Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.05.2022, Az. VII ZR 239/21

7. Zivilsenat | REWIS RS 2022, 5635

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Tenor

Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass der [X.] beabsichtigt, die Revision des [X.] gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des [X.] vom 16. Februar 2021 durch Beschluss gemäß § 552a ZPO zurückzuweisen.

Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf bis 30.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Kläger nimmt die Beklagte hinsichtlich eines von ihm im Januar 2016 bei einer Niederlassung der [X.] als Gebrauchtwagen erworbenen und von der [X.] hergestellten Fahrzeugs [X.] T Bluetec Kombi in Anspruch. Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor des Typs [X.] ([X.]) ausgestattet. Die Abgasrückführung hängt von der Umgebungstemperatur ab und wirkt in vollem Umfang nur im Rahmen eines [X.]s, dessen Umfang im Einzelnen zwischen den [X.]en streitig ist.

2

Das Fahrzeug unterfällt keinem verpflichtenden Rückruf seitens des [X.] ([X.]).

3

Der Kläger hat den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt. Er ist zudem der Auffassung, die Beklagte habe ihn im Wege des Schadensersatzes so zu stellen, als habe er den Kaufvertrag für das Fahrzeug nicht abgeschlossen.

4

Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen eingelegte Berufung des [X.] hatte keinen Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter.

II.

5

Das Berufungsgericht hat seine in [X.], 265 veröffentlichte Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung, wie folgt begründet:

6

Vertragliche Ansprüche auf Rückzahlung des Kaufpreises schieden aus. Entweder lege der Kläger einen Mangel nicht substantiiert dar oder der Anspruch sei verjährt. Zwar liege hinsichtlich des [X.]s ein Mangel vor, dieser sei jedoch nicht arglistig verschwiegen worden. Das [X.] sei nicht mit der "prüfstandsoptimierten Schummelsoftware" im "VW-Abgasskandal" zu vergleichen. [X.] Angaben im [X.] habe der Kläger nicht bewiesen; zudem habe die Beklagte den Einsatz des [X.]s seinerzeit für aus [X.] zulässig halten dürfen. Den Einbau einer [X.] ([X.]) im Klägerfahrzeug habe der Kläger nicht substantiiert dargelegt. Insoweit belasse er es bei reinen Vermutungen und Spekulationen, die auf Parallelverfahren vor dem [X.] und vor dem [X.] Itzehoe gründeten. Gegenstand dieser Verfahren seien aber andere Modelle ([X.] [X.] beziehungsweise [X.] [X.]). Dies gelte auch für das vom Kläger angeführte Sachverständigengutachten [X.] aus einem Verfahren vor dem [X.] Stuttgart, das ein Modell [X.] [X.] betreffe. Eine Vergleichbarkeit sei nicht gegeben. Anders als die vom Kläger genannten Modelle unterliege sein Fahrzeug unstreitig keinem Rückruf durch das [X.]. Zusätzlich habe das [X.] einen dem Motor im Klägerfahrzeug vergleichbaren Motortyp begutachten lassen ("[X.]") und weder eine [X.] noch andere gerügte Abschalteinrichtungen ("[X.]", "Funktion Bit 15") festgestellt. Ob das On-BoardDiagnose-System ([X.]) falsch programmiert sei, könne dahinstehen, da der Kläger insoweit jedenfalls keine Nachfrist gesetzt habe. Eine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung gemäß § 826 BGB scheide ebenfalls aus.

III.

7

Die Revision ist durch Beschluss gemäß § 552a ZPO zurückzuweisen, weil die Voraussetzungen für ihre Zulassung nicht vorliegen und sie keine Aussicht auf Erfolg hat.

8

1. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.]. Maßgeblich für die Beurteilung ist der Zeitpunkt der Entscheidung des [X.] ([X.], Beschluss vom 27. Mai 2020 - [X.] Rn. 3, juris; Beschluss vom 13. August 2015 - [X.]/14 Rn. 7, juris; Beschluss vom 1. März 2010 - [X.] Rn. 3, [X.], 1078).

9

a) Das Berufungsgericht hat die Revision im Hinblick auf die Vielzahl der bundesweit anhängigen Klagen wegen grundsätzlicher Bedeutung der höchstrichterlich noch nicht abschließend geklärten Frage zugelassen, ob die Beklagte für die Installation eines [X.]s gemäß § 826 BGB hafte.

