Bundespatentgericht, Beschluss vom 25.08.2010, Az. 28 W (pat) 535/10

28. Senat | REWIS RS 2010, 3843

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "BELLADONNA (IR-Marke)" – keine Unterscheidungskraft – Gefahr der Irreführung des Publikums


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die [X.] Marke 968 988

hat der 28. Senat ([X.]) des [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 25. August 2010 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] sowie der Richterin [X.] und des Richters Schell

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Inhaberin der international registrierten Marke 968 988

2

[X.]

3

hat als Kennzeichnung für die nachfolgend aufgeführten Waren der Klasse 31

4

„Plantes et parties de plantes de la variété „Anthurium““

5

Schutz in der [X.] beantragt.

6

Die [X.]stelle für Klasse 31 IR des [X.] hat der international registrierten Marke den Schutz verweigert (§§ 119, 124, 113, 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 4 [X.]; Art. 5 PMMA i. V. m. Art. 6

7

Mit ihrer gegen den Beschluss der [X.]stelle gerichteten Beschwerde beantragt die [X.]inhaberin,

8

den Beschluss der [X.]stelle für Klasse 31 IR des [X.] vom 4. Februar 2010 aufzuheben.

9

Zur Begründung hat sie ausgeführt, die Marke „[X.]“ sei schon deshalb nicht geeignet, das Publikum über die Beschaffenheit der beanspruchten Waren zu täuschen, weil es sich bei der Anthurie um eine Pflanzenart handele, die nichts mit einer Tollkirsche zu tun und mit ihr auch keine Ähnlichkeit habe. Dem Durchschnittsverbraucher sei nicht bekannt, dass es sich bei dem Begriff „[X.]“ um einen Teil der Fachbezeichnung für die schwarze Tollkirsche handele. Vielmehr verstehe ein Großteil der Verbraucher darunter die [X.] Übersetzung des Ausspruchs „schöne Frau“. Die am Handel beteiligten Fachkreise würden schon dadurch nicht in die Irre geführt, dass sie wüssten, wie eine Tollkirsche aussehe.

Ihrer Ankündigung im Schriftsatz vom 24. August 2010 folgend hat die [X.]inhaberin den Termin zur mündlichen Verhandlung nicht wahrgenommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde nach §§ 66 i. V. m. 64 Abs. 6 [X.] ist zulässig, in der Sache aber nicht begründet. Der beantragten Schutzerstreckung der [X.] auf das Gebiet der [X.] steht nach Ansicht des Senats in erster Linie das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] entgegen. Die [X.]stelle hat die Anmeldung daher im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen (§ 37 Abs. 1 [X.]).

Unterscheidungskraft i. S. v. von § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] bedeutet die Eignung einer Marke, die mit ihr beanspruchten Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie dadurch von denen anderer Anbieter für den Verkehr unterscheidbar zu machen (vgl. [X.], 19, 22, Rdn. 45 – Standbeutel; [X.] GRUR Int. 2005, 135, Rdn. 19 – [X.]; [X.], 850, 854 – [X.]). Diese Herkunftsfunktion von [X.] ist nach ständiger Rechtsprechung als ihre Hauptfunktion anzusehen (vgl. [X.] GRUR 2009, 756, 761, Rdn. 58 – [X.]; [X.] GRUR Int. 2005, 1012, 1014, Rdn. 27 – BioID; [X.] 2008, 710, Rdn. 12 – [X.]; [X.] [X.]R 2006, 395, 397, Rdn. 18 – [X.], [X.]). Sie muss deshalb im Vergleich zu ihren weiteren Funktionen, wie etwa ihrer Werbe- oder Kommunikationsfunktion, im Vordergrund stehen (vgl. [X.] GRUR 2004, 1027, 1029, Rdn. 35 – DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT). Ist diese Voraussetzung bei einer angemeldeten Marke nicht erfüllt, widerspricht es dem Allgemeininteresse, dieses Zeichen durch seine Eintragung ins Register zugunsten eines Anmelders zu monopolisieren und der Nutzung durch die Allgemeinheit dauerhaft zu entziehen (vgl. [X.] GRUR 2004, 943, 944, Rdn. 26 – SAT.2; [X.] GRUR Int. 2004, 631, 634, Rdn. 48 – Dreidimensionale Tablettenform I).

