Bundesfinanzhof, Urteil vom 21.01.2015, Az. X R 16/12

10. Senat | REWIS RS 2015, 16872

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Gegenstand

Ordnungsgemäße Zustellung mit Zustellungsurkunde - Rechtserheblichkeit einer neuen Tatsache - Wegfall einer Betriebsaufspaltung durch Übertragung der Beteiligung unter Nießbrauchsvorbehalt - Bescheidänderung aufgrund fehlender Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen


Leitsatz

1. NV: Die Beweiskraft der Zustellungsurkunde erstreckt sich nicht nur auf das Einlegen des Schriftstücks in den zum Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung, sondern auch darauf, dass der Zusteller unter der ihm angegebenen Anschrift weder den Adressaten persönlich noch eine zur Entgegennahme einer Ersatzzustellung in Betracht kommende Person angetroffen hat (Anschluss an BFH-Beschluss vom 4. Juli 2008 IV R 78/05, BFH/NV 2008, 1860) .

2. NV: Der Beweis der Unrichtigkeit der in der Zustellungsurkunde bezeugten Tatsachen erfordert den vollen Gegenbeweis, d.h. den Beweis der Unrichtigkeit der Zustellungsurkunde in der Weise, dass ihre Beweiswirkung vollständig entkräftet wird. Es sind Umstände darzulegen, die ein Fehlverhalten des Zustellers bei der Zustellung und damit eine Falschbeurkundung in der Zustellungsurkunde zu belegen geeignet sind (vgl. BFH-Beschluss vom 4. Juli 2008 IV R 78/05, BFH/NV 2008, 1860) .

3. NV: Eine Änderung nach § 173 Abs. 1 AO scheidet aus, wenn die Unkenntnis der später bekanntgewordenen Tatsache für die ursprüngliche Veranlagung nicht ursächlich (rechtserheblich) gewesen ist, weil die Finanzbehörde auch bei rechtzeitiger Kenntnis der Tatsache mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu keiner anderen Steuer gelangt wäre .

4. NV: Wie die Finanzbehörde bei Kenntnis bestimmter Tatsachen und Beweismittel einen Sachverhalt in seinem ursprünglichen Bescheid gewürdigt hätte, ist im Einzelfall aufgrund des Gesetzes, wie es nach der damaligen Rechtsprechung ausgelegt wurde, und den die Finanzbehörden bindenden Verwaltungsanweisungen zu beurteilen, die im Zeitpunkt des Erlasses des ursprünglichen Steuerbescheids durch die Finanzbehörde gegolten haben .

Tenor

Die Revision der Kläger gegen das Urteil des [X.] vom 16. Juni 2011  3 K 3521/08 E wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens haben die Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

A. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurden im Streitjahr 2002 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

2

Der Kläger war Alleininhaber einer Einzelfirma. Das Vermögen der Firma bestand im Wesentlichen aus Grundbesitz und Anteilen an der G-GmbH, deren alleiniger Anteilseigner wiederum der Kläger war. Die Einzelfirma des [X.] überließ der GmbH den Grundbesitz für deren betriebliche Zwecke.

3

Mit notarieller Vereinbarung vom 30. Dezember 2002 übertrug der Kläger seinem [X.] seine GmbH-Beteiligung und das Einzelunternehmen mit allen Aktiva und Passiva im Wege der vorweggenommenen Erbfolge. Bezüglich des Einzelunternehmens behielt sich der Kläger auf Lebenszeit das unentgeltliche Nießbrauchsrecht "an dem übertragenen Einzelunternehmen, insbesondere am Grundbesitz" vor. Das Nießbrauchsrecht bezog sich auch auf die GmbH-Anteile. Für den Fall, dass der [X.] den Gesellschaftsanteil bzw. das Einzelunternehmen und den Grundbesitz ohne schriftliche Zustimmung des [X.] ganz oder teilweise veräußern oder belasten sollte, stand dem Kläger ein Rücktrittsrecht zu. Der beurkundende Notar wies ausdrücklich darauf hin, dass es zur Aufdeckung stiller Reserven komme, wenn die Finanzverwaltung die Betriebsaufspaltung aufgrund des Vertrags nicht mehr anerkennen würde.

4

Der Steuererklärung für das [X.] war die Bilanz des Einzelunternehmens beigefügt, in deren Anhang es unter der Überschrift "Rechtliche Verhältnisse" u.a. hieß: "Mit [X.] hat Herr die Einzelfirma ... an seinen [X.], Herrn ..., unentgeltlich im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übertragen, und zwar mit Wirkung zum 31.12.2002/ 01.01.2003." Die Kläger wiesen weder auf den Vorbehaltsnießbrauch hin noch übersandten sie den Vertrag. Einen Aufgabegewinn erklärten sie nicht. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) setzte die Einkommensteuer 2002 mit [X.] vom 27. April 2004 erklärungsgemäß fest. Die Veranlagung erfolgte --abgesehen von den maschinellen Vorläufigkeiten-- endgültig.

5

Am 12. April 2005 übersandten die Kläger den vom [X.] vom 30. Dezember 2002. Mit Schreiben vom 13. April 2005 äußerte das [X.] die Auffassung, die Veranlagung 2002 sei nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung ([X.]) zu ändern und der Betriebsaufgabegewinn aufgrund der Übertragung steuerlich zu erfassen. In einem Aktenvermerk vom 14. Juni 2005 wurde festgehalten, ein Betriebsaufgabegewinn sei nicht zu besteuern.

