Bundespatentgericht, Beschluss vom 27.01.2015, Az. 24 W (pat) 526/13

24. Senat | REWIS RS 2015, 16562

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "MPF (IR-Marke)" - Unterscheidungskraft – Freihaltungsbedürfnis


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die [X.] 1 043 630

hat der 24. Senat ([X.]) des [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 27. Januar 2015 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] sowie [X.] und Schmid

beschlossen:

Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 17 Internationale Registrierung des [X.] vom 14. Juni 2013 wird aufgehoben, soweit der schutzsuchenden [X.] 1 043 630 der Schutz in der [X.] bezüglich der Waren „Compositions extinctrices“ verweigert worden ist.

Im Übrigen wird die Beschwerde der Markeninhaberin zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die auf der [X.] Basisanmeldung vom 24. Dezember 2009 beruhende, am 1. Juni 2010 international registrierte Wortmarke [X.] 043 630

2

[X.]

3

beansprucht in der [X.] Schutz für die folgenden Waren:

4

Klasse 1: [X.]; silicone; colles pour l'industrie; colles pour matières à calfeutrer, à étouper et à isoler; colles pour [X.], [X.], tissus et toiles.

5

Klasse 17: [X.], à étouper et à isoler; fibres minérales pour l'isolation et la protection contre le feu (matières à calfeutrer, à étouper et à isoler); [X.], [X.], tissus et toiles pour l'isolation, [X.], [X.] (matières à calfeutrer, à étouper et à isoler); [X.] (matières à calfeutrer, à étouper et à isoler); tissus utilisés pour la protection incendie (matières à calfeutrer, à étouper et à isoler); tissus en fibres de verre pour l'isolation et pour la protection incendie (matières à calfeutrer, à étouper et à isoler); tissus en silicone pour l'isolation et pour la protection incendie (matières à calfeutrer, à étouper et à isoler).

6

Die Markenstelle für Klasse 17 Internationale Markenregistrierung des [X.] hat dieser [X.] den Schutz in der [X.] mit Beschluss vom 14. Juni 2013 verweigert. Aus Sicht der Markenstelle steht der Schutzerstreckung der [X.] „[X.]“ das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] entgegen. Die Buchstabenfolge „[X.]“ sei eine im Inland gebräuchliche Abkürzung für [X.]. Dieser Stoff könne in den angemeldeten Waren als Inhaltsstoff oder Ausrüstungsmerkmal enthalten sein. Insbesondere werde der Kunststoff [X.] als Klebstoff und Beschichtung eingesetzt und könne – etwa als Granulat - auch als Feuerlöschmittel eingesetzt werden. Der angesprochene Verkehr werde die schutzsuchende [X.] [X.] den beanspruchten Waren lediglich als eine beschreibende Sachaussage dahingehend erkennen, dass die angebotenen Waren solche Kunststoffe enthielten, die mit „[X.]“ abgekürzt werden.

7

Die Markeninhaberin vertritt in ihrer gegen den vorgenannten Beschluss gerichteten Beschwerde die Auffassung, dass die schutzsuchende [X.] unterscheidungskräftig und nicht beschreibend sei, was mit Blick auf ausländische Voreintragungen auch konsistent sei. Die angesprochenen Verkehrskreise, bei welchen nicht von einem Personenkreis ausgegangen werden könne, der über Fachkenntnisse in den Bereichen Chemie und Kunststoffe verfüge, würden die Buchstabenfolge „[X.]“ nicht als Abkürzung für „[X.]“ erkennen; die beanspruchten Waren seien überwiegend an den allgemeinen Durchschnittsverbraucher gerichtet. Selbst wenn die maßgeblichen Verbraucher „[X.]“ i. S. v. „[X.]“ verstünden, sei keine beschreibende Bedeutung für die beanspruchten Waren ersichtlich. Die Unterlagen der Markenstelle seien nicht geeignet, um einen hinsichtlich der beanspruchten Waren beschreibenden Charakter der Buchstabenfolge „[X.]“ im dargelegten Sinne zu belegen. Das gleiche gelte für bestimmte, von der Markenstelle genannte Eigenschaften von „[X.]“ wie „schwere Entflammbarkeit oder Beständigkeit gegen hohe Temperaturen“; die Belege der Markenstelle könnten auch insoweit einen sachlichen Bezug zu den vorliegend beanspruchten Waren nicht herstellen. Im Übrigen werde die Buchstabenkombination „[X.]“ in verschiedensten Bereichen für verschiedene Waren und in verschiedenen Bedeutungen verwendet, so dass der Verkehr sie nicht sofort und unmittelbar als Abkürzung für „[X.]“ erkennen könne, selbst wenn es sich um Fachkreise aus dem Bereich Chemie bzw. Kunststoffe handele. Schließlich genieße die schutzsuchende [X.] in einer Reihe ausländischer [X.], und zwar den Benelux-[X.], [X.], [X.], [X.] und den [X.] Schutz.

