Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 04.10.2012, Az. 8 B 92/11

8. Senat | REWIS RS 2012, 2614

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Gegenstand

Voraussetzungen an eine notwendige Beiladung


Gründe

I.

1

Die Klägerin betreibt als öffentlich-rechtliches Versicherungsunternehmen in der Rechtsform einer rechtsfähigen Anstalt des öffentlichen Rechts (§ 1 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 des Gesetzes über die öffentlich-rechtlichen Versicherungsunternehmen in [X.] - [X.] - vom 10. Januar 1994 <[X.]. GV[X.]l S. 5>) nach ihrer Satzung (§ 1 Abs. 4 Satz 1) die Schadenversicherung mit Ausnahme der Kraftfahrtversicherung innerhalb ihres Geschäftsgebietes; nach § 2 Abs. 1 ihrer Satzung ist dies der ehemalige [X.] [X.]

2

Die [X.]eklagte, die ebenfalls eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts ist (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 [X.]) und seit 1957 zusammen mit der [X.] und anderen Unternehmen die [X.] bildet, betreibt u.a. die [X.]. Ihr Geschäftsgebiet umfasst nach ihrer Satzung (§ 2 Abs. 1 Satz 1) die ehemalige [X.] mit Ausnahme des ehemaligen [X.] sowie das ehemalige Land S. Im ehemaligen [X.] betreibt die [X.]eklagte nach § 2 Abs. 1 Satz 2 ihrer Satzung die Kraftfahrzeug- und die Unfallversicherung.

3

Seit Anfang des 20. Jahrhunderts zeichnete die [X.]eklagte mit Einverständnis der damaligen Verwaltungsträgerin der Klägerin [X.] auch im ehemaligen [X.] Am 29. März 1965 trafen die Parteien eine schriftliche Vereinbarung. Darin kamen die Klägerin und die [X.]eklagte überein, dass sie "in [X.] in freundschaftlicher Weise nebeneinander" arbeiten. Ferner wurde vereinbart, dass sich die Geschäftstätigkeit der [X.]eklagten "auch auf die Versicherungszweige" erstreckt, in denen die Klägerin "selbst als Wettbewerbs-Versicherungsunternehmen arbeitet". Außerdem heißt es in der Vereinbarung, die [X.] sei bereit, die Arbeit der Klägerin "durch Abschluss eines Agenturvertrages und [X.] zu unterstützen". Am 9. Mai/10. Juni 1966 und am 5. August 1971 schlossen die [X.]eteiligten zwei Agenturverträge sowie weitere Vereinbarungen, wonach die [X.]eteiligten im Geschäftsgebiet der Klägerin bis zum Jahre 1992 miteinander und nebeneinander tätig waren. Im Juni 1992 vereinbarten die [X.]eklagte, die [X.] (Körperschaft des öffentlichen Rechts), die o. S. und der ...(N...) einen Konsortialvertrag, der Grundlage weiterer Vereinbarungen zur Vertriebsorganisation war. Außerdem trafen die Klägerin, die [X.]eklagte und die [X.] am 17. März 1995 eine weitere Kooperationsvereinbarung und schlossen einen [X.] ab. Danach oblag der Klägerin in der Funktion einer Landesdirektion der [X.]eklagten und der [X.] u.a. die Koordination sämtlicher Vorhaben der Vertragspartner im Geschäftsbereich Vertrieb, die Entwicklung und Durchführung der Vertriebskonzeption, die Festlegung von [X.] sowie die Überwachung der Einhaltung von Vorgaben und der Ausbau und die ständige Verbesserung der Vertriebsorganisation. Ferner verpflichtete sich die [X.]eklagte im Konsortialvertrag, ihren Versicherungsbestand in den von der Klägerin betriebenen Sparten auf diese zu übertragen; das Neugeschäft werde der Klägerin zugeführt.

4

Nachdem es zu schwerwiegenden Unstimmigkeiten u.a. hinsichtlich der [X.]esetzung des Vorstandes der Klägerin und gemeinsamer Versicherungsagenturen gekommen war, kündigte die [X.] unter dem 22. Oktober 1997 die Kooperationsvereinbarung und den [X.] fristlos. Außerdem kündigte die [X.]eklagte mit Schreiben vom 22. Januar 2002 den im Juni/Dezember 1992 geschlossenen Konsortialvertrag. [X.] unter [X.]eteiligung des [X.]n Finanzministeriums als Aufsichtsbehörde zur [X.]eilegung der Streitigkeiten u.a. über die Abgrenzung der Geschäftstätigkeit der [X.]eklagten im ehemaligen [X.] scheiterten. Daraufhin hat die Klägerin vor dem [X.] Klage erhoben, mit der sie die Verurteilung der [X.]eklagten zur Unterlassung der Verletzung ihres Geschäftsgebietes begehrt hat. Ihre Klage hatte vor dem Verwaltungsgericht überwiegend Erfolg.

