Bundesverfassungsgericht, Stattgebender Kammerbeschluss vom 28.10.2010, Az. 2 BvR 535/10

2. Senat 1. Kammer | REWIS RS 2010, 1925

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Teilweise stattgebender Kammerbeschluss: Verletzung von Art 2 Abs 1 GG iVm Art 1 Abs 1 GG durch Anordnung von Zwangsmitteln in der Zwangsvollstreckung zur Durchsetzung eines Auskunftsanspruchs - hier: fehlende Verhältnismäßigkeit bei Erzwingung einer Aussage mit bestimmtem Inhalt - eidesstattliche Versicherung als milderes Mittel


Tenor

Der Beschluss des [X.] vom 24. November 2009 - 12 O 13/04 - in der Fassung des [X.] des [X.] vom 16. Dezember 2009 - 12 O 13/04 - und der Beschluss des [X.] vom 1. Februar 2010 - I - 20 [X.]/09 - verletzen den Beschwerdeführer zu 1. in seinem Recht aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes.

Der Beschluss des [X.] wird aufgehoben und die Sache an das [X.] zurückverwiesen.

...

Die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin zu 2. wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

1

Die [X.] betreffen jeweils die Festsetzung eines Zwangsgeldes zur Erzwingung einer [X.].

2

1. Der Beschwerdeführer zu 1. war bis zum [X.] mitgeschäftsführender Gesellschafter der Klägerin des Ausgangsverfahrens. Unmittelbar nach seinem Ausscheiden gründete er die Beschwerdeführerin zu 2., die ein konkurrierendes Unternehmen betreibt. Mit der Begründung, dieses habe sich nur etablieren können, weil der Beschwerdeführer zu 1. in unlauterer Weise die Kunden- und Firmendaten genutzt habe, wurden die Beschwerdeführer vor dem [X.] in Anspruch genommen. Der Beschwerdeführer zu 1. solle [X.] darüber erteilen, welche Originale und Kopien der Kunden- und Firmendaten er bisher nicht herausgegeben habe, erforderlichenfalls die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Angaben an Eides statt versichern und die mitgenommenen beziehungsweise kopierten Daten herausgeben. Die Beschwerdeführerin zu 2. solle [X.] darüber erteilen, mit welchen der in der vorgelegten Kundenkartei aufgeführten Kunden sie unaufgefordert in Kontakt getreten sei und erforderlichenfalls ebenso die Richtigkeit und Vollständigkeit dieser Angaben eidesstattlich versichern. Außerdem solle das [X.] feststellen, dass die Beschwerdeführer verpflichtet seien, den Schaden zu ersetzen, der aus der unbefugten Verwendung der Firmendaten entstanden sei und noch entstehen werde.

3

Das [X.] wies die Klage mit Urteil vom 20. Juli 2004 - 12 O 13/04 - ab. Die Klägerin habe nicht nachweisen können, dass sich der Beschwerdeführer zu 1. vor seinem Ausscheiden in wettbewerbswidriger Weise [X.] angeeignet habe. Auf die Berufung der Klägerin änderte das [X.] diese Entscheidung durch Teilurteil vom 24. Februar 2009 - I - 20 U 121/04 - ab, verurteilte die Beschwerdeführer zur [X.]serteilung wie beantragt und stellte fest, dass diese verpflichtet seien, Schadensersatz zu leisten. Außerdem habe die Beschwerdeführerin zu 2. die weitere Verwendung der Kunden- und Firmendaten der Klägerin zu unterlassen. Aufgrund der erst- und zweitinstanzlich erhobenen Beweise sowie weiterer Indizien stehe fest, dass die Beschwerdeführer gegen § 17 UWG verstoßen hätten, indem sie sich die Kundendaten, ein Geschäfts- und Betriebsgeheimnis im Sinne dieser Norm, unbefugt verschafft beziehungsweise diese unbefugt verwertet hätten. Daraus ergäben sich Ansprüche auf Herausgabe, Schadensersatz und Unterlassung, zu deren Vorbereitung die Klägerin einen [X.]sanspruch aus § 242 [X.] habe.

