Bundessozialgericht, Urteil vom 23.06.2016, Az. B 14 AS 4/15 R

14. Senat | REWIS RS 2016, 9392

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Grundsicherung für Arbeitsuchende - Auskunftspflicht Dritter - Auskunftsverlangen gegenüber einem Unterhaltspflichtigen - Ermessensentscheidung - maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage - Nichtvorliegen eines Leistungsfalles - keine Personenidentität zwischen Leistungsberechtigtem und Anspruchsinhaber - Kindergeldüberhang


Leitsatz

Die Auskunftspflicht gegenüber dem Jobcenter seitens des Schuldners eines SGB II-Antragstellers besteht nicht im Fall eines Anspruchsübergangs wegen des sog Kindergeldüberhangs.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 24. Juni 2014 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Der Streitwert wird für alle Instanzen auf 5000 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die [X.]eteiligten streiten um das [X.]estehen und die Reichweite eines Auskunftsanspruchs des beklagten Jobcenters nach § 60 Abs 2 [X.]G[X.] II.

2

Der Kläger ist der Vater des [X.] geborenen [X.] (im Folgenden: [X.]) und war in der strittigen [X.] verpflichtet, diesem aufgrund eines familiengerichtlichen Vergleichs monatlichen Unterhalt in Höhe von 314 Euro zu zahlen (Amtsgericht Leipzig - 330 F 02199/08). Am 20.7.2010 beantragte die Kindesmutter [X.]. [X.]. (im Folgenden: [X.]) für sich und den in ihrem Haushalt lebenden [X.] Leistungen nach dem [X.]G[X.] II beim [X.]eklagten. Daraufhin forderte der [X.]eklagte, der den [X.] kannte, den Kläger mit [X.]escheid vom [X.] auf, ihm bis zum [X.] über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse nach § 60 Abs 2 [X.]G[X.] II zu geben. Dem [X.]escheid war ein Fragebogen beigefügt, der Felder für Angaben zur Person, zum Einkommen, zu berufsbedingten Aufwendungen sowie zu Kindern und eine eigene durchgehende [X.]palte mit der Überschrift "Ehegatte" enthielt. Den Antrag der [X.] lehnte der [X.]eklagte hinsichtlich des [X.] ab, weil dessen Einkommen aus Unterhaltszahlungen, Kindergeld und Wohngeld zu hoch sei; der [X.] hingegen bewilligte der [X.]eklagte von [X.]eptember 2010 bis Februar 2011 Leistungen von circa 450 Euro monatlich unter Anrechnung des nicht von [X.] zur Existenzsicherung benötigten Kindergeldes (sog [X.]). Dieser [X.]escheid vom [X.] wurde bestandskräftig. Der vom Kläger eingelegte Widerspruch gegen das Auskunftsbegehren wurde zurückgewiesen (Widerspruchsbescheid vom [X.]).

3

Das [X.]G Dessau-Roßlau hat den [X.]escheid des [X.]eklagten vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.] aufgehoben (Urteil vom 8.8.2011). Die gegen das Urteil eingelegte [X.]erufung des [X.]eklagten hat das L[X.]G [X.]achsen-Anhalt zurückgewiesen (Urteil vom 24.6.2014) und zur [X.]egründung ua ausgeführt: Die Voraussetzungen für einen Auskunftsanspruch des [X.]eklagten nach § 60 Abs 2 [X.]G[X.] II hätten nicht vorgelegen. [X.] habe zum [X.]punkt des Erlasses des [X.]escheides keine [X.]G[X.] II-Leistungen bezogen. Eine erweiternde Auslegung und Anwendung der Vorschrift des § 60 Abs 2 [X.]G[X.] II im Hinblick auf Personen, die wegen des [X.]s keinen oder einen geringeren Leistungsanspruch nach dem [X.]G[X.] II hätten, komme nicht in [X.]etracht. Das Auskunftsinteresse des [X.]eklagten sei zudem unverhältnismäßig gewesen, weil die Auskunft nicht erforderlich gewesen sei.

