Bundessozialgericht, Urteil vom 16.03.2016, Az. B 9 V 4/15 R

9. Senat | REWIS RS 2016, 14405

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Gegenstand

(Soziales Entschädigungsrecht - Soldatenversorgung - beamtenrechtliche Unfallfürsorge - Ruhen der Versorgungsleistungen nach § 65 Abs 1 S 1 Nr 2 BVG - Ermittlung des Ruhensbetrags - Bruttodifferenz - Verfassungsrecht - Gleichheitssatz - Eigentumsgarantie)


Leitsatz

Der Anspruch auf Versorgungsbezüge nach dem Bundesversorgungsgesetz ruht neben einer beamtenrechtlichen Versorgung, wenn beide Ansprüche auf derselben Ursache beruhen, in Höhe der Differenz der Nennbeträge (Bruttodifferenz) zwischen einer (fiktiven) Versorgung nach allgemeinen beamtenrechtlichen Bestimmungen und der tatsächlich gezahlten beamtenrechtlichen Unfallfürsorge.

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 21. April 2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Höhe der Beschädigtenversorgung unter dem Aspekt des Ruhens wegen des gleichzeitigen Bezugs von Unfallfürsorgeleistungen.

2

Der am 12.6.1958 geborene Kläger war in der [X.] vom 1.1.1978 bis 31.12.1996 Berufssoldat bei der [X.], zuletzt im Dienstrang eines Hauptfeldwebels. Bei einer Nahkampfausbildung erlitt er ua eine Schulterverletzung, die schließlich zu seiner Dienstunfähigkeit und seiner Versetzung in den Ruhestand führte. Die Verletzung des [X.] ist ab 1.6.2001 als Wehrdienstbeschädigung bei einem Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von 90 mit besonderer beruflicher Betroffenheit (Bescheid von 10.11.2005) sowie zugleich als Dienstunfall im Sinne beamtenrechtlicher Vorschriften anerkannt, die auf ihn als ehemaligen Berufssoldaten entsprechend anwendbar sind. Dem Kläger sind daher sowohl Leistungen der versorgungsrechtlichen Beschädigten- als auch der Beamtenversorgung zuerkannt worden. Zum einen wird ihm nach § 27 Soldatenversorgungsgesetz (SVG) iVm § 36 Beamtenversorgungsgesetz ([X.]) als so genannte beamtenrechtliche Unfallfürsorge ein erhöhtes Ruhegehalt (Unfallruhegeld) gewährt, weil er aufgrund seines [X.] dienstunfähig geworden ist. Dieses belief sich ab [X.] auf 2006,11 Euro. Neben dieser Leistung der Beamtenversorgung erhält der Kläger wegen seiner Wehrdienstbeschädigung Versorgung nach § 80 SVG iVm §§ 30, 31 [X.] ([X.]) in Form von Grundrente sowie von [X.] (< [X.]>, Bescheid vom 16.11.2005). Grundrente und [X.] bekommt der Kläger allerdings unter Bezug auf § 65 Abs 1 S 1 [X.] [X.] seit Beginn der Versorgung nicht in voller Höhe ausgezahlt. § 65 Abs 1 S 1 [X.] [X.] ordnet das teilweise Ruhen des Anspruchs auf Versorgung wegen der Wehrdienstbeschädigung bei gleichzeitigem Bezug von Leistungen der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge an. Als Höhe des [X.] bestimmt die Vorschrift den Unterschied zwischen einer (fiktiven) niedrigeren Versorgung nach allgemeinen beamtenrechtlichen Bestimmungen ohne Dienstunfall und aus der tatsächlich gewährten, wegen der Folgen des [X.] erhöhten beamtenrechtlichen Unfallfürsorge.

3

Mit Bescheid vom [X.] stellte der [X.] (ehemaliger Träger der [X.] und Beklagter) zum [X.] den Anspruch des [X.] auf Beschädigtenversorgung rückwirkend ab 1.1.2008 neu fest, weil sich sein Einkommen erhöht hatte. Die Grundrente belief sich danach ab Juli 2009 auf 576 Euro, der [X.] auf 590 Euro. Zum Ruhen gebracht wurde ein Betrag von 194 Euro. Damit erhielt der Kläger neben seinem Unfallruhegeld ab Juli 2009 monatliche Versorgungsbezüge nach dem [X.] von insgesamt 972 Euro.