6

Im Rahmen einer Außenprüfung für die Jahre 2002 bis 2004 stellte der Betriebsprüfer fest, die Übertragung vom 30. Dezember 2002 sei als Betriebsaufgabe zu bewerten und die aufgedeckten stillen Reserven seien nach § 16 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes der Besteuerung zu unterwerfen. In diesem Zusammenhang bat der Betriebsprüfer den Kläger mit Schreiben vom 2. Mai 2007 um Mitteilung, ob nach dem [X.] die Verbindlichkeiten gegenüber der Bank, den Lieferanten und der GmbH ebenfalls übergegangen seien, sowie um Vorlage der entsprechenden Zustimmungserklärungen der Gläubiger. Der Kläger legte hierzu eine Stellungnahme des beurkundenden Notars vor. Zustimmungserklärungen der Gläubiger wurden weder in Beantwortung des Schreibens vom 2. Mai 2007 noch später eingereicht.

7

Entsprechend den Feststellungen der Außenprüfung erließ das [X.] am 22. Februar 2008 einen geänderten Einkommensteuerbescheid 2002, in dem es einen von der Betriebsprüfung ermittelten Aufgabegewinn in Höhe von 854.594 € erfasste.

8

Den Einspruch hiergegen wies das [X.] zurück. Zur Begründung führte es aus, dass entgegen der Auffassung der Kläger eine neue Tatsache vorliege, die zu einer Änderung der Steuerfestsetzung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 [X.] berechtige. Erstmals mit Vorlage des Vertragstextes am 12. April 2005 sei bekannt geworden, dass sich der Kläger bei der Übertragung des Einzelunternehmens auf seinen [X.] den Nießbrauch vorbehalten habe. Die Kläger könnten sich nicht auf einen Ermittlungsfehler des [X.] berufen, weil sie den Sachverhalt nicht in vollem Umfang offengelegt hätten.

9

Das Finanzgericht ([X.]) gab der Klage teilweise statt. Es urteilte, der angefochtene [X.] und die Einspruchsentscheidung seien rechtswidrig, soweit das [X.] einen Aufgabegewinn von mehr als 500.000 € angesetzt habe. Das [X.] sei aber berechtigt gewesen, den Steuerbescheid nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 [X.] zu ändern. Im Streitfall seien zu einer höheren Steuer führende Tatsachen nachträglich bekannt geworden, weil dem [X.] erst durch die Einreichung des [X.]s am 12. Mai 2005 --richtig: 12. April 2005-- und damit nach der endgültigen Veranlagung am 27. August 2004 bekannt geworden sei, dass das Unternehmen unter Nießbrauchsvorbehalt übertragen worden sei.

Auch liege kein Ermittlungsfehler des [X.] vor, weil die Kläger mit dem Hinweis auf den [X.] in der Gewinnermittlung für das [X.] nicht alle steuerlich relevanten Sachverhaltsdetails offengelegt hätten.

Zu Recht sei das [X.] auch davon ausgegangen, dass der Kläger mit der Übertragung vom 30. Dezember 2002 seinen im Wege einer Betriebsaufspaltung geführten Einzelbetrieb aufgegeben habe. Mit der Übertragung der Anteile an der GmbH und des Betriebsgrundstücks auf seinen [X.] unter Vorbehalt des Nießbrauchs sei die für die Betriebsaufspaltung notwendige personelle Verflechtung zwischen Besitz- und Betriebsunternehmen gelöst worden. Wegen des Nießbrauchs könne der [X.] des [X.] insbesondere nicht die Geschäfte des täglichen Lebens in Bezug auf den Grundbesitz beherrschen. Zudem sei die Verfügungsbefugnis über den Grundbesitz wesentlich eingeschränkt.

Aufgrund der Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] hat der erkennende Senat die Revision mit Beschluss vom 20. Juni 2012 X B 106/11 zugelassen. Der Beschluss wurde den Klägern laut [X.] am 2. Juli 2012 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 3. August 2012, beim [X.] ([X.]) eingegangen am 6. August 2012, beantragten die Kläger, die Frist zur Begründung der zugelassenen Revision um einen Monat, mithin bis zum 3. September 2012, zu verlängern. Mit Schreiben vom 7. August 2012, den Klägern zugestellt am 9. August 2012, wies der damalige Vorsitzende des erkennenden Senats unter Hinweis auf § 56 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) die Kläger darauf hin, ihr Antrag auf Verlängerung der [X.] sei verspätet eingegangen.

Mit Schreiben vom 20. August 2012 beantragten die Kläger, die Fristverlängerung zu gewähren, da der Antrag wegen einer nicht ordnungsgemäßen Zustellung noch vor Ablauf der [X.] gestellt worden sei. Hilfsweise beantragten sie, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

