Bundesfinanzhof, Urteil vom 25.11.2015, Az. II R 64/08

2. Senat | REWIS RS 2015, 1782

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Gegenstand

(Anwendbarkeit von § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG auf Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 3 GrEStG - Rückabwicklung des Kaufvertrages über eine Anteilsübertragung - Nichtanzeige eines Erwerbsvorgangs aus Unkenntnis)


Leitsatz

1. NV: § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG ist über seinen Wortlaut hinaus auch auf Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 3 GrEStG anwendbar .

2. NV: Die Anwendung des § 16 Abs. 5 GrEStG ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Nichtanzeige eines Erwerbsvorgangs i.S. des § 1 Abs. 3 GrEStG auf der Unkenntnis eines Beteiligten über die Anzeigepflicht beruht .

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 17. September 2008  8 K 4809/06 GrE wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, kaufte mit privatschriftlichem [X.] von ihrer Alleingesellschafterin, einer AG, den einzigen Geschäftsanteil an einer weiteren GmbH (GmbH 2), die Eigentümerin eines unbebauten und eines bebauten Grundstücks war. Die Abtretung des Geschäftsanteils wurde am 19. Dezember 2002 durch einen [X.] Notar öffentlich beurkundet.

2

Der seinerzeitige Geschäftsführer der Klägerin zeigte den Erwerb des Geschäftsanteils bei einer persönlichen Vorsprache am 5. März 2003 beim Sachbearbeiter der Grunderwerbsteuerstelle des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --[X.]--) und ferner mit Schreiben vom 6. März 2003 an.

3

Die Klägerin und die AG hoben durch [X.] vom 5. März 2003 den Kaufvertrag vom 18. Dezember 2002 auf. Die Rückübertragung des erworbenen GmbH-Anteils auf die AG wurde am 6. März 2003 durch den [X.] Notar öffentlich beurkundet und dem [X.] kurz darauf angezeigt. Den Kaufpreis hatte die Klägerin noch nicht entrichtet.

4

Das [X.] setzte die Grunderwerbsteuer für den Kauf des GmbH-Anteils nach Durchführung einer Außenprüfung durch Bescheid vom 8. Mai 2006 fest, und zwar auf der Grundlage der Grundstückswerte, die es gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 des Grunderwerbsteuergesetzes in der für den Streitfall geltenden Fassung ([X.]) i.V.m. § 138 Abs. 3 des Bewertungsgesetzes in der im Jahr 2002 maßgebenden Fassung ([X.]) gesondert festgestellt hatte. Für das bebaute Grundstück hatte das [X.] den Grundbesitzwert nach § 147 [X.] auf 3.154.500 € und für das unbebaute Grundstück gemäß § 145 [X.] auf 84.000 € festgestellt. Der Einspruch blieb erfolglos.

5

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab und führte zur Begründung seines in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 1996 veröffentlichten Urteils aus, der Erwerb des Anteils an der GmbH 2 durch die Klägerin aufgrund des Kaufvertrags vom 18. Dezember 2002 unterliege gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 3 [X.] der Grunderwerbsteuer. Die Aufhebung des Kaufvertrags und die Rückübertragung des Geschäftsanteils an der GmbH 2 stünden der Steuerfestsetzung nicht entgegen. § 16 Abs. 2 [X.] sei zwar auf die Rückübertragung von Gesellschaftsanteilen entsprechend anwendbar. Eine Abstandnahme von der Steuerfestsetzung gemäß § 16 Abs. 2 [X.] scheide aber nach § 16 Abs. 5 [X.] aus, weil die Klägerin den Erwerbsvorgang erst nach Ablauf der in § 19 Abs. 3 [X.] bestimmten Frist von zwei Wochen und somit nicht ordnungsgemäß angezeigt habe. Der Notar habe keine Anzeige erstattet. Unerheblich sei, dass die Klägerin nach ihren Angaben erst Anfang März 2003 Kenntnis von der Steuerpflicht des Erwerbsvorgangs erlangt habe.