4

Im vom Kläger angestrengten Widerspruchsverfahren korrigierte der [X.] nach Anhörung des [X.] den angefochtenen Bescheid und senkte damit nochmals die Höhe der Versorgungsbezüge (Bescheid vom [X.]). Er beließ die Grundrente bei 576 Euro, senkte den [X.] wegen Einkommensänderungen rückwirkend ab [X.] auf 586 Euro und erhöhte vor allem den Ruhensbetrag der Versorgungsbezüge aus dem [X.] für die Zukunft ab dem [X.], von 194 Euro auf monatlich 291 Euro. Als Ruhensbetrag legte die [X.] dabei - wie in den vorangegangenen Bescheiden - die Differenz zwischen den von der zuständigen Wehrbereichsverwaltung mitgeteilten, als "brutto" bezeichneten Nennbeträgen des tatsächlich gezahlten Unfallruhegelds des [X.] nach § 36 [X.] (in Höhe von 2006,11 Euro) und seinen (fiktiven) Versorgungsbezügen (in Höhe von 1714,59 Euro) nach den allgemeinen beamtenrechtlichen Bestimmungen zugrunde, ohne von den mitgeteilten Beträgen Abzüge vorzunehmen. Eine Erhöhung des nach dieser - im Vergleich zu den [X.] unveränderten - Formel berechneten [X.] ergab sich deshalb, weil seit 2007 zu Gunsten des [X.] wegen der irrtümlichen Berücksichtigung eines Familienzuschlags zu hohe fiktive Beamtenbezüge angesetzt worden waren. Insbesondere aufgrund der Korrektur des [X.] sank der monatliche Zahlbetrag der Versorgungsbezüge auf 871 Euro. Wegen Überzahlung zurückgefordert wurden weitere 187 Euro und damit insgesamt 1405 Euro.

5

Die vom Kläger nach erfolglosem Widerspruch (Widerspruchsbescheid vom 14.4.2010) zum [X.] erhobene Klage blieb ebenfalls ohne Erfolg (Gerichtsbescheid vom 14.6.2011).

6

Das [X.] hat die Berufung des [X.] gegen den klageabweisenden Gerichtsbescheid des [X.] zurückgewiesen (Urteil vom [X.]). Die allein noch streitige Berechnung des [X.] nach [X.] sei nicht zu beanstanden. Für die vom Kläger verlangte Berechnung nach [X.] fehle es an einer Rechtsgrundlage, da § 65 [X.] nicht auf die geänderte Vorschrift des § 30 [X.] verweise. Das habe bereits das B[X.] im Urteil vom [X.] - zur damals geltenden und heute wortgleichen Fassung des § 65 [X.] entschieden. Eine Änderung dieser Vorschrift habe der Gesetzgeber seitdem nicht vorgenommen.

7

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts (§ 65 [X.]). Zu Unrecht sei bei seinen Versorgungsbezügen ein Betrag in Höhe von 291 Euro anstatt richtigerweise nur 185 Euro zum Ruhen gebracht worden. Bei diesem Betrag handele es sich nämlich um einen Bruttobetrag, der - bevor er in Abzug gebracht werden dürfe - erst in einen Nettobetrag umgerechnet und dadurch gesenkt werden müsse. Für die Umrechnung könne auf die in § 30 Abs 6 bis 8 [X.] normierten [X.] zurückgegriffen werden. Bei dem in § 65 [X.] genannten Anspruch auf Versorgungsbezüge, der im Sinne der gesetzlichen Regelung zum Ruhen gebracht werde, handele es sich um den Anspruch auf [X.]. Dieser werde seit 1990 nicht mehr anhand von [X.], sondern nach dem Nettopauschalprinzip ermittelt. Entsprechend handele es sich bei dem in § 65 [X.] genannten Anspruch auf Versorgungsbezüge ebenfalls um einen Nettobetrag. Auf die Rechtsprechung vor Änderung der gesetzlichen Systematik könne nicht mehr verwiesen werden.

8

Der Kläger beantragt,

        

das Urteil des [X.] vom 21. April 2015 sowie den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Würzburg vom 14. Juni 2011 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 25. Februar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. April 2010 zu verpflichten, dem Kläger ab dem 1. März 2010 monatlich Versorgungsbezüge in Höhe von 976,34 Euro zu gewähren.