4

Mit der vom [X.]enat zugelassenen Revision rügt der [X.]eklagte eine Verletzung des § 60 Abs 2 [X.]G[X.] II und trägt insbesondere vor: Da er der [X.] Leistungen bewilligt habe, hätte bei einer [X.]edarfs- oder Einkommensänderung des [X.] eine einfache Veränderungsmitteilung ausgereicht, um diesem Leistungen zu gewähren. Dies zeige, dass der bewilligte Antrag der [X.] bis zum Ablauf des [X.]ewilligungsabschnittes fortwirke. Im Übrigen sei die Vorschrift im Lichte des § 33 Abs 1 [X.]atz 2 [X.]G[X.] II erweiternd auszulegen. Danach würden Ansprüche auch dann auf den Leistungsträger übergehen, wenn ein [X.]G[X.] II-Leistungsanspruch des Unterhaltsberechtigten nur deshalb nicht bestehe, weil Kindergeld bei diesem habe angerechnet werden können. Der Gesetzgeber habe jedoch übersehen, die damit korrespondierenden Auskunftsrechte des Leistungsträgers in § 60 Abs 2 [X.]G[X.] II entsprechend anzupassen. Dass der Gesetzgeber die Auskunftspflichten lediglich zivilrechtlich habe ausgestalten wollen, könne nicht angenommen werden.

5

Der [X.]eklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts [X.]achsen-Anhalt vom 24. Juni 2014 und des [X.]ozialgerichts Dessau-Roßlau vom 8. August 2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

6

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision des beklagten [X.] ist unbegründet (§ 170 Abs 1 [X.]atz 1 [X.]G). Das [X.] hat zu Recht die [X.]erufung des [X.]eklagten gegen das Urteil des [X.] zurückgewiesen, in dem dieses den [X.]escheid des [X.]eklagten vom [X.] in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.] aufgehoben hat, weil die in dem [X.]escheid angeordnete Verpflichtung des [X.]lägers zur Auskunftserteilung über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse rechtswidrig ist und den [X.]läger in seinen Rechten verletzt.

8

1. Verfahrensrechtliche Hindernisse stehen einer [X.]achentscheidung des [X.]enats nicht entgegen. Der [X.]läger hat zurecht eine reine Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 [X.]atz 1 Alt 1 [X.]G) erhoben. Einer [X.]eiladung des [X.] nach § 75 Abs 2 Alt 1 [X.]G bedurfte es nicht, weil im [X.] zwischen dem [X.]eklagten und dem unterhaltsverpflichteten [X.]läger keine Entscheidung getroffen wird, die auch gegenüber dem Unterhaltsberechtigten nur einheitlich ergehen könnte.

9

2. Als Rechtsgrundlage für das Auskunftsverlangen des [X.]eklagten gegenüber dem [X.]läger als Unterhaltsschuldner kommt vorliegend nur § 60 Abs 2 [X.]atz 1 Alt 1 [X.][X.] II (in der am [X.] geltenden Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom [X.], [X.]G[X.]l I 1706) iVm § 21 Abs 1 [X.]atz 1, [X.]atz 2 [X.] [X.][X.] X (in der am [X.] geltenden Fassung des [X.] vom 5.5.2004, [X.]G[X.]l I 718) in [X.]etracht, auf die der [X.]eklagte auch seinen [X.]escheid gestützt hat.

Maßgeblicher [X.]punkt für die der gerichtlichen Entscheidung zugrundezulegende [X.]eurteilung der [X.]ach- und Rechtslage ist der Erlass des Widerspruchsbescheids am [X.].