Zur Begründung tragen die Kläger vor, der Beschluss über die Zulassung der Revision sei ihnen am 2. Juli 2012 nicht wirksam zugestellt worden, sondern erst am 3. Juli 2012 tatsächlich zugegangen (Entnahme des Beschlusses aus dem Briefkasten des Prozessbevollmächtigten). Ausweislich der [X.] sei der Beschluss in den zu den Büroräumen ihres Prozessbevollmächtigten gehörenden Briefkasten eingelegt worden, obwohl das Büro von 7:00 Uhr bis zumindest 18:00 Uhr besetzt und dank der offenen Türen auch jederzeit betretbar gewesen sei. Am 2. Juli 2012 habe die Geschäftsführerin das Büro erst um 19:00 Uhr verlassen. Der Beschluss sei lt. Aussage des zuständigen [X.] auch nicht außerhalb der üblichen Bürozeiten, sondern zwischen 8:30 Uhr und 10:00 Uhr zugestellt worden. Selbstverständlich verfüge das Büro über eine Klingel. Diese könne nicht nur am Empfang, sondern in allen Räumen des Büros von jedem Mitarbeiter gehört werden. Zum Beweis bieten die Kläger alle namentlich benannten Mitarbeiter ihres Prozessbevollmächtigten als Zeugen an. Zudem legen sie Versicherungen an Eides statt einer Geschäftsführerin ihres Prozessbevollmächtigten sowie zweier Mitarbeiter der zur Prozessbevollmächtigten bestellten Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vor. Die Geschäftsführerin erklärt, am Hauseingang der Büroräume gebe es eine Klingel für die Büroräume der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Wochentags werde die Haustüre schon früh aufgeschlossen und bleibe bis abends geöffnet. Auch die Büroeingangstüre sei offen, sobald und solange Mitarbeiter vor Ort seien. Am 2. Juli 2012 sei sie, die Geschäftsführerin, gegen 8:30 Uhr in das Büro gekommen und bis 19:00 Uhr anwesend gewesen. Um 18:00 Uhr habe sie die Büroeingangstüre abgeschlossen und um 19:00 Uhr dann das Büro durch eine Nebentüre zum Parkhaus verlassen. Von einem Zustellungsversuch eines Postboten an diesem Tag habe sie nichts bemerkt. Einer der Mitarbeiter des Prozessbevollmächtigten der Kläger trägt vor, er habe am 2. Juli 2012 seine Arbeit um 7:00 Uhr begonnen, die Büroeingangstüre aufgeschlossen und entriegelt, sodass die Türe jederzeit offen gewesen sei. Die für die Post zuständige Mitarbeiterin (Empfangsdame) des Prozessbevollmächtigten der Kläger erläutert, sie entleere um 9:00 Uhr das Postfach ihres Arbeitgebers. Auf dem Rückweg entnehme sie dem Briefkasten die Post, öffne dann alle Briefsendungen und versehe sie mit dem Eingangsstempel des Tages. Am Morgen des 3. Juli 2012 habe sie im Briefkasten einen gelben Umschlag vorgefunden, der als Absender den [X.] ausgewiesen habe. Sie habe auf dem Umschlag den Eingangsstempel 3. Juli 2012 aufgebracht und die Sendung in das [X.] eingetragen. Dann habe sie die Sendung der Geschäftsführerin der Prozessbevollmächtigten der Kläger ausgehändigt. Die Mitarbeiterin erklärt weiter, sie könne ausschließen, dass während ihrer Arbeitszeit am 2. Juli 2012 bis 13:00 Uhr der Postbote eine Zustellung in den Büroräumen des Prozessbevollmächtigten der Kläger versucht habe.

Die Kläger verweisen zudem auf die Zustellung des Schreibens des Vorsitzenden des erkennenden Senats. Auch dieses sei in den Briefkasten eingeworfen worden, obwohl das Büro wie jeden Tag besetzt gewesen sei. Die Empfangsdame ihres Prozessbevollmächtigten habe den Brief gegen 9:15 Uhr dem Briefkasten entnommen. Als Zeugen, dass das Büro ihres Prozessbevollmächtigten an diesem Tag seit 7:30 Uhr besetzt gewesen sei, bieten die Kläger wiederum alle namentlich benannten Mitarbeiter ihres Prozessbevollmächtigten an.

Ihren Hilfsantrag (Wiedereinsetzung in den vorigen Stand) begründen die Kläger damit, sie seien ohne eigenes oder ihnen zuzurechnendes Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten an der Einhaltung der [X.] gehindert gewesen.

Mit Schreiben vom 30. August 2012 hat der Vorsitzende des erkennenden Senats die Frist zur Begründung der Revision --vorbehaltlich der Rechtsauffassung des Senats zur Zulässigkeit der [X.] bis zum 3. September 2012 verlängert. Innerhalb dieser Frist tragen die Kläger zur Begründung ihrer Revision vor, das [X.], das eine Änderungsbefugnis nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 [X.] bejaht habe, verkenne den Umfang der gesetzlichen Ermittlungspflicht des [X.].

Zwar sei dem [X.] der Vorbehaltsnießbrauch des [X.] an der im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf den [X.] übertragenen Einzelfirma erst nachträglich bekannt geworden und die Kläger hätten ihre Mitwirkungspflicht insoweit verletzt, als sie den Sachverhalt zwar wahrheitsgemäß, aber nicht vollständig unter Mitteilung aller Bedingungen des [X.] geschildert hätten. Jedoch habe das [X.] seine Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung dadurch verletzt, dass er trotz eines offenkundig nicht vollständig und eindeutig mitgeteilten Sachverhalts keine Nachfragen zu den Details der vorweggenommen Erbfolge gestellt habe. Trotz der Verletzung der Mitwirkungspflicht der Kläger habe eine Ermittlungspflicht des [X.] bestanden. Nach der Rechtsprechung des [X.] (z.B. Senatsbeschluss vom 8. November 2011 [X.], [X.]/NV 2012, 169) müsse das [X.] jedenfalls offenkundigen Zweifelsfragen und Unklarheiten, die sich ohne weiteres aufdrängen, nachgehen und diese möglichst klären. Eine solche offenkundige Unklarheit liege im Streitfall in dem zwar wohlbekannten, inhaltlich jedoch kaum zu fassenden Begriff der "vorweggenommenen Erbfolge". Dessen Kern sei sicherlich die schenkweise Übertragung von Vermögen auf zukünftige gesetzliche Erben; alles andere sei jedoch so offen und in der Praxis vielfältig, dass der Begriff per se nicht geeignet sei, Klarheit zu vermitteln.

Dem Steuerpflichtigen obliege die Verpflichtung, dem [X.] mitzuteilen, "Ob" etwas passiert und "Was" passiert sei. Erfülle der Steuerpflichtige diese Anforderung nicht, habe das [X.] in der Regel keine Möglichkeit, eigene Ermittlungen einzuleiten und es entspreche nicht dem Grundsatz von Treu und Glauben, dass dem Steuerpflichtigen ein Vorteil aus dieser Pflichtverletzung erwachse. Anders verhalte es sich jedoch bei der Frauge, "Wie" etwas passiert sei. Diese Frage könne oftmals nur durch die Vorlage des Vertragswerks beantwortet werden und der Steuerpflichtige als Laie könne in der Regel gar nicht abschätzen, welche juristischen Detailregelungen von steuerlicher Relevanz seien und welche nicht. Er müsste dann alle vertraglichen Unterlagen zu allen steuerlich relevanten Vorgängen dem [X.] vorlegen; dies sei weder dem Steuerpflichtigen noch dem [X.] zuzumuten, das dann mit einer Flut von Unterlagen konfrontiert würde. Dies zeige sich nicht zuletzt an § 97 [X.], wonach die Finanzbehörde die Vorlage von Unterlagen verlangen könne, jedoch in der Regel erst dann, wenn der [X.] eine Auskunft nicht erteilt habe, die Auskunft unzureichend sei oder Bedenken gegen ihre Richtigkeit bestünden.