5

Auf die [X.]erufungen der Klägerin und der [X.]eklagten hat das Oberverwaltungsgericht das erstinstanzliche Urteil teilweise geändert und der [X.]eklagten unter Androhung einer für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsstrafe von bis zu 250 000 €, ersatzweise Ordnungshaft, für alle Versicherungen außer Kraftfahrzeug- und Unfallversicherungen sowie Lebens- und Krankenversicherungen ab Rechtskraft des Urteils untersagt, im Geschäftsgebiet der Klägerin, dem ehemaligen [X.], ohne ihr Einverständnis Niederlassungen zu betreiben, Versicherungsvertreter, -makler oder angestellte Versicherungsvermittler für sich oder andere Versicherer tätig werden zu lassen, mittelbar oder unmittelbar aktiv, selbst oder durch Versicherungsvertreter, -makler oder angestellte Versicherungsvermittler, für den Abschluss von Versicherungen zu werben, diese selbst abzuschließen oder den Abschluss durch andere Versicherungsunternehmen zu vermitteln oder zu werben oder die Tätigkeit anderer Versicherungsunternehmen zu unterstützen, insbesondere durch Kooperationsvereinbarungen, Unterstützung und Teilung des Vertriebs mit anderen Versicherungsunternehmen, Gewährung von [X.] durch die [X.]eklagte oder durch mit ihr gesellschaftlich verbundene Unternehmen an andere Versicherungsunternehmen sowie durch Verzicht der [X.]eklagten gegenüber ihren Versicherungsvermittlern auf die in den Vermittlungsverträgen vereinbarte exklusive Tätigkeit, um den Vermittlern eine Tätigkeit für andere Versicherungsunternehmen im ehemaligen [X.] zu ermöglichen. Im Übrigen hat das Oberverwaltungsgericht unter Zurückweisung der [X.]erufung der Klägerin und der weitergehenden [X.]erufung der [X.]eklagten die Klage abgewiesen.

6

Gegen die Nichtzulassung der Revision gegen dieses Urteil richtet sich die fristgerecht eingelegte und begründete [X.]eschwerde der [X.]eklagten, mit der sie die Grundsatzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) erhebt sowie Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) geltend macht.

II.

7

[X.] ist nicht begründet.

8

1. [X.] (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) haben keinen Erfolg. Es ist nicht ersichtlich, dass das Oberverwaltungsgericht gegen den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verstoßen, insbesondere seinem Urteil aktenwidrige Tatsachenfeststellungen zugrunde gelegt hat.

9

Gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Es gehört hiernach zur Aufgabe des Tatsachengerichts, sich im Wege der freien [X.]eweiswürdigung seine Überzeugung von dem entscheidungserheblichen Sachverhalt zu bilden. Dem hat es das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde zu legen. Wie es seine Überzeugung bildet, wie es also die ihm vorliegenden Tatsachen und [X.]eweise würdigt, unterliegt seiner "Freiheit". Die Einhaltung der daraus entstehenden verfahrensrechtlichen Verpflichtungen ist nicht schon dann in Frage gestellt, wenn ein [X.]eteiligter das vorliegende Tatsachenmaterial anders würdigen oder aus ihm andere Schlüsse ziehen will als das Gericht. Die Grenzen der "Freiheit" des Gerichts sind erst dann überschritten, wenn es entweder seiner Sachverhalts- und [X.]eweiswürdigung nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde legt, sondern nach seiner Rechtsauffassung entscheidungserheblichen Akteninhalt übergeht oder aktenwidrige Tatsachen annimmt, oder wenn die von ihm gezogenen Schlussfolgerungen gegen die Denkgesetze verstoßen (stRspr; vgl. [X.]eschlüsse vom 17. Mai 2011 - [X.]VerwG 8 [X.] 88.10 - juris und vom 28. März 2012 - [X.]VerwG 8 [X.] 76.11 - juris m.w.N.).

