Bundessozialgericht, Urteil vom 20.02.2020, Az. B 14 AS 4/19 R

14. Senat | REWIS RS 2020, 2307

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 8. November 2018 geändert und der Beklagte verurteilt, an den Kläger weitere 197,46 Euro zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits für alle Instanzen trägt der Beklagte.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 197,46 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um einen abgetretenen Kostenerstattungsanspruch aus § 63 [X.] nach Aufrechnung des beklagten Jobcenters.

2

Der klagende Rechtsanwalt hatte zwei [X.] - eine Mutter und deren minderjährige Tochter - in einer Angelegenheit nach dem [X.] vertreten. Der Beklagte hatte den Widerspruch zurückgewiesen und entschieden, er werde die notwendigen außergerichtlichen Kosten der [X.] zur Hälfte erstatten (Widerspruchsbescheid vom [X.]). Die Mutter hatte ua [X.] nach § 63 [X.] an den Kläger abgetreten. Das hatte der Beklagte seit der Einlegung des Widerspruchs gewusst. Der Kläger forderte von dem Beklagten die Zahlung von 243,95 Euro für die Vertretung im Widerspruchsverfahren. Der Beklagte erklärte gegenüber der Mutter, er halte die geltend gemachten Kosten für erstattungsfähig. Er rechne mit eigenen Forderungen gegen die [X.] auf und zahle nichts (Schreiben vom 11.3.2014).

3

Das [X.] hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 29.5.2017). Das L[X.] hat den Beklagten auf die zugelassene Berufung zur Zahlung von 46,49 Euro verurteilt, die weitergehende Berufung zurückgewiesen und die Revision zugelassen (Urteil vom 8.11.2018). Zwar sei der Anspruch aus § 63 [X.] auf Freistellung gerichtet. Mit der wirksamen Abtretung stünden sich aber zwei gleichartige Forderungen gegenüber. Der Kostenerstattungsanspruch sei auf beide [X.] hälftig aufzuteilen. Gegen die Tochter habe der Beklagte nur einen Erstattungsanspruch in Höhe von 75,49 Euro und müsse daher den Restbetrag zahlen.

4

Der Kläger rügt die Verletzung von § 387 BGB, weil die Forderungen nicht gleichartig seien. Die [X.] hätten einen Freistellungsanspruch gehabt. Zudem sei ungeklärt, ob die Aufrechnung durch Willenserklärung oder durch Verwaltungsakt habe erfolgen müssen, und der Beklagte habe kein Ermessen ausgeübt.

5

Der Kläger beantragt,
das Urteil des [X.] vom 8. November 2018 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, ihm weitere 197,46 Euro zu zahlen.

6

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision ist begründet (§ 170 Abs 2 Satz 1 [X.]). Der [X.]läger hat Anspruch auf vollen Ausgleich seiner [X.]ostennote, weshalb das Urteil des [X.] abzuändern und ihm ein weiterer Betrag von 197,46 Euro zuzusprechen ist.

8

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist neben den vorinstanzlichen Entscheidungen die Pflicht des Beklagten zur Zahlung weiterer 197,46 Euro aus der [X.]ostennote des [X.]. Der Beklagte hat seine Verurteilung nicht angegriffen. Die Entscheidung des [X.] ist insoweit rechtskräftig.

9

Dass die Geltendmachung der [X.]ostenerstattung dem Grunde nach berechtigt war, ist nach der bestandskräftigen Entscheidung über die [X.]ostenlast (§ 63 Abs 1 Satz 1 [X.]B X) nicht mehr zu prüfen. Auch die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten (§ 63 Abs 2, Abs 3 Satz 2 [X.]B X) ist festgestellt. Diese Regelung hat der Beklagte inzident mit der Anerkennung der Höhe des grundsätzlich erstattungsfähigen Betrags getroffen (vgl B[X.] vom [X.] - B 11 [X.] 24/08 R - [X.], 21 = [X.]-1300 § 63 [X.], Rd[X.]; B[X.] vom [X.] - [X.] R 137/08 R - Rd[X.]). Die geltend gemachten [X.]osten hat der Beklagte auch der Höhe nach durch sein Schreiben vom 11.3.2014 mittels bestandskräftigem [X.]ostenfestsetzungsverwaltungsakt vollumfänglich anerkannt (§ 63 Abs 3 Satz 1 Halbsatz 1 [X.]B X).