Selbst wenn man die unaufgeforderte Vorlage des [X.] als zumutbar ansehen würde (das [X.] habe hierzu keine Feststellungen getroffen) und so beide Beteiligten gegen ihre Pflichten verstoßen hätten, wäre bei der Abwägung zu berücksichtigen, dass zwischen der Teilerfüllung der Mitwirkungspflichten durch den Kläger und der Verletzung der Ermittlungspflicht durch das [X.] ein Kausalzusammenhang bestehe. Ließe man in diesem Fall die Regel der Rechtsprechung greifen, wonach der Steuerpflichtige bei beidseitigem Pflichtverstoß die Verantwortung trage und der Steuerbescheid deshalb geändert werden könne, würde dies die rechtsstaatliche Pflicht des [X.] zur Ermittlung des Sachverhalts ins Leere laufen lassen.

Eine Änderung des Einkommensteuerbescheides 2002 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 [X.] sei zudem jedenfalls im [X.] wegen des Verbots des widersprüchlichen Verhaltens nicht mehr zulässig gewesen. Das [X.] habe im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung des Jahres 2003 den Überlassungsvertrag angefordert, im Schreiben vom 13. April 2005 die Auffassung vertreten, 2002 sei ein Aufgabegewinn zu erfassen sowie der Einkommensteuerbescheid nach § 173 [X.] zu ändern, und gleichwohl in den Einkommensteuerbescheiden der Jahre 2003 und 2004 die Einkünfte des [X.] aus dem Nießbrauch am Einzelunternehmen erklärungsgemäß als gewerbliche Einkünfte und nicht als Vermietungseinkünfte erfasst.

Die Kläger beantragen,
das [X.]-Urteil aufzuheben und die Einkommensteuer 2002 ohne Berücksichtigung eines Aufgabegewinns des [X.] betreffend die Einzelfirma festzusetzen.

Das [X.] beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Es habe den Einkommensteuerbescheid 2002 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 [X.] ändern können. Aus dem Jahresabschluss des [X.] sei nur hervorgegangen, dass er die Einzelfirma unentgeltlich an seinen [X.] im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übertragen habe. Die Kläger hätten auch den notariellen [X.] nicht mit der Steuererklärung eingereicht. Das [X.] müsse eindeutigen Steuererklärungen und vorgelegten Jahresabschlüssen nicht mit Misstrauen begegnen. Es könne regelmäßig von deren Richtigkeit und Vollständigkeit ausgehen, ohne besondere Ermittlungen anstellen zu müssen, zumal wenn sie --wie auch im [X.] unter Mitwirkung eines steuerlichen Beraters gefertigt worden seien. Von diesem sei zu erwarten, dass er die denkbare steuerliche Relevanz der Übertragung kenne, so dass die möglicherweise bedeutsamen Tatsachen en detail dem [X.] zur Kenntnis und Entscheidung hätten unterbreitet werden müssen. Die Kläger könnten sich nicht auf den Grundsatz von Treu und Glauben berufen, weil sie die ihnen obliegenden Mitwirkungs- und Erklärungspflichten nicht in zumutbarem Umfang erfüllt hätten. Im Streitfall sei für das [X.] aus dem eingereichten Jahresabschluss 2002 lediglich erkennbar gewesen, dass der Kläger seine Einzelfirma unentgeltlich im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf den [X.] übertragen habe.

Zudem gehe die Argumentation der Kläger ins Leere, eine Änderung der Steuerbescheide sei auch deshalb ausgeschlossen, weil sie das [X.] mit Schreiben vom 13. April 2005 angekündigt, aber erst nach Abschluss der [X.] vorgenommen habe. Eine bloße Untätigkeit des [X.] reiche für eine Verwirkung des Steueranspruchs nicht aus. Eine Änderung sei vielmehr innerhalb der Festsetzungsfrist möglich gewesen und diese sei erst am 31. Dezember 2008 abgelaufen.

Entscheidungsgründe

B. Die Revision ist zulässig. Insbesondere wurde sie fristgemäß begründet (vgl. unten [X.]). Sie ist jedoch unbegründet und deshalb nach § 126 Abs. 2 [X.]O zurückzuweisen. Zu Recht hat das [X.] erkannt, dass das [X.] berechtigt war, den ursprünglichen Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr 2002 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 [X.] zu ändern (vgl. unten I[X.]).

[X.] Die Kläger haben die Frist zur Begründung der Revision nicht versäumt.

1. Gibt der [X.] der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision statt, ist diese innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Revision schriftlich zu begründen. Die Frist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden (§ 120 Abs. 2 [X.]O).