4

2. Zur Erzwingung der [X.] beantragte die Klägerin beim [X.] die Festsetzung eines Zwangsgeldes gegen die Beschwerdeführer. Diese erteilten daraufhin [X.] wie folgt: Der Beschwerdeführer zu 1. habe alle die Klägerin betreffenden Unterlagen bei der anlässlich seines Ausscheidens im [X.] durchgeführten Beurkundung des Vertrags über die Übertragung seines Geschäftsanteils in Anwesenheit des Notars übergeben. Weitere Originale und Kopien der Kundendaten habe er nicht. Die Beschwerdeführerin zu 2. habe mit keinen Kunden Verträge abgeschlossen, nachdem sie zu ihnen unaufgefordert in Kontakt getreten sei.

5

Das [X.] setzte gleichwohl mit Beschluss vom 24. November 2009 - 12 O 13/04 -, hinsichtlich des Betrages abgeändert durch Beschluss vom 16. Dezember 2009 - 12 O 13/04 -, gegen den Beschwerdeführer zu 1. ein Zwangsgeld in Höhe von 8.000 Euro und gegen die Beschwerdeführerin zu 2. ein Zwangsgeld in Höhe von 25.000 Euro fest. Durch die abgegebene Erklärung sei der [X.]sanspruch der Klägerin nicht erfüllt, denn den rechtskräftigen Feststellungen des [X.] folgend müsse die Kammer als Vollstreckungsgericht davon ausgehen, dass sich der Beschwerdeführer zu 1. die Kundendaten noch vor seinem Ausscheiden verschafft und die Beschwerdeführerin zu 2. diese zur Anbahnung von Geschäftskontakten verwendet habe. Daran sei die Kammer im Zwangsvollstreckungsverfahren gebunden.

6

3. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde wies das [X.] mit Beschluss vom 1. Februar 2010 - I - 20 W 152/09 - zurück. Nach der Rechtsprechung des [X.] trete die Erfüllungswirkung nicht ein, wenn eine [X.] unvollständig oder von vornherein unglaubhaft sei. Davon sei auszugehen, denn die erteilten Auskünfte seien offensichtlich unvollständig. Aufgrund des Erkenntnisverfahrens stehe nämlich fest, dass der Beschwerdeführer zu 1. unter anderem die Kundendatei der Gläubigerin bei seinem Ausscheiden mitgenommen habe. Seine Erklärung, keine Unterlagen mitgenommen zu haben, sei damit unvollständig, denn sie gebe keine [X.] über diejenigen Unterlagen, die schon nach den Feststellungen im Erkenntnisverfahren mitgenommen worden seien.

7

Ebenso sei die [X.] der Beschwerdeführerin zu 2. unvollständig. Die Angabe, sie habe zu keiner der auf der Liste der Klägerin verzeichneten Kunden unaufgefordert Kontakt aufgenommen, widerspreche sogar dem unstreitigen Parteivorbringen. Die Beschwerdeführerin zu 2. habe nämlich von vornherein nicht bestritten, sich an eine Vielzahl von Unternehmen gewandt zu haben, von denen ein Teil zum Kundenkreis der Klägerin gehöre und sich demzufolge auf der von dieser vorgelegten Liste befinde. Im Streit habe lediglich gestanden, ob dies der Beschwerdeführerin zu 2. nur möglich gewesen sei, weil sie über die Kundendatei der Klägerin verfügt habe, oder ob der Beschwerdeführer zu 1. die entsprechenden Informationen als ehemaliger Mitgeschäftsführer im Gedächtnis gehabt oder zumindest habe rekonstruieren können. Hinsichtlich des titulierten [X.]sanspruchs sei diese Frage jedoch nicht von Belang, denn danach sei die Beschwerdeführerin zu 2. generell zur [X.] darüber verpflichtet, mit welchen Kunden der Klägerin sie unaufgefordert Kontakt aufgenommen habe, unabhängig davon, worauf die entsprechenden Kontaktinformationen beruht hätten.