2. Verfahrensrechtliche Hindernisse stehen einer Sachentscheidung des Senats nicht entgegen. Streitigkeiten wegen der [X.]osten eines isolierten Vorverfahrens (§§ 78 ff [X.]) sind keine [X.]osten des Verfahrens iS von § 144 Abs 4 [X.] (stRspr; vgl B[X.] vom 12.12.2019 - [X.] [X.]/18 R - zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen). Wegen der Höhe der [X.]ostennote war die Berufung statthaft, nachdem sie das [X.] in seinem Urteil zugelassen hat (vgl § 144 Abs 1 Satz 1 [X.] [X.]).

Zutreffende [X.]lageart ist die echte Leistungsklage (§ 54 Abs 5 [X.]). Mit dieser [X.]lageart kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hat. Leistung in diesem Sinne ist [X.], Dulden oder Unterlassen (vgl [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], 12. Aufl 2017, § 54 Rd[X.]7; zur Zahlung aus einem nicht aufgehobenen Bewilligungsbescheid B[X.] vom [X.] - 10 RV 23/79 - B[X.]E 50, 82 = [X.] 1500 § 54 [X.]), also auch die Zahlung aus der bewilligten [X.]ostenerstattung, die von dem [X.]läger aus übertragenem Recht der [X.] geltend gemacht wird.

Dem [X.]lageziel steht kein weiterer Verwaltungsakt entgegen, mit dem Rechte der [X.] aus dem [X.]ostenfestsetzungsverwaltungsakt oder solche des [X.] aus übertragenem Recht wieder beseitigt worden sind (vgl § 39 Abs 2 [X.]B X) und der deswegen hätte angefochten werden müssen. Eine hierfür erforderliche Regelung (§ 31 [X.]B X) hat der Beklagte erkennbar nicht treffen wollen und stattdessen die Aufrechnung erklärt (vgl B[X.] vom 24.7.2003 - B 4 RA 60/02 R - [X.]-1200 § 52 [X.] Rd[X.]7; zur Verrechnung B[X.] vom 31.8.2011 - [X.] 2/10 - B[X.]E 109, 81 = [X.]-1200 § 52 [X.], Rd[X.]5; vgl zur [X.] gegenüber dem Zessionar [X.] vom 26.6.2002 - [X.], 2865; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.]/Würdinger, [X.], § 406 Rd[X.] 8, Stand 1.12.2016). Wegen der Aufrechnung hat er nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des [X.] weder Aktivitäten entfaltet, die Verwaltungsverfahren mit dem Ziel des Abschlusses durch Verwaltungsakt hätten sein können (vgl § 8 [X.]B X), noch seine Entscheidung als Verwaltungsakt bezeichnet oder anderweitig den Eindruck erweckt, er habe durch Verwaltungsakt über die Aufrechnung entschieden (vgl zur Entscheidung in der Form des Verwaltungsakts, ohne dass die Merkmale des § 31 [X.]B X gegeben sind [X.] in [X.]/[X.], [X.] § 31 [X.]B X, [X.], Stand Dezember 2011; B[X.] vom [X.] RJ 39/02 R - B[X.]E 91, 68 = [X.]-1300 § 31 [X.] Rd[X.]). Die durch den Beklagten abgegebene Erklärung, er werde nicht zahlen, ist kein (feststellender) Verwaltungsakt und auch keine gesonderte Ablehnung der Auszahlung.

3. In der Sache stützt der [X.]läger seinen Zahlungsanspruch zutreffend auf den [X.]ostenfestsetzungsverwaltungsakt des Beklagten vom 11.3.2014 iVm der Abtretung der Ansprüche der [X.] gemäß § 398 [X.]. Der Anspruch aus abgetretenem Recht (dazu a.) ist nicht durch Aufrechnung des Beklagten erloschen (dazu b.).

a. Wegen der Abtretung der [X.] aus § 63 [X.]B X durch die [X.] ist der [X.]läger Inhaber des geltend gemachten Zahlungsanspruchs.