Klärungsbedürftige Rechtsfragen stellen sich indes nicht. Die Voraussetzungen einer Haftung gemäß § 826 BGB sind höchstrichterlich abstrakt seit langem geklärt und durch die Entscheidung des [X.] vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, [X.]Z 225, 316 hinsichtlich der Entwicklung und des Einsatzes einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Rahmen der Abgasreinigung weiter konkretisiert worden. Ob die Voraussetzungen für eine Haftung der [X.] gemäß § 826 BGB wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung vorliegen, hängt von den in tatrichterlicher Würdigung des jeweiligen Sachvortrags zu treffenden Feststellungen des Berufungsgerichts ab und kann nicht Gegenstand einer grundsätzlichen Klärung durch den Bundesgerichtshof sein.

b) Weitere Zulassungsgründe zeigt die Revision nicht auf und liegen nicht vor.

2. Die Revision hat in der Sache keine Aussicht auf Erfolg.

Das Berufungsgericht hat unter Beachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angenommen, dass dem Kläger kein Anspruch auf Schadensersatz gegen die Beklagte zusteht, ohne dass die Revision dem beachtlich entgegentritt. Begründete Angriffe auf die Feststellungen des angegriffenen Urteils fehlen.

a) Dagegen, dass das Berufungsgericht hinsichtlich des [X.]s einen Anspruch des [X.] ausschließt, erhebt die Revision keine Einwände.

b) Hinsichtlich der [X.] rügt die Revision zu Unrecht eine Gehörsverletzung gemäß Art. 103 Abs. 1 GG.

aa) Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Das Gebot des rechtlichen Gehörs soll als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass die Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, welche ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der [X.]en haben (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteil vom 11. März 2021 - [X.] Rn. 42, [X.], 1183 = NZBau 2021, 316; Beschluss vom 4. November 2020 - [X.] Rn. 13, [X.], 593 = NZBau 2021, 178; Beschluss vom 4. Dezember 2017 - [X.] Rn. 9, [X.], 669; Beschluss vom 16. November 2016 - [X.] Rn. 8, 10, [X.] 2017, 146; jeweils m.w.[X.]). Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG liegt dann vor, [X.]n das Gericht die Substantiierungsanforderungen offenkundig überspannt und es dadurch versäumt, den Sachvortrag der [X.]en zur Kenntnis zu nehmen und die angebotenen Beweise zu erheben (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteil vom 11. März 2021 - [X.] Rn. 42, [X.], 1183 = NZBau 2021, 316; Beschluss vom 4. November 2020 - [X.] Rn. 13, [X.], 593 = NZBau 2021, 178; Beschluss vom 26. Februar 2020 - [X.] Rn. 14, [X.], 1035 = NZBau 2020, 293; Beschluss vom 14. Dezember 2017 - [X.] Rn. 9, [X.], 669; jeweils m.w.[X.]).

Ein Sachvortrag zur Begründung eines Anspruchs ist dabei dann schlüssig und erheblich, [X.]n die [X.] Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person der [X.] entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten ist nicht erforderlich, soweit diese für die Rechtsfolgen nicht von Bedeutung sind. Das Gericht muss nur in die Lage versetzt werden, aufgrund des tatsächlichen Vorbringens der [X.] zu entscheiden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten Rechts vorliegen. Sind diese Anforderungen erfüllt, ist es Sache des Tatrichters, in die Beweisaufnahme einzutreten und dabei gegebenenfalls die benannten Zeugen oder die zu vernehmende [X.] nach weiteren Einzelheiten zu befragen oder einem Sachverständigen die beweiserheblichen Streitfragen zu unterbreiten (vgl. [X.], Beschluss vom 24. Januar 2012 - 1 BvR 1819/10, [X.], 492, juris Rn. 16; [X.], Urteil vom 13. Juli 2021 - [X.] Rn. 20, [X.], 1609; Urteil vom 18. Mai 2021 - [X.] Rn. 19, [X.], 871; Beschluss vom 28. Januar 2020 - [X.] Rn. 7, [X.], 486; Beschluss vom 26. März 2019 - [X.]/17 Rn. 11, [X.], 835; jeweils m.w.[X.]). Diese Grundsätze gelten insbesondere dann, [X.]n die [X.] keine unmittelbare Kenntnis von den ihrer Behauptung zugrunde liegenden Vorgängen hat. Eine [X.] darf auch von ihr nur vermutete Tatsachen als Behauptung in einen Rechtsstreit einführen, [X.]n sie mangels entsprechender Erkenntnisquellen oder Sachkunde keine sichere Kenntnis von [X.] hat. [X.] ist der auf Vermutungen gestützte Sachvortrag einer [X.] erst dann, [X.]n die [X.] ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich Behauptungen "aufs Geratewohl" oder "ins Blaue hinein" aufstellt. Bei der Annahme von Willkür in diesem Sinne ist allerdings Zurückhaltung geboten. In der Regel wird sie nur bei Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte vorliegen ([X.], Urteil vom 13. Juli 2021 - [X.] Rn. 21 f. m.w.[X.], [X.], 1609).

