Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23.11.2012, Az. BLw 12/11

Senat für Landwirtschaftssachen | REWIS RS 2012, 1039

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Gegenstand

Höferecht: Wegfall der Hofeigenschaft zwischen Vorerb- und Nacherbfall; treuwidrige Berufung des Hofnacherben auf sein Sondererbrecht


Leitsatz

1. Eine landwirtschaftliche Besitzung, die im Zeitpunkt des Eintritts des Vorerbfalls ein Hof im Sinne der Höfeordnung war, wird auch dann nach dem Sondererbrecht vererbt, wenn die Hofeigenschaft vor dem Eintritt des Nacherbfalls weggefallen ist.

2. Die Berufung des Hoferben auf sein Erbrecht stellt nicht schon dann eine missbräuchliche Rechtsausübung dar, wenn dieser zuvor irrtümlich (unter Einbeziehung des Werts des Hofes) den Pflichtteil verlangt und von dem Erben eine entsprechende Zahlung erhalten hat.

3. Sind alle Erbprätendenten bereits bei dem Vorerbfall davon ausgegangen, dass das allgemeine Erbrecht anzuwenden ist und haben sie sich auch entsprechend verhalten, ist dem Hofnacherben die Berufung auf das Sondererbrecht nach Treu und Glauben versagt, wenn eine früher landwirtschaftliche Besitzung jedenfalls bei Eintritt des Nacherbfalls auf Dauer ihre Hofeigenschaft verloren hat.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des 23. Zivilsenats - [X.] Landwirtschaftssachen - des [X.] vom 28. Juni 2011 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert des [X.] beträgt 87.125 €.

Gründe

I.

1

Die Eltern des Beteiligten zu 1 (Antragsteller) waren mit je ½ Miteigentumsanteil Eigentümer eines landwirtschaftlichen Betriebs in [X.]     ([X.]). Im Grundbuch war kein [X.] eingetragen. Nach dem Tod der Mutter des Antragstellers im August 1971 stellte das Amtsgericht einen gemeinschaftlichen Erbschein aus, der den Vater des Antragstellers und diesen je zu ½ Anteilen als Erben auswies. Der Vater des [X.] heiratete erneut und errichtete mit seiner zweiten Ehefrau im Jahre 1989 ein gemeinschaftliches Testament, in dem sich die Eheleute gegenseitig als Erben einsetzten, ohne einen Schlusserben zu bestimmen.

2

Nach dem Tod seines [X.] im Mai 1992 machte der Antragsteller gegenüber seiner Stiefmutter unter Hinweis auf das gemeinschaftliche Testament Pflichtteilsansprüche geltend und erhielt insgesamt 313.567,44 DM ausgezahlt. Im Grundbuch für die zur Besitzung gehörenden Grundstücke waren nach dem Tod des [X.] des Antragstellers mit einem ½ Miteigentumsanteil der Antragsteller und seine Stiefmutter in Erbengemeinschaft sowie die Stiefmutter allein mit einem ½ Miteigentumsanteil eingetragen. Die im März 2008 verstorbene Stiefmutter des Antragstellers wurde von ihren Neffen, den Beteiligten zu 2 und zu 3 (Antragsgegner) beerbt.

3

Die Beteiligten streiten darum, wer Eigentümer des zur Hofstelle gehörenden [X.] ist. Der Antragsteller hat im Verfahren nach § 11 HöfeVfO die richterliche Feststellung beantragt, dass im Zeitpunkt des Todes seiner Mutter die Hofstelle ein [X.] im Sinne der Höfeordnung gewesen und dass er nach dem Tode seines [X.] [X.] geworden und weiterhin [X.] sei. Das Amtsgericht - Landwirtschaftsgericht - hat gemäß den Anträgen entschieden. Das [X.] - Senat für Landwirtschaftssachen - hat die Anträge zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen, mit der der Antragsteller seine Anträge weiter verfolgt.

II.

