Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.05.2017, Az. 2 StR 337/14

2. Strafsenat | REWIS RS 2017, 11130

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:110517B2STR337.14.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 337/14
vom
11. Mai
2017
in der Strafsache
gegen

wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.

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2
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Der 2. Strafsenat des [X.] hat am 11. Mai
2017
gemäß §
406a Abs.
2 Satz
2 StPO beschlossen:

1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 12. Mai 2014 im [X.] dahin geändert,
dass an die Stelle der Verurteilung des Ange-klagten zur Zahlung eines auf 5.000 Euro bezifferten [X.] nebst Zinsen und der dazugehörigen Vollstreckbar-keitserklärung der Ausspruch tritt:

D.

gegen den Ange-
klagten erhobene Anspruch auf Schmerzensgeld ist dem Grunde nach gerechtfertigt.
Im Übrigen wird von einer Ent-scheidung über den [X.] abgesehen.

Die weitergehende Revision wird verworfen.
2.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der
Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:
Das [X.] hatte den Angeklagten durch Urteil vom 12.
Mai 2014
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuel-lem Missbrauch von Schutzbefohlenen, des versuchten schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern 1
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und mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen und des sexuellen [X.] in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten sowie zur Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von 5.000 Euro an die Nebenklägerin verurteilt. Darüber hinaus hat das [X.] die Ersatzpflicht des Angeklagten für sämtliche zukünftig noch ent-stehenden materiellen und immateriellen Folgeschäden aus den Taten [X.], soweit diese nicht auf Sozialversicherungsträger übergegangen sind. Mit Beschluss vom 8.
Oktober 2014
hat der Senat die Revision des Angeklagten verworfen, soweit sie sich gegen den Schuld-
und Strafausspruch richtete. [X.] hat er die Entscheidung über die Revision gegen die im vorbezeichneten Urteil getroffene Adhäsionsentscheidung sowie über die Kosten des Rechtsmit-tels im Hinblick auf das mit Beschluss vom 8.
Oktober 2014

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StR 137/14 u.a. (NStZ-RR 2015, 382) bei den anderen Strafsenaten und beim [X.] für Zivilsachen eingeleitete Anfrageverfahren zur Frage der Bemessung eines Schmerzensgeldes zurückgestellt und sie einer abschließenden Entscheidung vorbehalten. Nach der Entscheidung der Vereinigten [X.]e des Bun-desgerichtshofs vom 16.
September 2016

[X.] ([X.], 179), bei dem der Senat mit Beschluss vom 14.
April 2016

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StR 137/14 u.a. die Frage vor-gelegt hatte, ob bei der Bemessung der billigen Entschädigung in Geld (§
253 Abs.
2 BGB) die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers und des Geschä-digten berücksichtigt werden dürfen und wenn ja, nach welchen Maßstäben, war nunmehr über die gegen die Adhäsionsentscheidung gerichtete Revision des Angeklagten zu entscheiden.

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I.
Die Vereinigten [X.]e haben entschieden, dass bei der [X.] einer billigen Entschädigung in Geld nach §
253 Abs.
2 BGB (§
847 BGB a.F.) alle Umstände des Falles berücksichtigt und dabei die [X.]n Verhältnisse des Schädigers und des Geschädigten nicht von vornherein ausgeschlossen werden können ([X.], Beschluss vom 16.
September 2016

[X.]).
Das Schmerzensgeld hat nach ständiger Rechtsprechung des Bundes-gerichtshofs rechtlich eine doppelte Funktion. Es soll dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich bieten für diejenigen Schäden, für diejenige [X.], die nicht vermögensrechtlicher Art sind (Ausgleichsfunktion). Es soll aber zugleich dem Gedanken Rechnung tragen, dass der Schädiger dem [X.] für das, was er ihm angetan hat, Genugtuung schuldet (Genugtu-ungsfunktion, st. Rspr., grundlegend [X.], Großer Senat für Zivilsachen, Be-schluss vom 6.
Juli 1955

[X.], [X.]Z 18, 149, 154 ff.; [X.], VI.
Zivilsenat, Urteile vom 13.
Oktober 1992

[X.], [X.]Z 120, 1, 4 f.; vom 29.
November 1994

VI
ZR 93/94, [X.]Z 128, 117, 120 f.).

