Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.12.2002, Az. XII ZR 51/00

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2002, 263

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[X.] DES VOLKESURTEILVerkündet am:11. Dezember 2002KüpferleJustizamtsinspektorinals Urkundsbeamtinder [X.]in der [X.]:ja[X.]Z: [X.] § 579 Abs. 1 Nr. 4Allein deshalb, weil einer [X.] die Klageschrift, die Ladung zum Termin und [X.] öffentlich zugestellt worden sind und sie deshalb unverschuldet keine Kenntnisvon dem Verfahren hatte, kommt eine analoge Anwendung des § 579 Abs. 1 Nr. 4ZPO nicht in Betracht. Das gilt auch dann, wenn der Gegner die öffentliche Zustel-lung durch falsche Angaben arglistig erschlichen hat. Eine Nichtigkeitsklage ist insolchen Fällen unzulässig.[X.], Urteil vom 11. Dezember 2002 - [X.]/00 - [X.] AG [X.]- 2 -Der XII. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] durch die Vorsitzende Richterin [X.] und die [X.], [X.], [X.] und [X.] Recht erkannt:Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] fürFamiliensachen des [X.] vom [X.] aufgehoben.Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts- [X.] - [X.] vom 29. April 1999 wird [X.].Die Klägerin trägt auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits.Von Rechts [X.]:Die Klägerin betreibt im Wege einer Nichtigkeitsklage die Wiederauf-nahme eines durch ein Scheidungsverbundurteil abgeschlossenen Verfahrens.Die Klägerin ist [X.], der Beklagte ist [X.]. Die [X.]en habensich in [X.] kennengelernt und haben, nachdem am 27. April 1994 einegemeinsame Tochter geboren worden war, am 9. Juli 1994 in [X.] gehei-ratet. Im September 1994 sind sie nach [X.] übergesiedelt, haben dortaber nur einige Monate zusammen gewohnt. Im Februar 1995 hat die [X.] 3 -die gemeinsame Wohnung verlassen und ist, ohne ihre Tochter, nach [X.] zurückgekehrt, wo sie - mit einer kurzen Unterbrechung - seither lebt. [X.] lebt bei dem [X.] in [X.]. Die Gründe der Trennung sindzwischen den [X.]en streitig.Im März 1997 beantragte der Beklagte bei einem Gericht in [X.],die Ehe der [X.]en zu scheiden und ihm das Sorgerecht für die Tochter zuübertragen. Mit Schriftsatz seiner Prozeßbevollmächtigten vom 9. Oktober 1997stellte er denselben Antrag beim [X.] [X.] und leitete damit [X.] zu der vorliegenden Nichtigkeitsklage ein. Er trug gegenüber dem[X.] [X.] vor, seine Ehefrau habe sich nach [X.] abge-setzt und er wisse nicht, wo sie sich aufhalte. Er habe auch keinen Kontakt zuVerwandten oder Bekannten seiner Ehefrau in [X.], über die er ihrenAufenthalt erfahren könne. Daß er bereits in [X.] ein Scheidungsverfah-ren eingeleitet hatte, erwähnte er nicht, angeblich weil er annahm, dieses Ver-fahren sei durch Rücknahme des Scheidungsantrags erledigt.Das [X.] [X.] bewilligte die öffentliche Zustellung [X.] und der Ladung zum Termin. Durch Urteil vom 14. [X.] sprach es die Scheidung der Ehe aus, übertrug das Sorgerecht für [X.] dem [X.] und schloß den Versorgungsausgleich aus. Auch die-ses Urteil wurde öffentlich zugestellt und trägt den Vermerk des Urkundsbeam-ten der Geschäftsstelle, es sei seit dem 13. Juli 1998 rechtskräftig.Der Beklagte hat am 9. September 1999 wieder geheiratet.Im vorliegenden Verfahren macht die Klägerin geltend, der Beklagte ha-be die im Vorverfahren bewilligten öffentlichen Zustellungen arglistig erschli-chen. Ihm sei bekannt gewesen, daß sie sich auf dem Hof ihrer Eltern aufhalte.Zumindest habe er ihren Aufenthalt durch Anfragen bei Bekannten in [X.]