Für die Festlegung des maßgeblichen [X.]punkts ist es unerheblich, dass es sich bei der [X.]lage um eine reine Anfechtungsklage handelt. Denn der Rückgriff auf die [X.]lageart zur [X.]estimmung der zugrundezulegenden [X.]ach- und Rechtslage entspricht lediglich einer Faustregel mit praktisch einleuchtenden Ergebnissen, ist aber nicht Ausdruck eines abschließenden Rechtssatzes ([X.][X.] Urteil vom 2.5.2012 - [X.] 11 AL 18/11 R - [X.] 4-4300 § 144 [X.] Rd[X.]6 mwN). Nach dieser Faustregel ist bei [X.] grundsätzlich die [X.]ach- und Rechtslage zum [X.]punkt der letzten Verwaltungsentscheidung maßgeblich ([X.][X.] Urteil vom 20.4.1993 - 2 RU 52/92 - [X.] 3-1500 § 54 [X.] Rd[X.]5; [X.][X.] Urteil vom 22.9.2009 - [X.] 2 U 32/08 R - [X.] 4-1500 § 73 [X.] Rd[X.]7; [X.][X.] Urteil vom 29.4.2015 - [X.] 14 [X.]/14 R - [X.] 4-4200 § 11 [X.] Rd[X.]6), es gibt jedoch Ausnahmen z[X.] bei noch nicht vollzogenen Verwaltungsakten oder solchen mit Dauerwirkung (vgl schon [X.][X.] Urteil vom [X.] - 6 [X.] 1/57 - [X.][X.]E 7, 129; in jüngerer [X.] etwa [X.][X.] Urteil vom 20.10.2004 - [X.] 6 [X.]/03 R - [X.][X.]E 93, 269 = [X.] 4-2500 § 95 [X.], Rd[X.]2; [X.][X.] Urteil vom 22.9.2009 - [X.] 2 U 32/08 R - [X.] 4-1500 § 73 [X.] Rd[X.]7).

Ob eine Ausnahme von der Faustregel vorliegt, kann dahinstehen, denn entscheidend für die Festlegung des für die [X.]eurteilung maßgeblichen [X.]punkts der [X.]ach- und Rechtslage ist letztlich das materielle Recht, nicht das Prozessrecht ([X.][X.] Urteil vom [X.] [X.] - [X.] 3-4100 § 152 [X.] Rd[X.]3; [X.][X.] Urteil vom 2.5.2012 - [X.] 11 AL 18/11 R - [X.] 4-4300 § 144 [X.] Rd[X.]6; ebenso [X.]VerwG [X.]eschluss vom [X.] - 4 [X.] 132/88 - juris RdNr 5; [X.]VerwG [X.]eschluss vom 21.12.1989 - 7 [X.] 21/89 - NVwZ 1990, 653), und nach diesem ist auf den Tag des Erlasses des Widerspruchsbescheides als letzte Verwaltungsentscheidung am [X.] abzustellen.

Denn materiell-rechtlich hat der [X.]eklagte eine Ermessensentscheidung getroffen. Abzustellen ist für ein Auskunftsverlangen nicht nur auf § 60 Abs 2 [X.][X.] II, denn diese Vorschrift regelt lediglich die Auskunftspflicht der von der [X.]ehörde in Anspruch genommenen Personen (vgl Voelzke in [X.]/[X.], [X.][X.] II, [X.] § 60 RdNr 5, [X.]tand 12/2015) und ermöglicht erst den Eingriff in deren Recht auf informationelle [X.]elbstbestimmung (Voelzke in [X.]/[X.], [X.][X.] II, [X.] § 60 Rd[X.]3, [X.]tand 12/2015). Die [X.]erechtigung zur Einholung von Auskünften folgt für die [X.]ehörde dagegen aus § 60 Abs 2 [X.][X.] II iVm § 21 Abs 1 [X.]atz 1, [X.]atz 2 [X.] [X.][X.] X und stellt insgesamt eine Ermessensentscheidung der [X.]ehörde dar ("nach pflichtgemäßem Ermessen"). [X.]ei der Überprüfung von Ermessensentscheidungen, die mit der reinen Anfechtungsklage angefochten werden, ist maßgeblicher [X.]punkt für die [X.]eurteilung der [X.]ach- und Rechtslage immer der [X.]punkt der letzten Verwaltungsentscheidung, weil das Gericht seine eigenen Erwägungen und neuere Erkenntnisse nicht an die [X.]telle derjenigen der Verwaltung setzen darf (ebenso Castendiek in [X.], [X.]G, 4. Aufl 2012, § 54 Rd[X.]01 f; [X.]öttiger in [X.]reitkreuz/Fichte, [X.]G, 2. Aufl 2014, § 54 RdNr 68) und eine Verpflichtung der [X.]ehörde zur Neubescheidung aufgrund des auf die Aufhebung des Verwaltungsakts gerichteten [X.]treitgegenstands ausscheidet.