Dabei steht der Entschädigungs-
oder [X.] im [X.]. Im Hinblick auf diese Zweckbestimmung des Schmerzensgeldes bildet die Rücksicht auf Größe, Heftigkeit und Dauer der Schmerzen, Leiden und [X.] die wesentlichste Grundlage bei der Bemessung der billigen [X.]. Für bestimmte Gruppen von immateriellen Schäden hat aber auch die Genugtuungsfunktion, die aus der Regelung der Entschädigung für immate-rielle Schäden nicht wegzudenken ist, eine besondere Bedeutung.
Sie bringt insbesondere bei vorsätzlichen Taten eine durch den [X.] hervorgerufene persönliche Beziehung zwischen Schädiger und Ge-2
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schädigtem zum Ausdruck, die nach der Natur der Sache bei der Bestimmung der Leistung die Berücksichtigung aller Umstände des Falles gebietet ([X.], Großer Senat für Zivilsachen, Beschluss vom 6.
Juli 1955

[X.], [X.]Z 18, 149, 157; VI.
Zivilsenat, Urteil vom 16. Januar 1996

[X.], [X.], 382).
Bei der Bemessung der billigen Entschädigung in Geld stehen deshalb die Höhe und das Maß der Lebensbeeinträchtigung ganz im Vordergrund. [X.] können aber auch alle anderen Umstände berücksichtigt werden, die dem einzelnen Schadensfall sein besonderes Gepräge geben, wie etwa der Grad des Verschuldens des Schädigers, im
Einzelfall aber auch die [X.]n Verhältnisse des Geschädigten oder diejenigen des Schädigers (Vereinig-te Große Senate, Beschluss vom 16.
September 2016

[X.], juris,
Rn.
55). Ein mit zu berücksichtigender Umstand kann dabei die Verletzung [X.] durch einen vermögenden Schädiger etwa bei einem [X.] "wirtschaftlichen Gefälle" sein ([X.], Be-schluss vom 16.
September 2016

[X.], juris, Rn.
57). Indem der
(Tat-)Richter im ersten Schritt alle Umstände des Falles in den Blick nimmt, dann die prägenden Umstände auswählt und gewichtet, dabei gegebenenfalls auch die (wirtschaftlichen) Verhältnisse der Parteien zueinander in Beziehung setzt, ergibt sich im Einzelfall, welche Entschädigung billig ist ([X.], Beschluss vom 16.
September 2016

[X.], juris, Rn. 56, 70).
Zur Überprüfung seiner Entscheidung durch das Revisionsgericht ist der Tatrichter regelmäßig gehalten, die für die Schmerzensgeldbemessung prägen-den einzelnen Umstände, im Regelfall vor allem die Höhe und das Maß der Le-bensbeeinträchtigung, in seiner Entscheidung zu benennen, im Rahmen einer sich daran anschließenden Gesamtwürdigung gegeneinander abzuwägen und daraus ein dem
einzelnen Fall gerecht werdendes Schmerzensgeld festzuset-6
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zen. Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen von Schädiger und Geschädigtem und Ausführungen zu deren Einfluss auf die Bemessung der billigen Entschädigung sind dabei nur geboten, wenn die wirtschaftlichen [X.] dem Einzelfall ein besonderes Gepräge geben und deshalb bei der Entscheidung ausnahmsweise berücksichtigt werden mussten ([X.] Senate, Beschluss vom 16.
September 2016