4

Das Beschwerdegericht meint, die von dem Antragsteller verfolgten Anträge seien, wenn nicht bereits unzulässig, dann jedenfalls unbegründet. Es könne dahinstehen, ob die Besitzung wegen dauerhaften Wegfalls der landwirtschaftlichen Betriebseinheit bereits im Jahre 1971 kein Hof im Sinne der [X.] mehr gewesen sei und ob die Bestimmung in § 8 Abs. 1 Satz 1 [X.] aF, nach der der Vater des Antragstellers [X.] und der Antragsteller [X.] geworden wäre, verfassungsgemäß sei. Der Antragsteller könne sich nämlich wegen seines widersprüchlichen, mit dem Gebot von Treu und Glauben (§ 242 [X.]) unvereinbaren Verhaltens nicht mehr darauf berufen, [X.] geworden zu sein. Der Antragsteller habe sich nach dem Tode seines [X.] im Jahre 1992 an der Durchführung der Erbauseinandersetzung beteiligt, damals seinen Pflichtteil geltend gemacht und über 300.000 DM ausgezahlt erhalten. Dadurch habe er einen Vorteil aus der von seinem jetzt vertretenen Standpunkt abweichenden Rechtsauffassung gezogen, was die Berufung auf seine Rechte als [X.] 15 Jahre nach dem Nacherbfall und 10 Jahre nach dem Empfang der Abfindungszahlung ausschließe.

III.

5

Das hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die nach den - gemäß Art. 111 Abs. 1 Satz 1 [X.] noch anzuwendenden - Vorschriften des § 24 Abs. 1 [X.] aF und der §§ 25, 26 [X.] aF statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.

6

1. Die Anträge sind zulässig. Der Antragsteller hat ein rechtliches Interesse an einer Entscheidung des [X.] gemäß § 11 Abs. 1 Buchstaben b und g HöfeVfO, dass der Hof beim Tod seiner Mutter ein [X.] war und dass er nach dem Tod seines [X.] [X.] geworden und es noch ist.

7

a) Ein solches Interesse ist zu bejahen, wenn - wie hier - mehrere Personen darüber streiten, ob eine (gegenwärtige oder ehemalige) Hofstelle nach dem Höferecht oder dem allgemeinem Erbrecht vererbt worden ist und der Antragsteller geltend macht, der [X.] zu sein (vgl. Senat, Beschluss vom 14. Mai 1987 - [X.], [X.], 57, 59 und 64). Die [X.] der Entscheidung des [X.] beseitigt in der Regel die Rechtsunsicherheit, ob die Besitzung mit dem Erbfall Alleineigentum des [X.]n oder gemeinschaftliches Vermögen einer Erbengemeinschaft geworden ist.

8

b) Das rechtliche Interesse des Antragstellers an der Entscheidung des [X.] nach § 11 HöfeVfO fehlte auch dann nicht, wenn - wie das Beschwerdegericht meint - der Berufung des Antragstellers auf seine Rechte als [X.] der Einwand des Verbots rechtsmissbräuchlichen, widersprüchlichen Verhaltens (§ 242 [X.]) entgegenstünde. Zwar hätte dies nicht den [X.], sondern wie die Verjährung oder ein schuldrechtlicher Verzicht nur eine materielle Beschränkung des Eigentums und des Erbrechts zur Folge (vgl. [X.], Urteil vom 30. April 1993 - [X.], [X.]Z 122, 308, 314 - zur Verwirkung). Die Entscheidung des [X.] führt aber auch in solch einem Fall zu einer Klärung der Rechtsbeziehungen der Beteiligten und ist nicht allein von theoretischem Interesse (zu solch einem Fall: Senat, Beschluss vom 8. April 1952 - [X.], [X.] 1952, 419, 420). Das Landwirtschaftsgericht hat auf die Anträge über die [X.] insgesamt zu entscheiden, was die Prüfung einschließt, ob der Hof nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts vererbt wurde (Senat, Beschluss vom 5. Juli 1955 - [X.], [X.]Z 18, 63, 65) oder ob er deshalb so zu behandeln ist, weil sich die Berufung des [X.]n auf das [X.] als eine widersprüchliche, missbräuchliche Rechtsausübung darstellt. [X.] das hier zu, wären die Anträge als unbegründet abzuweisen, was jedoch ebenso Klarheit über die weitere Auseinandersetzung des Nachlasses zwischen den Beteiligten herbeiführte.