6

Auf Vertrauensschutz könne sich die Klägerin nicht berufen. Der Steuerfestsetzung stünden die Grundsätze von Treu und Glauben auch dann nicht entgegen, wenn man von dem von der Klägerin behaupteten Inhalt des Gesprächs vom 5. März 2003 zwischen ihrem seinerzeitigen Geschäftsführer und dem Sachbearbeiter der Grunderwerbsteuerstelle des [X.] ausgehe. Selbst wenn der Sachbearbeiter dabei die Ansicht vertreten hätte, bei einer Rückabwicklung des Erwerbsvorgangs entfalle die Festsetzung von Grunderwerbsteuer, sei dies für das [X.] nicht verbindlich, weil nicht der Sachbearbeiter, sondern nur der Sachgebietsleiter als abschließend Zeichnungsberechtigter oder der Vorsteher des [X.] zu einer entsprechenden Zusicherung mit Bindungswirkung in der Lage gewesen wären. Unerheblich sei auch, dass das [X.] die Grunderwerbsteuer nicht alsbald nach der Erstattung der Anzeige, sondern erst nach der Außenprüfung festgesetzt habe. Das [X.] habe die gesetzliche Festsetzungsfrist ausnutzen dürfen.

7

Mit der Revision rügt die Klägerin zum einen Verletzung des § 16 [X.]. Aufgrund der Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs habe die Grunderwerbsteuer nicht festgesetzt werden dürfen. Dabei sei unerheblich, dass die Anzeige des Erwerbsvorgangs nicht innerhalb der [X.] erfolgt sei. Insoweit führe die Versäumung der Anzeigefrist aufgrund der vom [X.] ([X.]) in seinen Beschlüssen vom 20. Januar 2005 II B 52/04 ([X.]E 208, 456, [X.], 492) und vom 17. März 2006 II B 157/05 ([X.]/NV 2006, 1341) entwickelten Rechtsgrundsätze aus Vertrauensschutzgründen zur Nichtanwendung des § 16 Abs. 5 [X.]. Des Weiteren führe die Bemessung der Grunderwerbsteuer nach dem Wert der Gegenleistung (§ 8 Abs. 1 [X.]) bzw. nach den [X.] (§ 8 Abs. 2 [X.]) zu einer verfassungswidrigen Belastungsungleichheit.

8

Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung, die Einspruchsentscheidung vom 11. Oktober 2006 und den Grunderwerbsteuerbescheid vom 8. Mai 2006 aufzuheben.

9

Das [X.] beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Der [X.] hat durch Beschluss vom 2. März 2011 II R 64/08 ([X.]/NV 2011, 1009) das Verfahren ausgesetzt und die Entscheidung des [X.] ([X.]) darüber eingeholt, ob § 11 [X.] in der im Jahre 2002 geltenden Fassung mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) insofern unvereinbar ist, als er die Beteiligten an [X.]S. des § 8 Abs. 2 [X.], für die die ([X.] nach § 138 Abs. 3 [X.] in der im Jahre 2002 geltenden Fassung zu ermitteln ist, mit einheitlichen Steuersätzen belastet.

Das [X.] hat durch Beschluss vom 23. Juni 2015  1 BvL 13/11 und 14/11 ([X.], 871) über die Vorlage dahingehend entschieden, dass § 8 Abs. 2 [X.] i.d.F. des Jahressteuergesetzes 1997 vom 20. Dezember 1996 ([X.] 1996, 2049) sowie in allen seitherigen Fassungen mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar ist. Das bisherige Recht ist bis zum 31. Dezember 2008 weiter anwendbar. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, spätestens bis zum 30. Juni 2016 rückwirkend zum 1. Januar 2009 eine Neuregelung zu treffen.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

1. Der Erwerbsvorgang unterliegt nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 [X.] der Grunderwerbsteuer.

a) Gehört zum Vermögen einer Gesellschaft ein inländisches Grundstück, so unterliegt gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 3 [X.] ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung unmittelbar oder mittelbar von mindestens 95 % der Anteile der Gesellschaft begründet, der Grunderwerbsteuer. Das Gesetz fingiert dabei --zivilrechtlich nicht vorhandene-- grundstücksbezogene [X.] und trägt damit dem Umstand Rechnung, dass demjenigen, der mindestens 95 % der Anteile an einer [X.] erwirbt, eine dem zivilrechtlichen Eigentum an einem Grundstück vergleichbare Rechtszuständigkeit an dem Gesellschaftsgrundstück zuwächst. Es geht dabei nicht um die Besteuerung gesellschaftsrechtlicher Vorgänge (BFH-Urteil vom 19. Dezember 2007 II R 65/06, [X.], 542, [X.], 489).

