Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.
Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"
Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.
PDF anzeigen[X.]:[X.]:BGH:2018:110118U3STR427.17.0
BUN[X.]SGERICHTSHOF
IM NAMEN [X.]S VOLKES
URTEIL
3
[X.]
vom
11. Januar
2018
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
[X.] §
3 Abs.
1
Zum Verstoß gegen das [X.] des § 3 Abs.
1 [X.] durch das öffent-liche Tragen von Warnwesten mit der Aufschrift "[X.]".
BGH, Urteil vom 11. Januar 2018 -
3 [X.] -
LG [X.]
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
wegen Verstoßes gegen das [X.]
-
2
-
Der 3.
Strafsenat des [X.] hat aufgrund der Verhandlung vom 14.
Dezember 2017 in der Sitzung am 11. Januar 2018, an denen teilgenom-men haben:
[X.] am Bundesgerichtshof
[X.],
[X.] am Bundesgerichtshof
Dr. [X.],
[X.],
[X.],
Hoch
als beisitzende Richter,
Richterin am [X.]
als Vertreterin
der [X.],
Rechtsanwalt
-
in der Verhandlung -
als Verteidiger
des Angeklagten Se.
,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten [X.]
,
Rechtsanwalt
-
in der Verhandlung -
als Verteidiger des Angeklagten S.
,
Rechtsanwalt
-
in der Verhandlung -
als Verteidiger des Angeklagten I.
,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten A.
,
-
3
-
Justizhauptsekretärin
-
in der Verhandlung -,
Justizamtsinspektor
-
bei der Verkündung -
als Urkundsbeamte
der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
Auf die [X.]ision der St[X.]tsanwaltschaft wird das Urteil des Land-gerichts [X.] vom 21.
November 2016 mit den [X.] aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere [X.] des [X.] zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
-
4
-
Gründe:
Das [X.] hat die Angeklagten [X.].
, [X.]
, S.
,
[X.]
, I.
und A.
von dem Vorwurf eines Verstoßes gegen das Uniform-
verbot (§
3 Abs.
1, §
28 [X.]), den Angeklagten Se.
von dem
Vorwurf, zu dem Verstoß Beihilfe geleistet zu haben, freigesprochen. Dagegen wendet sich die St[X.]tsanwaltschaft mit ihrer auf die Rüge der Verletzung mate-riellen Rechts gestützten, vom [X.] vertretenen [X.]ision. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
I.
Dem Urteil des [X.] liegen im Wesentlichen folgende Feststel-lungen und Wertungen zugrunde:
1. Die Angeklagten gehörten -
ebenso wie die gesondert verfolgten La.
und Sa.
-
einer Gruppe von elf Personen an, die einen nächtlichen Rundgang
durch die [X.] von [X.]-Elberfeld unternahmen. Die Teilnehmer an dem Rundgang wollten junge Muslime davon abhalten, Spielhallen, Bordelle oder Gaststätten aufzusuchen sowie Alkohol zu konsumieren und sie stattdes-sen zu einem Lebensstil nach den Vorstellungen des [X.] sowie zum [X.] bewegen. Um Aufmerksamkeit zu erregen, hatten die [X.]
, A.
und [X.]
-
ebenso wie La.
und Sa.
-
über der von ihnen
getragenen Alltagsbekleidung jeweils eine handelsübliche orange, ärmellose und im [X.] vorne ausgeschnittene Warnweste angelegt, die an Vor-der-
und Rückseite in der unteren Hälfte über zwei durchgehende Reflek-torstreifen verfügte und auf der Rückseite mit der Aufschrift "[X.]" ver-1
2
3
-
5
-
sehen war. Der Angeklagte [X.]
trug ebenfalls eine derartige Warnwes-
te, die jedoch nicht beschriftet war. Der Angeklagte S.
hatte eine gelbe,
ebenfalls nicht beschriftete Warnweste übergezogen. Der Angeklagte Se.
hatte keine Warnweste angelegt. Zur Bekleidung des Angeklagten [X.].
konnte das [X.] keine Feststellungen treffen.
