Bundespatentgericht, Beschluss vom 15.07.2014, Az. 24 W (pat) 503/13

24. Senat | REWIS RS 2014, 4085

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "CEKPET KPACOTЬI (IR-Bildmarke)" – keine Unterscheidungskraft – Freihaltungsbedürfnis


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die international registrierte Marke [X.] 095 688

hat der 24. Senat ([X.]) des [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 15. Juli 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] sowie der Richterin [X.] und der Richterin Dr. Schnurr

beschlossen:

Die Beschwerde der Markeninhaberin wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Das nachfolgend abgebildete Zeichen

Abbildung

2

ist am 21. Juni 2011 als Bildmarke für die Waren der Klasse 3

3

"cosmetics"

4

unter der Nummer [X.] registriert worden. Die Markeninhaberin beansprucht u. a. Schutz für die [X.].

5

Mit Beschluss vom 16. November 2012 hat die Markenstelle für Klasse 3 IR des [X.], besetzt mit einer Beamtin des gehobenen Dienstes, dieser Internationalen Registrierung nach Beanstandung den Schutz in der [X.] verweigert. Zur Begründung hat sie ausgeführt, gemäß §§ 119, 124, 113, 37, 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 [X.] in Verbindung mit Art. 5 PMMA, Art. 6 quinquies B [X.] seien solche Marken von der Schutzgewährung ausgeschlossen, denen für die beanspruchten Waren jegliche Unterscheidungskraft fehle bzw. die in der [X.] im Interesse von Wettbewerbern freihaltebedürftig seien. Die in kyrillischen Buchstaben international registrierte Marke werde mit "das Geheimnis der Schönheit" übersetzt. Der Verkehr werde der Wortfolge lediglich einen werblich-anpreisenden, beschreibenden Hinweis auf die Qualität, Eigenschaft und den Zweck der Waren entnehmen, nämlich dass diese Kosmetika den Schlüssel zur Schönheit enthielten und der Verbraucher durch den Gebrauch dieser Waren schön(er) werde. Wie Rechercheergebnisse des Patentamts zeigten, gebe es in [X.] (Online-) Geschäfte für [X.] Kosmetik. Unter Berücksichtigung der zwischen der [X.] und der [X.] im Zuge der Öffnung der Grenzen erheblich intensivierten Wirtschaftsbeziehungen sowie unter Berücksichtigung des Zuzugs einer nicht unbeachtlichen Zahl von Spätaussiedlern bzw. Einwanderern aus [X.], in denen [X.] in der Schule als erste Fremdsprache gelehrt werde, sei davon auszugehen, dass ein relevanter Teil der inländischen Verkehrskreise und die am Handelsverkehr beteiligten inländischen Fachkreise den Sinngehalt der international registrierten Marke verstünden und den darin liegenden beschreibenden Bezug zu den Waren erkennen würden.

6

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Markeninhaberin mit ihrer Beschwerde. Sie ist der Auffassung, dass ihr Zeichen die beanspruchten Kosmetika nicht beschreibe. Der angesprochene Verkehr vermöge seine Bedeutung nicht zu erfassen; auch in der Transliteration und Übersetzung "Geheimnis der Schönheit" verfüge das schutzsuchende Zeichen über das zu einer Registrierung erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft. Die von der Markenstelle als Belege angeführten Internetseiten von Online-Shops für [X.] Kosmetikprodukte seien zweisprachig aufgebaut und wendeten sich nicht ausschließlich an ein russischsprachiges Publikum.

7

Die Markeninhaberin beantragt zuletzt sinngemäß,

8

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 3 IR des [X.] vom 16. November 2012 aufzuheben.

9

Wegen der Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenstelle, die Schriftsätze der Markeninhaberin und den übrigen Akteninhalt Bezug genommen. In seinem [X.] vom 10. Juni 2014 hat der Senat auf erhebliche Bedenken in Bezug auf eine Schutzgewährung hingewiesen und Belege zur Verwendung der [X.]n Sprache zur Kennzeichnung von Kosmetikprodukten im Inland sowie zu Handelsbeziehungen in der Kosmetikbranche zwischen der [X.] und der [X.] übersandt. Wie mit Schriftsatz vom 14. Juli 2014 angekündigt, ist die Markeninhaberin im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 15. Juli 2014 nicht erschienen.

II.

Die gemäß §§ 64 Abs. 1, Abs. 6 S. 1, 66 Abs. 1 S. 1 [X.] zulässige Beschwerde der Markeninhaberin hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat die Markenstelle der schutzsuchenden Marke gemäß §§ 119, 124, 113, 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] in Verbindung mit Art. 5 PMMA, Art. [X.] B [X.] den Schutz in der [X.] wegen fehlender Unterscheidungskraft verweigert.