9

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

Sie beruft sich auf das angefochtene Urteil, das sie für zutreffend hält.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision ist unbegründet (§ 170 Abs 1 [X.] SGG).

1. Als Streitgegenstand verbleibt nach dem zuletzt gestellten Revisionsantrag des [X.] allein noch der Bescheid vom [X.] in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.4.2010. Die Verfügungssätze dieses Bescheids enthalten drei gesonderte Regelungen. Er nimmt - erstens - in seinen Ziff [X.] und [X.][X.] die bisherige niedrigere Festsetzung des [X.] der Versorgungsbezüge des [X.] nach § 45 Abs 1 und 2 [X.] § 80 [X.] SVG und § 65 Abs 1 [X.] [X.] [X.] für die Zukunft (ab dem [X.]) zurück, erhöht von diesem Zeitpunkt an den [X.] (von 194 auf 291 Euro) und senkt entsprechend den monatlichen Zahlbetrag der Versorgungsbezüge auf 871 Euro ab. Der Bescheid stellt - zweitens - in Ziff [X.][X.][X.] den [X.] des [X.] nach § 48 Abs 1 S 2 [X.] X wegen Einkommensänderungen rückwirkend ab [X.] niedriger neu fest und ordnet - drittens - in Ziff [X.]V die Erstattung der überzahlten Beträge an. Bei der Neufestsetzung des [X.] im Verfügungssatz des Bescheids unter Ziff [X.] und [X.][X.], gegen die sich die Revision im [X.] richtet, handelt es sich um einen gesondert anfechtbaren Verwaltungsakt (; vgl [X.] vom 18.5.1971 - 9 RV 76/70 - Juris mwN; allg zum [X.] einer Ruhensregelung vgl [X.] vom 31.3.1998 - [X.] RA 49/96 R - [X.], 83 ff). Der Kläger wendet sich daher dagegen und gegen die Festsetzung des neuen [X.] seiner Versorgungsbezüge zulässigerweise mit einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage auf erneute Gewährung höherer Versorgungsbezüge, § 54 Abs 1 und 4, § 56 SGG. Die Anfechtungsklage des [X.] richtet sich dabei zugleich gegen die in Ziff [X.]V des Bescheids durch Verweis auf die Bescheidanlage geregelte Rückzahlungsverpflichtung, soweit sie aus der von ihm angegriffenen Erhöhung des [X.] folgt. Sie umfasst dagegen nicht die rückwirkende Neufestsetzung des [X.] in Ziff [X.][X.][X.] des Bescheids wegen Einkommensänderungen, weil der Kläger dagegen nichts (mehr) einzuwenden hat.

2. Die beklagte [X.] ist passivlegitimiert. [X.]m Berufungsverfahren ist auf der [X.]nseite ein [X.] kraft Gesetzes eingetreten (zur Zulässigkeit [X.] Urteil vom 17.4.2013 - [X.] V 1/12 R - [X.] 4-3800 § 1 [X.]0 = [X.], 205). Der zunächst beklagte Träger der [X.] ([X.]) ist aus dem Verfahren ausgeschieden und die [X.], vertreten durch das [X.], im Wege einer Funktionsnachfolge in das Verfahren eingetreten (s hierzu ausführlich [X.] vom 18.11.2015 - [X.] V 1/15 R - [X.] 4-3100 § 62 [X.] Rd[X.] 13, 14).

3. Der Kläger hat keinen Anspruch auf erneute Gewährung höherer Versorgungsleistungen gegen die [X.] nach § 80 [X.] SVG iVm §§ 30, 31 [X.] ab dem [X.], weil die Erhöhung des [X.] von 194 Euro auf 291 Euro in Ziff [X.] und [X.][X.] des Bescheids vom [X.] rechtmäßig war.