Die an dem Rundgang teilnehmenden Personen liefen nicht in einer ge-schlossenen Formation, sondern "räumlich verstreut" und abwechselnd grup-piert. Einzelne von ihnen unterhielten sich miteinander oder nutzten ihre Mobil-telefone; La.
belehrte zwischendurch einzelne Gruppenmitglieder über Inhalte
des [X.].
Während ihres [X.] suchte die Gruppe eine Spielhalle auf. La.
betrat den Geschäftsraum und legte dort im Einverständnis der als Spielhallen-aufsicht tätigen Zeugin Sc.
"Flyer" aus, während die anderen auf der Stra-
ße bzw. im Eingangsbereich des Gebäudes warteten. Außerdem begegnete die Gruppe dem Zeugen K.
, der aufgrund des Erscheinungsbildes der Personen
und ihres Auftretens annahm, dass es sich um einen sog. [X.] handele. [X.]ließlich wurden zwei Polizeibeamte auf die Gruppe [X.]. Die Beamten überprüften die Personalien der Teilnehmer. Nachdem La.
ihnen erläutert hatte, dass der Spaziergang dazu diene, junge männliche
Muslime auf sich aufmerksam zu machen und mit ihnen ins Gespräch über den [X.] zu kommen, und dass sie die Warnwesten trügen, um Aufmerksamkeit zu erregen, entließen die Beamten die Gruppe, weil sie keinen Verdacht einer Straftat begründet sahen.
Wenige Tage später wurde auf der Internetplattform "[X.]" ein Vi-deo veröffentlicht, das Szenen des [X.] enthielt. Das Video war mit is-lamischer Musik hinterlegt und zeigte zunächst den [X.]riftzug "you are entering 4
5
6
-
6
-
a [X.], islamic rule enforced". Außerdem waren fünf [X.] in der Art von [X.] zu sehen, die mit folgenden Aufschrif-ten versehen waren: "no alcohol", "no gambling", "[X.]", "[X.]" und "no drugs or smoking". Anschließend folgten ein Hin-weis auf die [X.]er Moschee sowie die Einblendung des Textes "sharia police germany" als
Verweis auf einen "facebook-A[X.]ount".
2. Einen Verstoß gegen das [X.], wonach sich strafbar macht, wer öffentlich oder in einer Versammlung Uniformen, Uniformteile oder gleichar-tige Kleidungsstücke als Ausdruck einer gemeinsamen politischen Gesinnung trägt, hat das [X.] in der Teilnahme an dem Rundgang nicht gesehen. Die von einigen der Angeklagten getragenen Warnwesten seien insbesondere nicht als "gleichartige Kleidungsstücke" im Sinne des § 3 Abs. 1 [X.] anzusehen; die insoweit gebotene Gesamtschau der Tatumstände ergebe, dass sie nicht in der erforderlichen Weise geeignet gewesen seien, suggestiv-militante, einschüchternde Wirkung gegenüber Dritten zu erzielen.
II.
Die Freisprüche der Angeklagten halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.
1. Das [X.] hat die von einigen der Angeklagten getragenen Warnwesten zwar zu Recht nicht als Uniformen oder Uniformteile angesehen.
7
8
9
-
7
-
a) Eine Uniform ist eine nach Form, Farbe, [X.]nitt oder Ausstattung gleichartige Bekleidung, die von der allgemein üblichen (zivilen) Kleidung ab-weicht. Erfasst werden nicht nur st[X.]tliche Uniformen, z. B. diejenigen der Bun-deswehr oder der Polizei, sondern auch private, z. B. diejenigen von politischen Verbänden oder Jugendorganisationen (BayObLG, Urteil vom 20. Januar 1987 -
RReg. 4
[X.], NJW 1987, 1778; vgl. auch [X.]/[X.]/Kniesel, [X.], 17. Aufl., [X.], § 3 Rn. 4; [X.]/[X.]/Wache, Straf-rechtliche Nebengesetze, 217. EL, [X.] § 3 Rn. 5 mwN). Die Angeklag-ten trugen demgegenüber allgemein übliche, mit Ausnahme der Warnwesten ungleichartige Alltagsbekleidung.
b) Uniformteile sind Kleidungsstücke, die von jedem objektiven Betrach-ter ohne [X.]wierigkeiten wegen ihrer Gleichartigkeit als Bestandteil einer Uni-form erkannt werden können, wie z. [X.], Mützen, [X.]ulterstücke oder Stiefel (vgl. BayObLG, [X.]O; KG, Urteil vom 19. März 2001 -
(3) 1
Ss 344/00
(105/00), juris Rn.