Unterscheidungskraft ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst zu werden. Denn die Hauptfunktion einer Marke liegt darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. u. a. [X.] GRUR 2004, 428, [X.]. 30, 31 - [X.]; [X.], 850, [X.]. 17 – [X.]). Auch das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft ist im Lichte des Allgemeininteresses auszulegen, wobei dieses darin besteht, die Allgemeinheit vor ungerechtfertigten Rechtsmonopolen zu bewahren (vgl. [X.] GRUR 2003, 604, 608 [[X.]. 60] - [X.]). Hierbei wird das Allgemeininteresse nicht nur durch unmittelbare oder tatsächliche Behinderungen, sondern bereits durch eine bloße potentielle Beeinträchtigung der wettbewerblichen Grundfreiheiten tangiert (vgl. [X.], GRUR 2005, 127, 129 - Das Allgemeininteresse in der markenrechtlichen Entscheidungspraxis des [X.] mit weiteren Nachweisen). Keine Unterscheidungskraft besitzen insbesondere Bezeichnungen, denen der Verkehr im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnet (vgl. [X.], 850, [X.]. 19 - [X.]; [X.] GRUR 2004, 674, [X.]. 86 - Postkantoor). Darüber hinaus fehlt die Unterscheidungskraft u. a. aber auch solchen Angaben, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, mit denen aber ein enger beschreibender Bezug zu dem betreffenden Produkt hergestellt wird ([X.] – [X.], a. a. O.).

Bei der Beurteilung des Schutzhindernisses des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist maßgeblich auf die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise abzustellen, wobei dies alle Kreise sind, in denen die fragliche Marke Verwendung finden oder Auswirkungen zeitigen kann. Zu den hier angesprochenen inländischen Verkehrskreisen gehören der Fachhandel für Kosmetika "und/oder" die normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher (vgl. [X.] GRUR 2006, 411, 413 (Rn. 24) - Matratzen Concord/[X.]; [X.] GRUR 2007, 527 - [X.]; [X.] 24 W (pat) 110/05, [X.] 09. März 2007 - bagno; [X.] 28 W (pat) 28/10, [X.] 16. Juni 2010 - [X.]; [X.] 30 W (pat) 108/02, [X.] 11. August 2003 – [X.]; vgl. [X.] 28 W (pat) 99/06, [X.] 17.08.2007 – [X.]; [X.] [X.] 2006, 433, 435 "Keine Ruhe auf fremden Matratzen – Zur markenrechtlichen Schutzfähigkeit fremdsprachiger beschreibender Angaben").

Hierbei kommt es zum einen auf die Sicht des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers im Bereich der einschlägigen Waren an ([X.]/[X.], [X.], 10. Aufl., § 8, Rdn. 29, 30). Für das Verständnis dieser Marke kann zum anderen aber auch das Verständnis der am Handel beteiligten Fachkreise für sich gesehen allein von ausschlaggebender Bedeutung sein (vgl. [X.] in [X.]/[X.], [X.], 10. Auflage, § 8 Rdn. 100; [X.] [X.] 2006, 433, 435).

Hiervon ausgehend wird der Verkehr diese Wortkombination jedoch lediglich als eine rein werbliche Anpreisung dahingehend auffassen, dass die so gekennzeichneten Kosmetika das Geheimnis bergen können, den Kunden durch die Anwendung der Kosmetika zu Schönheit zu verhelfen (vgl. 24 W (pat) 89/10, [X.] 23. Oktober 2012 – [X.]; vgl. auch [X.] 30 W (pat) 252/93, [X.] 23. Januar 1995 - [X.] DES [X.]). Einen betrieblichen Herkunftshinweis wird der Verkehr in dem schutzsuchenden Zeichen hingegen nicht erkennen.