Die Voraussetzungen der Abtretung richten sich nicht nach § 53 Abs 2 [X.]B I. Dessen sachlicher Anwendungsbereich ist nicht eröffnet. Der [X.]ostenerstattungsanspruch aus § 63 [X.]B X ist kein Anspruch auf Sozialleistungen, der § 53 [X.]B I unterfällt (vgl zum Geldleistungsbegriff in § 44 [X.]B I B[X.] vom 27.6.2017 - B 2 U 13/15 R - B[X.]E 123, 238 = [X.]-7610 § 677 [X.], Rd[X.]3). Gründe für andere im Sozialrecht wurzelnde Beschränkungen der Möglichkeit, die Abtretung des [X.] aus § 63 [X.]B X überhaupt erklären zu können, sind nicht erkennbar. Seine Abtretung ist daher in entsprechender Anwendung der §§ 398 ff [X.] möglich.

Gemäß § 398 [X.] kann eine Forderung von dem Gläubiger durch Vertrag mit einem anderen auf diesen übertragen werden. Mit dem Abschluss des Vertrags tritt der neue Gläubiger an die Stelle des alten Gläubigers.

Nach dem Gesamtzusammenhang der bindenden Feststellungen (§ 163 [X.]) des [X.] hat die Mutter für sich und ihre Tochter ein Abtretungsangebot abgegeben, das der [X.]läger wirksam angenommen hat. Der Schriftform der Annahmeerklärung bedurfte es nicht (vgl für die Übertragung nach § 53 [X.]B I B[X.] vom [X.] - [X.]-1200 § 53 [X.] Rd[X.]3 ff). Die Abtretung war nicht ausgeschlossen, weil sie im Verhältnis zwischen den freistellungsberechtigten [X.] und ihrem Bevollmächtigten für das Widerspruchsverfahren erfolgt ist (vgl [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.]/Würdinger, [X.], § 399 [X.] Rd[X.]1 mwN, Stand 1.2.2020).

b. Der Anspruch des [X.] ist nicht durch die [X.]en des Beklagten vom 11.3.2014 erloschen. Das gegenüber den [X.]n der [X.] bestehende [X.] (dazu [X.].) wirkt auch für den [X.]läger (dazu bb.).

[X.]. Zwar hat der Beklagte, weil er die [X.] nicht durch Zahlung erfüllen wollte, Aufrechnungen durch öffentlich-rechtliche Willenserklärungen erklärt. Hierzu war er grundsätzlich berechtigt (vgl zur Aufrechnung als Rechtsinstitut des öffentlichen Rechts B[X.] vom 9.6.1988 - 4 RA 9/88 - B[X.]E 63, 224, 230 = [X.] 1300 § 48 [X.]7 S 135 mwN; B[X.] vom 15.12.1994 - 12 R[X.] 69/93 - B[X.]E 75, 283, 284 ff = [X.] 3-2400 § 28 [X.] ff; B[X.] vom [X.] [X.]R 21/03 R - B[X.]E 93, 137 = [X.]-2500 § 137c [X.]; zur Verrechnung B[X.] vom 31.8.2011 - [X.] 2/10 - B[X.]E 109, 81 = [X.]-1200 § 52 [X.]; allgemein zum Meinungsstand B[X.] vom 16.12.2009 - [X.] [X.] 43/07 R - Rd[X.]5; vgl auch [X.] vom 27.10.1982 - 3 C 6/82 - [X.]E 66, 218, 221; [X.] vom [X.] - VII R 148/83 - [X.], 482, 487). Ob der [X.]läger die Aufrechnungen gegen sich gelten lassen muss, weil dem Beklagten die Abtretung der [X.] bekannt war (vgl § 407 Abs 1 letzter Halbsatz [X.]), kann dahingestellt bleiben. Das gilt auch für die Frage, welche Anforderungen im Einzelnen bei einer sozialrechtlichen Überformung der entsprechend anzuwendenden Vorschriften des [X.] an eine wirksame Aufrechnung zu stellen wären und inwieweit einzelne spezialgesetzliche Vorschriften des [X.]B II als abschließend verstanden werden müssen. Jedenfalls bestand ein [X.].

