Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.11.2018, Az. 4 StR 297/18

4. Strafsenat | REWIS RS 2018, 1968

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Strafrechtliche Vermögensabschöpfung im Verfahren wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln: Voraussetzungen und Umfang der Einziehung bei Teileinstellung einzelner Taten


Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 14. Dezember 2017 wird als unbegründet verworfen.

Der Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in elf Fällen unter Einbeziehung einer Freiheitsstrafe aus dem Urteil des [X.] vom 23. September 2016 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Zudem hat es gegen den Angeklagten die Einziehung des Wertes von [X.] in Höhe von 68.750 Euro, ferner gegen ihn und den nicht revidierenden Mitangeklagten die „Einziehung von [X.]“ in Höhe von 550 Euro und die Einziehung sichergestellter Betäubungsmittel und weiterer Gegenstände angeordnet. Gegen die Verurteilung wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.

2

1. Nach den der Verurteilung zugrunde liegenden Feststellungen schlossen sich der Angeklagte und der nicht revidierende Mitangeklagte spätestens im April 2016 mit zwei weiteren Personen zusammen, um gemeinsam und arbeitsteilig Kokain zu erwerben und es in [X.]     und [X.]    gewinnbringend zu verkaufen. Dazu erwarb die Gruppierung, in der der Angeklagte eine Führungsrolle bei der [X.] einnahm, in der [X.] vom 27. Mai bis zum 21. Juli 2016 in mindestens elf Fällen jeweils 100 Gramm Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 90 % [X.] zum Einkaufspreis zwischen 33 Euro und 34 Euro je Gramm Kokain und veräußerte es sodann in unterschiedlich großen Verpackungseinheiten für 20 Euro (0,27 Gramm Kokain), 25 Euro (0,4 Gramm Kokain) und 50 Euro (0,75 bis 0,8 Gramm Kokain) mit Gewinn weiter.

3

2. Hinsichtlich der folgenden Anklagevorwürfe hat das [X.] das Verfahren gemäß § 154 Abs. 2 [X.] eingestellt:

4

a) Am 13. Januar 2017 erwarteten der Angeklagte und der nicht revidierende Mitangeklagte in einer Pizzeria in [X.]     eine Lieferung von 500 Gramm Kokain. Die Lieferung blieb aber aus. Bei der in diesem Zusammenhang erfolgten Durchsuchung der Pizzeria stellte die Polizei jedoch Bargeld in Höhe von 550 Euro sicher, das „aus dem von ihnen betriebenen Kokainhandel“ stammte. Des Weiteren wurden 93,61 Gramm Kokain, 47,53 Gramm Marihuana, Streckmittel, Feinwaagen, Scheren, ein Sieb, Foliendreher, Verpackungsmaterial, Schlüssel, Unterlagen mit Notizen und weitere Gegenstände aufgefunden und sichergestellt.

5

b) Am 17. Februar 2017 hielten sich der Angeklagte und der Mitangeklagte in einer Wohnung in [X.]    auf und koordinierten den Verkauf von Betäubungsmitteln. Bei einer an diesem Tag durchgeführten Durchsuchung wurden in einem von ihnen als Lagerort genutzten Wohnmobil eine Plastiktüte mit 62,73 Gramm Kokain für den Straßenverkauf, eine Feinwaage und weitere Gegenstände aufgefunden und sichergestellt.

II.

6

1. Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende Überprüfung des Urteils hat zum Schuld- und Strafausspruch sowie zur Anordnung der Einziehung des Wertes von [X.] in Höhe von 68.750 Euro keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 [X.]). Auch die weiteren [X.] können bestehen bleiben. Insoweit gilt das Folgende:

7

2. Die Einziehung der anlässlich der Durchsuchung vom 13. Januar 2017 sichergestellten 550 Euro hält jedenfalls im Ergebnis revisionsrechtlicher Überprüfung stand.

8

a) Zwar kann die Anordnung - entgegen der Auffassung des [X.]s - nicht auf § 73 Abs. 1 [X.] gestützt werden, weil die Tat, durch die oder für die etwas erlangt worden ist, nach der Verfahrenseinstellung gemäß § 154 Abs. 2 [X.] nicht Gegenstand der Verurteilung ist (vgl. [X.], Beschluss vom 7. April 2016 - 1 StR 632/15, [X.]R [X.] § 73d Anwendungsbereich 4; Beschluss vom 28. März 1979 - 2 StR 700/78, [X.]St 28, 369, 370; weitere Nachweise bei [X.] in [X.].[X.], 3. Aufl., § 73 Rn. 24). Die Urteilsgründe ergeben aber, dass insoweit die Voraussetzungen des § 73a Abs. 1 [X.] vorliegen. Denn das [X.] hat sich rechtsfehlerfrei davon überzeugt, dass dieses Geld aus dem Betäubungsmittelhandel des Angeklagten und des Mitangeklagten stammte, ohne dass die Zuordnung zu einer oder mehreren konkret nachweisbaren Taten möglich gewesen wäre (vgl. [X.], Beschluss vom 7. April 2016 - 1 StR 632/15, [X.]R [X.] § 73d Anwendungsbereich 4; Beschluss vom 8. August 2013 - 3 [X.], [X.], 82 mwN).