Eine "aktenwidrige Entscheidung" liegt erst vor, wenn der Streitstoff, den das Tatsachengericht seiner Entscheidung zugrunde legt, von dem tatsächlichen Streitstoff, wie er sich aus den Akten und dem Ergebnis einer gerichtlichen [X.]eweisaufnahme ergibt, zu entscheidungserheblichen Fragen abweicht, sei es dass er darüber hinausgeht, indem aktenwidrig - "ins [X.]laue hinein" - Tatsachen angenommen werden, sei es dass er dahinter zurückbleibt, indem Akteninhalt übergangen wird. Letzteres kann aber nicht schon dann angenommen werden, wenn das Verwaltungsgericht in den Gründen seiner Entscheidung nicht auf sämtliche Umstände eingeht, die sich aus den Akten ergeben und die für die jeweils behandelte Frage von [X.]edeutung sein können. Welche Grundsätze insoweit gelten, hat die Rechtsprechung mit [X.]lick auf die vorrangige Funktion der Entscheidungsgründe entwickelt, insbesondere sicherzustellen, dass dem Gebot, rechtliches Gehör zu gewähren, genügt wird. Das Gericht ist hiernach verpflichtet, in dem Urteil die Gründe anzugeben, die für seine Überzeugungsbildung leitend gewesen sind (§ 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Es ist aber nicht verpflichtet, jedes Vorbringen der [X.]eteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden. Auch wenn ein einzelnes Vorbringen in den Entscheidungsgründen unerwähnt bleibt, hat es das Gericht allein deshalb also noch nicht "übergangen". Vielmehr ist als Regel davon auszugehen, dass das Gericht den [X.]eteiligtenvortrag zur Kenntnis genommen und bei seiner Entscheidungsfindung in Erwägung gezogen hat. Eine Verletzung des Gebots, den [X.]eteiligtenvortrag zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, kann deshalb nur dann angenommen werden, wenn sich dies aus den besonderen Umständen des Einzelfalles ergibt (stRspr; [X.]VerfG, Urteil vom 8. Juli 1997 - 1 [X.]vR 1621/94 - [X.]VerfGE 96, 205 <216 f.>). Mit [X.]lick auf die Pflicht zur Auswertung des Akteninhalts gelten keine strengeren Maßstäbe. Das gilt jedenfalls bei solchem Akteninhalt, den ein [X.]eteiligter zum Gegenstand seines Vortrags gemacht hat; erst recht gilt es aber bei dem sonstigen Akteninhalt.

a) Die von der [X.]eklagten geltend gemachten aktenwidrigen Tatsachenfeststellungen sind nicht ersichtlich.

(1) Mit der [X.]eschwerde wird vorgetragen, der zwischen den Parteien am 29. März 1965 geschlossene Vertrag ("Grundlagenvertrag") enthalte nach den Feststellungen des [X.] eine Zustimmung der Klägerin zum Zeichnen der sogenannten [X.] durch die [X.]eklagte im ehemaligen [X.] Damit habe sich die Klägerin damit einverstanden erklärt, dass die [X.]eklagte in allen Wettbewerbssparten, auch in denen, die von der Klägerin gezeichnet werden sollten, ihre Zeichnungsbefugnis in [X.] behalte. Die Akten enthielten keinen Vorgang, der auf die Aufhebung dieser [X.]efugnis der [X.]eklagten hinauslaufe. Das Oberverwaltungsgericht gehe demgegenüber davon aus, dass die Vereinbarung vom 29. März 1965 aufgehoben worden sei. Diese Annahme sei deshalb aktenwidrig, weil der [X.] eine damals bereits über 50 Jahre ausgeübte Tätigkeit der [X.]eklagten bestätigt habe und nicht befristet worden sei. Daran hätten auch weder die zwischen den Parteien abgeschlossenen Agenturverträge vom 9. Mai/10. Juni 1966 und vom 5. August 1971 noch der Konsortialvertrag vom Dezember 1992 und der [X.]estandsübertragungsvertrag vom 18./28. Dezember 1992, der [X.] vom 27. Januar/10. Februar 1993, der Landesdirektions- und der Kooperationsvertrag vom 17. März 1995 etwas geändert.