Die Aufrechnung von [X.]n aus § 63 [X.]B X mit [X.] eines Jobcenters aufgrund der Überzahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.]B II verstößt gegen ein normatives [X.].

Auch eine Aufrechnung, die ein Gläubiger nach den Vorgaben der §§ 387 ff, 407 [X.] gegen sich gelten lassen müsste, ist ausgeschlossen, wenn sie gegen ein gesetzliches oder vertragliches Verbot verstößt. Gesetzliche [X.]e können ausdrücklich angeordnet sein oder sich aus dem Sinn und Zweck einer Vorschrift ergeben ([X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.]/Würdinger, [X.], § 387 Rd[X.] 71, Stand 17.8.2017; ähnlich Wagner in [X.], [X.], 15. Aufl 2017, § 387, Rd[X.], nach dem neben ausdrücklichen gesetzlichen [X.]en auch die Natur der Rechtsbeziehungen oder der Zweck der geschuldeten Leistung die Aufrechnung ausschließen können). [X.]e sind [X.] auf den Vorrang der Effektiverfüllung zurückzuführen. Bei diesem Vorrang geht es darum, den an der Aufrechnung beteiligten Gläubigern der Hauptforderung den Leistungsgegenstand zur tatsächlichen Verfügung zu erhalten, sei es auch nur im Interesse Dritter (Gernhuber, Die Erfüllung und ihre Surrogate sowie das Erlöschen der Schuldverhältnisse aus anderen Gründen, 2. Aufl 1994, S 258).

Das [X.] gegenüber den [X.] ergibt sich aus Sinn und Zweck des § 63 [X.]B X. Auf dessen Regelungen beruht der [X.]ostenfestsetzungsverwaltungsakt des Beklagten, mit dem er die Gebührennote des [X.] als erstattungsfähig anerkannt hat.

§ 63 [X.]B X berechtigt [X.], die Erstattung der Aufwendungen zu verlangen, die ihnen durch ihr erfolgreiches oder nur wegen der Heilung von Verfahrens- oder Formfehlern erfolgloses Vorgehen gegen einen Verwaltungsakt entstanden sind. Ob und in welchem Umfang Aufwendungen dem Grunde nach zu erstatten sind, richtet sich (ausgenommen § 63 Abs 1 Satz 2 [X.]B X) ausschließlich nach dem Erfolg des Widerspruchs (vgl B[X.] vom [X.] - [X.] [X.]/12 R - [X.]-1300 § 63 [X.]0 Rd[X.]0 ff). Der Erstattungsanspruch kompensiert zugleich den Umstand, dass die Verwaltung die an sie auf Art 20 Abs 3 GG gestützte Erwartung, sie werde nach Gesetz und Recht handeln, nicht erfüllt.

Die Vorschrift übernimmt weitgehend die [X.]ostenregelung zum verwaltungsgerichtlichen Vorverfahren in § 80 [X.], die bewusst eingeführt worden war, um die zuvor umstrittene und vom [X.] des [X.] abgelehnte [X.]ostenerstattungspflicht bei einem Erfolg des Widerspruchs im isolierten Vorverfahren aufgrund für das gerichtliche Verfahren geltender [X.]ostenerstattungsvorschriften zu ermöglichen (vgl Gesetzentwurf der Bundesregierung zum [X.], BT-Drucks 7/910 [X.] mwN; [X.] vom 1.11.1965 - GrSen 2.65 - [X.]E 22, 281).

