Bundesgerichtshof, Beschluss vom 04.04.2016, Az. I ZR 102/15

1. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 13680

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Gegenstand

Frachtführerhaftung im internationalen Straßengüterverkehr: Rechtliche Einordnung eines Lohnfuhrvertrages; haftungsrechtliche Konsequenzen der Einordnung für den Fuhrunternehmer


Tenor

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] - 3. Zivilsenat und [X.] - vom 14. April 2015 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Der Streitwert wird auf 37.927,48 € festgesetzt.

Gründe

1

I. Die Klägerin ist nach ihrer Behauptung Verkehrshaftpflichtversicherer der [X.] (im Folgenden: Versicherungsnehmerin). Die Versicherungsnehmerin wurde 2010 als Subunternehmerin mit dem Transport von Computern und Zubehör nach [X.] beauftragt. Den Transport führte die Beklagte durch. Nachdem der Fahrer der [X.] das Transportgut in [X.] übernommen hatte, wurde in der Nacht vom 30. auf den 31. August 2010 auf einem Parkplatz in [X.] aus dem unverschlossenen LKW ein Teil der Ladung im Wert von 24.056 € entwendet.

2

Der Transportversicherer der Versenderin hat die Hauptfrachtführerin vor dem [X.] [X.] gestützt auf Art. 17, 29 CMR erfolgreich auf Schadensersatz in Höhe von 24.056 € nebst Zinsen in Anspruch genommen. In diesem Prozess sind die Versicherungsnehmerin und die Beklagte dem Rechtsstreit auf Seiten der Hauptfrachtführerin als Streithelfer beigetreten.

3

Die Klägerin, die nach ihrer Behauptung die im Vorprozess titulierte Hauptforderung nebst Zinsen an die Hauptfrachtführerin sowie die Prozesskosten bezahlt hat, beansprucht von der [X.] im vorliegenden Rechtsstreit die Zahlung eines Betrags in Höhe von 37.927,48 € zuzüglich Zinsen.

4

Das [X.] hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen ([X.], [X.] 2015, 194). Mit der angestrebten Revision möchte die Klägerin ihren Klageantrag weiter verfolgen.

5

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert keine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

6

1. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin stünden gegen die Beklagte keine Ansprüche zu. Zur Begründung hat es ausgeführt:

7

Nach dem Ergebnis der vom [X.] durchgeführten Beweisaufnahme habe zwischen der Versicherungsnehmerin und der [X.] kein [X.] bestanden, sondern ein [X.]. Ansprüche aus Art. 17 Abs. 1, 23, 29 CMR schieden deshalb aus. Da die Versicherungsnehmerin als Auftraggeberin berechtigt gewesen sei, unmittelbar verbindliche Weisungen zu erteilen, die die Arbeitnehmer der [X.] zu befolgen hatten, habe die Beklagte [X.] nicht selbst in ihren Besitz genommen. Vielmehr sei die Versicherungsnehmerin durch das von der [X.] zur Verfügung gestellte Personal Besitzerin geworden. Seien die Fahrer der [X.] als Besitzdiener der Auftraggeberin anzusehen, scheide eine Obhutspflicht der [X.] und damit eine Haftung in analoger Anwendung der §§ 425 ff. HGB aus. Eine Haftung der [X.] wegen der Verletzung von Pflichten aus dem [X.] gemäß den §§ 280, 278 BGB komme allein unter dem Gesichtspunkt des Auswahlverschuldens in Betracht. Hierzu habe die Klägerin nichts vorgetragen. Ein Anspruch aus § 831 BGB bestehe nicht, weil die Fahrer der [X.] als Verrichtungsgehilfen der Versicherungsnehmerin anzusehen seien.

8

2. Die Beschwerde macht ohne Erfolg geltend, die Revision sei zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 ZPO).