3. Der angefochtene [X.]escheid vom [X.] ist nicht wegen fehlender Anhörung des [X.]lägers (§ 24 [X.][X.] X) schon formell rechtswidrig, weil diese durch das Widerspruchsverfahren, in dem sich der [X.]läger zu allen relevanten Punkten äußern konnte, geheilt worden ist (§ 41 Abs 1 [X.] [X.][X.] X, vgl [X.][X.] Urteil vom 29.4.2015 - [X.] 14 [X.]/14 R - [X.] 4-4200 § 11 [X.] Rd[X.]1).

4. Der [X.]escheid ist jedoch materiell rechtswidrig, weil die Voraussetzungen des § 60 Abs 2 [X.]atz 1 Alt 1 [X.][X.] II iVm § 21 Abs 1 [X.]atz 1, [X.]atz 2 [X.] [X.][X.] X nicht erfüllt sind.

Wer jemandem, der eine Leistung nach diesem [X.]uch beantragt hat oder bezieht, zu Leistungen verpflichtet ist, die geeignet sind, Leistungen nach diesem [X.]uch auszuschließen oder zu mindern, hat der [X.] hierüber sowie über damit im Zusammenhang stehendes Einkommen oder Vermögen Auskunft zu erteilen, soweit es zur Durchführung der Aufgaben nach diesem [X.]uch erforderlich ist (§ 60 Abs 2 [X.]atz 1 Alt 1 [X.][X.] II). Ob die [X.]ehörde eine Auskunft einholt, richtet sich danach, ob sie die Auskunft nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des [X.]achverhalts für erforderlich hält (§ 21 Abs 1 [X.]atz 1, [X.]atz 2 [X.] [X.][X.] X).

a) Als Leistungsverpflichtung, die geeignet ist, Leistungen nach dem [X.][X.] II auszuschließen oder zu mindern, bestand am [X.] - dem Tag des Erlasses des Widerspruchsbescheides - eine Unterhaltsverpflichtung des [X.]lägers nach den für das Revisionsgericht bindenden (§ 163 [X.]G) Feststellungen des [X.] in Höhe von 314 Euro monatlich allein gegenüber dem [X.], nicht aber gegenüber der [X.]indesmutter [X.]. Die grundsätzliche Eignung dieser Verpflichtung des [X.]lägers, Leistungen nach dem [X.][X.] II auszuschließen oder zu mindern, folgt aus deren [X.]erücksichtigung als Einkommen gemäß § 11 Abs 1 [X.]atz 1 [X.][X.] II.

b) Es fehlt jedoch der für die Anwendung des § 60 Abs 2 [X.]atz 1 Alt 1 [X.][X.] II erforderliche Leistungsfall. Dieser beginnt mit der [X.]tellung des Antrags auf eine bestimmte Leistung und endet, wenn der Leistungsantrag abgelehnt oder zurückgenommen worden ist ([X.][X.] Urteil vom [X.] - [X.] 14 [X.]/13 R- [X.] 4-4200 § 60 [X.] Rd[X.]3; ebenso Voelzke in [X.]/[X.], [X.][X.] II, [X.] § 60 Rd[X.]3, [X.]tand 12/2015; [X.]lüggel in Eicher, [X.][X.] II, 3. Aufl 2013, § 60 Rd[X.]9; [X.] in [X.]/Voelzke, jurisP[X.]-[X.][X.] II, 4. Aufl 2015, § 60 Rd[X.]0). Wird eine Leistung bewilligt, so besteht die Auskunftspflicht grundsätzlich ohne zeitliche [X.]egrenzung für die gesamte Dauer des Leistungsbezugs ([X.][X.] Urteil vom [X.] - [X.] 14 [X.]/13 R - [X.] 4-4200 § 60 [X.] Rd[X.]3).