a) Rechtgrundlage für die Erhöhung des [X.] ist § 45 SGB X iVm § 65 Abs 1 [X.] [X.] [X.]. Nach § 45 Abs 1 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückgenommen werden. Dies gilt auch für Zuungunsten-Korrekturen im laufenden Widerspruchsverfahren (vgl [X.], 274 = BSG [X.] 3-1500 § 85 [X.] 1). Ein solcher begünstigender Verwaltungsakt war aus der Regelungsperspektive des Bescheides vom [X.] insoweit der Bescheid vom [X.], der die Höhe der Versorgungsbezüge des [X.] neu festgestellt hat. Diese Festsetzung war teilweise rechtswidrig. Nach den für den [X.] nach § 163 SGG bindenden Feststellungen des [X.] hatte die Berechnung des bisherigen [X.] von 194 Euro nach § 65 Abs 1 [X.] [X.] [X.] zugunsten des [X.] irrtümlich noch einen Kinderzuschlag für seine Tochter in die Vergleichsgröße der (fiktiven) Bezüge nach allgemeinen beamtenrechtlichen Vorschriften eingestellt. Dadurch war der [X.] zu niedrig und die Höhe der Versorgungsbezüge entsprechend zu hoch festgesetzt worden.

Diese zu niedrige Festsetzung des [X.] erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis rechtmäßig. Wie die Vorinstanzen zu Recht angenommen haben, ist der [X.] nach § 65 Abs 1 [X.] [X.] [X.] auf die richtige Art und Weise, wenn auch mit einer falschen Rechengröße, festgesetzt worden; eine gesetzliche Grundlage für die vom Kläger verlangte Berechnung nach dem Nettopauschalprinzip, das seit dem Gesetz zur Verbesserung der Struktur der Leistungen nach dem [X.] ([X.] <[X.] 1990>) vom [X.] (BGBl [X.] 582) in § 30 Abs 6 bis 8 [X.] ergänzend und seit dem Gesetz zur Änderung des [X.]es und anderer Vorschriften des Sozialen Entschädigungsrechts ([X.]-Änderungsgesetz 2007 <[X.]ÄndG 2007>) vom 13.12.2007 (BGBl [X.] 2904) in § 30 Abs 6 [X.] ausschließlich dem [X.] zugrunde liegt (dazu näher unter [X.]), oder nach einer vergleichbaren Rechenformel existiert dagegen nicht.

Die Ruhensregelung verfolgt den Zweck, Doppelleistungen wegen derselben Ursache aus unterschiedlichen öffentlichen Kassen zu vermeiden (dazu [X.].). Da[X.] hat bereits im Jahre 1957 entschieden, dass es sich bei dem zum Ruhen zu bringenden Betrag um einen Bruttobetrag handelt (dazu [X.]). An dieser Rechtsprechung hält der [X.] fest (dazu [X.]). Verfassungsrechtliche Bedenken hegt der [X.] nicht (dazu [X.].).

[X.]. Nach § 65 Abs 1 [X.] [X.] [X.] ruht der Anspruch auf Versorgungsbezüge in Höhe des Unterschieds zwischen einer (fiktiven) Versorgung nach allgemeinen beamtenrechtlichen Bestimmungen und aus der (tatsächlich gezahlten) beamtenrechtlichen Unfallfürsorge, wenn beide Ansprüche auf derselben Ursache beruhen. Sinn und Zweck dieser gesetzlichen Vorschrift ist es, eine Doppelversorgung wegen derselben Ursache aus verschiedenen öffentlichen Kassen bzw aus öffentlichen Mitteln zu verhindern (s BT-Drucks [X.] 1/1333 [X.]; [X.] vom [X.] - [X.], 281; zuletzt [X.] vom 17.10.2013 - [X.] [X.]/12 R - [X.] 4-4200 § 11 [X.] 65 = [X.], 249). Dazu wird die [X.] nicht vollständig dem einen oder anderen System zugewiesen, sondern unter Aufrechterhaltung beider Ansprüche ein entsprechendes Ruhen der Ansprüche nach dem [X.] angeordnet ([X.], in [X.], Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, 1. Aufl 2012, § 65 [X.] Rd[X.] 7). Damit behält der Berechtigte zwar den Anspruch auf die Versorgungsleistung. Die jeweils fälligen Einzelleistungen werden aber sinngemäß durch die höheren Bezüge aus der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge als abgegolten angesehen (vgl [X.] vom 28.7.1972 - 8 RV 253/72 - [X.] [X.] 1 zu § 14 [X.] zu § 33 [X.]).