9

2. Die Anträge sind von dem Beschwerdegericht rechtsfehlerhaft zurückgewiesen worden. Das Berufen des Antragstellers auf sein Recht als [X.] stellt sich auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht als eine unzulässige Rechtsausübung dar.

a) Richtig ist allerdings, dass das Verbot einer widersprüchlichen, gegen das Gebot von Treu und Glauben (§ 242 [X.]) verstoßenden und daher missbräuchlichen Rechtsausübung auch die Durchsetzung der Ansprüche aus Erbrecht nach §§ 2018, 2130 [X.] (vgl. [X.], Urteil vom 28. April 1958 - [X.], [X.] 1958, 490) und aus Eigentum nach §§ 894, 985 [X.] (vgl. [X.], Urteil vom 23. März 1979 - [X.], NJW 1979, 1656) hindert. Widersprüchliches Verhalten ist jedoch nicht ohne weiteres treuwidrig. Die Beteiligten dürfen ihre Rechtsansichten ändern; ihnen steht es grundsätzlich frei, sich auf die Unwirksamkeit der von ihnen früher abgegebenen Erklärungen zu berufen. [X.] wird ein solches Verhalten nach ständiger Rechtsprechung erst dann, wenn dadurch für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist oder wenn andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen ([X.], Urteile vom 5. Juni 1997 - [X.], NJW 1997, 3377, 3379 und vom 17. Februar 2005 - [X.], [X.]Z 162, 175, 181- jeweils mwN).

b) Das Berufen des [X.]n auf sein Erbrecht stellt jedoch nicht schon dann eine missbräuchliche Rechtsausübung dar, wenn dieser zuvor irrtümlich (unter Einbeziehung des Werts des Hofes) den Pflichtteil verlangt und von dem Erben des [X.] eine entsprechende Zahlung erhalten hat.

aa) Der Erbe des [X.] kann nicht schon deswegen darauf vertrauen, nicht aus dem Höferecht in Anspruch genommen zu werden, weil der [X.] (irrtümlich) auf Grund eines ihn von der Erbfolge als Abkömmling nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch ausschließenden Testaments den Pflichtteil (§ 2303 [X.]) verlangt hat. Die Geltendmachung des [X.] durch den Abkömmling beruht erkennbar auf der testamentarischen Anordnung des Erblassers; sie bringt nicht zum Ausdruck, dass der [X.] damit auch auf ein ihm durch die letztwillige Verfügung nicht mehr entziehbares Erbrecht nach der Höfeordnung verzichtet. Besondere Umstände, aus denen sich ergeben könnte, dass der Antragsteller gegenüber seiner Stiefmutter oder den [X.] das Vertrauen erweckt hätte, sein Recht als [X.] nicht geltend zu machen, sind weder festgestellt noch ersichtlich.

bb) Auch der Umstand, dass der Antragsteller durch die Annahme der Pflichtteilszahlung seiner Stiefmutter aus seinem früheren, dem jetzigen Vorbringen widersprechenden Rechtsstandpunkt finanzielle Vorteile erlangt hat (vgl. zu diesem rechtlichen Gesichtspunkt: [X.]/[X.]/Sutschet, [X.], 3. Aufl., § 242 Rn. 125; [X.]/[X.]/Olzen, [X.] [2009], § 242 Rn. 301), ist für sich genommen nicht geeignet, das Berufen des Antragstellers auf sein Erbrecht als eine mit dem Gebot von Treu und Glauben unvereinbare unzulässige Rechtsausübung anzusehen.