- 4 -jederzeit erfahren können. Schließlich habe es auch mit der Zustellung des vondem [X.] in [X.] eingereichten Scheidungsantrags an sie keineProbleme gegeben.Die Klägerin hat beantragt, das Urteil des [X.]s [X.] vom14. Mai 1998 aufzuheben und den Scheidungsantrag des [X.] zurückzu-weisen. Zwei Hilfsanträge zum Sorgerecht und zum Versorgungsausgleich hatsie im Verlaufe des Verfahrens fallengelassen.Das [X.] hat den Hauptantrag der Klägerin als unzulässig ab-gewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das [X.] dieses Ur-teil abgeändert und dem Hauptantrag der Klägerin stattgegeben. Mit der zuge-lassenen Revision will der Beklagte die Wiederherstellung des [X.] erreichen.Entscheidungsgründe:Die Revision des [X.] hat in der Sache Erfolg und führt zur Aufhe-bung des angefochtenen Berufungsurteils und zur Zurückweisung der Berufungder Klägerin gegen das erstinstanzliche Urteil. Es ist nur noch über den Haupt-antrag der Klägerin zu befinden, das im Vorprozeß ergangene Urteil aufzuhe-ben und den Scheidungsantrag des [X.] zurückzuweisen. Diesen [X.] das [X.] zu Recht und mit zutreffender Begründung als unzuläs-sig abgewiesen.1. Das Berufungsgericht führt aus, nach dem reinen Wortlaut des [X.] liege an sich kein Wiederaufnahmegrund vor. Um dem Grundrecht auf- 5 -rechtliches Gehör Geltung zu verschaffen, sei es aber gerechtfertigt, § 579Abs. 1 Nr. 4 ZPO analog anzuwenden, wenn eine [X.] von einem gegen sieangestrengten Verfahren keine Kenntnis gehabt habe. Nach dieser Vorschriftsei die Nichtigkeitsklage gegeben, wenn eine [X.] in einem Verfahren nichtnach den [X.] vertreten gewesen sei. Damit sei der [X.], daß sie sich nicht habe verteidigen können, weil sie von [X.] nichts gewußt habe. Das müsse jedenfalls dann gelten, wenn [X.] auf ein arglistiges Verhalten des [X.] zurückzuführen seioder wenn dieser die öffentliche Zustellung erschlichen habe. Es sei unstreitig,daß die Klägerin ohne Verschulden nichts von dem beim [X.] [X.] anhängig gemachten Scheidungsverfahren erfahren habe.Die weiteren Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Nichtigkeitskla-ge seien erfüllt. Die Klägerin habe selbst dann, wenn sie in dem Verfahren in[X.] selbst die Scheidung anstrebe, ein Rechtsschutzinteresse daran,daß das im Vorprozeß ergangene Scheidungsurteil aufgehoben werde. [X.] nämlich auch die in den Folgesachen Sorgerecht und Versorgungsaus-gleich ergangenen Entscheidungen hinfällig. Nach dem Ergebnis der Beweis-aufnahme sei auch die Klagefrist des § 586 Abs. 1 ZPO gewahrt.Zwar habe das [X.] [X.] (FamRZ 1978, 922) ent-schieden, ein Wiederaufnahmeverfahren gegen ein rechtskräftiges Schei-dungsurteil könne unzulässig sein, wenn der Beklagte eines solchen Verfahrenswieder geheiratet habe und inzwischen in einer intakten Ehe lebe. Das könneim vorliegenden Fall aber schon deshalb nicht gelten, weil der Beklagte [X.] und in Kenntnis des laufenden [X.] geheiratet ha-be.