2. Der [X.] vom 20. Juni 2012 X B 106/11 ist am 2. Juli 2012 nicht wirksam zugestellt worden. Die Voraussetzungen einer Ersatzzustellung nach § 53 Abs. 2 [X.]O i.V.m. § 180 der Zivilprozessordnung (ZPO) lagen im Streitfall nicht vor.

a) Wird der Post ein Zustellungsauftrag erteilt, erfolgt gemäß § 176 Abs. 2 ZPO die Ausführung der Zustellung nach den §§ 177 bis 181 ZPO. Wird die Person, der zugestellt werden soll --hier einem gesetzlichen Vertreter des Prozessbevollmächtigten (§ 170 ZPO)--, in dem Geschäftsraum nicht angetroffen, kann das Schriftstück nach § 178 Abs. 1 Nr. 2 ZPO in Geschäftsräumen einer dort beschäftigten Person zugestellt werden. Ist die Zustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 2 ZPO nicht ausführbar, kann nach § 180 ZPO das Schriftstück in einen zu dem Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung eingelegt werden, die der Adressat für den [X.] eingerichtet hat und die in der allgemein üblichen Art für eine sichere Aufbewahrung geeignet ist. Mit der Einlegung gilt das Schriftstück als zugestellt (§ 180 Satz 2 ZPO). Der Zusteller vermerkt auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks das Datum der Zustellung (§ 180 Satz 3 ZPO).

b) Im Streitfall hat der Postbedienstete zwar nach den Angaben in der [X.] das zuzustellende Schriftstück zu übergeben versucht und --weil die Übergabe in den Geschäftsräumen nicht möglich war (so jedenfalls der Eintrag in der [X.])-- am 2. Juli 2012 in den zu diesen gehörenden Briefkasten eingelegt. Zudem erbringt die [X.] gemäß § 418 ZPO i.V.m. § 182 Abs. 1 Satz 2 ZPO als öffentliche Urkunde den vollen Beweis der in ihr bezeugten Tatsachen. Die Beweiskraft erstreckt sich nicht nur auf das Einlegen des Schriftstücks in den zum Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung, sondern insbesondere auch darauf, dass der Postbedienstete unter der ihm angegebenen Anschrift weder den Adressaten persönlich noch eine zur Entgegennahme einer Ersatzzustellung in Betracht kommende Person angetroffen hat ([X.]-Beschluss vom 4. Juli 2008 IV R 78/05, [X.]/NV 2008, 1860). Ein Gegenbeweis kann nach § 418 Abs. 2 ZPO nur durch den Beweis der Unrichtigkeit der in der [X.] bezeugten Tatsachen geführt werden. Derjenige, der sich auf die Unwirksamkeit der Ersatzzustellung beruft, muss den Nachweis eines anderen als des beurkundeten Geschehensablaufs erbringen, der ein Fehlverhalten des Zustellers und eine Falschbeurkundung in der [X.] belegt (ständige Rechtsprechung, z.B. [X.]-Beschluss in [X.]/NV 2008, 1860, m.w.N.).

c) Dieser Nachweis ist den Klägern gelungen. Sie haben substantiiert die Umstände dargelegt, die gegen die Richtigkeit des Inhalts der [X.] sprechen und die ein Fehlverhalten des Postzustellers bei der Zustellung und damit eine Falschbeurkundung in der [X.] zu belegen geeignet sind. Von der Richtigkeit dieser Angaben ist der erkennende Senat überzeugt.

Die Kläger haben vorgetragen und dies mit Versicherungen an Eides statt der Geschäftsführerin und zweier Mitarbeiter ihres Prozessbevollmächtigten belegt, dass die Steuerberatungskanzlei am 2. Juli 2012 zwischen 7:00 Uhr und 19:00 Uhr durchgehend besetzt gewesen sei. Zwischen 7:00 Uhr und 18:00 Uhr sei die Büroeingangstüre entsperrt (die Haustüre sei wegen der Arztpraxen im selben Gebäude permanent offen) und während dieser [X.] habe folglich das Büro von jedermann, also auch von dem Postzusteller, ungehindert betreten werden können. Die Kläger haben weiter dargelegt, die Büroeingangstüre sei mit einer Klingel verbunden, damit das Büro von niemand unbemerkt betreten werden könne. Wegen der Klingel könne das Öffnen der Eingangstüre im ganzen Büro gehört werden, auch wenn der Empfang neben der Eingangstüre ausnahmsweise nicht besetzt sei. Ein kurzfristiges, eventuell in Vergessenheit geratenes Verlassen des Empfangs (so wie in dem dem Beschluss in [X.]/NV 2008, 1860 zugrunde liegenden Streitfall denkbar), konnte somit nicht zur Folge haben, dass der Postzusteller in den Geschäftsräumen des Prozessbevollmächtigten der Kläger niemand angetroffen hat. Zudem haben die Kläger vorgetragen, der Postzusteller sei nach dessen eigener Aussage am 2. Juli 2012 --wie stets-- zwischen 8:30 Uhr und 10:00 Uhr am Objekt vorbeigekommen, in dem der Prozessbevollmächtigte der Kläger seine Büroräume hat. Eine Übergabe des [X.]es außerhalb der Geschäftszeiten des Prozessbevollmächtigten ist somit auch nicht denkbar.

Nach alledem ist der [X.] am 2. Juli 2012 nicht wirksam zugestellt worden und der Antrag der Kläger auf Verlängerung der [X.] ist vor deren Ablauf beim [X.] eingegangen.

I[X.] Das [X.] war berechtigt, den ursprünglichen Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr 2002 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 [X.] zu ändern und den Gewinn aus der Aufgabe des Einzelunternehmens, der im Revisionsverfahren weder dem Grunde noch der Höhe nach streitig ist, zu erfassen.

1. Nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 [X.] sind Steuerbescheide zu ändern, soweit Tatsachen nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen.

2. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der Nießbrauchsvorbehalt (Tatsache i.S. des § 173 [X.]) nachträglich, d.h. nach der abschließenden Veranlagung der Einkommensteuer für 2002 bekannt geworden ist. Diese Tatsache führt auch zu einer höheren Steuer (vgl. z.B. Urteil des Niedersächsischen [X.] vom 20. Juni 2007  2 K 562/05, Entscheidungen der Finanzgerichte 2007, 1584; die gegen diese Entscheidung eingelegte, vom [X.] zugelassene Revision wurde zurückgenommen). Gegen diese rechtliche Bewertung erheben die Kläger im Revisionsverfahren auch keine Einwände.