8

4. Mit ihren [X.] wenden sich die Beschwerdeführer jeweils gegen die sie betreffende Zwangsgeldfestsetzung. Sie bezeichnen insbesondere Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG als verletzt. Der Beschwerdeführer zu 1. habe stets erklärt, keine Kundendaten mitgenommen, sondern diese aus dem Gedächtnis mithilfe von Telefonbüchern und des [X.] rekonstruiert zu haben. Dazu sei er nach über 21-jähriger Zugehörigkeit zum Unternehmen, in der er für den gesamten Ein- und Verkauf der betreffenden Kundengruppen als alleiniger Ansprechpartner verantwortlich gewesen sei, in der Lage gewesen. Das [X.] habe diese Einlassung zu Unrecht als nicht glaubhaft eingestuft. Die Indizien, auf die sich diese Einschätzung stütze, seien nicht tragfähig. Der Beschwerdeführer zu 1. könne deshalb nur nochmals wiederholen, über keine Originale oder Kopien der Kunden- und Firmendaten zu verfügen. Von ihm werde daher Unmögliches verlangt, wenn einerseits eine Erklärung dieses Inhalts erzwungen werden solle, er sich andererseits aber wahrheitsgemäß erklären solle. [X.] und [X.] könnten ihn nicht durch Festsetzung von Zwangsmitteln "zu überzeugen versuchen", sich so einzulassen, wie es aus Sicht des [X.] gewesen sein müsse. Mit einer "Kette von Zwangsmitteln" werde "die falsche Sanktion" ergriffen.

9

Unter Verweis darauf haben die Beschwerdeführer gleichzeitig beim [X.] nochmals die Aufhebung der Zwangsgeldfestsetzungen beantragt. Im Hinblick auf die die Beschwerdeführerin zu 2. treffende [X.]spflicht sei erst durch den Beschluss des [X.] über die Zurückweisung der sofortigen Beschwerde klargestellt, dass es insoweit lediglich auf die unaufgeforderte Kontaktaufnahme zu den Kunden der Klägerin ankomme, unabhängig davon, worauf die Kenntnis von den Kontaktdaten beruhe. Diese [X.] könne erteilt werden, wofür auf eine dem Schriftsatz beigefügte Liste einschließlich entsprechender Umsatzzahlen verwiesen werde.

Das nach § 94 Abs. 2 [X.] angehörte [X.] des [X.] hat von einer Äußerung abgesehen. Die nach § 94 Abs. 3 [X.] angehörte Klägerin des Ausgangsverfahrens hält die Zwangsgeldfestsetzungen für verfassungsgemäß und führt ein Reihe von Indizien an, aus denen sich ergebe, dass die Feststellung des [X.], der Beschwerdeführer zu 1. habe sich die Kundendaten in wettbewerbswidriger Weise verschafft, zutreffend sei. Daher sei es auch nicht zu beanstanden, dass sowohl [X.] als auch [X.] die damit nicht übereinstimmende [X.] als ungeeignet zur Erfüllung der [X.]spflicht zurückgewiesen hätten.

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu 1. zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung seines Rechts aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b [X.]) und auch die weiteren Voraussetzungen für eine stattgebende [X.] nach § 93c Abs. 1 Satz 1 [X.] vorliegen. Die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin zu 2. wird dagegen nicht zur Entscheidung angenommen.

1. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen das Recht des Beschwerdeführers zu 1. aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG, soweit darin gegen diesen ein Zwangsgeld in Höhe von 8.000 Euro festgesetzt wurde.