(1) Die gegenteilige Auffassung des [X.] ist mit den Vorschriften unvereinbar, die für Vereinbarungen über einen „Verzicht“ auf die Rechte aus einer Erbschaft gelten. Erbprätendenten können nicht über das Erbrecht als solches disponieren, sondern lediglich nach der für die Übertragung einer Erbschaft geltenden Vorschrift in § 2385 Abs. 1 [X.] vereinbaren, einander so zu stellen, als wäre eine bestimmte Erbfolge eingetreten (vgl. zum Höferecht: [X.], [X.], 319, 321; zum allgemeinen Erbrecht: [X.], Urteil vom 22. Januar 1986 - [X.], NJW 1986, 1812, 1813; KG, [X.] 2004, 31). Solche Verträge bedürfen jedoch gemäß § 2371, § 2033 Abs. 1 Satz 2 [X.] der notariellen Beurkundung (vgl. [X.], Urteil vom 22. Januar 1986 - [X.], aaO). Vereinbarungen, denen es an der gesetzlich vorgeschriebenen Form fehlt, sind nach § 125 Satz 1 [X.] unwirksam; die Beteiligten sind nicht daran gehindert, sich auf die wahre Rechtslage zu berufen (vgl. [X.], [X.] 1988, 196, 197).

Nur in ganz besonders gelagerten Ausnahmefällen kann die Nichtbeachtung gesetzlicher Formvorschriften unter dem Gesichtspunkt des § 242 [X.] außer [X.] gelassen werden ([X.], Urteil vom 24. April 1998 - [X.], [X.]Z 138, 339, 348 mwN). Das gilt auch für den [X.] nach § 2371 [X.], der den Erben vor einer übereilten Übertragung seiner Erbschaft schützen ([X.], MittRhNotK 1969, 620, 623) und in Bezug auf die Rechte am Nachlass Rechtssicherheit gewährleisten soll (vgl. [X.]/[X.], [X.], 71. Aufl., § 2371 Rn. 2; [X.]/Deppenkemper, [X.], 7. Aufl., § 2371 Rn. 1). An die Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben auf [X.] erbrechtliche Vereinbarungen müssen strenge Anforderungen gestellt werden (vgl. [X.], NJW-RR 2006, 225, 226).

(2) Vor diesem Hintergrund kann das Berufen des [X.]n auf sein Erbrecht nicht allein deshalb als rechtsmissbräuchlich angesehen werden, weil er zuvor irrtümlich einen nach dem Wert des gesamten Nachlasses berechneten Pflichtteil verlangt und von dem Erben des [X.] entsprechende Zahlungen erhalten hat. Hätten die Leistungen auf einer nach § 125 Satz 1 [X.] nichtigen Vereinbarung beruht, könnte der [X.] dessen ungeachtet die sich aus seinem Erbrecht ergebenden Ansprüche geltend machen, da die Nichtigkeit einer Vereinbarung nach § 2385 [X.] durch die Erfüllung der sich aus ihr ergebenden Ansprüche nicht geheilt wird und die Folgen der Formunwirksamkeit nicht aus bloßen Billigkeitserwägungen unberücksichtigt bleiben können.

Derjenige, der ohne eine solche Vereinbarung gezahlt hat, verdient jedoch keinen stärkeren Schutz. Er kann noch weniger als im Fall einer Vereinbarung mit dem [X.]n darauf vertrauen, dass dieser seine Ansprüche aus dem Höferecht auf Grund einer (rechtsgrundlosen) Zahlung auf den Pflichtteilsanspruch selbst dann nicht geltend machen wird, wenn er die wahre Rechtslage erkennt. Der Rechtsirrtum des [X.]n über seine Erbschaft wirkt ebenso wenig rechtsvernichtend wie der Rechtsirrtum des Erben des [X.] eine Erbschaft an dem Hof begründet (vgl. [X.], Urteil vom 16. März 2007 - [X.], [X.], 1940, 1941 Rn. 9 - zu einem Irrtum über die Eigentumsverhältnisse an seiner Sache).