8

Die Markeninhaberin ist zu der auf ihren Hilfsantrag hin anberaumten mündlichen Verhandlung, zu der sie ordnungsgemäß geladen war, nicht erschienen, ohne ihr Nichterscheinen anzukündigen. Sie hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,

9

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 17 Internationale Registrierung vom 14. Juni 2013 aufzuheben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache nur im tenorierten Umfang Erfolg.

1. Einer Erstreckung des Schutzes der [X.] 932 791 auf das Gebiet der [X.] steht mit Ausnahme der Waren „[X.]" das absolute Schutzhindernis fehlender Unterscheidungskraft entgegen, §§ 8 Abs. 2 Nr. 1, 37 Abs. 1, 113, 119, 124, [X.] [X.] Art. 5 PMMA und Art 6

a) Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] bedeutet die einer Marke innewohnende konkrete Eignung, vom Verkehr als Herkunftshinweis aufgefasst zu werden. Denn die Hauptfunktion einer Marke liegt darin, die Ursprungsidentität der mit ihr gekennzeichneten Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. [X.] [X.], 428, Rn. 30, 31 - [X.]; [X.], 850, Rn. 17 – [X.]). Keine Unterscheidungskraft besitzen insbesondere Bezeichnungen, denen der Verkehr im Zusammenhang mit den beanspruchten Dienstleistungen lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnet (vgl. [X.], 850, Rn. 17 - [X.]; [X.] [X.], 674, Rn. 86 - Postkantoor). Darüber hinaus fehlt die Unterscheidungskraft aber auch solchen Angaben, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, mit denen aber ein enger beschreibender Bezug zu dem betreffenden Produkt hergestellt wird (vgl. [X.], 850 - [X.]).

Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren und/oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/ oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen [X.] bzw. -abnehmers der fraglichen Produkte abzustellen ist (vgl. [X.] [X.], 411, 412, Nr. 24 - Matratzen Concord/[X.]; [X.], 943, 944, Nr. 24 - SAT.2; [X.], 935, Nr. 8 - [X.]; [X.], 825, 826, Nr. 13 - [X.]; [X.], 850, 854, Nr. 18 - [X.]). Durch die Wortwahl „und/ oder“ ist klargestellt, dass auch das Verständnis der beteiligten Fachkreise für sich gesehen von ausschlaggebender Bedeutung sein kann (vgl. [X.]/[X.], [X.], 11. Aufl., § 8 Rdn. 41).

b) Nach diesen Grundsätzen fehlt der Schutz suchenden [X.] nach der maß-geblichen inländischen Verkehrsauffassung die erforderliche Unterscheidungs-kraft in Bezug auf die beanspruchten Waren mit Ausnahme von „compositions extinctrices“.