[X.], juris, Rn. 72).
Für die Überprüfung eines Ausspruchs über die Zuerkennung eines Schmerzensgeldes im Adhäsionsverfahren gilt danach Folgendes:
Die Nichtberücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse von Ange-klagtem
und Tatopfer stellt entgegen der bisherigen Rechtsprechung der Straf-senate des [X.] regelmäßig keinen Rechtsfehler dar. [X.] ist eine Berücksichtigung vonnöten, wenn die wirtschaftlichen [X.] dem Fall ein "besonderes Gepräge" geben. Dies ist etwa bei einem wirtschaftlichen Gefälle anzunehmen. Ausführungen dazu, dass die [X.]n Verhältnisse dem Fall kein
besonderes Gepräge geben, sind regelmäßig nicht erforderlich.
Hat der Tatrichter die wirtschaftlichen Verhältnisse von Angeklagtem oder
Tatopfer, ohne dass diese dem Fall ihr besonderes Gepräge geben, gleichwohl bei der Bemessung des Schmerzensgeldes berücksichtigt, stellt dies regelmäßig einen Rechtsfehler dar, bei dem anhand der tatrichterlichen [X.] im Einzelfall zu prüfen ist, ob die angefochtene Adhäsionsentscheidung darauf zum Nachteil des Angeklagten beruhen kann. Die Berücksichtigung schlechter finanzieller Verhältnisse des Angeklagten wird sich regelmäßig nicht zu seinem Nachteil ausgewirkt haben, hingegen liegt es nahe, dass die Einbe-ziehung einer wirtschaftlich schlechten Situation des [X.] zu einer Erhö-hung des Schmerzensgeldes
geführt und sich nachteilig ausgewirkt hat.
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II.
1. An diesen Maßstäben gemessen begegnet
die Adhäsionsentschei-dung des angefochtenen Urteils durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die Feststellungen tragen die Anordnung
des Schmerzensgeldanspruchs zwar dem Grunde nach, nicht aber in der Höhe.

Das [X.] hat sich bei der Bemessung des Schmerzensgeldes nicht nur an dem Ausmaß des begangenen Tatunrechts und den Folgen für das
Opfer orientiert, sondern hat
auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des
Ange-klagten
und der Geschädigten
bei der Schmerzensgeldbemessung berücksich-tigt. Aus den Urteilsgründen ergeben sich jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass ein außergewöhnliches Gefälle zwischen der wirtschaftlichen Leistungsfä-higkeit von Täter und Opfer und damit ein Fall vorliegt, in dem die [X.] Situation der Sache ein besonderes Gepräge gibt. Zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Angeklagten wird lediglich festgestellt, dass er eine unter-haltsberechtigte Tochter habe und sein Monatslohn 860 Euro betrage. Angaben zu den wirtschaftlichen Verhältnissen der Nebenklägerin fehlen.
Der aufgezeigte Rechtsfehler betrifft jedoch nur die Höhe des Anspruchs, nicht dessen Grund. Auch wenn die Bemessung des [X.] keinen Bestand hat, kann die Zuerkennung des [X.] dem Grunde nach aufrechterhalten bleiben (vgl. Senat, Beschluss vom 14. Oktober 1998 -
2 [X.], [X.]St 44, 202, 203; Urteil vom 19. Februar 2014

2 StR 239/13, NJW 2014, 1544, 1545).
2. Auch die Feststellung der Ersatzpflicht für künftige Schäden
kann nicht bestehen bleiben.
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Eine solche Feststellung setzt voraus, dass aus dem festzustellenden Rechtsverhältnis mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit Ansprüche entstanden sind oder entstehen können. Bei gravierenden Verletzungen kann genügen, dass eine nicht entfernt liegende Möglichkeit künftiger Verwirklichung der Scha-densersatzpflicht durch das Auftreten weiterer Leiden besteht; selbst hier reicht die bloße Möglichkeit eines künftigen Schadenseintritts aber nichts aus (Senat, Urteil vom 27. Februar 2013

2 [X.]/12; Beschluss vom 26. September 2013

2 StR 306/13).
Nach Maßgabe dessen sind die Voraussetzungen für einen Feststel-lungsanspruch den Urteilsgründen nicht zu entnehmen. Die formelhafte [X.] besorgen, das [X.] habe die bloße Möglichkeit zukünftigen Scha-denseintritts für ausreichend erachtet und damit einen falschen rechtlichen Maßstab angelegt. Auch sonst gehen aus dem Urteil keine hinreichend konkre-ten Tatsachen hervor, die für die Annahme eines Dauer-
oder Folgeschadens sprechen könnten.
3. Der Senat hat den Ausspruch über den [X.] entspre-chend geändert und im Übrigen gemäß § 406 Abs. 1 Satz 3 StPO von einer Entscheidung abgesehen.

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III.
Der geringfügige Erfolg des Rechtsmittels des Angeklagten rechtfertigt es nicht, ihn auch nur teilweise von der Kosten-
und Auslagenlast freizustellen (§ 473 Abs. 4 StPO).

Appl

Krehl

Eschelbach

Zeng

Grube

18

Meta

2 StR 337/14

11.05.2017

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.05.2017, Az. 2 StR 337/14 (REWIS RS 2017, 11130)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 11130

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