Mit diesem Vorbringen vermag die [X.]eklagte eine Aktenwidrigkeit im dargelegten Sinne nicht zu belegen. Der von ihr angeführte Widerspruch bestünde allenfalls dann, wenn das im [X.] erteilte Einverständnis der Klägerin unwiderruflich war und zwischenzeitlich nicht wirksam aufgehoben wurde. Das diesbezügliche Vorbringen der [X.]eklagten hat das Oberverwaltungsgericht zur Kenntnis genommen und sich damit auseinander gesetzt. Im Ergebnis hat es die dem zugrunde liegende Rechtsauffassung der [X.]eklagten ausdrücklich zurückgewiesen. Es hat die Annahme der [X.]eklagten abgelehnt, "dass ein bereits in dem Grundlagenvertrag vom 29. März 1965 erteiltes unwiderrufliches Einverständnis der Klägerin fortbestehe, aufgrund dessen ihr in allen sogenannten 'Wettbewerbssparten' eine Geschäftstätigkeit im Geschäftsgebiet der Klägerin gestattet sei" ([X.], zweiter Absatz). Die [X.]eklagte macht demgegenüber mit ihrer [X.]eschwerde letztlich geltend, dass das Oberverwaltungsgericht den [X.] und die nachfolgenden Vereinbarungen unrichtig ausgelegt und gewürdigt habe und dass es dabei nicht ihrer Rechtsauffassung gefolgt ist. Das belegt keine Aktenwidrigkeit.

(2) Die Verfahrensrüge hat auch keinen Erfolg, soweit die [X.]eklagte einen Widerspruch zwischen dem Akteninhalt und dem angegriffenen Urteil damit begründet, das Oberverwaltungsgericht habe verkannt, dass in den seit 1992 zwischen den Parteien abgeschlossenen Verträgen und Vereinbarungen "keine Zustimmung der [X.]eschwerdegegnerin (der Klägerin) geregelt war (und zum Teil schon rechtstechnisch gar nicht geregelt sein konnte)". Gleiches gilt hinsichtlich des [X.]eschwerdevorbringens, das Oberverwaltungsgericht habe nicht "annehmen können, dass die Zustimmung mit der - unstreitigen - [X.]eendigung dieser Verträge entfallen war", zumal sich das Angebot der [X.]eklagten an [X.] auch nach 1993 nicht mit dem der Klägerin überschnitten habe.

Das Oberverwaltungsgericht hat ausweislich der schriftlichen Urteilsgründe das diesbezügliche Vorbringen der [X.]eklagten zur rechtlichen [X.]edeutung der seit 1992 geschlossenen Verträge und Vereinbarungen zur Kenntnis genommen und dieses dahin gewürdigt, dass die Versuche einer dauerhaften Kooperation der Klägerin und der [X.]eklagten in [X.] mit deren Kündigung(en) gescheitert seien und dass sich die [X.]eklagte seither auf ein Einverständnis der Klägerin nach § 3 Abs. 2 [X.], das ihr im Rahmen jener Verträge erteilt worden war, nicht mehr stützen könne. Die [X.]eklagte kritisiert mit ihrer [X.]eschwerde auch insoweit letztlich die vom Oberverwaltungsgericht vertretene rechtliche Würdigung ihres Vorbringens und die Zurückweisung ihrer Rechtsauffassung. Das belegt keine Aktenwidrigkeit.

Soweit die [X.]eklagte geltend macht, die im Tatbestand des angegriffenen Urteils enthaltene Feststellung des [X.], sie schließe im Geschäftsgebiet der Klägerin nahezu alle Versicherungsarten über eigene Niederlassungen und Versicherungsagenturen ab, sei unzutreffend, vermag auch dies eine Aktenwidrigkeit oder einen anderweitigen Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz nicht zu begründen. Mit ihrer [X.]eschwerde trägt die [X.]eklagte selbst vor, sie habe durchgängig seit 1907 [X.] in [X.] gezeichnet. Ob hinsichtlich der von der [X.]eklagten und der von der Klägerin im ehemaligen [X.] gezeichneten Versicherungen Überschneidungen bestehen, war für das Oberverwaltungsgericht nicht entscheidungserheblich. Für die angegriffene Entscheidung kam es vielmehr tragend darauf an, ob sich die [X.]eklagte für ihre versicherungsgeschäftliche Tätigkeit im ehemaligen [X.] im entscheidungsrelevanten Zeitraum noch auf ein Einverständnis der Klägerin stützen kann. Denn die [X.]eklagte benötigt nach der vom Oberverwaltungsgericht vorgenommenen Auslegung der einschlägigen Rechtsvorschriften für jede Zeichnungs- und Vermittlungstätigkeit im Geschäftsgebiet der Klägerin, die nicht die im [X.] ausgenommenen Versicherungssparten betrifft, das Einverständnis der Klägerin. Dieses liegt nach den vom Oberverwaltungsgericht getroffenen Feststellungen nicht mehr vor. Im Übrigen bezieht sich nach der insoweit maßgeblichen Rechtsauffassung des [X.] der von § 3 [X.] gewährleistete [X.] auch auf die Versicherungssparten, die von der gebietsansässigen Versicherung, hier also von der Klägerin, nicht selbst betrieben werden (vgl. [X.] f.). Auf den mit der [X.]eschwerde in Zweifel gezogenen Umfang und die Deckungsgleichheit der diesbezüglichen Aktivitäten der Klägerin und der [X.]eklagten kommt es mithin nicht an, so dass schon deshalb das angegriffene Urteil nicht auf (entscheidungserheblichen) aktenwidrigen Feststellungen beruht.