6; [X.]/[X.]/Kniesel, [X.]O; [X.]/[X.]/Wache, [X.]O). Das war hier bei den handelsüblichen Warnwesten nicht der Fall. Dabei handelte es sich um allgemein genutzte Gebrauchsgegenstände, die von einem objektiven Beobachter nicht als Bestandteil einer Uniform wahrgenommen wer-den.
Daraus, dass handelsübliche Warnwesten zur Sonderausstattung der
Polizei sowie anderer Behörden gehören und unter Umständen in Einsatzsitua-tionen getragen werden, ergibt sich entgegen der vom [X.] vertretenen Auffassung nichts anderes. Dadurch werden solche Warnwesten nicht zum Bestandteil der jeweiligen
Uniform, worauf im Übrigen bereits der [X.] "Sonderausstattung" hindeutet. Ein objektiver Betrachter nimmt eine Warnweste, die ein Uniformierter in einer Einsatzsituation angelegt hat, nicht als 10
11
12
-
8
-
Bestandteil von dessen Uniform wahr, sondern als eine über der Uniform getra-gene, dem [X.]utz des Uniformierten sowie der Warnung anderer dienende [X.]utzbekleidung.
2. Die Frage, ob es sich bei den von einigen der Angeklagten getragenen Warnwesten um "gleichartige Kleidungsstücke" im Sinne von § 3 Abs.
1 [X.] handelte, hat die [X.] dagegen mit rechtlich nicht tragfähiger Begründung verneint. Sie hat den insoweit anzulegenden Prüfungsmaßstab zwar zutreffend erkannt, aber nicht rechtsfehlerfrei angewendet. Im Einzelnen:
a) Im Hinblick auf den rechtlichen Prüfungsmaßstab gilt:
[X.]) Der Anwendungsbereich der Vorschrift ist ihrem Wortlaut nach weit gefasst; denn dem allgemeinen Sprachgebrauch entsprechend erstreckt er sich auf alle Kleidungsstücke, die sich untereinander gleichen und der gemeinsamen politischen Gesinnung ihrer Träger Ausdruck verleihen. Eine allein am Wortsinn orientierte Auslegung hätte danach zur Folge, dass sie auch Fallgestaltungen erfassen würde, die zum einen dem [X.]utzzweck der Norm -
Wahrung der öf-fentlichen Ordnung und des öffentlichen Friedens durch [X.]utz der Meinungs-
und Versammlungsfreiheit
-
nicht zuwiderlaufen, und deren strafrechtliche [X.] zum anderen eine mit Art. 5 und Art. 8 Abs. 1 GG nicht zu vereinbarende Beschränkung der Meinungs-
und Versammlungsfreiheit der
Träger der Klei-dungsstücke darstellen würde. So wäre etwa auch das öffentliche Auftreten in Plastikstreikwesten einer [X.] (vgl. [X.], Verfügung vom 28.
April 2006 -
730 UJs 1266/06, [X.], 183) oder das Tragen einheitlich gestalteter
Anoraks auf einem Parteitag (vgl. [X.], Verfügung vom 23.
Februar 1984 -
11 Js 16/84, [X.], 322) strafbar.
13
14
15
-
9
-
Aus diesem Grund ist eine einschränkende Auslegung der Vorschrift ge-boten, die sich an deren Sinn und Zweck, der Entstehungsgeschichte und der freiheitssichernden Garantie der genannten Grundrechte orientiert. Das Uni-formverbot geht -
ebenso wie das Verbot des Waffentragens (§
2 Abs.
3 [X.])
