., § 237 Rn. 3, 17; [X.]/[X.], [X.], 57. Aufl., § 237 Rn. 8, beide mwN).

Fischer                               [X.]

                 [X.]

Meta

2 StR 337/14

08.10.2014

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Meiningen, 12. Mai 2014, Az: 455 Js 633/13 - 1 KLs

§ 406 Abs 1 S 3 StPO, § 132 GVG, § 253 Abs 2 BGB, § 176 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.10.2014, Az. 2 StR 337/14 (REWIS RS 2014, 2379)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 2379


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 2 StR 337/14

Bundesgerichtshof, 2 StR 337/14, 06.06.2018.

Bundesgerichtshof, 2 StR 337/14, 08.10.2014.


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