Dem steht die Tatsache, dass die schutzsuchende [X.] in [X.]r Sprache und dementsprechend in kyrillischer Schrift gehalten ist, nicht entgegen. Denn mit der Markenstelle geht der Senat davon aus, dass entscheidungserhebliche Teile der allgemeinen inländischen Bevölkerung das in kyrillischen Buchstaben und in [X.]r Sprache gehaltene Zeichen seinem Sinngehalt nach ohne Mühe erfassen (vgl. [X.], [X.]/[X.], [X.]., 10. Aufl. 2011, Rn. 402, [X.]. 1092 m. w. N..; vgl. [X.] 26 W (pat) 210/01, [X.] 28. Februar 2007 – Shi-guljowskoje (kyrillisch geschriebenes Wort für Biersorte beschreibend); [X.] 28 W (pat) 96/08, [X.] 1. Dezember 2009 – [X.] (kyrillische Bezeichnung "aus [X.]" für verschiedene Lebensmittel beschreibend); [X.] 25 W (pat) 103/12, [X.] 7. November 2013 - Taiga (kyrillisch geschriebenes Wort "Taiga" als geographische Herkunftsbezeichnung für Schnittholz beschreibend)) und daher nicht als Herkunftshinweis verstehen werden. Sowohl die Belege der Markenstelle, als auch die durch den Senat ergänzend recherchierten Nachweise (vgl. Onlineangebot von mindestens vier Herstellern im Inland, Anlagen 5 – 8 zum [X.] vom 10. Juni 2014) belegen, dass kyrillisch beschriftete Kosmetika Verbrauchern im Inland bereits begegnen.

Die im Termin zur mündlichen Verhandlung erörterten, auf Statistiken des [X.] beruhenden Nachweise zeigen außerdem, dass im Inland in den Jahren 2010-2012 an allgemeinbildenden Schulen über 100.000 Schülerinnen und Schüler sowie an beruflichen Schulen über 5.000 Schülerinnen und Schüler die [X.] Sprache als Fremdsprache erlernten (vgl. Anlage 1 zum Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 15. Juli 2014). Die [X.] Sprache zählt nicht zu den "exotischen" Sprachen, sondern gehört zu den Sprachen einer nicht nur unerheblichen Minderheit innerhalb der [X.]. Die muttersprachlich [X.] Bevölkerungsgruppe in [X.] umfasste im Jahre 2010 rund 3,4 Millionen Menschen (vgl. Anlage 2 zum Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 15. Juli 2014). Zusammen mit denjenigen inländischen Verkehrskreisen, die [X.] während ihrer Schulzeit in der [X.] als erste Fremdsprache gelernt haben, stellt diese Personengruppe zur Überzeugung des Senats einen markenrechtlich erheblichen, seiner Größenordnung nach nicht zu vernachlässigenden Teil der angesprochenen allgemeinen Verkehrskreise dar, die die Bedeutung "Geheimnis der Schönheit" des schutzsuchenden Zeichens ohne Mühe erfassen und es daher in Verbindung mit Kosmetika nicht als Herkunftshinweis auffassen werden.

Wie bereits im [X.] vom 10. Juni 2014 erläutert, kommt hinzu, dass zwischen den [X.] und der [X.] Handelsbeziehungen in erheblichem Umfang bestehen, und zwar auch in der hier einschlägigen Kosmetikbranche. Hiervon zeugt die Tatsache, dass zu dem in der [X.] größten einheimischen Hersteller von Kosmetika, dem Konzern "[X.]" mit einem Umsatz von …. [X.], auch der [X.] Hersteller [X.] gehört (vgl. Anlage 1 zur Ladungsverfügung vom 10. Juni 2014). Dieser Konzern hat u. a. das [X.] Unternehmen [X.] übernommen (vgl. Anlage 3 zur Ladungsverfügung vom 10. Juni 2014). Die Tatsache, dass im Inland, wie ausgeführt, kosmetische Produkte mit kyrillischer Aufschrift vertrieben und auf in [X.] gehosteten Internetseiten ganz oder teilweise in [X.]r Sprache beworben werden, zeigt auch, dass diejenigen inländischen [X.] für Kosmetika, die unter Verwendung der [X.]n Sprache Handel treiben, ganz überwiegend über fachspezifische Grundkenntnisse dieser Sprache verfügen und ihre Handelsbeziehungen nicht etwa ausschließlich in [X.] abwickeln. Die Verwendung der [X.]n Sprache zur Beschriftung von Kosmetikprodukten im Inland verbunden mit dem festgestellten Umfang von Handelsbeziehungen in der Kosmetikbranche beider Länder belegen zur Überzeugung des Senats, dass auch ein erheblicher Teil der inländischen [X.] für Kosmetika die Bedeutung des schutzsuchenden Zeichens i. S. v. "Geheimnis der Schönheit" ohne weiteres Nachdenken als rein werbliche Anpreisung in diesem Sinne, jedoch nicht als Herkunftshinweis versteht.

Meta

24 W (pat) 503/13

15.07.2014

Bundespatentgericht 24. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 15.07.2014, Az. 24 W (pat) 503/13 (REWIS RS 2014, 4085)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 4085

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