b) Der Kaufvertrag vom 18. Dezember 2002 unterliegt demgemäß der Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 [X.], da der Klägerin aufgrund des Vertrags ein Anspruch auf Übertragung des einzigen Geschäftsanteils an der [X.] 2 zustand. Unerheblich ist, dass die AG beim Abschluss des Kaufvertrags Alleingesellschafterin der Klägerin war. Die zivilrechtliche Selbständigkeit der an dem Erwerbsvorgang beteiligten Kapitalgesellschaften wurde dadurch nicht berührt. [X.] von § 1 [X.] zwischen selbständigen Personen sind notwendigerweise mit einem Rechtsträgerwechsel verbunden und erfüllen damit die Voraussetzungen der Steuerbarkeit nach dieser Vorschrift. Dies gilt auch für die Übertragung aller Anteile an einer Gesellschaft mit Grundbesitz. Die Besteuerung nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 [X.] ist daher nicht ausgeschlossen, wenn der alle Anteile an einer Gesellschaft Übertragende zugleich Alleingesellschafter der die Anteile erwerbenden Gesellschaft ist (BFH-Urteile vom 31. März 2004 II R 54/01, [X.], 314, [X.] 2004, 658; vom 1. Dezember 2004 II R 10/02, [X.] 2005, 1365, und vom 29. Februar 2012 II R 57/09, [X.], 244, [X.] 2012, 917).

2. Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer ist gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 [X.] in den Fällen des § 1 Abs. 3 [X.] der Wert i.S. des § 138 Abs. 2 oder 3 BewG. Diese Vorschriften sind nach dem Beschluss des [X.] in [X.] 2015, 871 auf Besteuerungssachverhalte, für die die Grunderwerbsteuer --wie im [X.] bis zum 31. Dezember 2008 entstanden ist, weiter anwendbar. Rechtliche Bedenken gegen die Höhe der festgesetzten Grunderwerbsteuer bestehen nicht und werden auch von der Klägerin nicht geltend gemacht.

3. Die Steuerfestsetzung hatte nicht deshalb zu unterbleiben, weil die Klägerin und die AG den Kaufvertrag vom 18. Dezember 2002 wieder aufgehoben und die Rückübertragung des Geschäftsanteils an der [X.] vorgenommen haben. Aufgrund der vollständigen Aufhebung und Rückabwicklung des ursprünglichen Erwerbsvorgangs sind zwar die Voraussetzungen des § 16 Abs. 2 Nr. 1 [X.] erfüllt. Dies steht aber gemäß § 16 Abs. 5 [X.] der Steuerfestsetzung nicht entgegen, weil es an einer ordnungsgemäßen Anzeige des Erwerbsvorgangs fehlt.

a) Erwirbt der Veräußerer das Eigentum an dem veräußerten Grundstück zurück, so wird nach § 16 Abs. 2 Nr. 1 [X.] auf Antrag sowohl für den Rückerwerb als auch für den vorausgegangenen Erwerbsvorgang die Steuer nicht festgesetzt oder die Steuerfestsetzung aufgehoben, wenn der Rückerwerb innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuer für den vorausgegangenen Erwerbsvorgang stattfindet. Diese Vorschrift betrifft über ihren Wortlaut hinaus nicht nur den Rückerwerb des Eigentums an einem veräußerten Grundstück, sondern auch [X.] nach § 1 Abs. 3 [X.]. Dies folgt aus § 16 Abs. 5 [X.], wonach § 16 Abs. 1 bis 4 [X.] nicht gilt, wenn einer der in § 1 Abs. 2, 2a und 3 [X.] bezeichneten [X.] rückgängig gemacht wird, der nicht ordnungsgemäß angezeigt worden war. Diese Regelung setzt die grundsätzliche Anwendbarkeit der Begünstigungsvorschrift des § 16 [X.] auch auf § 1 Abs. 3 [X.] voraus (BFH-Urteile vom 11. Juni 2013 II R 52/12, [X.], 419, [X.] 2013, 752; vom 20. Januar 2015 II R 8/13, [X.], 252, [X.] 2015, 553).