Ein Leistungsbezug des [X.] zum [X.]punkt der Widerspruchsentscheidung am [X.] wurde vom [X.] nicht festgestellt. Der von seiner Mutter auch für [X.] (§ 38 [X.][X.] II) am 20.7.2010 gestellte Antrag auf [X.]ewilligung von Leistungen nach dem [X.][X.] II war am [X.] bereits abgelehnt worden ([X.]escheid vom [X.]). Zwar war die Ablehnung noch nicht bestandskräftig, weil die Widerspruchsfrist von einem Monat (vgl 84 Abs 1 [X.]G) zu diesem [X.]punkt noch nicht verstrichen war. Auf den Eintritt der [X.]estandskraft der Ablehnung kommt es jedoch nicht an. Maßgeblich ist allein, ob im [X.]punkt der Geltendmachung des Auskunftsverlangens ein Leistungsfall besteht. Mit der Ablehnung des Antrags ist dies nicht mehr der Fall. Dem [X.]eklagten in dieser [X.]ituation gleichwohl einen Auskunftsanspruch gegenüber einem [X.] zuzubilligen mit der Folge, dass trotz fehlender Leistungsgewährung in das informationelle [X.]elbstbestimmungsrecht des [X.] eingegriffen wird, wäre nicht mehr verhältnismäßig. [X.]ollte sich in einem etwaigen Widerspruchsverfahren hinsichtlich der Leistungsablehnung ergeben, dass Leistungen doch zu bewilligen sind, wäre dies eine neue [X.]achlage, die dann auch einen neuen Auskunftsanspruch zur Folge haben könnte, der dann aber erneut von dem Leistungsträger geltend gemacht werden müsste.

Insofern greift auch nicht der Einwand der Revision durch, im Falle einer [X.]edarfs- und Einkommensänderung des [X.] hätte anstelle eines erneuten Leistungsantrags eine einfache Veränderungsmitteilung ausgereicht, um ihm entsprechende Leistungen zu gewähren, was zeige, dass insoweit der bewilligte Antrag der [X.] jedenfalls bis zum Ablauf des [X.]ewilligungsabschnittes fortwirke. Denn das Verwaltungsverfahren hinsichtlich des Leistungsantrags des [X.] war durch dessen Ablehnung abgeschlossen. Das [X.][X.] II kennt keinen Anspruch einer [X.]edarfsgemeinschaft als Ganzes, selbst wenn dies in den [X.]escheiden des [X.]eklagten nicht deutlich zum Ausdruck kommt (grundlegend [X.][X.] Urteil vom 7.11.2006 - [X.] 7b A[X.] 8/06 R - [X.][X.]E 97, 217 = [X.] 4-4200 § 22 [X.], Rd[X.]2), sondern ausschließlich Individualansprüche.

5. Etwas anderes ergibt sich nicht aus der Leistungsbewilligung des [X.]eklagten an die mit [X.] in [X.] lebende Mutter [X.], weil die Höhe dieser Leistungen wegen des Teils des [X.]indergeldes für [X.], der nicht für dessen Existenzsicherung benötigt wird und bei [X.] als Einkommen zu berücksichtigen ist 11 Abs 1 [X.]atz 4, 3 [X.][X.] II - [X.]indergeldüberhang), von einem möglichen - weitergehenden - Unterhaltsanspruch des [X.] gegen den [X.]läger abhängt, der auf den [X.]eklagten nach § 33 Abs 1 [X.]atz 2 [X.][X.] II übergegangen sein kann.

a) § 33 Abs 1 [X.]atz 2 [X.][X.] II setzt tatbestandlich eine Ablehnung von Leistungen gegenüber dem unterhaltsberechtigten [X.]ind für einen Rückgriff gegen den unterhaltsverpflichteten [X.] voraus. Die Rückgriffsmöglichkeit des § 33 Abs 1 [X.]atz 2 [X.][X.] II stellt damit eine Durchbrechung des - auch § 60 Abs 2 [X.]atz 1 Alt 1 [X.][X.] II zugrundeliegenden - Prinzips der Personenidentität dar, wonach Leistungsempfänger und Anspruchsinhaber ein und dieselbe Person sein müssen. Werden [X.][X.] II-Leistungen gegenüber dem Anspruchsinhaber (hier dem [X.]) abgelehnt, so entfallen damit - wie zuvor ausgeführt - zugleich die Voraussetzungen für die Auskunftsverpflichtung des unterhaltsverpflichteten [X.] (hier des [X.]lägers) nach § 60 Abs 2 [X.]atz 1 Alt 1 [X.][X.] II, sodass keine Auskunftspflicht mehr besteht, obwohl ein Rückgriff nach § 33 Abs 1 [X.]atz 2 [X.][X.] II tatbestandlich nun - beim Vorliegen weiterer Voraussetzungen - möglich wäre. [X.]eide Normen ergänzen sich insofern nicht, sondern schließen sich tatbestandlich aus.

b) Entgegen der Revision kann § 60 Abs 2 [X.]atz 1 Alt 1 [X.][X.] II nicht erweiternd dahingehend ausgelegt werden, dass er auch die Einholung von Auskünften zur Prüfung und Vorbereitung von Rückgriffsansprüchen nach § 33 Abs 1 [X.]atz 2 [X.][X.] II entsprechend der dort vorgesehenen besonderen Fallgestaltung eines [X.]s ermöglicht.

