Bundesgerichtshof, Beschluss vom 29.04.2020, Az. 3 StR 547/19

3. Strafsenat | REWIS RS 2020, 1841

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Gegenstand

Verstoß gegen das Uniformverbot: Öffentliches Tragen von Warnwesten mit der Aufschrift "Sharia Police"


Tenor

Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 27. Mai 2019 werden verworfen.

Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hatte sämtliche Angeklagten im ersten Rechtsgang mit Urteil vom 21. November 2016 vom Vorwurf des Verstoßes gegen das [X.] bzw. der Beihilfe hierzu freigesprochen. Mit Urteil vom 11. Januar 2018 (3 [X.]) hat der Senat das vorgenannte Urteil mit den Feststellungen aufgehoben. Unter dem 27. Mai 2019 hat das [X.] nunmehr drei Angeklagte wegen Verstoßes gegen das [X.] und vier weitere Angeklagte wegen Beihilfe hierzu jeweils zu Geldstrafen verurteilt. Mit ihren auf die Sachrüge gestützten Revisionen wenden sich die Angeklagten gegen ihre Verurteilungen; die Rechtsmittel bleiben ohne Erfolg.

2

Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO); insbesondere hält die Annahme des [X.]s, die Angeklagten hätten durch ihr Verhalten gegen das [X.] nach § 3 Abs. 1, § 28 [X.] verstoßen bzw. zu einem solchen Verstoß gemäß § 27 StGB Beihilfe geleistet, revisionsgerichtlicher Nachprüfung stand.

3

Wie der Senat ([X.], Urteil vom 11. Januar 2018 - 3 [X.], [X.]St 63, 66 Rn. 17 mwN) im ersten Rechtsgang ausgeführt hat, liegt ein Tragen gleichartiger Kleidungsstücke als Ausdruck gemeinsamer politischer Gesinnung nur vor, wenn das Auftreten in derartigen Kleidungsstücken nach den Gesamtumständen geeignet ist, eine suggestiv-militante, einschüchternde Wirkung gegenüber anderen zu erzielen. Das ist der Fall, wenn durch das Tragen der einheitlichen Kleidungsstücke der Eindruck entstehen kann, dass die Kommunikation im Sinne eines freien Meinungsaustausches abgebrochen und die eigene Ansicht notfalls gewaltsam durchgesetzt werden soll. Richtet sich das Auftreten in einheitlichen Kleidungsstücken dabei auf eine bestimmte Zielgruppe, die beeinflusst werden soll, so kommt es darauf an, ob gerade diese nach den Gesamtumständen den Auftritt in dem letztgenannten Sinne verstehen kann.

4

Diesen Prüfungsmaßstab hat das [X.] zutreffend erkannt und ohne Rechtsfehler aufgrund einer Gesamtbetrachtung aller Umstände angewendet. Demnach lag es nahe und war nur vom Zufall abhängig, dass bei dem Rundgang der Angeklagten der Zielgruppe junger Muslime zuzurechnende Personen angetroffen werden und diese sich durch das Auftreten mit den Warnwesten mit der Aufschrift "[X.]" eingeschüchtert fühlen konnten. Die weitergehende Feststellung eines solchen tatsächlichen Zusammentreffens, etwa verstanden als von § 3 Abs. 1, § 28 [X.] tatbestandlich vorausgesetzter Teil- oder Zwischenerfolg, ist entgegen der Auffassung der Revisionen mit Blick auf den Charakter der Norm als abstrakt-konkretes Gefährdungsdelikt (vgl. [X.], Urteil vom 11. Januar 2018, aaO Rn. 19) kein zur Tatbestandsverwirklichung notwendiges Merkmal. Eine solche Auffassung stünde im Übrigen in Widerspruch zu dem Erfordernis, dass die Gefahreignung durch das Tatgericht im Wege der Gesamtbetrachtung aller Umstände zu beurteilen ist ([X.], Urteile vom 25. März 1999 - 1 [X.], NJW 1999, 2129; vom 22. Juni 2011 - 2 [X.], NJW 2011, 3591 Rn. 5 f.; vom 11. Januar 2018, aaO Rn. 19 mwN). Das [X.] hat den Umstand, dass der Zielgruppe zuzurechnende Personen tatsächlich nicht angetroffen wurden, im Rahmen der Gesamtbetrachtung bedacht, ihm aber angesichts der Tatumstände im Übrigen zu Recht für die Frage der Tatbestandsverwirklichung keine entscheidende Bedeutung beigemessen.

Schäfer     

        

Ri'in[X.] Dr. Spaniol befindet
sich im Urlaub und ist deshalb
gehindert zu unterschreiben.

        

Paul   

                 

Schäfer

                 
        

Berg     

        

     Anstötz     

        

Meta

3 StR 547/19

29.04.2020

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Wuppertal, 27. Mai 2019, Az: 26 KLs 20/18

§ 3 Abs 1 VersammlG, § 28 VersammlG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 29.04.2020, Az. 3 StR 547/19 (REWIS RS 2020, 1841)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 1841

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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3 StR 427/17

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