Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.10.2004, Az. IX ZR 59/04

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 1065

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] ZR 59/04
Verkündet am: 21. Oktober 2004 [X.] Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk: ja [X.]: ja [X.]R: ja

ZPO § 580 Nr. 7b

Die Voraussetzungen eines [X.]es können auch dann gegeben sein, wenn der Restitutionskläger nachträglich eine Urkunde auffindet, die ihn - 2 - veranlaßt, eine gegnerische Tatsachenbehauptung aus dem [X.] [X.] zu bestreiten.

[X.], [X.]eil vom 21. Oktober 2004 [X.] - 3 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 21. Oktober 2004 durch [X.] [X.], [X.], [X.], [X.] und die Richterin [X.]

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das [X.]eil des 12. Zivilsenats des Oberlan-desgerichts Stuttgart vom 2. März 2004 wird auf Kosten des [X.] zurückgewiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die [X.]en streiten im Wiederaufnahmeverfahren.

Der [X.] ist Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Firma [X.]

(im folgenden: Schuldnerin). Das Verfahren wurde am 1. Dezember 2000 aufgrund zweier Anträge vom 28. August und 8. September 2000 eröffnet. Die Restitutionsklägerin ist eine Krankenkasse, bei der Arbeitnehmer der Schuld-nerin versichert waren. Auf Klage des jetzigen [X.]n verurteilte das [X.] die Restitutionsklägerin mit [X.]eil vom 28. August 2001, 106.000 DM nebst Zinsen an diesen zu zahlen. Das [X.] bejahte einen Anfechtungsanspruch sowohl gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 1 [X.] als auch gemäß § 130 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 [X.]. Dabei ging es von der im [X.] - 4 - unstreitigen Tatsache aus, daß die Schuldnerin am 5. September 2000 bei dem Vater ihrer Geschäftsführerin ein Darlehen über 200.000 DM aufgenommen und den Darlehensgeber angewiesen hatte, an die damalige Beklagte 106.000 DM zum Ausgleich von [X.] zu zahlen. Den [X.] Darlehensvertrag hatte der [X.] mit der Klageschrift vom 14. Mai 2001 vorgelegt. Nach diesem Vertrag übereignete die Schuldnerin dem Darlehensgeber diverse Gegenstände "gemäß beiliegender Inventarliste zur Sicherheit." Diese Liste legte der [X.] nicht vor. Das [X.]eil wurde rechtskräftig; die Restitutionsklägerin zahlte die [X.]eilssumme an den [X.]n.

Am 16. Mai 2003 erhielt die Restitutionsklägerin Kenntnis von folgenden Urkunden:

1. "Inventarliste zum Darlehensvertrag vom 05.09.2000", unterzeichnet vom Darlehensgeber und der Geschäftsführerin der Schuldnerin; in der Liste waren unter anderem Rechnungen vom 8. September 2000 und 12. Dezember 2000 erwähnt.

2. Schreiben des [X.]n vom 21. März 2001 und 25. Juni 2001 an den anwaltlichen Vertreter des Darlehensgebers; in dem ersten Schreiben erhob der [X.] "erhebliche Bedenken" gegen die Rechtswirksamkeit des vorgenannten Vertrags, weil "einiges auf eine deutliche Rückdatierung" hindeute. Das spätere Schreiben diente der Herbeiführung [X.], wonach der Darlehensgeber keine Ansprüche aus diesem Vertrag mehr geltend machte.
- 5 - 3. Darlehensvertrag zwischen der V.

AG und dem Darlehensgeber vom 5. September 2000 über 250.000 DM mit dem Verwen-dungszweck "Unterstützung Tochter –";

4. Kontoauszug der [X.] vom 2. Oktober 2000 für den Darlehensgeber über die Auszahlung des Darlehens auf das Privatkonto der Geschäftsführerin der Schuldnerin;

5. Auftrag der Geschäftsführerin vom 5. September 2000 zur Überwei-sung von 106.000 DM von ihrem Privatkonto auf ein Konto der Restitutionsklä-gerin.