Wie auch die [X.]inhaberin nicht bestreitet, handelt es sich bei „[X.]“ um einen Teil des botanischen Fachbegriffs „Atropa belladonna“ für die Pflanzenart „schwarze Tollkirsche“. Jedenfalls die an Herstellung und Vertrieb von Pflanzen beteiligten Fachkreise verstehen unter der Angabe „[X.]“ eine Gattungsbezeichnung für Tollkirschen, die zur Familie der Nachtschattengewächse gehören. Als produktbeschreibende Angabe fehlt der Bezeichnung „[X.]“ bezogen auf diesen Teil des Verkehrs daher zwangsläufig jegliche Unterscheidungskraft für die von der [X.]inhaberin beanspruchten Pflanzen. Unabhängig davon ist festzustellen, dass es sich bei der Tollkirsche um eine im Inland beheimatete Pflanze handelt, vor deren Gift staatliche Stellen die Bevölkerung regelmäßig warnen (vgl. Anlage zum Bescheid der [X.]stelle vom 15. Juli 2009). Der von der [X.]inhaberin mit der Beschwerdebegründung eingereichten Anlage [X.] kann zudem entnommen werden, dass die Tollkirsche seit der Antike in der Medizin wie in der Volksheilkunde zur Behandlung unterschiedlicher Krankheiten eingesetzt wird. Von der schwarzen Tollkirsche (Atropa belladonna) leiten sich nicht nur zahlreiche Mythen, sondern auch der Name des Wirkstoffs Atropin ab, der neben Anwendungsbereichen bei Herz-/Kreislauferkrankungen Laien zumindest wegen seines Einsatzes zur Pupillenerweiterung in der Augenheilkunde bekannt ist. Somit kann festgestellt werden, dass - über die Fachkreise hinaus - zumindest auch ein erheblicher Teil der allgemeinen Verkehrskreise gemessen am [X.] des [X.] mit der Bezeichnung „[X.]“ den Namen einer konkreten Pflanzenart verbindet, nicht aber einen Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen, das solche Pflanzen anbietet. Zwar beansprucht die [X.]inhaberin Schutz nicht für Tollkirschen, sondern für Anthurien, die im Verkehr unter dem Namen „[X.]“ für eine Topfpflanze bekannt sind. Jedoch kann die Angabe „[X.]“ vor diesem speziellen [X.] ebenso wenig eine Herkunftsfunktion vermitteln wie es bei vergleichbaren Gattungsbezeichnungen wie „Rosen“ oder „Tulpen“ der Fall wäre. Folglich kann nicht davon ausgegangen werden, dass ein erheblicher Teil der inländischen Verkehrskreise ([X.] GRUR 1999, 723 ff, [X.] - [X.]) der beanspruchten Bezeichnung ein Mindestmaß an Unterscheidungskraft zubilligt. Soweit die [X.]inhaberin in ihrer Beschwerdebegründung auf Beispiele verweist, die eine markenmäßige Verwendung von „[X.]“ zeigen, liegen diese auf hier nicht einschlägigen [X.] und können das bestehende Schutzhindernis für die konkret beanspruchten Waren nicht beeinflussen. Gleiches gilt für das Vorbringen der [X.]inhaberin, der Verkehr entnehme der international registrierten Marke lediglich einen Bezug zum [X.]n Ausdruck für „schöne Frau“. Vor dem Hintergrund der konkret beanspruchten Waren fehlt der behaupteten Mehrdeutigkeit der Angabe insoweit jede markenrechtliche Relevanz.

Entgegen der Ansicht der [X.]inhaberin kann eine ersichtliche Gefahr der Irreführung des Publikums durch die schutzsuchende [X.] nach § 8 Abs. 2 Nr. 4 [X.] ebenfalls nicht ausgeschlossen werden. Zwar ist der [X.]inhaberin insoweit zuzustimmen, dass die Fachkreise aufgrund ihrer vertieften Sachkenntnis nicht irrig davon ausgehen, bei der mit „[X.]“ gekennzeichneten Anthurie handele es sich in Wirklichkeit um ein Exemplar der schwarzen Tollkirsche. Soweit die schutzsuchende Marke allerdings Verwendung bei den allgemeinen Verkehrskreisen findet, ist die Bezeichnung „[X.]“ im Zusammenhang mit der Kennzeichnung von [X.] objektiv unrichtig und ein nicht täuschender Einsatz der Marke wegen des [X.] vorliegend ausgeschlossen. Im Unterschied zum Sachverhalt, der der Entscheidung „[X.]“ ([X.] 2002, 160, Leitsatz 1 und Rn. 24, 25) zugrunde lag, ist vorliegend eine [X.]benutzung, bei der keine Irreführung des Verkehrs erfolgt, gerade nicht möglich. Das Schutzhindernis des § 8 Abs. 4 [X.] setzt voraus, dass der Verkehr durch den [X.] (hier „[X.]“) an sich irregeführt wird. Auf die Frage, wie die Marke im Verkehr konkret verwendet wird, kommt es daher nicht entscheidend an, so dass die von der [X.]inhaberin zitierte Rechtsprechung des [X.] zur Spezialnorm des § 127 [X.] ebenfalls ohne Entscheidungsrelevanz ist.

Die Beschwerde war somit zurückzuweisen.

Meta

28 W (pat) 535/10

25.08.2010

Bundespatentgericht 28. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 25.08.2010, Az. 28 W (pat) 535/10 (REWIS RS 2010, 3843)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 3843

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