- 6 -Der im Vorprozeß von dem [X.] geltend gemachte [X.] sei unzulässig gewesen mit Rücksicht auf das in [X.] bereits anhän-gige Scheidungsverfahren. Nach ständiger Rechtsprechung stehe ein im [X.] bereits rechtshängiges Scheidungsverfahren der Zulässigkeit eines nach-folgend in [X.] gestellten Scheidungsantrags entgegen, wenn dasausländische Urteil in [X.] anzuerkennen sein werde. Gründe, die nach§ 328 ZPO einer Anerkennung eines [X.] Scheidungsurteils entgegen-stehen könnten, seien nicht erkennbar.Diese Ausführungen des Berufungsgerichts halten, soweit sie die Mög-lichkeit einer analogen Anwendung des § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO betreffen, einerrechtlichen Überprüfung nicht stand.2. Ob eine Nichtigkeitsklage analog § 579 Abs. 1 Nr. 4 erhoben [X.], wenn der frühere Beklagte infolge öffentlicher Zustellung von Klage [X.] von dem gegen ihn angestrengten Prozeß keine Kenntnis erlangt hatte,wird in Literatur und Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet. Eher verein-zelt wird die auch vom Berufungsgericht gebilligte Meinung vertreten, eine sol-che Analogie sei zulässig ([X.], [X.] 1979, 766; [X.] in Münch-Komm/ZPO 2. Aufl. § 579 Rdn. 18 f.; [X.]/[X.], ZPO 23. Aufl. § [X.]. 6). Die Analogie wird im [X.] - ohne nähere Auseinandersetzung mit derDogmatik des [X.] - damit begründet, daß auf dieseWeise dem [X.] des [X.] nachträglich rechtliches Gehör ge-währt werden könne. Die wohl herrschende Meinung lehnt eine solche Analogieab (BayVGH, BayVBl. 1982, 567; OLG [X.]schweig, [X.] 1974, 51, 53;OLG [X.], [X.], 385 f.; [X.], ZPO 21. Aufl. § [X.]. 6 f.; [X.]/[X.], ZPO 3. Aufl. § 579 Rdn. 7; Seetzen, NJW 1982,2387, 2340 f., jeweils m.w.[X.]). [X.] (aaO) verweist darauf, die [X.] dürfe nicht dazu dienen, eine bewußt getroffene Entscheidung im [X.] 7 -zeß zu überprüfen und zu korrigieren. [X.] (aaO) führt aus, trotz beachtli-cher Gründe, die in solchen Fällen für die Zulassung einer Nichtigkeitsklagesprächen, erscheine die Analogie zum § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO "im vorliegendenZusammenhang allzu [X.] Entscheidung eines obersten Bundesgerichts liegt noch nicht vor.Der Senat hat die Frage in seinem Urteil vom 3. November 1993 ([X.]/92 - NJW 1994, 589, 591 = FamRZ 1994, 237 f.) offen gelassen. Das [X.] ([X.], 378 f.) hat die analoge Anwendung des § 579Abs. 1 Nr. 4 ZPO wegen Verletzung des Anspruchs einer [X.] auf [X.] zwar grundsätzlich abgelehnt, in den Entscheidungsgründen aber ver-merkt, daß seine Entscheidung nicht den Fall betreffe, daß der Beklagte des[X.] aufgrund öffentlicher Zustellung keine Kenntnis von dem [X.] gehabt habe.Das [X.] (1. Kammer des 2. Senats, [X.] 13. September 1991 - 2 BvR 355/91 - NJW 1992, 496 m.w.[X.]) war mit [X.] entsprechenden Verfassungsbeschwerde befaßt und hat diese als unzuläs-sig abgewiesen mit der Begründung, soweit noch keine entgegenstehendeRechtsprechung des zuständigen Obergerichts zur Statthaftigkeit der Nichtig-keitsklage vorliege, sei eine Verfassungsbeschwerde gegen ein Urteil wegenVerletzung des rechtlichen Gehörs erst dann zulässig, wenn eine [X.] gemäß § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO beim zuständigen Fachgericht erfolglosgeblieben sei.In einem weiteren Verfahren (3. Kammer des 2. Senats, Beschluß vom29. Oktober 1997 - 2 BvR 1390/95 - NJW 1998, 745) hat das Bundesverfas-sungsgericht zwar aus [X.] die Zulassung einer Analogie zu§ 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO angemahnt. Der dort entschiedene Fall ist mit dem vor-- 8 -liegenden jedoch nicht vergleichbar: Dort hatte ein Rechtsanwalt in einem Ver-handlungstermin eine Klageerweiterung auf eine andere [X.] als zugestelltentgegengenommen, obwohl er von dieser anderen [X.] nicht bevollmächtigtworden war und obwohl diese andere [X.] sein Verhalten später nicht ge-nehmigt