Gestützt auf diese Urkunden hat die Krankenkasse Restitutionsklage mit der Begründung erhoben, bei der Zahlung von 106.000 DM habe es sich um eine "private" Leistung der Geschäftsführerin gehandelt. Die Klage ist beim [X.] ohne Erfolg geblieben. Auf die Berufung hat das Oberlandesge-richt mit Zwischenurteil das rechtskräftige [X.]eil des [X.]s Stuttgart vom 28. August 2001 aufgehoben. Hiergegen richtet sich die - zugelassene - Revi-sion des [X.]n.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat keinen Erfolg.
- 6 - [X.]
Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die Restitutionsklage sei statthaft und auch im übrigen zulässig, insbesondere sei die Klagefrist von einem Monat gemäß § 586 Abs. 1 ZPO gewahrt. Die Restitutionsklägerin sei ohne ihr [X.] außerstande gewesen, den [X.] in dem früheren [X.] geltend zu machen (§ 582 ZPO). Die Restitutionsklage sei auch [X.], da die Voraussetzungen des § 580 Nr. 7b ZPO vorlägen. Die Restitutionsklägerin dürfe den im [X.] unstreitigen Vortrag des [X.]n über das Bestehen eines Darlehensvertrages zwischen dem Darlehensgeber und der Schuldnerin vom 5. September 2000 und die hierauf beruhende Zahlung nach Kenntnis der nunmehr vorgelegten Urkunden bestreiten. Bei Vorlage der Urkunden im [X.] wäre ein ihr günstigeres [X.]eil ergangen.

I[X.]
Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten rechtlicher Nachprüfung stand.

1. Die Revision ist zulässig; das Rechtsmittel ist insbesondere statthaft (§ 542 Abs. 1 ZPO). Das Berufungsgericht hat das rechtskräftige [X.]eil des [X.]s Stuttgart vom 28. August 2001 aufgehoben. Damit hat es nicht nur über die erste, sondern auch über die zweite Stufe des [X.] positiv erkannt (vgl. [X.], [X.]. v. 21. Dezember 1988 [X.], NJW-RR 1989, 258). Das konnte durch Zwischenurteil geschehen; ein solches ist analog § 280 Abs. 2 Satz 1 ZPO selbständig anfechtbar und auch [X.] 7 - lich der Bejahung des [X.] angreifbar ([X.], [X.]. v. 3. November 1978 [X.] 105/78, NJW 1979, 427, 428). Gegenstand des [X.] ist damit im vorliegenden Fall sowohl die Zulässigkeit als auch die Begründetheit der Restitutionsklage (vgl. [X.], [X.]. v. 31. März 1993 [X.], NJW 1993, 1928, 1929).
2. In der Sache hat die Revision keinen Erfolg.

a) Nach ihrer Auffassung kann sich die Restitutionsklägerin nicht auf die Inventarliste berufen, weil sie diese Urkunde nicht nachträglich aufgefunden habe. Vielmehr habe sie die Möglichkeit gehabt, diese bereits im [X.] zu benutzen. Das bedarf jedoch - auch im Blick auf § 582 ZPO - keiner Entschei-dung. Denn die Revision behauptet selbst nicht, daß die Voraussetzungen des [X.]es nach § 580 Nr. 7b ZPO auch für die weiteren im [X.] aufgeführten Urkunden fehlen. Der Umstand, daß das Berufungsgericht bei der Prüfung, ob der geltend gemachte Wiederaufnahmegrund vorliegt, auch die Inventarliste berücksichtigt hat, begründet keinen Rechtsfehler (vgl. [X.] 57, 211, 213, 216; [X.], 203, 207).

b) Das Berufungsgericht hat es für zulässig erachtet, daß die [X.] - gestützt auf die nachträglich aufgefundenen Urkunden - erstmals im Wiederaufnahmeverfahren den gegnerischen Vortrag zum Abschluß eines Darlehensvertrages am 5. September 2000 zwischen dem Darlehensgeber und der Schuldnerin bestreitet. Allerdings ist eine solche Befugnis des [X.] umstritten (dafür: [X.]/[X.], ZPO 24. Aufl. § 580 Rn. 26; Münch-Komm/[X.], ZPO 2. Aufl. § 580 Rn. 51; [X.], ZPO 2. Aufl. § 580 [X.]. [X.]; dagegen: [X.] NJW 1962, 1401; [X.], ZPO - 8 - 21. Aufl. § 580 Rn. 32; Musielak, ZPO 4. Aufl. § 580 Rn. 19; [X.]/[X.]/ [X.], ZPO 25. Aufl. § 580 Rn. 19). Der [X.] stimmt jedoch der Ansicht des Berufungsgerichts zu.