[X.] Bereits mit Urteil vom [X.] hat da[X.] entschieden, dass der Unterschied zwischen einer Versorgung nach allgemeinen beamtenrechtlichen Bestimmungen und aus der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge der von der Behörde festzusetzende Bruttobetrag ist, um den das Ruhegehalt nach allgemeinen beamtenrechtlichen Bestimmungen überschritten wird ([X.] vom [X.] - [X.], 281). Das Gericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, unter Zugrundelegung eines [X.] wäre der [X.] von Umständen abhängig, die in diesem Zusammenhang keine Bedeutung gewinnen dürften, nämlich von der Höhe der Einkommensteuer, die bei den einzelnen Anspruchsberechtigten je nach ihrem Familienstand, der Anzahl der Kinder und dem steuerfreien Betrag verschieden hoch ist. Wenn sich aus der vom Gesetzgeber durch § 65 Abs 1 [X.] [X.] [X.] getroffenen Regelung im Einzelfall Härten ergäben, so seien die Gerichte nicht in der Lage, diese auszugleichen. Das sei vielmehr eine Angelegenheit der Gesetzgebung.

[X.] An dieser Rechtsprechung hält der [X.] weiterhin fest. Wie das [X.] zutreffend angenommen hat, enthält § 65 [X.] nach wie vor keine gesetzliche Grundlage für die Umrechnung der Versorgungsbezüge des [X.] in Nettobeträge.

Der Wortlaut des § 65 [X.] sieht keine solche Umrechnung vor. § 65 [X.] regelt das Ruhen von Ansprüchen auf Versorgungsbezüge. Anspruch meint hier das Recht des Versorgungsempfängers, die Zahlung regelmäßig wiederkehrender Geldleistungen zu verlangen (vgl [X.] vom 18.9.2003 - [X.] V 10/02 R - [X.], 211). Als Teil der [X.] iS der §§ 29 ff [X.] bildet der [X.] nur eine (mögliche) Art eines Versorgungsbezugs. Schon deshalb vermag die allein auf den [X.] zugeschnittene Argumentation des [X.] in Bezug auf § 65 [X.] nicht zu überzeugen. Zudem hängt die Höhe des Anspruchs auf Zahlung von Versorgungsbezügen gegen deren Schuldner nicht davon ab, ob und wieviel Steuern darauf abzuführen sind. Ein solcher Steuerabzug geschieht in Erfüllung der Steuerpflicht des Versorgungsempfängers gegenüber dem Fiskus, schmälert aber nicht seinen Anspruch auf Geldleistungen gegen den Schuldner der Versorgungsbezüge. § 65 [X.] meint daher nach seinem Wortlaut [X.] unbeschadet etwaiger Steuerabzüge.

Die Gesetzessystematik steht der vom Kläger geforderten Umrechnung in Nettobeträge ebenfalls entgegen. § 65 [X.] verweist auf keine [X.], insbesondere nicht auf § 30 Abs 6 bis 8 [X.]. Anhaltspunkte für eine planwidrige Gesetzeslücke als Voraussetzung für eine analoge Anwendung entsprechender Vorschriften sind nicht ersichtlich. Der Verzicht auf eine Umrechnung in Nettobeträge entspricht vielmehr der sonstigen gesetzlichen Systematik der [X.]. Dies zeigt etwa die im Fall des [X.] neben § 65 [X.] gleichfalls anwendbare Ruhensvorschrift des § 30 Abs 13 [X.] [X.]. Danach ruht der Anspruch auf [X.] in Höhe des durch die Erhöhung der Grundrente nach § 31 Abs 1 [X.] [X.] erzielten Mehrbetrags, wenn die Grundrente wegen besonderer beruflicher Betroffenheit erhöht worden ist. Auch diese Vorschrift ordnet weder eine Umrechnung des genannten Mehrbetrags an, noch verweist sie auf andere [X.].