Ergänzend regelt § 63 Abs 2 [X.]B X, unter welcher Voraussetzung Anspruch auf Erstattung von Aufwendungen für die Vertretung durch Bevollmächtigte besteht. Dazu muss die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten notwendig gewesen sein. Wegen der heutigen [X.]omplexität des Sozialrechts ist die Rechtslage für den Bürger regelmäßig schwer zu erfassen, schon aus diesem Grund ist die Zuziehung [X.] Bevollmächtigter (zB [X.], Rentenberater, Rechtsanwalt, vgl § 73 Abs 2 Satz 2 [X.]) in der Regel notwendig. Zugleich rechtfertigen die Gesichtspunkte eines fairen Verfahrens und einer gewissen Waffengleichheit die Hinzuziehung eines sachkundigen Bevollmächtigten (vgl [X.] in [X.]/[X.], [X.]B X, [X.] § 63 Rd[X.] 50, Stand Febr[X.]r 2015; zur Inanspruchnahme von Rechtsrat und anwaltlicher Vertretung als geeignete Maßnahme zur Steigerung der Effektivität des Vorverfahrens [X.] vom 11.5.2009 - 1 BvR 1517/08 - NZS 2010, 88, 91). Dessen Einschaltung ist bei einem [X.] nach den Regeln der [X.]ostenerstattung für das Vorverfahren im Ergebnis "kostenlos" ([X.] vom 11.5.2009 - 1 BvR 1517/08 - NZS 2010, 88, 89).

Die [X.]ostenerstattung nach § 63 [X.]B X hat bei unbemittelten [X.]n mehrere Funktionen. Sie sichert die [X.] vor der [X.]ostenlast bei einem erfolgreichen isolierten Vorverfahren ab, sie gibt im Wege des [X.] Bevollmächtigten die Sicherheit, ihre Gebühren und Auslagen auch bei Vertretung von unbemittelten [X.]n zu erhalten und sie steht dafür, dass auch unbemittelte [X.] Anwälte finden, die zu ihrer Vertretung bereit sind, weil sie im Erfolgsfall dieselbe Vergütung erwarten können, wie bei bemittelten Mandanten.

Diese Funktionen werden vereitelt, wenn bevollmächtigte Anwälte, sei es, dass - wie hier - der [X.]ostenerstattungsanspruch aus § 63 [X.]B X an sie abgetreten wurde, der Anspruch gemäß § 9 Satz 2 BerHG auf sie übergegangen ist (vgl B[X.] vom 20.2.2020 - [X.] [X.]) oder [X.] selbst Inhaber des Anspruchs aus § 63 [X.]B X bleiben (vgl B[X.] vom 20.2.2020 - [X.] AS 17/19 R -), damit rechnen müssen, dass der Rechtsträger, der die [X.]osten des Vorverfahrens zu erstatten hat, seinerseits mit Forderungen gegenüber [X.]n wirksam aufrechnen kann.

Das erfolgreiche Bemühen der [X.] um die [X.]orrektur rechtswidriger Verwaltungsakte ginge bei der Zulässigkeit der Aufrechnung von [X.]n aus einem Vorverfahren letztlich allein zu ihren Lasten. Dieses Ergebnis weicht ohne erkennbare Rechtfertigung vom prozess[X.]len [X.]ostenrecht ab, dem das "[X.] und [X.]" zugrunde liegt (vgl § 197a Abs 1 letzter Halbsatz [X.] iVm § 154 Abs 1 VwGO; § 135 Abs 1 FGO; § 91 Abs 1 Satz 1 ZPO; B[X.] vom [X.] - [X.] [X.]/12 R - [X.]-1300 § 63 [X.]0 Rd[X.]9) oder bei dem es maßgeblich zu beachten ist (vgl [X.] in [X.]/[X.], [X.], 2014, § 193 Rd[X.]8 ff). Endet das Vorverfahren zum Nachteil der [X.] und haben sie später im [X.]lageverfahren Erfolg, erfasst der gerichtliche Ausspruch zur [X.]ostenerstattung auch das Vorverfahren (vgl B[X.] vom 20.10.2010 - [X.] R 15/10 R - [X.]-1500 § 193 [X.] 6 Rd[X.]0; B[X.] vom 19.10.2016 - [X.] [X.]/15 R - [X.]-1300 § 63 [X.]5 Rd[X.]0 ff). Bei hinreichender Aussicht auf Erfolg und der wegen der regelmäßigen Prozesskostenhilfebedürftigkeit von Empfängern von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.]B II vorzunehmenden Prozesskostenhilfebewilligung sichert das [X.] aus § 73a Abs 1 Satz 1 [X.] iVm § 126 Abs 2 Satz 1 ZPO das Beitreibungsrecht des Rechtsanwalts und damit auch dessen Bezahlung für die Vertretung im gerichtlichen Verfahren. Die [X.]osten des Vorverfahrens erfasst § 126 Abs 2 Satz 1 ZPO aber nicht.