Die Buchstabenfolge „[X.]“ wird in [X.] u.a. als Abkürzung für „[X.]“ verwendet (vgl. [X.], Lexikon Chemie, 10. Aufl. 1998, [X.], als [X.]age 1 zur [X.]. v. 22.12.2014 der Markeninhaberin übersandt); [X.] Wörterbuch der chemischen Fachausdrücke, 2003, [X.], s. [X.]age 2 ebd.). [X.] ([X.]), die neben hoher Oberflächenhärte, Abriebfestigkeit und Flammfestigkeit über eine gute Beständigkeit u. a. ggü. Chemikalien und Temperatur verfügen, werden als feste oder flüssige Massen vielfältig eingesetzt, [X.] zur Herstellung von Laminaten und Formteilen wie Elektroisolierteilen, Griffen für Küchengeräte, Beschichtung von Holzwerkstoffen, Verleimung von [X.]anplatten, Nassfestausrüstung von Papier, Textilhilfsmittel, Additive für hydraulische Bindemittel, Einbrennlacke (vgl. [X.], Lexikon Chemie, 10. Aufl. 1998, [X.], s. [X.]age 3 ebd.). [X.] entstehen durch Abmischen von [X.] und Phenol-Harzen oder durch Einwirkung von Formaldehyd auf Mischungen aus Melamin und Phenol und werden ebenfalls vielfältig eingesetzt, [X.] bei der Herstellung von Haus- und Küchengeräten, Isolierteilen oder als Schichtpressstoffe (vgl. [X.], Lexikon Chemie, 10. Aufl. 1998, [X.], s. [X.]age 4 ebd.), so [X.] auch als Bestandteil von schwer entflammbaren Duroplastfasern für Presspolster (vgl. die Druckschrift EP 0 842 764 [X.], dort insbes. [X.]. 2, Zeilen 15 ff.; s. [X.]age 5 ebd.). Ein weiteres Beispiel für die Verwendung von [X.] ist der Einsatz als Bindemittel für nicht-brennbare Dämmstoffe mit hoher Feuerwiderstandsdauer und verminderter Wasseraufnahme für Bau- und Isolierzwecke (vgl. die Druckschrift EP 0 000 056 [X.], insbes. [X.]. 2, Zeile 48 – [X.]alte 3 Zeile 3, [X.]age 6 ebd.). Hieraus folgt, dass die schutzsuchende Buchstabenkombination im konkreten [X.] als beschreibende Sachangabe geeignet ist, denn aufgrund der vorgenannten Eigenschaften und vielfältigen Einsatzmöglichkeiten von [X.] wird die abkürzende Buchstabenfolge „[X.]“, zumindest vom Fachverkehr [X.] den beanspruchten Waren (Klasse 1) “colles pour l'industrie; colles pour matières à calfeutrer, à étouper et à isoler; colles pour [X.], [X.], tissus et toiles“ sowie (Klasse 17) “[X.], à étouper et à isoler; fibres minérales pour l'isolation et la protection contre le feu (matières à calfeutrer, à étouper et à isoler); [X.], [X.], tissus et toiles pour l'isolation, [X.], [X.] (matières à calfeutrer, à étouper et à isoler); [X.] (matières à calfeutrer, à étouper et à isoler); tissus utilisés pour la protection incendie (matières à calfeutrer, à étouper et à isoler); tissus en fibres de verre pour l'isolation et pour la protection incendie (matières à calfeutrer, à étouper et à isoler); tissus en silicone pour l'isolation et pour la protection incendie (matières à calfeutrer, à étouper et à isoler)” als rein sachbezogene Angabe von Merkmalen dieser Waren, nämlich als Bezeichnung von Bestandteilen bzw. Inhaltsstoffen, eben [X.] wahrgenommen werden, nicht aber als betriebliche Herkunftsangabe. Die der Inhaberin der [X.] übersandten Belege zeigen, dass „[X.]“ als Bestandteil in schwer entflammbaren Duroplastfasern und als Bindemittel für nicht-brennbare Dämmstoffe mit hoher Feuerwiderstandsdauer verwendet werden, so dass der angesprochene Verkehr in der Angabe „[X.]“ lediglich den Hinweis auf diesen Inhaltsstoff für Leime für gewerbliche Zwecke; Klebstoffe für Verpackungs-, Dichtungs- und Isoliermaterial und für Kabel, gesponnenes Garn und (Textil-) Gewebe sowie für Verpackungs-, Dichtungs- und Isoliermaterial und dafür verwendete Mineralfasern, Kabel, gesponnenes Garn, (Textil-) Gewebe, insbesondere feuerfeste Textil- und Glasfasergewebe oder solche zum Feuerschutz und Textilfasern aus Silikon für entsprechende Zwecke sieht.