Der Wortlaut des § 580 Nr. 7b ZPO ist nicht eindeutig. Denn er besagt nichts zu der hier entscheidenden Frage, in welcher Art und Weise die später aufgefundenen Urkunden eine dem Restitutionskläger günstigere Entschei-dung herbeigeführt haben würden. Der Systematik des Gesetzes läßt sich le-diglich entnehmen, daß die Urkunde einen eigenen Beweiswert aufgrund des in ihr verkörperten [X.] haben muß ([X.], [X.]. v. 6. Juli 1979 - [X.], [X.], 1000; v. 7. November 1990 [X.], [X.]R ZPO § 580 Nr. 7b Beweisurkunde 1).

Bei der Prüfung des § 580 Nr. 7b ZPO dürfen nur das tatsächliche [X.] im [X.], der im Zusammenhang mit der nachträglich aufgefun-denen Urkunde stehende Prozeßstoff und als Beweismittel nur die im [X.] erhobenen und angetretenen Beweise sowie die neuen Urkunden berücksichtigt werden ([X.] 38, 333, 335 f). Mit einer Urkunde, auf die eine Restitutionsklage gestützt wird, können somit auch diejenigen Tatsachen neu vorgetragen werden, die durch diese Urkunde bewiesen werden sollen ([X.], [X.]. v. 6. Juni 1953 [X.], NJW 1953, 1263). Das gilt auch für neue Tatsachen, die im Zusammenhang mit der durch die Urkunde bewiesenen Tat-sache stehen und erst von dieser aus sinnvoll vorgetragen werden können ([X.] 57, 211, 216; [X.], [X.]. v. 6. Juni 1953, aaO; [X.], aaO § 580 Rn. 33; [X.] NJW 1953, 64). Es ist kein Grund ersichtlich, der es rechtfertigen könnte, hiervon solche aus den vorgelegten Urkunden sich ergebenden neuen Tatsachen auszuschließen, die in Widerspruch zu im [X.] unstreitigem Vorbringen stehen. Der [X.] differenziert - 9 - Vorbringen stehen. Der [X.] differenziert nicht danach, ob eine Tatsache im [X.] streitig oder unstreitig war. Neue Tatsachen können vielmehr nur dann nicht mit der Restitutionsklage vorgetragen werden, wenn sie nicht im Zusammenhang mit der nachträglich aufgefundenen Urkunde ste-hen ([X.] 31, 351, 356; [X.], aaO). Daraus folgt, daß der Revisionskläger nach der Rechtsprechung den [X.] der nachträglich aufgefundenen Urkunde ausschöpfen darf.

Allein dies entspricht auch dem Zweck des [X.]es des § 580 Nr. 7b ZPO. Hierdurch soll einer [X.] in den Fällen zu ihrem Recht ver-holfen werden, in denen eine bestimmte [X.]eilsgrundlage mit qualifizierten ver-brieften Beweismitteln in Widerspruch steht ([X.]/[X.], aaO § 580 Rn. 1). Die Restitutionsklage soll auf diese Weise verhindern, daß die Autorität der Gerichte und das Vertrauen der Allgemeinheit in die Rechtsprechung dadurch beeinträchtigt werden, daß rechtskräftige [X.]eile nicht überprüft werden [X.], obwohl ihre Grundlagen für jedermann erkennbar in einer für das allge-meine Rechtsgefühl unerträglichen Weise erschüttert sind ([X.] 46, 300, 302 f; 38, 333, 336 f; 57, 211, 214 f). Das ist auch dann der Fall, wenn ein im [X.] nicht bestrittener Vortrag nicht der Wahrheit entspricht und sich dies eindeutig aus den nunmehr aufgefundenen Urkunden ergibt.