b) Aus dem Vorbringen der [X.]eklagten ergibt sich auch nicht, dass das Oberverwaltungsgericht in sonstiger Hinsicht gegen den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verstoßen hat, indem es entweder seiner Sachverhalts- und [X.]eweiswürdigung nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde gelegt, sondern nach seiner Rechtsauffassung entscheidungserheblichen Akteninhalt übergangen oder aktenwidrige Tatsachen angenommen hat. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die vom Oberverwaltungsgericht gezogenen Schlussfolgerungen gegen die Denkgesetze verstoßen. [X.] war, wie bereits in anderem Zusammenhang dargelegt, nach der insoweit maßgeblichen Rechtsauffassung des Gerichts, ob für den maßgeblichen Zeitraum das nach § 3 Abs. 2 [X.] erforderliche Einverständnis der Klägerin für die vom [X.] erfassten Tätigkeitsfelder der [X.]eklagten im ehemaligen [X.] (noch) vorliegt. [X.]ei keinem der von der [X.]eklagten in der [X.]eschwerde vorgebrachten Gesichtspunkte (S. 42 bis 52) erschließt sich, inwiefern sich daraus ein Einverständnis der Klägerin ergeben könnte.

c) Soweit die [X.]eklagte als Verfahrensfehler rügt, die Versicherungsvertreter (selbstständige Handelsvertreter), mit denen sie in [X.] zusammenarbeite, seien entgegen § 65 Abs. 2 VwGO nicht beigeladen worden, ist nicht ersichtlich, inwiefern diese Personen an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sein sollten, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Dies wäre dann der Fall, wenn die mit der Klage begehrte Sachentscheidung nicht getroffen werden kann, ohne dass dadurch gleichzeitig unmittelbar und zwangsläufig Rechte des [X.] gestaltet, bestätigt oder festgestellt, verändert oder aufgehoben werden (stRspr; vgl. u.a. [X.]eschlüsse vom 12. August 1981 - [X.]VerwG 7 [X.] 195.80 - [X.]uchholz 310 § 65 VwGO Nr. 60 und vom 23. September 1988 - [X.]VerwG 7 [X.] 150.88 - [X.]VerwGE 80, 228 = [X.]uchholz 310 § 65 VwGO Nr. 93).

Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Die Entscheidung über die Klage kann getroffen werden, ohne dass dadurch unmittelbar und zwangsläufig Rechte des von der [X.]eklagten angeführten Personenkreises der Versicherungsvertreter (selbstständige Handelsvertreter) gestaltet, bestätigt oder festgestellt, verändert oder aufgehoben werden. Welche Maßnahmen die [X.]eklagte im Falle der Rechtskraft des Urteils gegenüber diesem Personenkreis zur Erfüllung ihrer Unterlassungspflichten ergreifen und sicherstellen muss und welche vertraglichen Ansprüche in der Folge im Verhältnis zwischen der [X.]eklagten und den für sie arbeitenden Versicherungsvertretern und -agenturen entstehen oder entfallen, betrifft nicht das hier streitige Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und der [X.]eklagten, sondern ist allenfalls eine mittelbare Auswirkung der sich aus dem Urteil ergebenden Unterlassungspflichten der [X.]eklagten. Entgegen der Auffassung der [X.]eklagten ist nicht ersichtlich, inwiefern sich für die Notwendigkeit der [X.]eiladung (§ 65 Abs. 2 VwGO) der Versicherungsvertreter anderes aus europarechtlichen Vorschriften ergeben sollte. Ihre Pflicht, für die vom [X.] erfassten Aktivitäten im Versicherungsgeschäft im ehemaligen [X.] nach § 3 Abs. 2 [X.] das Einverständnis der Klägerin einzuholen, muss die [X.]eklagte unabhängig davon erfüllen, ob dadurch geschäftliche Interessen der mit ihr kooperierenden Versicherungsvertreter (selbstständige Handelsvertreter) berührt werden.