In Zusammenhang mit der Ware „silicone“ kann die Angabe „[X.]“ in der oben genannten Bedeutung zudem ein Sachhinweis darauf sein, dass das Silikon mit „[X.]“ versetzt ist, da bestimmte Silikonwerkstoffe [X.] auch lichtstreuende Mikropartikel aus anderen Materialien wie „[X.]“ enthalten können (vgl. [X.] Pressemitteilung des [X.], [X.]. 8 ebd.).

Der Umstand, dass eine Buchstabenfolge als Abkürzung unterschiedliche Bedeutungen annehmen kann, ist für sich nicht geeignet, das Schutzhindernis fehlender Unterscheidungskraft zu überwinden. Für die Beurteilung der Unterscheidungskraft einer Marke ist vielmehr entscheidend, welche begriffliche Bedeutung sie im Zusammenhang mit den konkreten beanspruchten Waren und/oder Dienstleistungen annehmen kann.

c) Aus der Schutzgewährung für die [X.] in anderen [X.] kann die Markeninhaberin schließlich keinen Anspruch auf Schutzgewährung ableiten. Voreintragungen führen ebenso wie vorhergehende Schutzrechtserstreckungen weder für sich genommen noch in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz zu einer Selbstbindung derjenigen Stellen, welche über die Eintragung bzw. Schutzgewährung zu befinden haben, denn die Entscheidung über die Schutzfähigkeit einer Marke ist keine Ermessens-, sondern eine Rechtsfrage (vgl. [X.] MarkenR 2008, 163, 167 [Rz. 39] - [X.]; [X.], 674, Nr. 43, 44 - Postkantoor; [X.], 428, Nr. 63 - [X.]; [X.] 2007,351, 352 f. - Topline; [X.], 333, 335 ff. - [X.]; [X.], 423 amazing discoveries; [X.], 425 - [X.]). Ausländische Voreintragungen oder Schutzerstreckungen identischer Marken haben hinsichtlich der Schutzfähigkeit im Inland weder eine Bindungs- noch eine Indizwirkung (vgl. [X.]/[X.], [X.], 11. Aufl., § 8 Rn. 58 f. m. w. N.), zumal es auf das Verständnis der inländischen Verkehrskreise ankommt.

Aus diesen Gründen war der international registrierten Marke [X.] 043630 „[X.]“ gemäß §§ 119, 124, 113, 37, 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] in Verbindung mit Art. 5 PMMA, Art. [X.] B [X.] im tenorierten Umfang der Schutz für das Gebiet der [X.] zu verweigern.

Flammschutzmitteln Verwendung finden können, besteht zwischen diesen und den beanspruchten Feuerlöschmitteln ein deutlicher Unterschied. Nach der dem Senat vorliegenden Beleglage kann nicht davon ausgegangen werden, dass der angesprochene Verkehr annehmen könnte, dass „[X.]“ als Flammschutzmittel zugleich Inhaltsstoff von Feuerlöschmitteln sein könnte.

Andere Schutzhindernisse sind nicht ersichtlich.

Meta

24 W (pat) 526/13

27.01.2015

Bundespatentgericht 24. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 27.01.2015, Az. 24 W (pat) 526/13 (REWIS RS 2015, 16562)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 16562

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

24 W (pat) 514/10 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – "WORLDLINE" – keine Unterscheidungskraft


30 W (pat) 562/17 (Bundespatentgericht)


30 W (pat) 70/21 (Bundespatentgericht)


28 W (pat) 124/12 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – "R.EVOLUTION MOTORBIKE (IR-Marke, Wort-Bild-Marke)/EVOLUTION (IR-Marke)" – zur Kennzeichnungskraft – unterstellte rechtserhaltende Benutzung - …


29 W (pat) 520/13 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – "SV Group (IR-Marke, Wort-Bild-Marke)" – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.