Bundessozialgericht, Beschluss vom 05.05.2015, Az. B 10 EG 1/15 B

10. Senat | REWIS RS 2015, 11634

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Gegenstand

(Nichtzulassungsbeschwerde - bayerisches Landeserziehungsgeld - Anrechnung von Einkommen des Partners einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft - Intensität der Beziehung - Verantwortungs- undEinstehungsgemeinschaft - gegenseitiger Einstandswille bezüglich eigenem Einkommen und Vermögen - Divergenz - Rechtsprechung des BVerfG - sozialgerichtliches Verfahren - Verfahrensfehler - rechtliches Gehör)


Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 29. Oktober 2014 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

I. Das [X.] hat mit Urteil vom 29.10.2014 einen Anspruch der Klägerin auf Landeserziehungsgeld nach dem [X.] für das zweite Lebensjahr ihres am 27.6.1998 geborenen Kindes P abgelehnt. Bereits das [X.] - so das [X.] - sei mit Gerichtsbescheid vom [X.] ([X.] EG 18/11) zutreffend zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin und der beigeladene Vater des Kindes im maßgeblichen Zeitraum eine eheähnliche Gemeinschaft im Sinne des Gesetzes gebildet hätten, sodass dessen Einkommen bei der Berechnung des Landeserziehungsgeldes anzurechnen sei mit dem Ergebnis, dass der Klägerin kein Landeserziehungsgeld zustehe. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Anrechnung des Einkommens des Partners einer eheähnlichen Gemeinschaft bei der Berechnung des Landeserziehungsgeldes bestünden nicht, da im Sozialrecht dem Gesetzgeber im Anwendungsbereich des Art 3 Abs 1 GG generell ein besonders großer Gestaltungsspielraum zukomme ([X.] 113, 167, 215; 122, 151, 174 ff; 126, 369, 397 f). Seien die Bindungen zwischen den Partnern wie im Rahmen einer eheähnlichen Gemeinschaft so eng, dass von ihnen erwartet werden könne, dass sie zunächst den gemeinsamen Lebensunterhalt sicherstellten, bevor sie ihr Einkommen zur Befriedigung eigener Bedürfnisse verwendeten, so sei ihre Lage im Hinblick auf die Berücksichtigung des gemeinschaftlichen Einkommens bei der Gewährung von Landeserziehungsgeld mit derjenigen nicht dauernd getrennt lebender Ehegatten vergleichbar (vgl [X.] 87, 234, 264 f).

2

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin beim BSG Beschwerde eingelegt. Sie macht geltend, die Rechtssache weiche von der Rechtsprechung des [X.] ab und das Urteil des [X.] beruhe auf einem Verfahrensmangel.

3

[X.]. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin hat keinen Erfolg. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Klägerin alle von ihr aufgegriffenen Punkten in einer den Zulässigkeitserfordernissen einer Nichtzulassungsbeschwerde genügenden Weise dargestellt hat und ihre Nichtzulassungsbeschwerde in allen Punkten zulässig ist. Die Beschwerde ist jedenfalls unbegründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe der Divergenz (§ 160 Abs 2 [X.] SGG) sowie von Verfahrensfehlern (§ 160 Abs 2 [X.] SGG) liegen nicht vor.

4

Eine Abweichung (Divergenz) iS des § 160 Abs 2 [X.] SGG liegt nur dann vor, wenn das [X.] mit einem genau bestimmten entscheidungserheblichen Rechtssatz in seinem angegriffenen Urteil von einer genau bestimmten rechtlichen Aussage des BSG, des [X.] oder des [X.] abweicht (vgl [X.] § 160a [X.]1, 29, 54). Dazu genügt es nicht darzulegen, dass die angefochtene Entscheidung nicht den Kriterien entspricht, die etwa das BSG oder das [X.] aufgestellt hat, sondern es ist aufzuzeigen, inwiefern das [X.] diesen Kriterien ausdrücklich widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat (vgl dazu [X.] § 160a [X.], 21, 29, 67; [X.]-1500 § 160 [X.]6). Zudem ist anzugeben, inwiefern die Entscheidung des [X.] auf der Abweichung beruhen kann (vgl [X.] § 160a [X.], 21, 29, 54, 67).

5

Diesen Anforderungen hat die Klägerin bereits nicht hinreichend Rechnung getragen. Zwar behauptet sie eine Abweichung des [X.] von dem Urteil des [X.] vom 17.11.1992 (1 BvL 8/87, [X.] 87, 234), denn das Urteil des [X.] vom 29.10.2014 beruhe auf dem Rechtssatz:

"eine eheähnliche Gemeinschaft liegt immer dann vor, wenn

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in ihr [X.] mit einer Frau verbunden ist,

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diese auf Dauer angelegt ist,

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die daneben keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zulässt und

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sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründet, also

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über die Beziehungen einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgeht."

6

Diese Rechtsauffassung sei mit dem das genannte Urteil des [X.] tragenden Rechtssatz unvereinbar, "dass eine eheähnliche Gemeinschaft nur dann vorliegt, wenn neben den vom [X.] angeführten Merkmalen

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zwischen den Partnern so enge Beziehungen bestehen, dass von ihnen ein gegenseitiges Einstehen in den Not- und Wechselfällen des Lebens erwartet werden kann (Verantwortungs- und Einstehungsgemeinschaft) - amtlicher Leitsatz Ziff. 2 zum o.a. Urteil des [X.] - also

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sich so sehr füreinander verantwortlich fühlen, dass sie zunächst den gemeinsamen Lebensunterhalt sicherstellen, bevor sie ihr persönliches Einkommen zur Befriedigung eigener Bedürfnisse verwenden (a.a.O, Begründung Abschn. [X.] Ziff. 3)."