a) Die Auslegung und Anwendung der Vorschriften des Zivilrechts und Zivilprozessrechts ist ebenso Sache der Fachgerichte wie die Feststellung des Sachverhalts und die Würdigung der Beweise. Werden im Zuge der Anwendung verfassungsrechtlich unbedenklicher Normen jedoch grundrechtlich geschützte Positionen berührt, müssen die Zivilgerichte der Bedeutung und Tragweite der Grundrechte Rechnung tragen, damit deren wertsetzende Bedeutung auch auf der [X.] gewährleistet ist. Das verlangt in der Regel eine im Rahmen der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale vorzunehmende Abwägung zwischen der Bedeutung des eingeschränkten Grundrechts für seinen Träger im konkreten Fall sowie dem Ausmaß der ihm zugemuteten Beeinträchtigung einerseits und der Bedeutung des von dem angewandten Gesetz geschützten Rechtsguts und der Schwere seiner Beeinträchtigung durch die Grundrechtsausübung andererseits. Dabei haben die Gerichte beide Positionen hinreichend zu berücksichtigen und in ein Verhältnis zu bringen, das ihnen angemessen Rechnung trägt. Ein Grundrechtsverstoß, den das [X.] zu korrigieren hat, liegt insbesondere dann vor, wenn das Zivilgericht den grundrechtlichen Einfluss überhaupt nicht berücksichtigt oder unzutreffend eingeschätzt hat und die Entscheidung auf einer Verkennung des Grundrechtseinflusses beruht (vgl. [X.] 18, 85 <92 f.>; 61, 1 <6>; 95, 96 <127 f.>; 97, 391 <401>; 112, 332 <358 f.>; stRspr).

b) Davon ausgehend haben die angegriffenen Entscheidungen keinen Bestand.

aa) Ist der Gläubiger auf eine Selbstauskunft des Schuldners angewiesen, um Gegenstand und Umfang seines Anspruchs überhaupt präzisieren zu können, bleibt stets das Risiko, dass dieser die [X.] nicht wahrheitsgemäß erteilt, um sich dem Anspruch ganz oder teilweise zu entziehen. Der Gläubiger kann daher nach §§ 259, 260 [X.] die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung verlangen, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass die [X.] nicht mit der erforderlichen Sorgfalt erteilt worden ist und die Angelegenheit nicht von geringer Bedeutung ist. Nach verbreiteter Auffassung handelt es sich dabei um eine abschließende Regelung zur Erzwingung der materiellen Wahrheit, das heißt, ist die [X.] des Schuldners in formaler Hinsicht vollständig und hinreichend substantiiert, ist er damit seiner [X.]spflicht nachgekommen, was auch unter Hinweis auf deren mögliche [X.] nicht in Zweifel gezogen werden kann (vgl. [X.], Urteil vom 29. Oktober 1957 - [X.] -, GRUR 1958, S. 149 <150>; Urteil vom 23. Januar 1980 - [X.] -, [X.], [X.]>; [X.]Z 92, 62 <64 f.>; [X.], in: [X.] Kommentar zum [X.], [X.], 5. Aufl. 2007, § 260 Rn. 43 u. § 259 Rn. 24; M. Wolf, in: [X.], [X.], [X.], 12. Aufl. 1990, § 260 Rn. 60 u. § 259 Rn. 41).

bb) Soweit der [X.] ausgesprochen hat, eine zum Zweck der [X.] gegebene Erklärung genüge zur Erfüllung des [X.]sanspruchs dann nicht, wenn sie "nicht ernst gemeint, unvollständig oder von vornherein unglaubhaft" sei (vgl. [X.]Z 125, 322 <326>; 148, 26 <36>), ist dies als Frage der Auslegung des einfachen Rechts verfassungsrechtlich nicht grundsätzlich zu beanstanden. Das [X.] nimmt diese Rechtsprechung unter dem Gesichtspunkt der Unvollständigkeit der [X.] für sich in Anspruch mit der Begründung, der Beschwerdeführer zu 1. habe keine [X.] über die bereits nach den Feststellungen des Erkenntnisverfahrens mitgenommenen Unterlagen gegeben. Der Sache nach ist damit allerdings wohl ein Fall der [X.] der [X.] gemeint, keine Kunden- und Firmendaten mitgenommen zu haben. Soweit das [X.] hieraus den Schluss zieht, eine anderslautende [X.] könne durch Zwangsgeldfestsetzung erzwungen werden, kann es sich hierfür im Ausgangspunkt zwar auf die genannte Rechtsprechung des [X.] berufen. Bei deren Anwendung hat es aber die im konkreten Fall betroffenen grundrechtlichen Belange nicht berücksichtigt.