-
auf die Erfahrungen mit den Aufmärschen militanter Parteiorganisa-tionen in der Spätphase der [X.] zurück und soll die durch sol-che Aufmärsche symbolisierte Gewaltbereitschaft mit der damit verbundenen einschüchternden Wirkung verhindern (vgl. eingehend zur historischen Entwick-lung [X.][X.], in [X.]/[X.][X.]/[X.] [Hrsg.], [X.], 1992, [X.] § 3 Rn.
1 ff.; s. ferner [X.], NJW 1995, 561, 563; BT-Drucks. 1/4387 S.
2).
Demgemäß liegt ein Tragen gleichartiger Kleidungsstücke als Ausdruck gemeinsamer politischer Gesinnung nur vor, wenn das Auftreten in derartigen Kleidungsstücken nach den Gesamtumständen geeignet ist, eine suggestiv-militante, einschüchternde Wirkung gegenüber anderen zu erzielen (vgl. etwa [X.] [[X.]], Beschluss vom 27.
April 1982 -
1
BvR 1138/81, NJW 1982, 1803; BayObLG, Urteil vom 20. Januar 1987 -
RReg 4 [X.], NJW 1987, 1778; KG, Urteil vom 19. März 2001 -
(3) 1 Ss 344/00
(105/00), juris Rn.
3; [X.], Beschluss vom 25. April 2016 -
III-3 [X.], juris Rn.
17; [X.], Beschluss vom 10. Mai 2016 -
1 [X.] 70/15-1
Ss 185/15, juris Rn.
7; [X.][X.] [X.]O, Rn. 35). Das ist der Fall, wenn durch das Tragen der einheitlichen Kleidungsstücke der Eindruck entstehen kann, dass die Kommunikation im Sinne eines freien [X.] abgebrochen und die eigene Ansicht notfalls gewaltsam durchgesetzt werden soll (vgl. [X.][X.] [X.]O, Rn.
17
f., 35; [X.], NJW 1995, 561, 564). Richtet sich das Auftreten in einheitlichen Kleidungsstücken dabei auf ei-ne bestimmte Zielgruppe, die beeinflusst werden soll, so kommt es darauf an, 16
17
-
10
-
ob gerade diese nach den Gesamtumständen den Auftritt in dem letztgenann-ten Sinne verstehen kann.
bb) Dieses Erfordernis einer potentiell [X.], einschüch-ternden Wirkung schränkt die Strafbarkeit nach §
3 Abs.
1, § 28 [X.] in vergleichbarer Weise ein wie das geschriebene Merkmal der Eignung zur Stö-rung des öffentlichen Friedens in § 130 Abs. 1 und 3 StGB in Fällen der Volks-verhetzung. Dabei handelt es sich nicht, wie es das [X.] zu dem Erfordernis der Störung des öffentlichen Friedens in § 130 Abs.
4 StGB angenommen hat ([X.], Beschluss vom 4. November 2009 -
1 BvR 2150/08, [X.], 47, 54), um eine reine "Wertungsformel zur Ausscheidung nicht strafwürdig erscheinender Fälle", sondern um ein ungeschriebenes, durch [X.] Feststellungen [X.] Tatbestandsmerkmal. Denn nach Ansicht des Senats stieße die Annahme einer reinen Wertungsklausel zur [X.] "nicht strafwürdiger Fälle" auf grundsätzliche Bedenken, da die Entschei-dung darüber, welches Verhalten strafwürdig ist, von Verfassungs wegen nicht der Rechtsprechung überlassen, sondern dem Gesetzgeber vorbehalten ist. Das tatbestandseinschränkende Merkmal der Eignung zur [X.], einschüchternden Wirkung begegnet auch keinen Bedenken im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG (s. demgegenüber die Erwägungen zu § 130 Abs. 4 StGB bei [X.] [X.]O).