(3) Anders ist es zwar, wenn der [X.] insoweit arglistig handelt oder ihm eine besonders schwere Treuwidrigkeit zur Last fällt. So etwas kommt in Betracht, wenn der Antragsteller in Kenntnis seines Erbrechts (als [X.]) die Pflichtteilsansprüche geltend gemacht hätte, weil ihm dies seinerzeit günstiger erschien (vgl. [X.], Urteil vom 11. Januar 1966 - [X.], [X.]Z 44, 367, 371), oder er jetzt das Erbe herausverlangte, zugleich aber die Zahlungen auf den Pflichtteil insgesamt behalten wollte (vgl. [X.], 52, 57). Dazu ist aber nichts festgestellt und ersichtlich. Die Rechtsbeschwerde verweist vielmehr auf den Vortrag des Antragstellers, dass ihm die wahre Rechtslage bei der Anforderung des Pflichtteils unbekannt gewesen sei und dass er bereit sei, nach Anerkennung seiner Stellung als [X.] zu Unrecht erhaltene Pflichtteilszahlungen den Beteiligten zu 2 und zu 3 zu erstatten.

IV.

Der angefochtene Beschluss ist danach aufzuheben und die Sache an das Beschwerdegericht zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen (§ 27 Abs. 2 [X.] aF, § 563 Abs. 1 ZPO).

1. Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif, weil das Beschwerdegericht keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob der Grundbesitz im Zeitpunkt des Todes der Mutter des [X.] ein [X.] gemäß § 1 Abs. 1, § 8 Abs. 1 [X.] in der alten Fassung nach der Verordnung vom 24. April 1947 (ABlMR BritZ Nr. 18 S. 505) gewesen ist. Solcher Feststellung bedarf es grundsätzlich, weil nur unter dieser Voraussetzung der Vater des Antragstellers nach dem Tod der Mutter [X.] und der Antragsteller nach dem Tod des [X.] [X.] geworden wäre.

a) Die Rechtslage ist nach dem bis zum 1. Juli 1976 geltenden Höferecht zu beurteilen, da nach Art. 3 § 3 des [X.] zur Änderung der Höfeordnung vom 29. März 1976 ([X.]l. I 881, 889, im Folgenden: 2. [X.]ÄndG) für die erbrechtlichen Verhältnisse die Bestimmungen der bisher geltenden Vorschriften maßgebend bleiben, wenn der Erblasser vor dem Inkrafttreten der Neuregelung am 1. Juli 1976 gestorben ist. Das trifft auf die 1971 verstorbene Mutter des Antragstellers zu. Der den Ehegatten gemeinsam gehörende [X.] wäre, wenn er noch ein Hof im Sinne des Höferechts war, nach § 8 Abs. 1 [X.] aF mit dem Tod der Mutter des Antragstellers dem Vater des [X.] als [X.]n zugefallen (Senat, Beschluss vom 11. Dezember 1956 - [X.], [X.]Z 22, 317, 333).

b) Der Umstand, dass der Vater erst unter der Geltung des novellierten Höherechts verstorben ist, nach dem ihm der Anteil seiner verstorbenen Ehefrau allein als [X.] zugefallen wäre (§ 8 Abs. 1 [X.] nF), ändert daran nichts. Da der Nacherbe nicht den Vorerben, sondern den Erblasser beerbt, bestimmt sich auch dessen Rechtsstellung nach dem im Zeitpunkt des Todes des Vorerben anzuwendenden Rechts (vgl. [X.], [X.] 1979, 320, 321; [X.], [X.] 1978, 308, 309; [X.], [X.] 1978, 288, 289: [X.], [X.] 10. Auflage, [X.] § 8 Rn. 55; [X.]/Wulff/[X.], [X.], 10. Aufl., § 8 Rn. 54).