Nach ständiger Rechtsprechung des [X.]VerfG und der Fachgerichte sind die Gerichte zur ergänzenden Rechtsfortbildung berechtigt und verpflichtet. Eine erweiternde, über den Wortlaut einer Vorschrift hinausgehende teleologische Auslegung kommt aber nur in [X.]etracht, wenn Indizien deutlich belegen, dass der [X.]inn einer Norm im Text nur unzureichend Ausdruck gefunden hat und die weiteren Auslegungsmethoden den [X.]inn und Zweck der Norm und die mit ihr verfolgte Regelungsabsicht des Gesetzgebers freilegen. Eine solche Auslegung ist nicht bereits dann gerechtfertigt, wenn der vom Gesetzgeber beschlossene [X.] rechtspolitisch fehlerhaft erscheint, vielmehr muss die auf den Wortlaut abstellende Auslegung zu einem sinnwidrigen und vom Gesetzgeber nicht gewollten Ergebnis führen (vgl nur [X.]VerfG Urteil vom 27.1.1998 - 1 [X.]vL 22/93 - [X.]VerfGE 97, 186; [X.]VerfG Urteil vom 19.6.1973 - 1 [X.]vL 39/69, 1 [X.]vL 14/72 - [X.]VerfGE 35, 263; [X.][X.] Urteil vom 27.5. 2008 - [X.] 2 U 11/07 R - [X.][X.]E 100, 243 = [X.] 4-2700 § 150 [X.], Rd[X.] ff, 34).

c) Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Die Nichteinbeziehung des in § 33 Abs 1 [X.]atz 2 [X.][X.] II geregelten Falles in den Anwendungsbereich des § 60 Abs 2 [X.]atz 1 Alt 1 [X.][X.] II führt nicht zu einer vom Gesetzgeber nicht gewollten und sinnwidrigen Regelungslücke, die durch eine solche teleologische Auslegung geschlossen werden dürfte (Voelzke in [X.]/[X.], [X.][X.] II, [X.] § 60 Rd[X.]a, [X.]tand: 12/2015).

aa) Zu den Aufgaben des [X.]eklagten nach dem [X.][X.] II gehört auch die [X.]icherstellung des Nachrangs der Leistungen nach dem [X.][X.] II (vgl § 2 Abs 1, § 3 Abs 3, § 5 Abs 1 [X.][X.] II) durch die Geltendmachung der nach § 33 [X.][X.] II auf den Leistungsträger übergegangenen Ansprüche gegenüber [X.] (vgl [X.]T-Drucks 16/1410 [X.] 26). Haben Personen, die Leistungen zur [X.]icherung des Lebensunterhalts beziehen, für die [X.], für die Leistungen erbracht werden, einen Anspruch gegen einen Anderen, der nicht Leistungsträger ist, geht der Anspruch gemäß § 33 Abs 1 [X.]atz 1 [X.][X.] II bis zur Höhe der geleisteten Aufwendungen auf die Träger der Leistungen nach dem [X.][X.] II über, wenn bei rechtzeitiger Leistung des Anderen Leistungen zur [X.]icherung des Lebensunterhalts nicht erbracht worden wären. Diese Regelung gilt auch, soweit [X.]inder unter [X.]erücksichtigung von [X.]indergeld nach § 11 Abs 1 [X.]atz 4 - früher [X.]atz 3 - [X.][X.] II keine Leistungen empfangen haben und bei rechtzeitiger Leistung des Anderen keine oder geringere Leistungen an die Mitglieder der [X.] erbracht worden wären (§ 33 Abs 1 [X.]atz 2 [X.][X.] II).