bb) Gemessen daran begegnet das Berufungsurteil keinen durchgreifenden Bedenken. Das Berufungsgericht hat die Behauptung des [X.], in seinem Fahrzeug sei eine unzulässige, prüfstandsbezogene Abschalteinrichtung in Gestalt einer [X.] implementiert, in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise als spekulativ und ins Blaue hinein angesehen. Der Vortrag des [X.] beschränkt sich im Wesentlichen darauf zu behaupten, in seinem Fahrzeug mit dem [X.] sei eine [X.] verbaut, weil eine solche bei anderen Fahrzeugen mit diesem Motortyp festgestellt worden sei. Dies hat das Berufungsgericht in vertretbarer tatrichterlicher Würdigung nicht ausreichen lassen. Entgegen der Auffassung der Revision stellt das Berufungsgericht dabei nicht allein darauf ab, dass der Kläger nicht konkret dargestellt habe, wann und durch [X.] diese Abschalteinrichtung in seinem Fahrzeug festgestellt worden sei. Vielmehr führt das Berufungsgericht detailliert aus, wieso es angesichts der Vielzahl von Modellen mit unterschiedlichsten Motorkonfigurationen und der mindestens zehn verschiedenen Leistungsstufen, in denen der Motor [X.] angeboten wird, den vom Kläger aufgezeigten Umständen keine hinreichende Aussagekraft für den Einbau einer [X.] im Klägerfahrzeug beimisst, zumal das Klägerfahrzeug anders als andere Modelle trotz der vom Kläger angeführten Ermittlungen durch das [X.] bis heute keinem Rückruf unterliegt. Dass der Kläger die Aussagekraft der von ihm vorgetragenen Indizien anders bewertet wissen will, begründet keine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör.

c) Auch hinsichtlich des [X.] scheidet eine Gehörsverletzung aus. Das [X.] kann - wie die Revision nicht verkennt - nicht selbst eine unzulässige Abschalteinrichtung darstellen. Soweit die Revision meint, das Berufungsgericht hätte auf das [X.] im Rahmen der Prüfung etwaiger deliktischer Ansprüche eingehen müssen, weil in dem behaupteten Unterdrücken von Fehlermeldungen ein Anhalt für ein vorsätzliches Handeln der [X.] zu sehen sei, übersieht sie, dass es darauf hinsichtlich der vom Kläger gerügten Abschalteinrichtungen nicht ankommt. Zum [X.] hat das Berufungsgericht - insoweit von der Revision nicht angegriffen - festgestellt, dass die Beklagte im [X.] ausreichende Angaben zur Abhängigkeit der Abgasreinigung von der Umgebungstemperatur gemacht habe und zum damaligen Zeitpunkt davon habe ausgehen dürfen, dass eine solche Steuerung aus [X.] ausnahmsweise zulässig sei, so dass schon deswegen eine arglistige Täuschung ausscheidet und das [X.] das Eingreifen des [X.]s nicht als Fehler ausweisen musste. Hinsichtlich der [X.] fehlt es wie dargelegt bereits an Anhaltspunkten für einen Einbau im Klägerfahrzeug.

[X.]     

      

Jurgeleit     

      

Graßnack

      

Brenneisen     

      

[X.]     

      

Hinweis: Das Revisionsverfahren ist durch Revisionsrücknahme erledigt worden.

Meta

VII ZR 239/21

18.05.2022

Bundesgerichtshof 7. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, 16. Februar 2021, Az: 7 U 68/20, Urteil

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.05.2022, Az. VII ZR 239/21 (REWIS RS 2022, 5635)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 5635

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