hat. Die daraufhin erhobene Nichtigkeitsklage war abgewiesen wordenmit der Begründung, § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO sei einschränkend dahin auszule-gen, daß nur Vertreter minderjähriger Kinder, beschränkt Geschäftsfähiger, ge-brechlicher und juristischer Personen gemeint seien, nicht aber Prozeßbevoll-mächtigte. Das [X.] führt aus, es entspreche ständigerRechtsprechung der Fachgerichte, daß § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO auch das [X.] von vollmachtlosen Prozeßvertretern erfasse. Die Meinung des Amtsge-richts, die im Ergebnis die nachträgliche Gewährung von rechtlichem Gehörabschneide, verstoße gegen das Willkürverbot.3. Der Senat schließt sich der herrschenden Meinung an. Allein deshalb,weil einer [X.] bestimmte Schriftsätze und die Ladung zum Termin öffentlichzugestellt worden sind und sie deshalb unverschuldet keine Kenntnis von einemVerfahren hatte, kommt eine analoge Anwendung des § 579 Abs. 1 Nr. 4 [X.] in Betracht. Das gilt auch dann, wenn der Gegner die öffentliche Zustel-lung durch falsche Angaben arglistig erschlichen hat. Eine Nichtigkeitsklage istin solchen Fällen unzulässig.a) Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] ist eine öf-fentliche Zustellung, bei deren Bewilligung und Ausführung das in den §§ 203 ff.ZPO vorgeschriebene Verfahren eingehalten worden ist, auch dann wirksam,wenn ihre Bewilligung auf wissentlich falschen oder unvollständigen Angabendes Antragstellers beruhte ([X.]Z 57, 98, 110 f.; 64, 5, 8 f.). Der II. Zivilsenatdes [X.] hat allerdings im Anschluß an eine Entscheidung des[X.]s ([X.] des 1. Senats, NJW 1988, 2361) Be-- 9 -denken geäußert, ob diese Rechtsprechung uneingeschränkt aufrecht erhaltenwerden kann, hat die Frage aber offen lassen können ([X.], Urteil vom 6. [X.] - [X.] - NJW 1992, 2280, 2281). Der erkennende Senat hat be-reits ausgeführt, daß er diese Bedenken jedenfalls nicht teilt für Fälle, in [X.] die öffentliche Zustellung bewilligende Gericht aus seiner Sicht davon [X.] durfte und mußte, die Voraussetzungen für eine öffentliche Zustellungnach den §§ 203 ff. ZPO seien gegeben. Er hat ausgeführt, das Bundesverfas-sungsgericht habe in der zitierten Entscheidung einen Verstoß gegen Art. [X.]. 1 GG (Anspruch auf rechtliches Gehör) angenommen, weil das die öffent-liche Zustellung bewilligende Gericht übersehen habe, daß "eine andere Formder Zustellung ohne weiteres möglich gewesen wäre". In einem solchen Fallhabe das Gericht durch einen eigenen Fehler den Anspruch des Zustellungs-adressaten auf rechtliches Gehör verletzt. Es fehle an einer "ordnungsgemäßenErfüllung der [X.]" ([X.] aaO). Ob ein solcher Fehlerdes Gerichts die Unwirksamkeit der öffentlichen Zustellung zur Folge habenkönne, brauche nicht entschieden zu werden. Die Entscheidung des Bundes-verfassungsgerichts stelle die bisherige Rechtsprechung des [X.] jedenfalls nicht in Frage für Fälle, in denen das Gericht aus seiner Sicht dieöffentliche Zustellung zu Recht bewilligt habe. Jedenfalls für diese Fälle sei [X.] Rechtsprechung festzuhalten. Schon die Rechtssicherheit erfordere es,daß die Wirksamkeit einer öffentlichen Zustellung nicht noch nach Jahren mitdem Versuch des Nachweises in Frage gestellt werden könne, dem bewilligen-den Gericht sei der Sachverhalt nicht richtig oder nicht vollständig vorgetragenworden (Senatsurteil vom 3. November 1993 aaO S. 591 f.).Anhaltspunkte