Dass für das gerichtliche Verfahren Mechanismen vorgesehen sind, die aus Gründen der [X.] aus Art 3 Abs 1 iVm Art 20 Abs 1 und 3 GG (vgl [X.] vom 23.6.1999 - 1 BvR 984/89 - NJW 1999, 3186; [X.] vom 3.3.2014 - 1 BvR 1671/13 - NZS 2014, 336) den Ausgleich von Aufwendungen finanziell bedürftiger Rechtsschutzsuchender wegen ihrer Vertretung ohne Abschläge gegenüber den Aufwendungen von [X.] sichern, ist auch für den [X.]ostenerstattungsanspruch aus § 63 [X.]B X zu würdigen (vgl zum Gleichlauf von [X.] und [X.] [X.] vom 11.5.2009 - 1 BvR 1517/08 - NZS 2010, 88, 89).

Das Grundgesetz verbürgt sich mit dem Anspruch aus Art 3 Abs 1 iVm Art 20 Abs 1 und 3 GG - für den Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt iVm Art 19 Abs 4 GG - für grundsätzlich gleiche Chancen von [X.] und [X.]n bei der Durchsetzung ihrer Rechte auch im außergerichtlichen Bereich. Der [X.] ist einem solchen [X.] gleichzustellen, der bei seiner Entscheidung für die Inanspruchnahme von Rechtsrat auch die hierdurch entstehenden [X.]osten berücksichtigt und vernünftig abwägt ([X.] vom 14.10.2008 - 1 BvR 2310/06 - [X.]E 122, 39, 49; [X.] vom 11.5.2009 - 1 BvR 1517/08 - NZS 2010, 88, 89).

§ 63 [X.]B X setzt durch die Verbindung der [X.]ostenerstattung mit dem Erfolg des Widerspruchs den Anspruch auf [X.] um. Mit der uneingeschränkten Anknüpfung an den Erfolg des Widerspruchs tritt § 63 [X.]B X jedem Versuch entgegen, die Erstattung an individuelle Eigenschaften von [X.]n zu knüpfen. Solche Eigenschaften sind, sofern es um Aufwendungen durch die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe geht, erst bei der [X.] zu berücksichtigen. Hier werden die grundsätzlich beim Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.]B II vorliegenden unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse in den allermeisten Fällen durch den Bemessungsgesichtspunkt der Bedeutung der Angelegenheit ausgeglichen (vgl B[X.] vom [X.] - B 4 AS 21/09 R - B[X.]E 104, 30 = [X.]-1935 § 14 [X.], Rd[X.]8).

Die gebotene Gleichstellung Bemittelter und [X.]r bezieht sich auch auf die Unterstützung bei der Rechtswahrnehmung durch Bevollmächtigte, wenn deren Hinzuziehung notwendig ist. Rechtsanwälte und andere entgeltlich tätige Bevollmächtigte sind auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ihrer Auftraggeber angewiesen. Müssen sie befürchten, ihre Vergütung nicht über den Ausgleich nach § 63 [X.]B X zu erhalten, werden sie die Übernahme der Vertretung ablehnen. Je gezielter Jobcenter zur Aufrechnung von [X.] angewiesen werden, desto weniger wird es Leistungsberechtigten gelingen, anwaltliche Beratung und Vertretung zu erlangen (vgl auch [X.], [X.]b 2017, 314, 316 zum "Praxishandbuch für das Verfahren nach dem Sozialgerichtsgesetz" der [X.] für Arbeit).