9

a) Ohne Rechtsfehler ist das Berufungsgericht im [X.] an die vom [X.] durchgeführte Beweisaufnahme davon ausgegangen, dass die Parteien miteinander keinen [X.], sondern einen [X.] abgeschlossen haben.

aa) Es gibt keinen rechtlich eindeutig festgelegten Begriff des [X.]s. Diese Verträge können Dienstverträge, [X.], [X.] Werkverträge, Mietverträge oder gemischte Verträge sein ([X.], Urteil vom 17. Januar 1975 - [X.], NJW 1975, 780). Es handelt sich um einen Vertrag, der sowohl Elemente eines Mietvertrags als auch der Dienstverschaffung enthält, wenn für ihn kennzeichnend ist, dass ein Fahrzeug mit Fahrer zur beliebigen Ladung und Fahrt nach Weisung des Auftraggebers zur Verfügung gestellt wird ([X.], Beschluss vom 26. April 2007 - [X.], [X.], 1330 Rn. 8). Ist der Auftragnehmer allerdings verpflichtet, den [X.] herbeizuführen, wird er zum Frachtführer (vgl. hierzu [X.], Urteil vom 22. Juli 1977 - [X.], [X.] 1980, 47; [X.], [X.], 1330). Die Fragen, wie ein [X.] rechtlich einzuordnen ist und welche rechtliche Konsequenzen diese Einordnung für den Fuhrunternehmer hat, der für andere Unternehmen Fahrten durch eigenes Personal ausführen lässt, ist aufgrund der Umstände des Einzelfalls zu beantworten.

bb) Das Berufungsgericht hat im Hinblick auf die Umstände des Streitfalls angenommen, es liege kein [X.] vor. Zwischen der Versicherungsnehmerin und der [X.] habe seit Jahren ein Vertrag bestanden, in dessen Rahmen mehrere Fahrzeuge fest an die Versicherungsnehmerin verchartert worden seien. Das hierfür eingesetzte Personal sei ausschließlich für die Versicherungsnehmerin gefahren. Diese habe dem Fahrer ohne vorherige Information der [X.] Anweisungen erteilt, welche Fahraufträge in welcher Weise auszuführen seien. Die Beklagte habe ihre Vertragspflichten mit der Überlassung des Fahrers und des LKW erfüllt. Eine Haftung für den Eintritt des [X.]s habe sie nicht übernommen. Aus dem Umstand, dass die Klägerin die Beklagte in Abhängigkeit von den gefahrenen Kilometern vergütet und die Beklagte den Fahrer bezahlt habe, könne das Vorliegen eines [X.] nicht hergeleitet werden. Diese Umstände seien für ein Mietverhältnis und eine Dienstverschaffung typisch. Mit dieser Beurteilung sind dem Berufungsgericht keine die Zulassung der Revision rechtfertigende Rechtsfehler unterlaufen.

b) Die Beschwerde macht ohne Erfolg geltend, das Berufungsgericht weiche mit seiner Annahme, die frachtrechtlichen Vorschriften seien im Streitfall nicht analog anzuwenden, von einer Entscheidung des [X.] und von der Rechtsprechung des [X.]s ab.

aa) Die Entscheidung des [X.] ([X.] 2000, 366), auf die sich die Beschwerde beruft, steht nicht im Widerspruch zur Entscheidung des Berufungsgerichts.

(1) Das [X.] ist in dem ihm zur Entscheidung vorliegenden Fall aufgrund der von ihm festgestellten Umstände zu der Auffassung gelangt, auf das zwischen den dortigen Parteien bestehende Rechtsverhältnis sei Frachtrecht anzuwenden. Zwar habe der Kläger der [X.] mit Fahrern besetzte Fahrzeuge zur Verfügung gestellt, die Fahrer hätten jedoch weiter der Weisung des [X.] unterstanden. Es handele sich nicht um eine Kombination aus Dienstverschaffung und Miete. Vielmehr bestehe eine große Nähe zum [X.], so dass die Anwendung von Frachtrecht sachgerecht erscheine.

(2) So liegt der Streitfall nicht. Vielmehr hat sich die Beklagte nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen im vorliegenden Fall ihres Weisungsrechts über ihre Fahrer begeben. Deshalb weist der hier zur Beurteilung stehende [X.] keine Nähe zum [X.]recht auf.

(3) Im Übrigen hatte das [X.] in der genannten Entscheidung nicht zu prüfen, ob das Haftungsregime des Frachtrechts für den ihm zur Beurteilung vorliegenden Vertrag anzuwenden ist. Es hat allein angenommen, dass für das zwischen den dortigen Parteien bestehende Rechtsverhältnis die kurzen frachtrechtlichen Verjährungsfristen gelten.

bb) Das Berufungsgericht ist nicht von der [X.]sentscheidung vom 17. Januar 1975 ([X.], NJW 1975, 780) abgewichen.