(1) Durch die Zwangsgeldfestsetzung gegen den Beschwerdeführer zu 1. soll nach den Ausführungen des [X.] erzwungen werden, dass dieser den Besitz mindestens eines Datenträgers mit den Kundendaten der Klägerin einräumt und diesen so beschreibt, dass die Klägerin ihren Herausgabeanspruch hinsichtlich der Kundendaten hinreichend präzisieren kann. Darin liegt zumindest ein Eingriff in das Recht des Beschwerdeführers zu 1. aus Art. 2 Abs. 1 GG. Dieser hat insofern eine besondere Qualität, als nicht ausgeschlossen werden kann, dass diesem damit für den Fall, dass er sich entgegen den Feststellungen des [X.] tatsächlich keine Kundendaten verschafft hätte, zugemutet würde, entsprechende Angaben zu erfinden. Insofern kommt es nicht darauf an, ob die Feststellungen des [X.] zutreffend sind, wie die Klägerin des Ausgangsverfahrens unter Verweis auf zahlreiche Indizien unterstreicht, oder ob sie unrichtig sind, wie die Beschwerdeführer unter Verweis auf andere Indizien darzulegen suchen. Darüber hat das [X.] nicht zu entscheiden, denn die Feststellung des Sachverhalts einschließlich der erforderlichen Beweiswürdigung ist allein Sache der Fachgerichte. Es ist aber zu berücksichtigen, dass es prinzipiell stets im Bereich des Möglichen liegt, dass prozessuale und materielle Wahrheit nicht übereinstimmen, wie die gegensätzlichen Würdigungen von [X.] einerseits und [X.] andererseits im vorliegenden Fall veranschaulichen.

Betroffen ist außerdem das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG jedenfalls insofern, als der Beschwerdeführer zu 1. nach den Ausführungen des [X.] zugleich die Begehung einer Straftat nach § 17 UWG (Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen) einräumen müsste. Darin liegt eine Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, als dessen Teil das [X.] den Schutz vor einem Zwang zur Selbstbezichtigung anerkannt hat (vgl. [X.] 56, 37 <41 ff.>; 95, 220 <241>; 96, 171 <181>). Zwar ist ein solcher Zwang nicht generell unzumutbar, insbesondere dann nicht, wenn - wie im vorliegenden Fall - schutzwürdige Belange Dritter betroffen sind. Die Anordnung von Zwangsmitteln kann aber im Einzelfall als unverhältnismäßig zu beanstanden sein (vgl. [X.] 56, 37 <49 f.>).

(2) Mit diesen grundrechtlichen Positionen, insbesondere der Frage der Verhältnismäßigkeit ihrer Beeinträchtigung, hat sich das [X.] nicht auseinandergesetzt.

(a) Zwar kann die Klägerin des Ausgangsverfahrens für sich das für den Zivilprozess durch Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip gewährleistete Recht auf effektiven Rechtsschutz in Anspruch nehmen. Das [X.] erörtert aber nicht, ob die eidesstattliche Versicherung nach §§ 259, 260 [X.] insoweit nicht als milderes Mittel anzusehen ist, und ob der Herausgabeanspruch hinsichtlich der Kundendaten nicht auch ohne weitere Auskünfte durch Vorlage einer entsprechenden Liste ausreichend bestimmt werden kann, so dass es nicht erforderlich wäre, den Beschwerdeführer zu 1. im Wege des Zwangsgeldes zu einer [X.] bestimmten Inhalts zu zwingen. Soweit dadurch eine Identifizierung der entsprechenden Daten zumindest prinzipiell möglich ist, spricht das Interesse der Klägerin an der Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes dafür, ihr auch ohne weitere Konkretisierung wenigstens den Versuch einer Zwangsvollstreckung zuzubilligen (allgemein [X.], in: [X.] Kommentar zur ZPO, [X.], 3. Aufl. 2007, § 704 Rn. 11). Im Hinblick darauf ist es zumindest nicht von vornherein ausgeschlossen, dass dem vollstreckungsrechtlichen [X.] Genüge getan ist, auch wenn die Auffindung der Daten durch den Gerichtsvollzieher mit erheblichen praktischen Schwierigkeiten verbunden bleibt (dafür [X.], in: [X.], ZPO, [X.], 22. Aufl. 2004, § 883 Rn. 11; dagegen [X.], Urteil vom 16. März 1994 - 5 O 4/94 -, [X.] 1995, [X.] f.; ohne abschließende Festlegung AG Offenbach, Beschluss vom 27. Januar 1989 - 62 M 841/89 -, NJW-RR 1989, [X.] f.).