2. Die von der [X.]eklagten als rechtsgrundsätzlich aufgeworfene Frage,

ob § 3 Abs. 2 des Gesetzes über die öffentlich-rechtlichen Versicherungsunternehmen in [X.] - [X.] - vom 10. Januar 1994 ([X.].GV[X.]l S. 5) wegen des Vorrangs der Niederlassungs- (Art. 49 [X.]) und/oder Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 ff. [X.]) sowie wegen eines Verstoßes gegen Art. 101 [X.] i.[X.]m. Art. 106 Abs. 1 [X.] unanwendbar ist, soweit er Versicherungsvermittlern untersagt, mit öffentlich-rechtlichen Versicherungsunternehmen zusammenzuarbeiten, die in einem Geschäftsgebiet wegen der Überschneidung mit dem Geschäftsgebiet eines anderen öffentlich-rechtlichen Versicherungsunternehmens nur bestimmte Versicherungen zeichnen dürfen,

ist nicht entscheidungserheblich. Das wäre sie nur dann, wenn die angegriffene Entscheidung auf dieser Frage und der vom [X.]erufungsgericht gegebenen Antwort beruhen würde. Daran fehlt es hier. [X.]ereits aus diesem Grunde ist sie damit nicht klärungsbedürftig

Nach dem angegriffenen Urteil kann die Klägerin entsprechend § 1004 Abs. 1 Satz 2 [X.]G[X.] i.[X.]m. § 3 Abs. 1 und 2 [X.] und dem entsprechenden Satzungsrecht der [X.]eteiligten von der [X.]eklagten verlangen, dass diese eine über den [X.]etrieb der Kraftfahrzeug- und Unfallversicherung hinausgehende Geschäftstätigkeit im ehemaligen [X.] in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang unterlässt. Entgegen der mit der Grundsatzrüge in der bezeichneten Rechtsfrage vorgenommenen Unterstellung werden damit lediglich der [X.]eklagten, nicht aber den in der [X.]eschwerde bezeichneten "Versicherungsvermittlern" bestimmte Aktivitäten im [X.]ereich des [X.] im Geschäftsgebiet der Klägerin untersagt. Das Urteil regelt keine Rechte und Pflichten solcher Versicherungsvertreter. Entscheidend war für das Oberverwaltungsgericht allein, ob sich die [X.]eklagte auf ein Einverständnis der Klägerin nach § 3 Abs. 2 [X.] berufen kann und ob der ehemalige [X.] für Versicherungen außerhalb des [X.] im [X.]ereich der Kraftfahrzeug- und Unfallversicherungen zum bisherigen, also am 1. Juli 1994 bestehenden Geschäftsgebiet der [X.]eklagten gehörte. Es war für das Oberverwaltungsgericht und wäre auch in dem von der [X.]eklagten angestrebten Revisionsverfahren mithin nicht entscheidungserheblich, ob § 3 Abs. 2 [X.] wegen Verstoßes gegen die von der [X.]eschwerde angeführten europarechtlichen Vorschriften unanwendbar ist, soweit er bestimmte Aktivitäten Versicherungsvermittlern untersagen würde.

3. Soweit die [X.]eklagte hilfsweise wegen der im [X.]erufungsverfahren unterbliebenen Vorlage der mit der Grundsatzrüge aufgeworfenen Rechtsfrage an den [X.] einen Verstoß gegen ihren Anspruch auf [X.] rügt, ist diese Verfahrensrüge schon deshalb nicht begründet, weil die bezeichnete Rechtsfrage aus den oben dargelegten Gründen nicht entscheidungserheblich war.

Meta

8 B 92/11

04.10.2012

Bundesverwaltungsgericht 8. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend OVG Lüneburg, 30. Juni 2011, Az: 10 LB 98/07, Urteil

§ 65 Abs 2 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 04.10.2012, Az. 8 B 92/11 (REWIS RS 2012, 2614)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 2614

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1 BvR 1621/94

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