(1) Diese Entscheidung ist noch zur [X.] der Geltung des Güterkraftverkehrsgesetzes ergangen. Die Regelung des § 48 GüKG in der für den dieser Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt maßgeblichen Fassung gestattete ein Anmieten von Kraftfahrzeugen mit Fahrern unter Eingliederung in den eigenen Betrieb zwecks Durchführung von Transporten nicht ([X.], NJW 1975, 780 f.). Daher mussten im Rahmen von [X.] die Fuhrunternehmer bei der Durchführung der Transporte als selbständige Unternehmer des [X.] tätig werden, wenn nicht die Vereinbarung gegen die Vorschriften des Güterkraftverkehrsgesetzes verstoßen sollte ([X.], NJW 1975, 780, 781). Vor diesem Hintergrund hat der [X.] einen [X.] als Dienstvertrag angesehen und entschieden, dass der Fuhrunternehmer, der die Erbringung von Diensten durch von ihm zur Verfügung zu stellende Fahrer schuldet, nach § 278 BGB für deren Verschulden haftet. Der [X.] hat die rechtliche Einordnung des Vertrags als Dienstvertrag damit begründet, dass diese Qualifizierung nicht nur dem Güterkraftverkehrsgesetz, sondern auch der Interessenlage entspricht.

(2) Mit diesem Sachverhalt ist der Streitfall nicht vergleichbar. Das Berufungsgericht ist angesichts des Ergebnisses der vom [X.] durchgeführten Beweisaufnahme zu dem Ergebnis gelangt, es liege kein Dienstvertrag, sondern ein mit einem Mietvertrag kombinierter Dienstverschaffungsvertrag vor. Es hat im Einzelnen begründet, dass angesichts der Weisungsbefugnis der Versicherungsnehmerin gegenüber den Fahrern der [X.] und im Hinblick darauf, dass diese der Versicherungsnehmerin den Besitz an [X.] vermitteln, eine Haftung der [X.] für ihre Fahrer entsprechend § 425 HGB nicht angemessen ist. Diese Beurteilung ist angesichts der Umstände des Streitfalls nicht zu beanstanden (vgl. [X.], [X.] 2013, 140, 145).

cc) Soweit die Beschwerde darzulegen versucht, dass keine vollständige Ausgliederung des Personals und der Fahrzeuge aus dem Unternehmen der [X.] stattgefunden habe, sondern dass die Fahrer gegenüber der [X.] weiterhin weisungsgebunden gewesen seien, zeigt sie keinen die Zulassung der Revision rechtfertigenden Rechtsfehler des Berufungsgerichts auf, sondern setzt in revisionsrechtlich unzulässiger Weise ihre Sicht der Dinge an die Stelle derjenigen des Berufungsgerichts, das in nicht zu beanstandender Weise die Beweiswürdigung des [X.]s gebilligt hat.

dd) Ohne Erfolg beruft sich die Beschwerde auf § 9 der Vertragsbedingungen für den Güterkraftverkehrs-, Speditions- und Logistikunternehmer ([X.]). In dessen Absatz 2 heißt es zwar, dass auf den [X.] die frachtrechtlichen Regelungen dieser Vertragsbedingungen entsprechende Anwendung finden. § 27 [X.] enthält außerdem Regelungen, die § 425 HGB und § 431 Abs. 1 HGB entsprechen. Allerdings waren die [X.], wie die Beschwerde selbst zugesteht, zwischen der Versicherungsnehmerin und der [X.] nicht vereinbart.

3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Büscher                         Schaffert                               [X.]

                   Löffler                            Schwonke

Meta

I ZR 102/15

04.04.2016

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Nürnberg, 14. April 2015, Az: 3 U 1573/14, Urteil

§ 278 BGB, § 280 BGB, § 831 BGB, § 425 HGB, § 431 Abs 1 HGB, Art 17 CMR, Art 23 CMR, Art 29 CMR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 04.04.2016, Az. I ZR 102/15 (REWIS RS 2016, 13680)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 13680


Verfahrensgang

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Az. I ZR 102/15

Bundesgerichtshof, I ZR 102/15, 04.04.2016.


Az. 3 U 1573/14

OLG Nürnberg, 3 U 1573/14, 14.04.2015.


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Referenzen
Wird zitiert von

I ZR 102/15

15 HK O 4347/15

I-18 U 134/15

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