Schließlich lässt sich eine Berechnung anhand von Nettobeträgen entgegen der Ansicht des [X.] auch nicht aus der Gesamtsystematik des [X.], speziell der Einführung des Nettopauschalsystems im Rahmen des [X.] im Jahr 1990, ableiten. Der bereits mit Wirkung zum 1.6.1960 in das [X.] eingefügte [X.] (BGBl [X.] 453) soll einen durch Schädigungsfolgen bedingten Verlust an Erwerbseinkommen in generalisierter und pauschalierter Form ausgleichen ([X.], [X.]O, § 30 [X.] Rd[X.]1; [X.], [X.], 1996, [X.]). Der Einkommensverlust bemisst sich nach § 30 Abs 3 ff [X.] anhand eines Vergleichs des tatsächlichen Einkommens und des Einkommens, das ohne die Schädigung erzielt worden wäre. Seine Ermittlung erfolgte ursprünglich nach der [X.] (§ 30 Abs 4 und Abs 5 [X.]). Danach errechnete sich ein Einkommensverlust in Höhe von 42,5 % des [X.] zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit und dem höheren Bruttoeinkommen, dass der Betroffene als Unbeschädigter erzielt hätte (Vergleichseinkommen). Mit dem [X.] 1990 ([X.]O) ist dieser Berechnungsmethode ergänzend die Nettoschadensberechnung zur Seite gestellt worden (§ 30 Abs 6 bis 8 [X.]). [X.] ist danach der Nettobetrag des Vergleichseinkommens abzüglich des Nettoeinkommens aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit, der Ausgleichsrente und des [X.], wobei beide Einkommen jeweils pauschal aus dem [X.] (§ 30 Abs 7 [X.]) und dem derzeitigen Bruttoeinkommen (§ 30 Abs 8 [X.]) ermittelt werden. Die Gesetzesänderung verfolgte das Ziel, eine bisherige Unterversorgung von noch erwerbstätigen Beschädigten zu vermeiden (BT-Drucks 11/5831 [X.]). Entsprechend wurde der [X.] nach dem Nettoprinzip errechnet, wenn dies für den Beschädigten günstiger war (§ 30 Abs 3 [X.] letzter Halbsatz).

Dieses Nebeneinander von zwei Berechnungsmethoden ist mit dem [X.]ÄndG 2007 ([X.]O) weitgehend abgeschafft worden. Demnach gilt für erstmalig nach dem 21.12.2007 gestellte Anträge ausschließlich das Nettoprinzip (§ 30 Abs 6 [X.]); in allen anderen Fällen trifft die zuständige Behörde letztmalig zum Stichtag 21.12.2007 eine Günstigkeitsfeststellung und legt damit die für die Zukunft anzuwendende Berechnungsart auf Dauer fest (§ 30 Abs 10 [X.]).

Die geschilderte Entwicklung hin zur Einführung der Nettoschadensberechnung beim [X.] tangiert die Berechnung des [X.] nach § 65 [X.] jedoch nicht. Sie lässt keine grundlegende Änderung der gesetzlichen Systematik der Versorgungsansprüche an sich erkennen. Vielmehr ersetzt der [X.] wie gezeigt seit jeher, und das übergeht die Argumentation der Revision, auch bei Anwendung der [X.] nur einen Teil der Differenz zwischen aktuellem oder früheren Einkommen und dem Vergleichseinkommen. Eine das Begehren des [X.] stützende Regelungsabsicht lässt sich auch nicht den jeweiligen Gesetzesbegründungen der entsprechenden Gesetzesentwürfe zum [X.] 1990 (BT-Drucks 11/5831 [X.]) und [X.]ÄndG 2007 (BT-Drucks 16/6541 [X.]) ableiten. Gleiches gilt für das Gesetz zur Änderung des [X.]es und anderer Vorschriften vom 20.6.2011 (BT-Drucks 17/5311). Soweit es nach Ansicht des [X.] bei der Ermittlung des [X.] ohnehin keines Rückgriffs auf § 65 [X.] bedarf, findet dieser Rechenweg im Gesetz erst recht keine Stütze.

[X.]. Die aufgezeigte Berechnung nach Bruttobeträgen unterliegt keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Sie trägt den unterschiedlichen familien- und steuerrechtlichen Besonderheiten der einzelnen Anspruchsberechtigten im Hinblick auf Art 3 Abs 1 GG am ehesten Rechnung ([X.] vom [X.] - [X.], 281, 286 = Juris Rd[X.] 18) und berührt entgegen der Rechtsauffassung des [X.] auch nicht den Wesensgehalt der Eigentumsgarantie (Art 14 GG). Ungeachtet dessen, ob Ansprüche nach dem [X.] überhaupt unter die Eigentumsgarantie des Art 14 GG fallen, ist dieses Grundrecht schon deshalb nicht verletzt, weil § 65 Abs 1 [X.] den Versorgungsanspruch nicht beschränkt, sondern im Wesentlichen nur eine Regelung für die Schadensbemessung und Schadensverteilung beinhaltet (vgl [X.] vom 26.9.1968 - 10 RV 858/64 - [X.] [X.] 9 zu § 65 [X.] = Juris Rd[X.] 41).