§ 33 [X.][X.] II insgesamt dient mit dem Ziel der [X.]icherung des Nachrangs der Refinanzierung bereits erbrachter [X.]ozialleistungen (Link in Eicher, [X.][X.] II, 3. Aufl 2013, § 33 Rd[X.]; [X.] in [X.]/[X.], [X.][X.] II, [X.] § 33 Rd[X.]6, [X.]tand 11/2013; Grote-[X.]eifert in [X.]/Voelzke, jurisP[X.]-[X.][X.] II, 4. Aufl 2015, § 33 Rd[X.]1). Dadurch soll im [X.] an eine zeitgerechte bedarfsdeckende Leistungsgewährung die wirtschaftliche Zuordnung im Hinblick auf nichtverwirklichte zivilrechtliche Ansprüche des Leistungsempfängers zugunsten der [X.]olidargemeinschaft korrigiert werden. Die Vorschrift setzte - bis zur Einfügung des [X.]atzes 2 in § 33 Abs 1 [X.][X.] II zum 1.1.2009 (durch das Gesetz zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom [X.], [X.]G[X.]l I 2917) - Personenidentität zwischen Leistungsempfänger und Anspruchsinhaber voraus.

Eine Ausnahme vom Erfordernis der Personenidentität bei [X.] hat der Gesetzgeber mit der Einfügung von § 33 Abs 1 [X.]atz 2 [X.][X.] II mit Wirkung zum 1.1.2009 (durch das Gesetz zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom [X.], [X.]G[X.]l I 2917) lediglich für den Fall vorgesehen, dass [X.]inder unter [X.]erücksichtigung von [X.]indergeld nach § 11 Abs 1 [X.]atz 3 [X.][X.] II keine Leistungen empfangen haben. Nur in diesem Ausnahmefall setzt ein [X.] eine Personenidentität von Anspruchsinhaber und Leistungsempfänger nicht voraus (vgl [X.]GH Urteil vom 1.12.2010 - [X.] - FamRZ 2011, 197; vgl zu weitergehenden, aber im Gesetzgebungsverfahren abgelehnten Vorschlägen [X.]T-Drucks 16/10810 [X.] 20, 49, [X.]T-Drucks 16/11233 [X.] 8, 17).

bb) Zweck der Auskunftsverpflichtung nach § 60 Abs 2 [X.]atz 1 Alt 1 [X.][X.] II ist ebenfalls die [X.]icherung des Nachrangs. [X.]ie steht verfahrensrechtlich im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgrundsatz nach § 20 Abs 1 [X.][X.] X und dient der Prüfung von Leistungsverpflichtungen, um entweder auf die Durchsetzung von Ansprüchen im Wege der [X.]elbsthilfe zu verweisen oder einen Erstattungsanspruch nach § 33 [X.][X.] II geltend zu machen ([X.][X.] Urteil vom 24.2.2011 - [X.] 14 A[X.] 87/09 R - [X.][X.]E 107, 255 = [X.] 4-4200 § 60 [X.], Rd[X.]). Die Vorschrift lehnt sich an § 315 [X.][X.] III an (vgl [X.]T-Drucks 15/1516 [X.] 66) und setzt wie diese Regelung konzeptionell eine Personenidentität zwischen dem Inhaber des Anspruchs gegen den [X.] und dem Antragsteller oder Leistungsbezieher nach dem [X.][X.] II voraus.

Das Erfordernis der Personenidentität dient im Rahmen des § 60 [X.][X.] II dem [X.]chutz des leistungsverpflichteten [X.]. Es begrenzt dessen Auskunftspflicht, die als Eingriff in dessen informationelles [X.]elbstbestimmungsrecht verhältnismäßig sein muss, um gerechtfertigt zu sein. Eine erweiternde Auslegung durch Verzicht auf das Erfordernis der Personenidentität würde die Grenzen der Auskunftspflicht des § 60 Abs 2 [X.]atz 1 Alt 1 [X.][X.] II konturenlos werden lassen mit der Folge, dass die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in das informationelle [X.]elbstbestimmungsrecht nicht mehr gegeben wäre.