dafür, daß das Gericht des [X.] die öffentlicheZustellung nicht hätte bewilligen dürfen, sind nicht ersichtlich und werden auchnicht geltend [X.] -b) Das Gesetz mißt einer öffentlichen Zustellung uneingeschränkt diesel-ben Wirkungen zu wie einer anderen Zustellung. Daß im Falle einer öffentlichenZustellung der Zustellungsempfänger allenfalls durch Zufall Kenntnis von demzuzustellenden Schriftstück erhält, liegt auf der Hand. Das Gesetz nimmt mithinbewußt in Kauf, daß im Falle einer öffentlichen Zustellung das Verfahren durch-geführt wird, ohne daß sich der Adressat der öffentlichen Zustellung in irgend-einer Weise an dem Verfahren beteiligen kann.Obwohl dem Adressaten der öffentlichen Zustellung auf diese Weise derin § 103 GG garantierte Anspruch auf rechtliches Gehör versagt wird, hält [X.] die Regelung nicht für verfassungswidrig. Der Gesetzgeber hatte [X.] zwischen dem Anspruch des [X.] auf rechtliches Gehör [X.]seits und dem ebenfalls verfassungsrechtlich geschützten Anspruch [X.] auf Rechtsschutz gegenüber einem [X.] mit unbekanntem [X.] andererseits. Es ist sachgerecht, zumindest liegt es innerhalb des Re-gelungsspielraums, der dem Gesetzgeber zur Verfügung steht, wenn er demverfassungsrechtlich geschützten Anspruch des [X.] den Vorrang einräumt.c) Der Umstand allein, daß das Gericht des [X.] eine [X.]unter Einhaltung aller prozessualer Regeln nur fiktiv - durch öffentliche Zustel-lung - an dem Verfahren beteiligt hat, kann kein Grund für eine Nichtigkeitskla-ge sein. Würde man dies zulassen, so wäre praktisch in allen Fällen, in [X.] öffentliche Zustellung stattgefunden hat, die Nichtigkeitsklage eröffnet.Dies würde zu einer nicht erträglichen, vom Gesetzgeber nicht gewolltenRechtsunsicherheit führen. Der Gesetzgeber hat in den §§ 579, 580 ZPO ganzenge Grenzen für die Durchbrechung der Rechtskraft eines Urteils im Wege [X.] gesetzt. Diese Grenzen sind einzuhalten. Sie dürfen nichtdurch eine der Intention des Gesetzgebers zuwiderlaufende Analogie dahinausgeweitet werden, daß ein Verfahren, das im Wege der öffentlichen [X.] 11 -lung betrieben und abgeschlossen worden ist, praktisch nach Belieben wiederaufgenommen werden kann. Würde man der Gegenmeinung folgen, so würdedie Nichtigkeitsklage analog § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO im [X.] deshalb zugelas-sen, weil das Gericht des [X.] sich exakt an die Regeln der ZPO überdie öffentliche Zustellung gehalten [X.]) Es kann nichts anderes gelten, wenn der Kläger des [X.] dieBewilligung der öffentlichen Zustellung durch falsche Angaben erschlichen hat.Es ist unzulässig, ein solches Fehlverhalten des [X.] des [X.] mitdem Anspruch der [X.] auf rechtliches Gehör zu vermengen. [X.] eines arglistig falschen [X.]vortrags, mit dem die [X.] einenihr günstigen Ausgang des Prozesses erreichen will, sind nicht in der Bestim-mung über die Nichtigkeitsklage (§ 579 ZPO), sondern in der Bestimmung überdie Restitutionsklage (§ 580 ZPO) geregelt. Dabei spielt es keine Rolle, ob mitdem falschen Vortrag eine öffentliche Zustellung erschlichen oder ein andererprozessualer Vorteil erreicht worden ist.aa) Nach § 580 Nr. 4 ZPO findet die Restitutionsklage (u.a.) statt, wennder Gegner des [X.] das Urteil des [X.] durch eine [X.] auf den Rechtsstreit verübte Straftat erwirkt hat. Das von dem Be-rufungsgericht festgestellte Verhalten des [X.] stellt einen Prozeßbetrugdar. Nach § 581 Abs. 1 ZPO könnte eine