(b) Im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn fehlt eine Auseinandersetzung damit, dass der effektive Gewinn an Rechtsschutz auf Seiten der Klägerin durch die Zwangsgeldfestsetzung vergleichsweise gering ist. Selbst wenn man eine Pflicht zur erneuten [X.] und Bezeichnung mindestens eines Datenträgers mit der Kundendatei annähme, bliebe es dem Beschwerdeführer zu 1. - zieht man die Möglichkeit in Betracht, dass seine Negativauskunft nicht der Wahrheit entspricht - ohne weiteres möglich, den Erfolg der Vollstreckung dennoch zu vereiteln, etwa indem er nicht alle der in seinem Besitz befindlichen Datenträger angibt. Insofern ist die Klägerin letztlich ohnehin darauf verwiesen, die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zu erzwingen. In jedem Fall ist es ihr außerdem möglich, den bereits geltend gemachten und vom [X.] dem Grunde nach festgestellten Schadensersatzanspruch insbesondere mit Hilfe der von der Beschwerdeführerin zu 2. zu erteilenden [X.] über die Kundenkontakte weiterzuverfolgen.

2. Die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin zu 2. ist unzulässig, da insoweit der Rechtsweg nicht entsprechend [ref=f7ec41cb-a78f-4dd7-9e27-be440745d1f3]§ 90 Abs. 2 Satz 1 [X.][/ref] ausgeschöpft ist. Aus dem gleichzeitig mit der Verfassungsbeschwerde an das [X.] gerichteten Schriftsatz geht hervor, dass die Beschwerdeführerin zu 2. damit erstmals [X.] über ihre Kundenkontakte erteilt hat, nachdem das [X.] den aus ihrer Sicht zuvor missverständlich formulierten Gegenstand ihrer [X.]spflicht erst im Beschluss vom 1. Februar 2010 dahingehend präzisiert hat, [X.] über die Kundenkontakte sei unabhängig davon zu erteilen, ob die Kontaktaufnahme auf einer unerlaubten Nutzung der Kundendaten der Klägerin beruhe oder nicht. Im Hinblick auf diese nachträglich erteilte [X.] steht ihr die Möglichkeit offen, den [X.] im Wege einer Vollstreckungsgegenklage nach [ref=92801fdb-98d1-4bab-8857-[X.]] geltend zu machen (vgl. [X.], in: [X.] Kommentar zur ZPO, [X.], 3. Aufl. 2007, § 887 Rn. 19; Musielak/[X.], ZPO, 7. Aufl. 2009, § 888 Rn. 8). Da die [X.] erst im Nachhinein erteilt wurde, steht dem auch die Präklusionsvorschrift des § 767 Abs. 2 ZPO nicht entgegen.

3. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 [X.].

Meta

2 BvR 535/10

28.10.2010

Bundesverfassungsgericht 2. Senat 1. Kammer

Stattgebender Kammerbeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend OLG Düsseldorf, 1. Februar 2010, Az: I - 20 W 152/09, Beschluss

Art 1 Abs 1 GG, Art 2 Abs 1 GG, § 259 BGB, § 260 BGB, § 90 Abs 2 S 1 BVerfGG, § 93c Abs 1 S 1 BVerfGG, § 17 UWG, § 767 ZPO, § 883 ZPO, § 888 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Stattgebender Kammerbeschluss vom 28.10.2010, Az. 2 BvR 535/10 (REWIS RS 2010, 1925)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 1925

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

101 ZBR 13/21

101 ZBR 109/20

101 ZBR 134/20

I-15 W 12/15

2 W 5/19

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