b) Der Anwendung des § 16 Abs. 2 Nr. 1 [X.] steht aber § 16 Abs. 5 [X.] entgegen, da weder der Notar noch die Klägerin oder die AG den Erwerbsvorgang vom 18. Dezember 2002 ordnungsgemäß angezeigt haben.

aa) Nach § 16 Abs. 5 [X.] gelten die Vorschriften der Abs. 1 bis 4 des § 16 [X.] nicht, wenn einer der in § 1 Abs. 2, 2a und 3 [X.] bezeichneten [X.] rückgängig gemacht wird, der nicht ordnungsgemäß angezeigt war (§§ 18, 19 [X.]). § 16 Abs. 5 [X.] dient der Sicherung der Anzeigepflichten aus §§ 18 und 19 [X.] und wirkt dem Anreiz entgegen, durch Nichtanzeige einer Besteuerung der in dieser Vorschrift genannten [X.] zu entgehen ([X.] in [X.], 456, [X.] 2005, 492, und BFH-Urteil vom 3. März 2015 II R 30/13, [X.], 212, [X.] 2015, 777). Insbesondere soll die Vorschrift den Beteiligten die Möglichkeit nehmen, einen dieser [X.] ohne weitere steuerliche Folgen wieder aufheben zu können, sobald den Finanzbehörden ein solches Geschäft bekannt wird ([X.] vom 2. März 2011 II [X.], [X.] 2011, 1008; BFH-Urteil in [X.], 212, [X.] 2015, 777). Soweit eine Anzeigepflicht sowohl nach § 18 [X.] als auch nach § 19 [X.] besteht, ist den Zwecken des § 16 Abs. 5 [X.] schon dann genügt, wenn nur einer der [X.] seiner Anzeigepflicht ordnungsgemäß nachkommt (BFH-Urteile vom 18. April 2012 II R 51/11, [X.], 569, [X.] 2013, 830, und in [X.], 212, [X.] 2015, 777).

bb) Unter Berücksichtigung dieses Normzwecks ist eine Anzeige i.S. des § 16 Abs. 5 [X.] ordnungsgemäß, wenn der Vorgang innerhalb der in § 18 Abs. 3 und § 19 Abs. 3 [X.] vorgesehenen [X.]en dem Finanzamt in einer Weise bekannt wird, dass es die Verwirklichung eines Tatbestands nach § 1 Abs. 2, 2a und 3 [X.] prüfen kann. Dazu muss die Anzeige die einwandfreie Identifizierung von Veräußerer, Erwerber und [X.] (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 6 [X.]) sowie der [X.] (§ 20 Abs. 2 [X.]) ermöglichen; ferner müssen der Anzeige in der Regel die in § 18 Abs. 1 Satz 2 bzw. § 19 Abs. 4 Satz 2 [X.] genannten Abschriften beigefügt werden ([X.] in [X.], 456, [X.] 2005, 492; BFH-Urteil in [X.], 212, [X.] 2015, 777 Rz 24). Die innerhalb der [X.] zu erstattende Anzeige muss danach nicht in jeder Hinsicht den Anforderungen der §§ 18 und 19 i.V.m. § 20 [X.] genügen. Vielmehr können in der Anzeige noch fehlende Angaben innerhalb einer vom Finanzamt zu setzenden angemessenen Frist nachgereicht werden. Dazu bedarf es eines innerhalb der [X.] zu stellenden Fristverlängerungsantrags.

cc) Die Anzeigepflicht der Beteiligten ist nicht davon abhängig, ob und inwieweit sie die durch einen Rechtsvorgang ausgelöste Grunderwerbsteuerpflicht erkannt haben bzw. wussten, dass insoweit eine Anzeigepflicht bestand (BFH-Urteil vom 12. Juni 1996 II R 3/93, [X.], 474, [X.] 1996, 485; [X.] in [X.], 456, [X.] 2005, 492).