3. Die Tatsache ist auch rechtserheblich.

a) Seit dem Beschluss des Großen Senats des [X.] vom 23. November 1987 GrS 1/86 ([X.]E 151, 495, [X.] 1988, 180) vertritt die höchstrichterliche Finanzrechtsprechung die Auffassung, dass ein Steuerbescheid wegen nachträglich bekanntgewordener Tatsachen oder Beweismittel zugunsten des Steuerpflichtigen nur aufgehoben oder geändert werden darf, wenn das [X.] bei ursprünglicher Kenntnis der Tatsachen oder Beweismittel mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anders entschieden hätte ([X.]-Beschluss in [X.]E 151, 495, [X.] 1988, 180, unter C.I[X.] am Anfang). Eine Änderung nach § 173 Abs. 1 [X.] scheidet hingegen aus, wenn die Unkenntnis der später bekanntgewordenen Tatsache für die ursprüngliche Veranlagung nicht ursächlich (rechtserheblich) gewesen ist, weil das [X.] auch bei rechtzeitiger Kenntnis der Tatsache mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu keiner anderen Steuer gelangt wäre ([X.]-Beschluss in [X.]E 151, 495, [X.] 1988, 180, unter C.I[X.]2.b).

b) Maßgebend für die Frage nach der Rechtserheblichkeit einer neuen Tatsache ist grundsätzlich der [X.]punkt, in dem die Willensbildung des [X.] über die Steuerfestsetzung abgeschlossen wird, d.h. im Normalfall der [X.]punkt der abschließenden Zeichnung des Eingabewertbogens (bei [X.] Abwicklung der Steuerfestsetzung) oder der Verfügung zum Steuerbescheid (z.B. [X.]-Urteil vom 22. April 2010 VI R 40/08, [X.]E 229, 57, [X.] 2010, 951).

c) Wie das [X.] bei Kenntnis bestimmter Tatsachen und Beweismittel einen Sachverhalt in seinem ursprünglichen Bescheid gewürdigt hätte, ist im Einzelfall aufgrund des Gesetzes, wie es nach der damaligen Rechtsprechung ausgelegt wurde, und den die [X.] bindenden Verwaltungsanweisungen zu beurteilen, die im [X.]punkt des Erlasses des ursprünglichen Steuerbescheids durch das [X.] gegolten haben (ständige Rechtsprechung, vgl. [X.]-Urteile vom 15. März 2007 III R 57/06, [X.]/NV 2007, 1461; vom 15. Dezember 1999 XI R 22/99, [X.]/NV 2000, 818; in [X.]E 229, 57, [X.] 2010, 951, und vom 27. Januar 2011 III R 90/07, [X.]E 232, 485, [X.] 2011, 543). Das mutmaßliche Verhalten des einzelnen Sachbearbeiters und seine individuellen Rechtskenntnisse sind hingegen für die Frage, ob die Veränderung im Tatsächlichen oder in der rechtlichen Beurteilung liegt, aus gleichheitsrechtlichen Erwägungen ohne Bedeutung. Subjektive Fehler des einzelnen Bearbeiters und damit des [X.], wie sie sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht denkbar sein mögen, sind für die Beurteilung der Rechtserheblichkeit einer nachträglich bekanntgewordenen Tatsache unbeachtlich (vgl. [X.]-Urteil in [X.]E 229, 57, [X.] 2010, 951).

d) Eine Betriebsaufspaltung setzt nach ständiger Rechtsprechung des [X.] voraus, dass das vermietende Besitzunternehmen mit dem mietenden [X.] sachlich und personell verflochten ist (vgl. z.B. Urteile vom 21. Januar 1999 IV R 96/96, [X.]E 187, 570, [X.] 2002, 771, m.w.N.; vom 12. Oktober 1988 [X.], [X.]E 154, 566, [X.] 1989, 152). Eine personelle Verflechtung ist gegeben, wenn eine Person oder Personengruppe beide Unternehmen in der Weise beherrscht, dass sie in der Lage ist, in beiden Unternehmen einen einheitlichen Geschäfts- und Betätigungswillen durchzusetzen (vgl. [X.]-Urteil in [X.]E 187, 570, [X.] 2002, 771; Beschluss des Großen Senats des [X.] vom 8. November 1971 GrS 2/71, [X.]E 103, 440, [X.] 1972, 63). Eine Betriebsaufspaltung ist bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen auch dann gegeben, wenn der Vermieter nicht Eigentümer des vermieteten Wirtschaftsguts ist, sondern wenn es ihm (nur) zur Nutzung überlassen worden ist (vgl. [X.]-Urteil vom 24. August 1989 IV R 135/86, [X.]E 158, 245, [X.] 1989, 1014, m.w.N.).

Eine Betriebsaufspaltung endet, wenn sowohl das Besitzunternehmen als auch die GmbH-Anteile am [X.] unter dem Vorbehalt des Nießbrauchs auf einen Dritten übertragen werden.

Spätestens seit dem Urteil des [X.] ([X.]) vom 9. November 1998 II ZR 213/97 (Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1999, 571) war geklärt, dass die Kompetenz des Gesellschafters, bei Beschlüssen, welche die Grundlagen der Gesellschaft betreffen, selber abzustimmen, ihm durch die Einräumung eines Nießbrauchs an seinem Gesellschaftsanteil nicht genommen wird. Der Nießbraucher an den Gesellschaftsanteilen erhält zwar ein dingliches Nutzungsrecht, wird aber nicht Gesellschafter. Inhalt seines Nutzungsrechts sind vor allem die Früchte der Mitgliedschaft (§ 100 des Bürgerlichen Gesetzbuchs). Die Kompetenz des Gesellschafters, bei Beschlüssen, welche die Grundlagen der Gesellschaft betreffen, selber abzustimmen, wird ihm durch die Einräumung eines Nießbrauchs an seinem Anteil nicht genommen.