aa) Der Senat teilt nicht die entgegenstehende Ansicht [X.], dass die in § 8 [X.] aF gesetzlich angeordneten [X.]en mit der Gesetzesänderung [X.] geworden und etwaige Anwartschaften des Nacherben entfallen seien ([X.] 1979, 82, 95 f. und [X.] 1980, 70, 71). Dem steht entgegen, dass das Übergangsrecht in Art. 3 § 3 2. [X.]ÄndG für die Erbfälle vor dem 1. Juni 1976 die Fortgeltung der bisher geltenden Vorschriften bestimmt hat (vgl. nur [X.]/[X.], [X.] 1980, 67, 82). Auch kann - wenn etwas Gegenteiliges im Gesetz nicht angeordnet ist - nicht davon ausgegangen werden, dass mit einer erbrechtlichen Neuregelung die nach bisherigem Erbrecht begründeten Anwartschaften der Nacherben ersatzlos weggefallen sind (vgl. Senat, Beschluss vom 28. Oktober 1971 - [X.], [X.]Z 57, 186, 188).

bb) Der Senat hat auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken an der Wirksamkeit der Regelung in § 8 Abs. 1 Satz 1 [X.] aF. Diese Vorschrift, nach der ein [X.] dem überlebenden Ehegatten, sofern der Hof nicht von ihm stammte, mit dem Tod des anderen Ehegatten (nur) als [X.]n zufiel, hatte allerdings zur Folge, dass der überlebende Ehegatte bezüglich des ihm bereits gehörenden Miteigentumsanteils sich „bei lebendigem Leibe“ selbst beerbte, was einen verfassungsrechtlich bedenklichen Eingriff in sein Eigentumsrecht darstellte (vgl. Senat, Beschluss vom 24. April 1986, [X.], [X.]Z 98, 1, 4). Die auf Besatzungsrecht beruhende Vorschrift ist indessen einer Überprüfung auf ihre Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz entzogen([X.] 15, 337, 346). Es ist lediglich zu prüfen, ob ihre weitere Anwendung nach Art. 3 § 3 2. HöfeÄndG noch verfassungsgemäß ist, da der Gesetzgeber nach Art. 20 Abs. 3 GG verpflichtet war, besatzungsrechtliche Vorschriften, die mit dem Grundgesetz nicht vereinbar sind, aufzuheben oder zu ändern, um eine mit dem Grundgesetz entsprechende Rechtsordnung zu schaffen ([X.] 15, 337, 350).

Diesem Maßstab hält die weitere Anwendung des § 8 Abs. 1 Satz 1 [X.] aF auf die vor dem 1. Juli 1976 eingetretenen Erbfälle („Altfälle“) deshalb stand, weil aus der [X.] des überlebenden Ehegatten übertragbare und vererbbare Anwartschaftsrechte des Nacherben entstanden waren (vgl. Senat, Beschluss vom 28. Oktober 1971 - [X.], [X.]Z 57, 186, 188). Diese Rechte wären den Nacherben entzogen worden, wenn der Gesetzgeber angeordnet hätte, dass die Vorschrift des § 8 Abs. 1 [X.] nF rückwirkend auch auf Altfälle anzuwenden wäre. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Gesetzesänderung als eine verfassungskonforme Erfüllung des Auftrags an den Gesetzgeber dar, die auf Besatzungsrecht beruhende Höfeordnung so zu ändern, dass ein dem Grundgesetz konformes [X.] entsteht.