Ein Festhalten an dem Erfordernis der Personenidentität im Rahmen der geltenden Fassung des § 60 Abs 2 [X.]atz 1 Alt 1 [X.][X.] II als Voraussetzung für ein Auskunftsverlangen gegenüber einem leistungsverpflichteten [X.] führt nicht zu einer nicht gewollten und sinnwidrigen Regelungslücke im Hinblick auf den seit dem 1.1.2009 möglichen [X.] nach § 33 Abs 1 [X.]atz 2 [X.][X.] II. [X.]chon vor dessen Einfügung hatte der Gesetzgeber bereits geregelt, dass der unterhaltsrechtliche Auskunftsanspruch mit dem Übergang des Unterhaltsanspruchs übergeht (vgl § 33 Abs 1 [X.]atz 4 [X.][X.] II idF des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für [X.] vom [X.], [X.]G[X.]l I 1706). Der Leistungsträger wird also auch ohne erweiternde Auslegung des § 60 Abs 2 [X.]atz 1 Alt 1 [X.][X.] II in die Lage versetzt, sich die erforderlichen Auskünfte zu beschaffen, wofür er jedoch den Zivilrechtsweg beschreiten muss (vgl § 33 Abs 4 [X.]atz 3 [X.][X.] II).

6. Andere öffentlich-rechtliche Rechtsgrundlagen, auf die das Auskunftsbegehren hätte gestützt werden können, sind nicht ersichtlich. Dies gilt insbesondere für § 99 [X.][X.] X, da § 60 [X.][X.] II die Einholung der zur Durchführung des [X.][X.] II benötigten Auskünfte Dritter - mit Ausnahme von Arbeitgebern (vgl zu diesen §§ 57 f [X.][X.] II) - abschließend regelt und insoweit eine abweichende Regelung i[X.] des § 37 [X.]atz 1 [X.][X.] I darstellt ([X.][X.] Urteil vom 24.2.2011 - [X.] 14 A[X.] 87/09 R - [X.][X.]E 107, 255 = [X.] 4-4200 § 60 [X.], Rd[X.]).

7. Die Geltendmachung eines zivilrechtlichen Auskunftsanspruchs, der nach § 33 Abs 1 [X.]atz 4 [X.][X.] II im Zusammenhang mit einem etwaigen weitergehenden zivilrechtlichen Unterhaltsanspruch des [X.] gegen den [X.]läger auf den [X.]eklagten übergegangen sein könnte, war nicht Gegenstand des angefochtenen [X.]escheids vom [X.] und könnte auch nicht Rechtsgrundlage für einen mittels Verwaltungsakt geltend gemachten Auskunftsanspruch sein. Denn er verändert durch die Legalzession seinen zivilrechtlichen Charakter nicht und ist daher auch nur zivilprozessual durchsetzbar (vgl § 33 Abs 4 [X.]atz 3 [X.][X.] II).

8. Die [X.]ostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 [X.]atz 1 [X.]G iVm § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung; weder der [X.]läger noch der [X.]eklagte gehören zu den in § 183 [X.]G genannten Personen.

Die Festsetzung des [X.]treitwerts beruht auf § 197a Abs 1 [X.]atz 1 Halbsatz 1 [X.]G iVm § 52 Abs 1, 2, § 47 Gerichtskostengesetz und mangels genügender Anhaltspunkte für den Wert des Auskunftsverlangens war der [X.] von 5000 Euro einheitlich für alle Instanzen zugrundezulegen.

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B 14 AS 4/15 R

23.06.2016

Bundessozialgericht 14. Senat

Urteil

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Dessau-Roßlau, 8. August 2012, Az: S 6 AS 2810/10, Urteil

§ 54 Abs 1 S 1 SGG, § 60 Abs 2 S 1 Alt 1 SGB 2, § 11 Abs 1 S 1 SGB 2 vom 24.12.2003, § 11 Abs 1 S 2 SGB 2 vom 24.03.2006, § 11 Abs 1 S 3 SGB 2 vom 24.12.2003, § 33 Abs 1 S 1 SGB 2 vom 21.12.2008, § 33 Abs 1 S 2 SGB 2 vom 21.12.2008, § 33 Abs 1 S 4 SGB 2, § 20 Abs 1 SGB 10, § 21 Abs 1 S 1 SGB 10 vom 24.12.2003, § 21 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB 10 vom 18.01.2001, Art 2 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 23.06.2016, Az. B 14 AS 4/15 R (REWIS RS 2016, 9392)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 9392

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1 BvL 22/93

XII ZR 19/09

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