9

b) Der Umstand, dass sich der Angeklagte ausweislich der Urteilsgründe mit einer formlosen Einziehung des Geldbetrages einverstanden erklärt und damit wirksam auf dessen Rückgabe verzichtet hat, zwingt für sich genommen nicht zur Aufhebung der Einziehungsentscheidung, auch wenn dieser damit nur noch deklaratorische Bedeutung zukommt (vgl. [X.], Beschluss vom 1. August 2018 - 5 [X.], Rn. 2; Urteil vom 10. April 2018 - 5 [X.], [X.], 333 mwN).

3. Soweit das [X.] die Einziehung der anlässlich der Durchsuchung vom 13. Januar 2017 und 17. Februar 2017 sichergestellten Betäubungsmittel und Gegenstände auf § 74 Abs. 1 [X.] und § 33 Satz 1 BtMG in Verbindung mit § 74 Abs. 2 [X.] gestützt hat, begegnet dies durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

a) Infolge der teilweisen Einstellung des Verfahrens durch die Strafkammer nach § 154 Abs. 2 [X.] waren die Taten, deren Objekte (§ 33 Satz 1 BtMG i.V.m. § 74 Abs. 2 [X.]) die sichergestellten Betäubungsmittel waren und für die die aufgefundenen Gegenstände als Tatmittel (§ 74 Abs. 1 [X.]) verwendet wurden, nicht Gegenstand der Verurteilung. Eine Einziehung kam danach nur noch im selbständigen Verfahren nach § 76a Abs. 1, Abs. 3 [X.] in Betracht (vgl. [X.], Beschluss vom 7. Januar 2003 - 3 [X.], [X.], 422). Dazu hätte aber die Staatsanwaltschaft ihren auf eine selbständige Einziehung gerichteten Willen durch einen entsprechenden Antrag nach § 435 Abs. 1 Satz 1 [X.] kundtun müssen (vgl. [X.] in [X.]/[X.], [X.], 61. Aufl., § 435 Rn. 19; KK-[X.]/[X.], 7. Aufl., § 440 Rn. 15; BeckOK-[X.]/Temming, 30. Edition, § 435 Rn. 11; vgl. dazu auch [X.], Urteil vom 21. Juni 1990 - 1 [X.], [X.]St 37, 55, 69; Urteil vom 23. Juli 1969 - 3 [X.], [X.]St 23, 64, 66 ff.; BT-Drucks. 18/9525, [X.]). Dies ist nicht geschehen. Die Staatsanwaltschaft hat weder eine Antragsschrift im Sinne von § 435 Abs. 1 und Abs. 2 [X.] eingereicht noch hat sie in der Hauptverhandlung einen mündlichen Antrag auf einen Wechsel in das selbständige Einziehungsverfahren gestellt, der den Anforderungen des § 435 Abs. 2 [X.] genügt. Soweit sie in ihrem Schlussvortrag eine Einziehung der sichergestellten Gegenstände und Betäubungsmittel beantragt hat, lässt sich dem weder der [X.] zur Durchführung des selbständigen Einziehungsverfahrens noch entnehmen, dass sie sich des ihr insoweit zustehenden Ermessens (§ 435 Abs. 1 Satz 1 und 2 [X.]) bewusst war und dieses ausgeübt hat.

b) Die rechtsfehlerhafte Einziehungsentscheidung nötigt indes im vorliegenden Fall ausnahmsweise nicht zu deren Aufhebung, da der Angeklagte im Ergebnis nicht beschwert ist. In der Hauptverhandlung hat er vielmehr auch insoweit den Verzicht auf sämtliche bei diesen Durchsuchungen sichergestellten Asservate erklärt (vgl. [X.], Beschluss vom 10. Oktober 2018 - 5 [X.], Rn. 3), weshalb die [X.] letztlich ins Leere geht.

Sost-Scheible     

        

Roggenbuck     

        

Franke

        

Quentin      

        

Feilcke      

        

Meta

4 StR 297/18

08.11.2018

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Dortmund, 14. Dezember 2017, Az: 34 KLs 29/17

§ 33 S 1 BtMG, § 73 Abs 1 StGB, § 73a StGB, § 74 Abs 1 StGB, § 74 Abs 2 StGB, § 76a Abs 1 StGB, § 76a Abs 3 StGB, § 154 Abs 2 StPO, § 435 Abs 1 S 1 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.11.2018, Az. 4 StR 297/18 (REWIS RS 2018, 1968)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 1968

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

3 StR 238/21 (Bundesgerichtshof)

Strafverfahren wegen Betäubungsmitteldelikten: Voraussetzungen der erweiterten Einziehung von Wertersatz


3 StR 122/22 (Bundesgerichtshof)

Elektronischer Rechtsverkehr in Strafsachen: Anforderungen an die elektronische Übersendung der Revisionsbegründungsschrift bei Übermittlung über beA


60 KLs 4/20 (Landgericht Aachen)


5 StR 185/20 (Bundesgerichtshof)

Einziehung von unerlaubt erworbenen Betäubungsmitteln bzw. des Wertersatzes bei Verkauf oder Eigenkonsum sowie des Wertes …


5 StR 165/20 (Bundesgerichtshof)

Strafverfahren: Erweiterte Einziehung von Taterträgen


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.