7

Die Abweichung bestehe somit darin, dass das [X.] bereits dann eine eheähnliche Lebensgemeinschaft als gegeben ansehe, wenn die Bindungen zwischen den Partnern keineswegs so eng seien, dass sie auch in den Not- und Wechselfällen des Lebens füreinander mit ihrem Einkommen und Vermögen einstehen würden.

8

Mit diesem Vorbringen kritisiert die Klägerin die Rechtsanwendung des [X.] im konkreten Einzelfall und unterstellt dem [X.] lediglich eine Abweichung von der Rechtsprechung des [X.]. Die Klägerin legt gerade nicht dar, dass das [X.] eine eigene, die Entscheidung tragende Rechtsansicht bewusst in Abweichung von der des [X.] getroffen hat. Tatsächlich hat sich das [X.] gerade die Rechtsprechung des [X.] auf Seite 16 und 17 seines Urteils vom 29.10.2014 ausdrücklich zu eigen gemacht und auf die dort hervorgehobenen Kriterien abgestellt. Damit hat das [X.] zu keinem Zeitpunkt den Kriterien des [X.] zur eheähnlichen Lebensgemeinschaft widersprochen oder wollte gar eigene Kriterien für deren Definition entwickeln. Ob das [X.] im Einzelfall richtig entschieden hat, ist darüber hinaus nicht zulässiger Gegenstand einer Nichtzulassungsbeschwerde (vgl [X.] § 160a [X.] 7 S 10).

9

Soweit die Klägerin als weiteren Zulassungsgrund zur Revision einen Verfahrensfehler gemäß § 160 Abs 2 [X.] SGG rügt aufgrund einer Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG; Art 103 Abs 1 GG), so liegt dieser Zulassungsgrund jedenfalls nicht vor.

Die Klägerin kritisiert, das [X.] habe ihren Vortrag mit Schriftsatz vom 16.8.2013 nicht berücksichtigt, dass sie in keiner Weise an dem Einkommen des Beigeladenen teilgehabt habe. Anders als bei der Ehe handele es sich eben gerade nicht um eine Erwerbsgemeinschaft, bei der das Einkommen grundsätzlich beiden Partnern zukomme, auch wenn keine Notlage gegeben sei. Das [X.] setze sich erkennbar mit ihrem Einwand nicht auseinander, dass sie zum einen keinerlei Teilhabe am Einkommen des Beigeladenen hatte und zum anderen auch nicht haben konnte, weil die von ihr mit dem Beigeladenen unterhaltene Gemeinschaft, im Gegensatz zur Ehe, keine Erwerbsgemeinschaft sei, in der das Einkommen grundsätzlich beiden Partnern zukomme, auch wenn keine Notlage gegeben sei. Dieses Vorbringen der Klägerin begründet allerdings keine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör. Tatsächlich rügt sie die Sachverhaltswürdigung durch das [X.], die sie für unzutreffend hält. Dabei hat sie § 160 Abs 2 [X.] Halbs 2 SGG unberücksichtigt gelassen, wonach der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung des insoweit einschlägigen § 128 Abs 1 S 1 SGG gestützt werden kann.

Zudem begründet das Vorbringen der Klägerin, ihr rechtliches Gehör sei dadurch verletzt, dass ein bestimmter Vortrag vom [X.] nicht berücksichtigt worden sei, eine entsprechende Gehörsverletzung nicht. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass das Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen eines Beteiligten auch zur Kenntnis genommen und in seine Erwägungen miteinbezogen hat. Das Gericht ist aber nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen auch in der Begründung seiner Entscheidung ausdrücklich zu befassen. Insbesondere ist es nicht verpflichtet, auf sämtliche Tatsachen und Rechtsansichten einzugehen, die im Laufe des Verfahrens von der einen oder der anderen Seite zur Sprache gebracht worden sind ([X.] 96, 205, 216 f). Deshalb kann ein Verstoß gegen das rechtliche Gehör nicht bereits angenommen werden, wenn das Gericht Ausführungen eines Beteiligten unerwähnt lässt, die nach seinem Rechtsstandpunkt unerheblich oder offensichtlich haltlos sind ([X.] 70, 288, 293 f). Tatsächlich hat das [X.] das Vorbringen der Klägerin in seinem Urteil vom 29.10.2014 auf Seite 12 ff benannt und dieses somit zur Kenntnis genommen. Art 103 Abs 1 GG schützt jedoch nicht davor, dass ein Gericht die Rechtsansicht eines Beteiligten nicht teilt ([X.] 64, 1, 12; 76, 93, 98). Die Beschwerde ist daher insgesamt zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Meta

B 10 EG 1/15 B

05.05.2015

Bundessozialgericht 10. Senat

Beschluss

Sachgebiet: EG

vorgehend SG München, 19. Juli 2013, Az: S 33 EG 18/11, Gerichtsbescheid

Art 5 Abs 1 S 2 LErzGG BY 1995, Art 6 Abs 3 S 2 LErzGG BY 2007, Art 6 Abs 3 S 2 LErzGG BY, § 160a SGG, § 160 Abs 2 Nr 2 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG, § 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 05.05.2015, Az. B 10 EG 1/15 B (REWIS RS 2015, 11634)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 11634

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