[X.]) Nach Ablauf der [X.] kommt eine rückwirkende Fristverlängerung (§ 109 Abs. 1 Satz 2 der Abgabenordnung --AO--) zur erstmaligen Erstattung der Anzeige nicht in Betracht.

ee) Die Klägerin hat danach ihre Anzeigepflichten nicht ordnungsgemäß erfüllt, so dass die Anwendung des § 16 Abs. 2 Nr. 1 [X.] im Streitfall ausgeschlossen ist. Die Klägerin hat den Erwerbsvorgang aufgrund des [X.] der Grunderwerbsteuerstelle des [X.] entgegen ihrer Pflicht aus § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 oder 7 i.V.m. § 13 Nr. 1 [X.] nicht angezeigt. Die Anzeige der Klägerin wurde auch nicht durch eine den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Anzeige des Notars (§ 18 Abs. 2 Satz 2 [X.]) ersetzt.

Für die Anwendung des § 16 Abs. 5 [X.] ist es unerheblich, dass die Klägerin die Steuerpflicht des Erwerbsvorgangs und die Anzeigepflicht --wie von ihr vorgetragen-- nicht gekannt hat. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ [X.]) wegen der Fristversäumnis schiede auch dann aus, wenn bei Versäumung der Frist zur Anzeige nach § 19 Abs. 3 [X.] überhaupt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht käme (vgl. dazu [X.] in [X.], 456, [X.] 2005, 492). Der Klägerin wäre nämlich anzulasten, sich keine Kenntnis über die Steuer- und Anzeigepflicht verschafft zu haben (vgl. [X.] in [X.], 456, [X.] 2005, 492).

(1) Im Streitfall kann auch nicht ausnahmsweise aus [X.] von der Anwendung des § 16 Abs. 5 [X.] abgesehen werden. Zwar hat es der Senat in dem Fall des [X.]es in [X.], 456, [X.] 2005, 492, in dem von dem Anteilserwerb eine Vielzahl von Grundstücken in zwei Bundesländern betroffen war, im einstweiligen Rechtsschutzverfahren bei summarischer Prüfung für rechtlich möglich gehalten, § 16 Abs. 5 [X.] auf vor der [X.] dieses Beschlusses verwirklichte [X.] nicht anzuwenden. Vorliegend ist eine solche Fallgestaltung jedoch nicht gegeben, weil von dem Erwerbsvorgang lediglich zwei in demselben [X.] gelegene Grundstücke betroffen waren und es der Klägerin ohne weiteres möglich gewesen wäre, eine den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Anzeige fristgerecht zu erstatten.

(2) Eine Nichtanwendung des § 16 Abs. 5 [X.] aus [X.] rechtfertigt sich auch nicht aus dem Vorbringen der Klägerin, sie habe --entsprechend der im [X.] in [X.] 2006, 1341 getroffenen [X.] die Anzeige jedenfalls bis zum Ergehen des angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheids und vor dem Abschluss des Aufhebungsvertrags nachgeholt. Angesichts des klaren Wortlauts des § 16 Abs. 5 [X.] rechtfertigt eine solche Anzeige für sich allein noch nicht die Gewährung von Vertrauensschutz. Eine Ausdehnung des im [X.] in [X.], 456, [X.] 2005, 492 gewährten und auf die Besonderheiten der dort zugrunde liegenden Sachverhaltsgestaltung abgestellten Vertrauensschutzes auf sämtliche Fälle, in denen die Nichtanzeige eines Erwerbsvorgangs i.S. des § 1 Abs. 3 [X.] allein auf Unkenntnis eines Beteiligten über die Anzeigepflicht beruht und der ordnungsgemäßen Anzeigeerstattung keine sonstigen tatsächlichen Hindernisse entgegenstanden, überschreitet die aus Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitenden Grenzen der richterlichen Auslegungsbefugnis für § 16 Abs. 5 [X.]. Solches ist der Fall, wenn die Rechtsprechung sich an die Stelle des Gesetzgebers setzt, indem die Auslegung zu einem Ergebnis führt, das in Widerspruch steht zu dem auslegungsfähigen und auslegungsbedürftigen Wortlaut der gesetzlichen Vorschrift, ihrer Systematik und ihrem erkennbaren Sinn (vgl. [X.]-Beschlüsse vom 27. Dezember 1991  2 BvR 72/90, [X.] 1992, 212, und vom 22. Dezember 1992  1 BvR 1333/89, [X.], 603).