Die vom [X.] abgelehnte Auffassung argumentiert zudem widersprüch-lich, soweit sie in den Fällen, in denen die Tatsache im [X.] zugestan-den worden war, den Widerruf des Geständnisses unter den Voraussetzungen des § 290 ZPO zulassen will (so [X.], aaO). Denn auch [X.], die nicht ausdrücklich bestritten werden, sind grundsätzlich als zuge-- 10 - standen anzusehen (§ 138 Abs. 3 ZPO). In beiden Fällen liegt unstreitiger Vor-trag vor, an den das Gericht des [X.] gebunden war.

Die [X.] führt auch in einem Fall wie dem hier gegebenen zu unbilligen Ergebnissen. Denn der [X.] hatte bereits vor [X.] der Klage im [X.] erkannt, daß "einiges auf eine deutliche Rück-datierung und somit auf eine nachträgliche Besicherung" des Darlehensgebers hindeutet, wie aus seinem Schreiben vom 21. März 2001 an den anwaltlichen Vertreter des Darlehensgebers hervorgeht. Er hat dies insbesondere mit den Rechnungsdaten vom 8. September 2000 und 12. Dezember 2000 in der "dem Vertrag anhängenden Inventarliste" begründet. Gleichwohl hat er mit der knapp zwei Monate später erhobenen Klage als Beweismittel lediglich die [X.], nicht aber die Inventarliste vorgelegt und auch die daraus gewonnenen Erkenntnisse verschwiegen. Der Schutzzweck der Restitutionsklage verlangt gerade in einem solchen Fall, der im [X.] unterlegenen [X.] die Mög-lichkeit zu eröffnen, den sich aus den nachträglich aufgefundenen Urkunden ergebenden Sachverhalt vorzutragen und hierdurch die im [X.] un-bestritten gebliebene Tatsache noch in Abrede zu stellen. Dies geht in Über-einstimmung mit der aufgezeigten Rechtsprechung zu § 580 Nr. 7b ZPO nicht über den [X.] der später aufgefundenen Urkunde hin-aus.

c) Nach dem Zusammenhang seiner Ausführungen in dem angefochte-nen [X.]eil geht das Berufungsgericht nicht davon aus, daß die Restitutionsklä-gerin im [X.] den Abschluß eines Darlehensvertrages am 5. September 2000 zwischen der Schuldnerin und dem Darlehensgeber sowie dessen [X.] an die Restitutionsklägerin im Sinne des § 288 ZPO zugestanden hatte. - 11 - Hiergegen erhebt die Revision keine Einwände. Solche sind auch nicht ersicht-lich.

d) Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Vorlage der nachträglich aufgefundenen Urkunden im [X.] hätte nach der Rechtsauffassung des damals entscheidenden Gerichts dazu geführt, daß eine der Restitutionskläge-rin günstigere Entscheidung ergangen wäre; die Frage, ob es genügt, daß der [X.] hierzu geeignet ist (bejahend [X.] 61, 186, 194; [X.], [X.]. v. 25. Juni 1980 [X.], [X.], 880, 881; v. 29. April 1982 Œ [X.] ZR 37/81, NJW 1982, 2128, jew. zu § 641 i ZPO; verneinend [X.], 53, 56; 151, 203, 210; [X.] 57, 211, 215), hat es mit Recht dahinstehen lassen. Den Fall, daß die später aufgefundenen Urkunden keinen urkundlichen Be-weiswert haben, sondern nur Anlaß geben, im [X.] noch nicht benannte Zeugen zu vernehmen (vgl. [X.] 38, 333, 337), hat das [X.] mit [X.] Begründung ausgeschlossen. Hiergegen wendet die [X.] auch nichts ein.

[X.] [X.] [X.]

[X.] [X.]

Meta

IX ZR 59/04

21.10.2004

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.10.2004, Az. IX ZR 59/04 (REWIS RS 2004, 1065)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 1065

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