Bei Widersprüchen im Bereich der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.]B II sind [X.] oftmals auf rechtskundige Vertretung angewiesen. Denn aufgrund der Abhängigkeit dieser Leistungen von sich ändernden Bedarfen und zu berücksichtigendem Einkommen und Vermögen sind [X.] der Jobcenter gegen Leistungsbezieher nichts ungewöhnliches (vgl zur Größenordnung nur BT-Drucks 19/12241 vom [X.]: 2 883 472 Erstattungsbescheide im Jahr 2018). Das gilt erst recht im Zusammenhang mit der vorläufigen Bewilligung von Leistungen nach dem [X.]B II (§ 41a [X.]B II; vgl zur Leistungserbringung im Voraus § 42 Abs 1 [X.]B II; zur Untauglichkeit des Erlasses von endgültigen Verwaltungsakten in Fällen, in denen der Sachverhalt nicht endgültig aufgeklärt ist B[X.] vom 29.11.2012 - [X.] [X.]/12 R - B[X.]E 112, 221 = [X.]-1300 § 45 [X.], Rd[X.]7 f), bei deren endgültiger Festsetzung sonst zu würdigende Vertrauensschutzgesichtspunkte (vgl § 45 Abs 2 [X.]B X) nicht zu prüfen sind. Daher geht es häufig um konkrete Einzelheiten der Anspruchsberechnung, die von [X.] regelmäßig nicht als mangelhaft erkannt werden können.

Der Zugriff der Jobcenter wegen solcher [X.] auf von ihnen an Leistungsberechtigte nach dem [X.]B II zu erbringende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ist durch § 43 [X.]B II beschränkt. Dieser aus verfassungsrechtlichen Gründen beschränkte Zugriff auf die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (vgl zuletzt [X.] vom 5.11.2019 - 1 BvL 7/16 - NZS 2020, 13, 16) kann nicht auf [X.]osten des Anspruchs auf [X.] umgangen werden.

Die zum Vorverfahren erlassenen gesetzlichen Regelungen - einschließlich derjenigen zur [X.]ostenerstattung - sind schließlich im Lichte des Art 19 Abs 4 GG auszulegen und begrenzen den einseitigen Zugriff auf Forderungen der [X.] zusätzlich. Das gilt auch, wenn sich einem Vorverfahren kein gerichtliches Verfahren anschließt. Denn aus Sicht durch einen Verwaltungsakt Belasteter ist das Vorverfahren bei den in § 78 Abs 1 Satz 1, Abs 3 [X.] genannten Verfahrensarten zwingend. Erst nach Abschluss des Vorverfahrens ist die für eine anschließende [X.]lage gegen Verwaltungsakte gesetzliche Prozessvoraussetzung erfüllt (vgl § 78 Abs 1, Abs 3 [X.]; vgl nur B[X.] vom 18.3.1999 - B 12 [X.]R 8/98 R - [X.] 3-1500 § 78 [X.] S 5 mwN; B. [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], 12. Aufl 2017, § 78 Rd[X.]). Welchen Ausgang das Vorverfahren nimmt, können [X.] bei der kostenauslösenden Inanspruchnahme [X.] Unterstützung regelhaft nicht prognostizieren. Bei einer Aufrechnung würden sie trotz ihres Erfolgs im Ergebnis ihre Aufwendungen selbst zu tragen haben. Den [X.] ihrer Bevollmächtigten sind sie nämlich weiterhin ausgesetzt.

Da im außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren nach der [X.] dem Grunde nach nicht um existenzsichernde Leistungen gestritten wird und das Verfahren bis auf die Streitigkeiten über den Einspruch gegen die [X.]indergeldfestsetzung (vgl § 77 EStG) ohnehin keine Erstattung der Aufwendungen der Beteiligten vorsieht (vgl dazu auch [X.] vom 23.7.1996 - [X.]/96 - [X.]E 180, 529), bedarf es keiner weiteren Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des [X.] zur Aufrechnung mit [X.] gegen prozess[X.]le [X.] aus der FGO (vgl dazu zuletzt [X.] vom 16.3.2016 - [X.]/15).

bb. Das sich aus Sinn und Zweck des § 63 [X.]B X ergebende [X.] schließt die einseitige Aufrechnung auch im Verhältnis zu Bevollmächtigten (§ 13 [X.]B X) im Vorverfahren aus, wenn der [X.]ostenerstattungsanspruch auf sie übergegangen ist. Die auf die Sicherung von [X.] bemittelter und unbemittelter [X.] gerichtete Funktion des [X.] ändert sich nicht, wenn Inhaber der Forderung diejenigen werden, die [X.] bei der Wahrnehmung ihrer Rechte im Vorverfahren unterstützt haben.