[X.]) Das gebotene einschränkende Verständnis der Norm verleiht ihr den Charakter
eines abstrakt-konkreten Gefährdungsdelikts. Für das Tatgericht folgt hieraus, dass es aufgrund einer Gesamtbetrachtung aller Umstände des [X.] zu beurteilen hat, ob das Tragen der einheitlichen Kleidungsstücke in der konkreten Situation geeignet war, den Eindruck entstehen zu lassen, eine Kommunikation im Sinne freien Meinungsaustausches werde nicht zugelassen 18
19
-
11
-
und die eigene Ansicht der einheitlich [X.] von diesen erforderlichenfalls auch gewaltsam durchgesetzt. Die für diese Beurteilung maßgeblichen Anknüp-fungstatsachen sind in den Urteilsgründen darzulegen, um eine revisionsrechtli-che Überprüfung des hieran anschließenden normativen Wertungsakts zu er-möglichen (vgl. [X.], Beschluss vom 10. Mai 2016 -
1
[X.] 70/15 -
1 Ss 185/15, juris Rn.
10).
b) Den sich danach ergebenden rechtlichen Anforderungen wird das an-gefochtene Urteil nicht in jeder Hinsicht gerecht.
Die [X.] hat zwar bedacht, dass die Warnwesten mit der [X.] "[X.]" Assoziationen zu der aus islamisch geprägten Ländern bekannten sog. Religionspolizei hervorriefen, deren Aufgabe darin besteht, im Auftrag des St[X.]tes die Vorschriften der [X.]aria hoheitlich durchzusetzen (vgl. dazu [X.], Beschluss vom 25. April 2016 -
III-3 [X.], juris Rn. 20). In ihre Prüfung, ob aufgrund dessen das Tragen der Westen im Rah-men der gebotenen Gesamtbetrachtung aller Tatumstände im konkreten Fall geeignet war, suggestiv-militante, einschüchternde Wirkung gegenüber anderen zu erzielen, hat sie jedoch einerseits maßgebliche Gesichtspunkte nicht be-dacht, andererseits aber auch Umstände in ihre Erwägungen miteinbezogen, die mit Blick auf die dargelegten rechtlichen Maßstäbe jedenfalls nicht die ihnen vom [X.] zugeschriebene Bedeutung gewinnen können.
Rechtsfehlerhaft ist es insbesondere, dass das [X.] bei seiner Bewertung der Wirkungen der Aktion der Angeklagten maßgeblich darauf [X.] hat, weder die als Aufsichtskraft in der Spielhalle tätige Zeugin Sc.
noch der Zeuge K.
seien tatsächlich eingeschüchtert worden. Darauf kommt
es indes nicht entscheidend
an. Zum einen ist § 28 i.V.m. §
3 Abs.
1 [X.] kein [X.]. Die bei der gebotenen restriktiven Auslegung
20
21
22
-
12
-
vorausgesetzte suggestiv-militante, einschüchternde Wirkung muss nicht tat-sächlich eintreten. Ausreichend ist vielmehr, dass das Tatgeschehen eine der-artige Wirkung erzielen kann. Wenn einzelne mit dem Geschehen konfrontierte Dritte dieses als harmlos einstufen, so mag dies zwar Indizwirkung dafür ge-winnen, dass die Aktion nicht geeignet war, den Eindruck einer militanten Durchsetzung ihrer eigenen Meinung durch die einheitlich Gekleideten zu erwe-cken, schließt aber eine derartige Eignung nicht notwendig aus. Dies gilt insbe-sondere dann, wenn die Aktion gerade nicht auf die Personen gerichtet war, die sie tatsächlich wahrnahmen, sondern auf eine Zielgruppe, die das Geschehen eventuell in anderer Weise verstehen konnte. Dies hat das [X.] nicht bedacht. Denn es hat außer Betracht gelassen, dass sich die Aktion an junge Muslime richtete, die davon abgehalten werden sollten, Spielhallen, Bordelle oder Gaststätten aufzusuchen und Alkohol zu konsumieren, und statt dessen zu einem Lebensstil nach den Vorstellungen des [X.] sowie zum Besuch der Moschee bewegt werden sollten. Wie die Aktion gerade auf diese Zielgruppe wirken konnte, insbesondere welche Assoziationen bei jungen Muslimen durch das Auftreten einer Gruppe von [X.] unter dem gemeinsamen Kennzei-chen "[X.]" geweckt werden konnten, ist indes entscheidend dafür, ob dem Tatgeschehen die Eignung zukam, militant und einschüchternd zu wirken.