Restitutionsklage auf diesen Betrugaber nur gestützt werden, wenn wegen der Straftat eine rechtskräftige Verur-teilung erfolgt ist. Würde man auch ohne eine solche rechtskräftige [X.] Wiederaufnahme analog § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO zulassen, würde mandurch diese Analogie die vom Gesetzgeber für den konkreten Fall angeordnetespezielle Regelung außer [X.] setzen. Das würde allen Auslegungsregeln [X.] -Die Klägerin hätte durch eine Strafanzeige auf eine Verurteilung des [X.] wegen [X.] hinwirken können. Nach einer entsprechendenVerurteilung des [X.] hätte ihr dann die Restitutionsklage offengestanden.bb) Nach § 580 Nr. 1 ZPO ist die Restitutionsklage außerdem zulässig,wenn der Gegner des [X.] durch eine Beeidigung einer Aussa-ge, auf die das Urteil des [X.] gegründet ist, sich einer vorsätzlichenoder fahrlässigen Verletzung der Eidespflicht schuldig gemacht hat. Hätte [X.] im Vorprozeß seine wahrheitswidrige Behauptung, der Aufenthalt s[X.] Ehefrau sei ihm nicht bekannt und er sei auch von ihm nicht zu ermitteln,bei einer [X.]vernehmung beeidet, so wäre ein Fall des § 580 Nr. 1 ZPO ge-geben. Auch in diesem Falle wäre nach § 581 ZPO die [X.] eröffnet, wenn wegen des Meineids eine rechtskräftige Verurteilung erfolgtwäre. Es kann nicht sein, daß falscher uneidlicher [X.]vortrag eine schärfereSanktion auslöst als ein Meineid.4. [X.] hat nicht zur Folge, daß die Klägerin,nachdem sie die Möglichkeit, eine Restitutionsklage zu erheben, versäumt hat,völlig rechtlos gestellt wäre. Soweit in dem im Vorprozeß ergangenen Urteilüber das Sorgerecht entschieden worden ist, kann sie jederzeit beim Familien-gericht einen Abänderungsantrag stellen, aufgrund dessen das [X.]zu überprüfen hätte, ob die Übertragung des Sorgerechts auf die Klägerin unterden gegebenen Umständen sachlich gerechtfertigt wäre. In diesem Punkt istihre Position dann nicht schlechter, als wenn das Urteil des [X.] nichtergangen wäre.Außerdem gewährt die Rechtsprechung demjenigen, der dadurch einenVermögensschaden erlitten hat, daß ein anderer gegen ihn im Wege der Irre-führung des Gerichts ein unrichtiges Urteil oder einen anderen Vollstreckungs-- 13 -titel erwirkt hat, einen Anspruch auf Schadensersatz nach § 826 BGB (vgl. zuden Einzelheiten dieses Anspruchs [X.] in [X.], [X.] 826 Rdn. 169 f. m.[X.]). Soweit der Klägerin, zum Beispiel durch den [X.] des Versorgungsausgleichs, finanzielle Nachteile entstanden sein soll-ten, kann sie diesen Schaden nach § 826 BGB geltend machen.5. Die Anträge des [X.], die Sache zu vertagen oder auszusetzen,sind gegenstandslos. Sie sind nur hilfsweise gestellt für den Fall, daß die vonder Klägerin unmittelbar vor dem Termin eingereichten Unterlagen über denAusgang des Scheidungsverfahrens in [X.] die Entscheidung beeinflus-sen könnten. Das ist nicht der Fall.Da eine weitere Aufklärung des Sachverhaltes nicht erforderlich ist, kannder Senat selbst abschließend entscheiden (§ 565 Abs. 3 ZPO a.F. = § 563Abs. 3 ZPO n.F.). Das Berufungsurteil ist aufzuheben und die Berufung derKlägerin gegen das Urteil des [X.]s ist zurückzuweisen.[X.]Gerber[X.]Ri[X.] [X.] ist [X.]. [X.] zu unterschreiben[X.]

Meta

XII ZR 51/00

11.12.2002

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.12.2002, Az. XII ZR 51/00 (REWIS RS 2002, 263)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2002, 263

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