Zwar ist diese Entscheidung zu Personengesellschaften ergangen. Auch in Bezug auf GmbH-Anteile entspricht es aber der herrschenden Meinung sowohl in der Instanzrechtsprechung (Urteil des [X.] vom 16. Januar 1992  6 U 963/91, [X.], 2163) als auch in der Literatur (z.B. [X.], GmbHG, 18. Aufl. 2012, § 15 Rz 102; [X.] in [X.], GmbHG, 11. Aufl. 2012, § 15 Rz 217; [X.]/Weller in [X.] Kommentar zum GmbHG, 2010, § 15 Rz 338, jeweils m.w.N.), dass die Stimmrechte im Fall der Einräumung eines Nießbrauchs grundsätzlich beim Gesellschafter bleiben.

Da eine Betriebsaufspaltung voraussetzt, dass eine Person oder Personengruppe sowohl das Besitz- als auch das [X.] beherrscht (vgl. oben), kann keine Betriebsaufspaltung vorliegen, wenn zwar der/die Eigentümer des Besitzunternehmens und der/die Inhaber der GmbH-Anteile am [X.] identisch sind, jedoch am Besitzunternehmen und an den GmbH-Anteilen ein Nießbrauchsrecht zugunsten einer Person oder Personengruppe bestellt ist. Diese beherrscht zwar aufgrund des Nießbrauchs das Besitzunternehmen, nicht aber die GmbH, weil die Stimmrechte daran nicht ihm, sondern dem Gesellschafter der GmbH zustehen. Werden bei Vorliegen einer Betriebsaufspaltung sowohl das als Einzelunternehmen geführte Besitz- als auch die in der Rechtsform der GmbH betriebene Betriebsgesellschaft unter Nießbrauchsvorbehalt übertragen, entfällt die personelle Verflechtung zwischen Besitzunternehmen und Betriebsgesellschaft. Dies war bei Bestellung des Nießbrauchs geklärt, auch wenn der [X.] dies im [X.]punkt des Erlasses des ursprünglichen [X.] der Kläger für die Übertragung eines Besitz- und [X.]s unter Nießbrauchsvorbehalt nicht ausdrücklich entschieden hatte.

e) Im Streitfall hätte das [X.] nach alledem bei Kenntnis des [X.] unter Berücksichtigung der Rechtslage und der höchstrichterlichen Rechtsprechung der Besteuerung der Kläger im Streitjahr einen Aufgabegewinn zugrunde legen müssen, da ein Nießbrauch an GmbH-Anteilen nicht bewirkt, dass der Nießbraucher stimmberechtigt wird. Darauf kommt es bei der Frage der Beherrschung einer GmbH entscheidend an, weil eine GmbH (abgesehen vom Fall der faktischen Beherrschung) durch die Ausübung der Stimmrechte beherrscht wird. Ab der Betriebsübergabe hat der die sachliche Beherrschung bewirkende Kläger die [X.] nicht mehr beherrscht.

4. Die Änderung des [X.] ist auch nicht nach [X.] und Glauben ausgeschlossen.

a) Einer Änderung einer bestandskräftigen Steuerfestsetzung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 [X.] steht dann der Grundsatz von [X.] und Glauben entgegen, wenn dem [X.] die nachträglich bekannt gewordene Tatsache bei ordnungsgemäßer Erfüllung seiner Ermittlungspflicht nicht verborgen geblieben wäre. Allerdings muss der Steuerpflichtige dann seinerseits seine Mitwirkungspflicht erfüllt haben. Haben sowohl der Steuerpflichtige als auch das [X.] es versäumt, den Sachverhalt aufzuklären, trifft in der Regel den Steuerpflichtigen die Verantwortung, mit der Folge, dass der Steuerbescheid geändert werden kann (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. [X.]-Urteil vom 20. April 2004 IX R 39/01, [X.]E 206, 105, [X.] 2004, 1072).

b) Im Streitfall haben die Kläger ihre Mitwirkungs- und [X.] verletzt. Sie haben zwar bei der Abgabe ihrer Einkommensteuererklärung für das [X.] erklärt, das Einzelunternehmen des [X.] sei im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf den [X.] übertragen worden. Sie haben jedoch --was für die einkommensteuerrechtliche Würdigung entscheidend gewesen [X.] den vereinbarten Nießbrauchsvorbehalt nicht mitgeteilt.

Die Kläger tragen vor, dass die Unbestimmtheit des Rechtsbegriffs der vorweggenommenen Erbfolge dem [X.] hätte bekannt sein müssen und eine hohe Wahrscheinlichkeit bestehe, dass daneben noch [X.] (Rente, Wohnrecht, Nießbrauch) vereinbart worden seien. So diese Annahme zutreffend ist --und der Senat teilt diese Auffassung--, hätte es aber den steuerlich beratenen Klägern oblegen, die mit der vorweggenommenen Erbfolge verbundenen [X.] zu erklären. Sie haben dem [X.] nicht nur Details eines steuerlich relevanten Sachverhalts nicht offenbart, sondern den Nießbrauchsvorbehalt nicht erklärt, der die Beendigung der Betriebsaufspaltung zur Folge hatte. Die Ermittlungspflicht des [X.] kann nicht weiter gehen als die [X.]en der Steuerpflichtigen, die den steuerpflichtigen Sachverhalten doch so viel näher stehen und diese viel besser kennen als die Finanzbehörden. Die Verletzung der Ermittlungspflicht des [X.] ist im Streitfall als nachrangig im Hinblick auf die von den Klägern verletzte Mitwirkungs-/[X.] einzustufen.