Wie ausgeführt, soll auch die Vergütungsforderung Bevollmächtigter durch das [X.] gesichert werden. Ziel ist zu verhindern, dass [X.]n bei Streitigkeiten im Bereich der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.]B II der Zugang zu [X.] Unterstützung im Vorverfahren durch in der Regel entgeltlich tätige Bevollmächtigte faktisch erschwert wird. Der Zugriff auf deren Leistungsansprüche ist nach Maßgabe des § 42 [X.]B II beschränkt.

Aus § 126 Abs 2 Satz 1 ZPO und § 43 [X.], die gesetzliche [X.]e regeln, lässt sich im Verhältnis zu Bevollmächtigten als Gläubigern des [X.] nach [X.] nichts gegen ein [X.] aus dem Sinn und Zweck des § 63 [X.]B X herleiten. [X.] gesetzliche [X.]e stehen neben denjenigen, die sich aus dem Sinn und Zweck einer Vorschrift ergeben und lassen diesen Raum. Daraus, dass § 126 Abs 2 Satz 1 ZPO das Beitreibungsrecht des beigeordneten Anwalts sichert, ergeben sich keine Auswirkungen für ein [X.] aus § 63 [X.]B X. Im Rahmen der Prozesskostenhilfe sind allein Regelungen für das Gerichtsverfahren getroffen. Im Übrigen beruhen beide [X.]e auf der Sicherung des anwaltlichen Gebührenanspruchs (vgl [X.] in [X.]/[X.], [X.] Straf- und Bußgeldsachen, 5. Aufl 2017, § 43 Rd[X.] 5, 8) während es bei dem aus § 63 [X.]B X abgeleiteten [X.] um den Anspruch des unbemittelten Mandanten wegen des Gebots der Rechtwahrnehmungsgleichheit geht.

Die [X.]ostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 [X.] iVm § 161 Abs 1 Alt 1 VwGO. Gemäß § 197a Abs 1 Satz 1 iVm § 154 Abs 1 VwGO hat der Beklagte als unterliegender Teil die [X.]osten des Verfahrens zu tragen.

Die Festsetzung des Streitwerts für das Revisionsverfahren entspricht dem Antrag des [X.] (§ 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 [X.] iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1, § 47 Abs 1 Satz 1, § 40 G[X.]G).

Meta

B 14 AS 4/19 R

20.02.2020

Bundessozialgericht 14. Senat

Urteil

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Meiningen, 29. Mai 2017, Az: S 21 AS 2246/15, Urteil

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 20.02.2020, Az. B 14 AS 4/19 R (REWIS RS 2020, 2307)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 2307

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

B 14 AS 3/19 R (Bundessozialgericht)

Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren - Erstattung von Vorverfahrenskosten - Beratungshilfemandat - Aufrechnung durch ein Jobcenter mit Erstattungsforderungen …


B 14 AS 17/19 R (Bundessozialgericht)


B 6 KA 35/10 R (Bundessozialgericht)

Erstattung von Kosten im Widerspruchsverfahren - Kausalität eines Widerspruchs für eine begünstigende Entscheidung


B 6 KA 29/09 R (Bundessozialgericht)

Kostenerstattung im Vorverfahren - Erfolg des Widerspruchs - Kausalität zwischen Widerspruch und abhelfender Entscheidung - …


B 13 R 63/09 R (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtliches Verfahren - Rechtsanwaltsvergütung - Entstehen der Erledigungsgebühr - keine Erforderlichkeit eines beiderseitigen Nachgebens


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

1 BvR 1671/13

1 BvR 2310/06

1 BvL 7/16

VII B 102/15

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.