2. Das hat jedoch - entgegen der Rechtsansicht des [X.] - nicht die Folge, dass ein Wegfall der [X.] bis zum Nacherbfall im Jahre 1992 für die Entscheidung über die Anträge bedeutungslos wäre.

a) Nach der in Rechtsprechung ([X.], [X.] 1979, 320, 321; [X.], [X.] 1991, 132, 133; [X.], [X.] 1978, 308, 309; [X.], [X.] 1978, 288, 289 und [X.] 2005, 54, 55) und im Schrifttum (Dressler, [X.] 2001, 265, 272; [X.], [X.] 1977, 194, 195; [X.], [X.], 116, 117) überwiegend vertretenen Ansicht, die das Beschwerdegericht teilt, vererbt sich eine Besitzung, die im Zeitpunkt des Eintritts des [X.]s ein Hof im Sinne der Höfeordnung war, auch dann nach dem [X.], wenn die [X.] vor dem Eintritt des [X.] weggefallen ist. Die [X.] wird bis zum Eintritt des [X.] als fortbestehend angesehen.

b) Dem steht die Ansicht gegenüber, nach der sich ein Grundbesitz stets - auch bei bestehender [X.] - nicht mehr nach der Höfeordnung vererbt, wenn die [X.] wegfallen ([X.], [X.], 126, 128; [X.], [X.] 1987, 166; [X.], [X.], 10. Aufl., § 7 Rn. 22). Der Grundbesitz soll dann dem allgemeinen Grundstücks- und Erbrecht zu unterstellen sein ([X.], [X.] 1987, 166, 167; [X.], [X.], 10. Aufl., § 7 Rn. 22).

c) Der Senat hält grundsätzlich die erstgenannte Auffassung für zutreffend, dass mit dem Verlust der [X.] zwar die durch den [X.] begründete Nacherbenanwartschaft nicht erlischt. Die Geltendmachung der Ansprüche als [X.] stellt sich aber dann als eine nach § 242 [X.] unzulässige Rechtsausübung dar, wenn die Besitzung bereits im Zeitpunkt des [X.]s jedenfalls nicht als ein Hof im Sinne der Höfeordnung behandelt wurde und es im Zeitpunkt des [X.] tatsächlich nicht mehr ist.

aa) Verliert eine ehemalige landwirtschaftliche Besitzung während der [X.] ihre [X.], entsteht ein Zielkonflikt zwischen dem erbrechtlichen Grundsatz der Einheitlichkeit des für Vor- und Nacherbfolge geltenden Rechts, auf dem die Anwartschaft des [X.]n beruht, und dem Gleichheitssatz, der eine Sondererbfolge in eine nicht mehr bewirtschaftete und zu bewirtschaftende oder in eine verstümmelte ehemalige landwirtschaftliche Besitzung verbietet (vgl. [X.] in [X.]/Hötzel/von [X.]/[X.], [X.] 3. Aufl., § 1 Rn. 118).

bb) Die wesentlichen Ziele des Anerbenrechts nach der Höfeordnung werden in solchen Fällen bei der Nacherbschaft verfehlt. Die Sondererbfolge in einen bestimmten Teil des Vermögens soll nicht privatwirtschaftliche Interessen des [X.]n fördern, sondern dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung leistungsfähiger Höfe in bäuerlichen Familien dienen, um die Volksernährung sicherzustellen. Zu diesem Zweck wirkt das Anerbenrecht der Zerschlagung bäuerlicher Betriebe, der Zersplitterung des Bodens und der bei der Abfindung der weichenden Erben drohenden Gefahr der Überschuldung entgegen([X.] 15, 337, 342; 67, 348, 367; Senat, Beschluss vom 5. Juni 1992 - [X.], [X.], 217, 218).

Dem widerspricht es, wenn dem Nacherben noch die Vorteile des Höferechts zugutekommen, obwohl der Besitzung bei dem Anfall der Nacherbschaft nach § 2139 [X.] die [X.] fehlt, ohne die sie grundsätzlich nicht als Sondervermögen nach Maßgabe der Höfeordnung vererbt werden kann (vgl. Senat, Beschlüsse vom 14. Mai 1987 - [X.], [X.], 57, 65 und [X.], [X.] 1987, 350, 351). Nur für die landwirtschaftlichen Betriebe ist das Interesse gesetzlich anerkannt, den im Besitz der Familie befindlichen Hof dadurch in der Familie zu halten, dass er geschlossen auf einen Nachfolger übertragen wird (vgl. [X.] 91, 346, 361).