Aus dem von den Klägern angesprochenen [X.]-Urteil vom 24. Juni 1960 VI 270/58 (Der Betrieb 1960, 1412) ergibt sich nichts Gegenteiliges. Es kann offenbleiben, ob ein 54 Jahre altes Urteil noch dem heutigen Stand der Rechtsprechung zu § 173 [X.] entspricht. Jedenfalls ist diesem Urteil nicht der Rechtssatz zu entnehmen, die Verletzung der Ermittlungspflicht des [X.] überwiege das Verschulden des Steuerpflichtigen in jedem Fall, wenn das [X.] bei Anhaltspunkten für eine Betriebsaufgabe keine weiteren Ermittlungen anstellt und der Steuerpflichtige nicht bewusst unlauter handelt. Vielmehr enthält dieses Urteil lediglich eine Abwägung zwischen dem Grad der Verletzung der [X.] durch den Steuerpflichtigen und der Ermittlungspflicht durch das [X.] im konkret zu entscheidenden Streitfall (so bereits zutreffend [X.]-Beschluss vom 20. Juli 2011 IV B 19/10, [X.]/NV 2011, 2077).

c) Die Möglichkeit, den Einkommensteuerbescheid 2002 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 [X.] zu ändern, hat das [X.] auch nicht dadurch verwirkt, weil ihm der gesamte [X.] bereits 2005 bekannt geworden ist, es von der Änderungsmöglichkeit aber erst im [X.] Gebrauch gemacht und in der Zwischenzeit in den Einkommensteuerbescheiden für die [X.] und 2004 die Einkünfte des [X.] aus dem Nießbrauch am Einzelunternehmen erklärungsgemäß als gewerbliche Einkünfte und nicht als [X.] erfasst hat.

aa) Als weiterer Ausfluss des Grundsatzes von [X.] und Glauben und Anwendungsfall des Verbots widersprüchlichen Tuns (venire contra factum proprium) setzt die Annahme von Verwirkung ein bestimmtes Verhalten der Finanzbehörde voraus, aufgrund dessen der Steuerpflichtige bei objektiver Betrachtung annehmen darf, die Behörde werde den Anspruch nicht oder nicht mehr geltend machen (Senatsurteil vom 7. Juli 2004 [X.], [X.]E 206, 292, [X.] 2004, 975). Zum Tatbestand gehört sowohl ein [X.]moment als auch ein Umstandsmoment (grundlegend [X.]-Urteil vom 14. September 1978 IV R 89/74, [X.]E 126, 130, [X.] 1979, 121, unter 3.a). Während für das [X.]moment bereits eine längere Untätigkeit des Anspruchsberechtigten genügen kann, setzt das Umstandsmoment ein bestimmtes Verhalten des Anspruchsberechtigten und einen hierdurch ausgelösten Vertrauenstatbestand beim Verpflichteten voraus. Das bloße [X.] der Finanzbehörde vermag einen Vertrauenstatbestand in der Regel nicht zu schaffen ([X.]-Urteil vom 27. September 1988 VII R 181/85, [X.]E 154, 406).

bb) Aus der Tatsache, dass das [X.] im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung des Jahres 2003 den Überlassungsvertrag angefordert sowie im Schreiben vom 13. April 2005 die Auffassung vertreten hat, 2002 sei ein Aufgabegewinn zu erfassen und der Einkommensteuerbescheid nach § 173 [X.] zu ändern, aber gleichwohl in den Einkommensteuerbescheiden der [X.] und 2004 die Einkünfte des [X.] aus dem Nießbrauch am Einzelunternehmen erklärungsgemäß als gewerbliche Einkünfte und nicht als [X.] gewertet sowie den Steuerbescheid 2002 nicht zeitnah geändert hat, konnten die Kläger nicht schließen, dass das [X.] die Steuerfestsetzung für 2002 nicht mehr ändern wird. Der interne Aktenvermerk des [X.] vom 14. Juni 2005, in dem festgehalten worden ist, ein Betriebsaufgabegewinn sei nicht zu besteuern, wurde den Klägern jedenfalls nicht vor Erlass des auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 [X.] gestützten Änderungsbescheids bekannt. Die Einkommensteuer ist zudem eine Jahressteuer. Aus der Einstufung von Einkünften im einen Veranlagungszeitraum kann nicht geschlossen werden, dass dieser Einordnung auch für entsprechende Einkünfte in anderen [X.] zu folgen ist.

cc) Die positive Anerkennung einer Verwirkung von Rechten setzt neben dem von den Klägern angesprochenen Umstands- und [X.]moment noch Weiteres voraus. Es reicht nicht aus, dass der Verpflichtete (im Streitfall die Kläger) bei objektiver Beurteilung darauf vertrauen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Er muss vielmehr auch tatsächlich darauf vertraut und sich auf die [X.] eingerichtet haben (vgl. hierzu [X.]-Urteil in [X.]E 126, 130, [X.] 1979, 121, mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung auch anderer oberster Bundesgerichte), und zwar so, dass die nachträglich begehrte Anspruchsbefriedigung schlechthin als unzumutbar erscheint. Bei der Beurteilung dieser Voraussetzungen ist von dem Grundsatz auszugehen, dass jeder Schuldner --auch der [X.] seine Verpflichtungen erfüllen muss und nur unter ganz besonderen Umständen schon vor Vollendung der Verjährung einwenden kann, eine Inanspruchnahme verstoße gegen [X.] und Glauben. Hierzu haben die Kläger nichts vorgetragen und Anhaltspunkte dafür, dass sie sich auf die Nichtmehrgeltendmachung der Steuer auf den Aufgabegewinn eingerichtet, also entsprechende Vermögensdispositionen getroffen haben, sind nicht ersichtlich.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

X R 16/12

21.01.2015

Bundesfinanzhof 10. Senat

Urteil

vorgehend FG Münster, 16. Juni 2011, Az: 3 K 3521/08 E, Urteil

§ 173 Abs 1 Nr 1 AO, § 100 BGB, § 176 Abs 2 ZPO, § 178 Abs 1 Nr 2 ZPO, § 180 ZPO, § 182 Abs 1 S 2 ZPO, § 418 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 21.01.2015, Az. X R 16/12 (REWIS RS 2015, 16872)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 16872

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Keine Änderungen der Anforderungen an einen steuerbegünstigten Veräußerungs- oder Aufgabegewinn durch StSenkErgG - Betriebsaufgabe durch …


Referenzen
Wird zitiert von

5 Sa 110/16

B 12 R 2/14 R

4 Sa 388/22

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