c) Ein Anspruch auf Nichtfestsetzung der Steuer kann auch nicht aus dem Gespräch vom 5. März 2003 zwischen dem damaligen Geschäftsführer der Klägerin und dem Sachbearbeiter bei der Grunderwerbsteuerstelle des [X.] hergeleitet werden.

Es war zwar bereits vor der Einführung des § 89 Abs. 2 AO durch Art. 18 Nr. 1 Buchst. b des [X.] vom 5. September 2006 ([X.], 2098) anerkannt, dass die Finanzbehörden neben der gesetzlich geregelten Auskunft im [X.] an eine Außenprüfung (§§ 204 bis 207 AO) auch in anderen Fällen Auskünfte mit bindender Wirkung (Zusagen) erteilen konnten. Bindungswirkung entfalteten solche Zusicherungen aber nur, wenn sie der für die spätere Entscheidung im Verwaltungsverfahren zuständige Beamte oder der Vorsteher der Finanzbehörde abgegeben hatte. Dabei war als zuständiger Beamter nicht der Sachbearbeiter, sondern der abschließend [X.], also in der Regel der Sachgebietsleiter, anzusehen (BFH-Urteile vom 13. Dezember 1989 [X.], [X.], 114, [X.] 1990, 274, und vom 26. November 1997 III R 109/93, [X.] 1998, 808; [X.] vom 9. Dezember 2004 VII B 129/04, [X.] 2005, 663, und vom 19. Januar 2007 IV B 51/05, [X.] 2007, 1089).

Da der Sachbearbeiter, mit dem der damalige Geschäftsführer der Klägerin gesprochen hat, nach den Feststellungen des [X.] (§ 118 Abs. 2 [X.]O) nicht zeichnungsberechtigt war, konnten etwaige von ihm gegebene Auskünfte keine Bindungswirkung entfalten, und zwar auch dann nicht, wenn der Geschäftsführer den Sachbearbeiter für den zuständigen Auskunftsbeamten halten konnte (BFH-Urteil in [X.], 114, [X.] 1990, 274; [X.] in [X.] 2007, 1089).

d) Der Steueranspruch ist weder verjährt noch verwirkt.

Die nach § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO vier Jahre betragende Festsetzungsfrist begann gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO mit Ablauf des Jahres 2003, in dem die Klägerin die Anzeige erstattete, und war somit bei Erlass des Bescheids vom 8. Mai 2006 noch nicht abgelaufen.

Es lag auch kein Verhalten des [X.] vor, das bei objektiver Auslegung den eindeutigen Schluss zuließ, es werde die Grunderwerbsteuer nicht festsetzen. Dem Vorbringen der Klägerin lässt sich zudem nicht entnehmen, dass sie sich im Vertrauen auf die Nichtfestsetzung der Grunderwerbsteuer entsprechend eingerichtet --nicht nur gedanklich eingestellt-- habe, so dass ihr wegen der von ihr getroffenen oder unterlassenen Maßnahmen oder Vorkehrungen die Zahlung der festgesetzten Grunderwerbsteuer nicht mehr zugemutet werden könnte.

4. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

II R 64/08

25.11.2015

Bundesfinanzhof 2. Senat

Urteil

vorgehend FG Münster, 17. September 2008, Az: 8 K 4809/06 GrE, Urteil

§ 1 Abs 3 Nr 3 GrEStG 1997 vom 24.03.1999, § 8 Abs 2 GrEStG 1997, § 16 Abs 2 GrEStG 1997, § 16 Abs 5 GrEStG 1997, § 18 GrEStG 1997, § 19 GrEStG 1997, Art 20 Abs 3 GG

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 25.11.2015, Az. II R 64/08 (REWIS RS 2015, 1782)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 1782

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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