cc) Der Konflikt lässt sich jedoch nicht so auflösen, dass man das anzuwendende Erbrecht ([X.]) nach den Verhältnissen bei Eintritt des [X.] bestimmt. Dies widerspräche nicht nur den erbrechtlichen Prinzipien, dass Vor- und Nacherben wahre Erben desselben Erblassers und ein und derselben Erbschaft sind (Senat, Beschluss vom 30. Oktober 1951 – [X.], [X.]Z 3, 254, 255) und sich Vor- und Nacherbschaft grundsätzlich nach dem Recht richten, das für den Erbfall gegolten hat (Senat, Beschluss vom 28. Oktober 1971 - [X.], [X.]Z 57, 186, 188), sondern auch den an den [X.] anknüpfenden Vorschriften des Höferechts über die Abfindungs- (§ 12 [X.]) und [X.] (§ 13 [X.]) (vgl. Dressler, [X.] 2001, 265, 280 f.).

Wäre mit dem Wegfall der [X.] vor dem Anfall der Nacherbschaft ein Wechsel des [X.]s (vom Höferecht zum allgemeinen Erbrecht) verbunden, änderten sich damit auch die Eigentumsverhältnisse an den zur landwirtschaftlichen Besitzung gehörenden Grundstücken und die Grundlagen für die Berechnung der Abfindungs- und Pflichtteilsansprüche. Die Folgen wären eine nicht mehr hinnehmbare Rechtsunsicherheit und enorme praktische Schwierigkeiten (vgl. [X.], [X.], 116, 117; Dressler, aaO, 272).

dd) Die mit einem Wechsel des [X.]s verbundenen [X.] treten jedoch nicht ein, wenn der Vor- und der Nacherbfall tatsächlich nach dem allgemeinen Erbrecht abgewickelt werden. Sind alle Erbprätendenten (sei es auch zu Unrecht) bereits bei dem [X.] davon ausgegangen, dass das allgemeine Erbrecht anzuwenden ist, und haben sie sich auch entsprechend verhalten, ist einem [X.]n die Berufung auf das [X.] versagt, wenn die früher landwirtschaftliche Besitzung jedenfalls bei Eintritt des [X.] auf Dauer ihre [X.] verloren hat. Eine solche Rechtsverfolgung stellt sich als eine mit dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 [X.]) unvereinbare Rechtsausübung dar. Für die Geltendmachung der Rechte als [X.] fehlt ein schutzwürdiges Eigeninteresse, wenn es nicht mehr um den Erhalt eines landwirtschaftlichen Betriebes, sondern nur noch um die Erlangung eines den Zwecken des [X.]s nicht entsprechenden Vorteils bei der Auseinandersetzung des Nachlasses geht.

Vor diesem Hintergrund wäre das - unter Abkehr von dem viele Jahre von allen Erbprätendenten vertretenen Standpunkt - Berufen eines [X.]n auf das Höferecht als treuwidrig anzusehen; dies stünde der Verfolgung der sich aus dem Erbrecht und dem Eigentum folgenden Ansprüche entgegen. Das Beschwerdegericht wird daher auch dem Vorbringen der Antragsgegner nachzugehen haben, dass die Besitzung jedenfalls bei dem Eintritt des [X.] (1992) kein Hof im Sinne der Höfeordnung mehr gewesen sei.

V.

Die Festsetzung des [X.] folgt aus § 20 Satz 1 Buchstabe b HöfeVfO.

Stresemann                    [X.]                     Czub

Meta

BLw 12/11

23.11.2012

Bundesgerichtshof Senat für Landwirtschaftssachen

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend OLG Köln, 28. Juni 2011, Az: 23 WLw 12/10

§ 8 Abs 1 aF HöfeO, § 242 BGB, § 2100 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23.11.2012, Az. BLw 12/11 (REWIS RS 2012, 1039)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 1039

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