Vor diesem Hintergrund ist es entgegen der Meinung des [X.] aus Rechtsgründen auch ohne Belang, dass es in [X.] keine offizielle "[X.]aria-Polizei" gibt und die Angeklagten für einen verständigen Dritten nicht den Eindruck vermitteln konnten, hoheitliche [X.] St[X.]tsgewalt auszuüben. Darüber hinaus begegnet es rechtlichen Bedenken, dass die [X.] "ent-scheidend" darauf abgestellt hat, die von den Teilnehmern an dem "Rundgang" getragene Alltagskleidung sei unter den Warnwesten deutlich sichtbar geblie-ben. Dieser Umstand mag zwar im Rahmen der Gesamtwürdigung bedeutsam 23
-
13
-
sein, insbesondere wenn die Teilnehmer an dem Geschehen völlig uneinheitli-che Alltagskleidung tragen. Die Ausführungen der [X.] lassen jedoch besorgen, dass sie aus dem Blick verloren hat, dass nach dem Wortlaut des Gesetzes und damit aus Rechtsgründen schon das Tragen einzelner uniformer Kleidungsstücke zur Tatbestandsverwirklichung genügen kann; dies impliziert, dass daneben andere, nicht uniforme Kleidungsstücke getragen werden.
3. Die Sache bedarf deshalb neuer Verhandlung und Entscheidung. Im Hinblick auf die neue Hauptverhandlung weist der Senat für den Fall, dass die
nunmehr zur Entscheidung berufene [X.] einen Verstoß gegen das [X.] bejahen sollte, vorsorglich darauf hin, dass die Annahme eines unvermeidbaren Verbotsirrtums (§
17 Satz
1 StGB) auf der Grundlage der bis-lang getroffenen Feststellungen nicht in Betracht kommt. Die Unvermeidbarkeit eines etwaigen Verbotsirrtums der Angeklagten folgt entgegen der Ansicht des [X.] insbesondere nicht daraus, dass die Polizeibeamten, welche die Teilnehmer an dem Rundgang kontrollierten, keinen Verdacht einer Straftat be-gründet sahen. Daraus ergibt sich nicht, dass die Angeklagten keinen Anlass hatten, die Rechtmäßigkeit des von ihnen geplanten Verhaltens zu hinterfragen und gegebenenfalls eine Rechtsauskunft einzuholen. Dadurch wären die Zwei-fel an der Rechtmäßigkeit der Aktion nicht ausgeräumt worden; insbesondere 24
-
14
-
weil es beispielsweise an einer gefestigten Rechtsprechung fehlte, nach der das Vorhaben der Angeklagten erlaubt war (vgl. zur Vermeidbarkeit eines [X.] bei ungeklärter Rechtslage etwa MüKoStGB/[X.], 3.
Aufl., §
17 Rn.
55 ff.).
[X.]
[X.]
RiBGH [X.]
befindet sich im
Urlaub und ist
daher gehindert
zu unterschreiben.
[X.]
Tiemann
RiBGH Hoch befindet
sich im Urlaub und ist
daher gehindert zu
unterschreiben.
[X.]
Meta
11.01.2018
Bundesgerichtshof 3. Strafsenat
Sachgebiet: StR
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.01.2018, Az. 3 StR 427/17 (REWIS RS 2018, 15787)
Papierfundstellen: REWIS RS 2018, 15787
Auf Mobilgerät öffnen.
Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
3 StR 427/17 (Bundesgerichtshof)
Uniformverbot: Öffentliches Tragen von Warnwesten mit der Aufschrift „Sharia Police“
III-3 Ws 52-60/16 (Oberlandesgericht Düsseldorf)
3 StR 547/19 (Bundesgerichtshof)
Verstoß gegen das Uniformverbot: Öffentliches Tragen von Warnwesten mit der Aufschrift "Sharia Police"
Einschüchternde Wirkung des Tragens gleichartiger Kleidungsstücke bei einer öffentlichen Versammlung
1 BvR 1257/19 (Bundesverfassungsgericht)
Nichtannahmebeschluss: Erfolglose Verfassungsbeschwerde gegen die Verurteilung als "faktischer Leiter" einer nicht angemeldeten Versammlung