b) War demnach die Festsetzung des [X.] auf weniger als 291 Euro vor dem [X.] rechtswidrig, weil ihr zwar der richtige Rechenweg, aber - wegen der irrtümlichen Berücksichtigung eines Familienzuschlags - eine falsche Rechengröße zugrunde lagen, durfte sie gemäß § 45 Abs 1 iVm Abs 2 [X.] mit Wirkung für die Zukunft zurückgenommen werden. Die [X.] des § 45 Abs 3 [X.] ist eingehalten, weil der Bescheid vom [X.] bereits mit Bescheid vom [X.] aufgehoben worden ist. Vertrauensschutz steht der Rücknahme nicht entgegen. Eine Anwendung der das Vertrauen ausschaltenden Tatbestände des § 45 Abs 2 S 3 SGB X scheidet aus, ebensowenig spricht umgekehrt im Wege der Regelvermutung für ein schützenswertes Vertrauen aus § 45 Abs 2 S 2 [X.] Auch ein iS von § 45 Abs 2 [X.] aus anderen Gründen überwiegendes schutzwürdiges Vertrauen des [X.], zukünftig weiter von der rechtswidrigen Festsetzung eines zu niedrigen [X.] zu profitieren, haben die [X.]en und die Vorinstanzen zutreffend verneint. Dagegen und gegen die von der [X.] auf der Grundlage dieser zutreffenden Vertrauensschutzprüfung angestellten Ermessenerwägungen (vgl [X.] vom 9.12.1998 - [X.] V 41/97 R - Juris) zugunsten der Rücknahme hat die Revision Bedenken weder vorgebracht noch sind sie sonst ersichtlich.

4. Damit ist auch die daraus resultierende korrekte Neufestsetzung des [X.] nach § 65 Abs 1 [X.] [X.] [X.] in Höhe von 291 Euro nicht zu beanstanden. Sie verletzt den Kläger ebensowenig in seinen Rechten wie die daraus rechnerisch folgende Absenkung des [X.] der Versorgungsbezüge auf 871 Euro, wie sie Ziff [X.][X.] des angefochtenen Bescheids vornimmt.

5. Dasselbe gilt für die in Ziff [X.]V des angefochtenen Bescheids geregelte Rückzahlungsverpflichtung, soweit diese noch von der Revision angegriffen wird, weil sie auf einer nach Erhöhung des [X.] noch erfolgten Überzahlung der Versorgungsbezüge des [X.] in Höhe von 101 Euro beruht. Da der Kläger jedenfalls aufgrund der vorangegangenen Anhörung mit Schreiben der [X.] vom [X.] wusste bzw zumindest wissen konnte, dass ihm diese insoweit ohne bescheidmäßige Grundlage erfolgte Überzahlung nicht mehr zustand und er sich deshalb auf Vertrauensschutz nicht berufen konnte, durfte der [X.] die Überzahlung nach § 50 Abs 1 SGB X, aber auch nach § 50 Abs 2 iVm § 45 Abs 1 iVm Abs 2 S 3 [X.] X zurückfordern (vgl [X.] vom [X.] - 11a RA 2/85 - [X.] 1300 § 45 [X.]6 = BSGE 60, 239 ff).

6. [X.] beruht auf § 193 SGG.

Meta

B 9 V 4/15 R

16.03.2016

Bundessozialgericht 9. Senat

Urteil

Sachgebiet: V

vorgehend SG Würzburg, 14. Juni 2011, Az: S 5 VS 8/10, Gerichtsbescheid

§ 65 Abs 1 S 1 Nr 2 BVG, § 30 Abs 6 BVG, § 30 Abs 7 BVG, § 30 Abs 8 BVG, § 30 Abs 13 S 1 BVG, § 31 Abs 1 S 1 BVG, KOVStruktG 1990, BVGÄndG 2007, § 27 SVG, § 80 S 1 SVG, § 36 BeamtVG, § 45 Abs 1 SGB 10, § 45 Abs 2 S 1 SGB 10, § 45 Abs 2 S 2 SGB 10, § 45 Abs 2 S 3 Nr 3 SGB 10, § 50 Abs 1 SGB 10, § 50 Abs 2 SGB 10, Art 3 Abs 1 GG, Art 14 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 16.03.2016, Az. B 9 V 4/15 R (REWIS RS 2016, 14405)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 14405

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