Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.04.2007, Az. VIII ZR 223/06

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2007, 4376

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES [X.] ZR 223/06 Verkündet am: 4. April 2007 Kirchgeßner, Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja BGB §§ 126, 550, 573 Abs. 2 Nr. 2 Ein Verzicht des Vermieters auf das Recht, das Wohnraummietverhältnis wegen [X.] zu kündigen, bedarf - wie der gesamte Mietvertrag - gemäß § 550 Satz 1 BGB der Schriftform, wenn der Verzicht für mehr als ein Jahr gelten soll. [X.], Urteil vom 4. April 2007 - [X.] - [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat im schriftlichen Verfahren mit Schriftsatzfrist bis zum 9. März 2007 durch den Vorsitzenden [X.], [X.] [X.] und [X.] sowie [X.]innen [X.] und [X.] für Recht erkannt: Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des [X.], 17. Zivilkammer, vom 20. Juli 2006 in der [X.] des [X.] vom 18. August 2006 wird [X.]. Die Beklagten tragen die Kosten des Revisionsverfahrens. Von Rechts wegen
Tatbestand: Durch den Kauf des [X.]

straße
in [X.]

traten die Kläger als Vermieter in den von den Beklagten als Mieter mit der Vor-eigentümerin geschlossenen Mietvertrag vom 21. November 1991 über eine Dreizimmerwohnung ein. In § 27 des Mietvertrags mit der Überschrift "Sonstige Vereinbarungen" ist eingetragen: "- siehe Anlagen -". 1 Die Kläger sprachen mit Schreiben vom 26. August 2002 und vom 31. August 2004 gegen die Beklagten die ordentliche Kündigung des [X.] jeweils zum Ablauf des nächsten Jahres aus. Daneben erklärten sie mit Schreiben vom 29. Januar 2004 und 26. Juli 2004 fristlose Kündigungen des 2 - 3 - Mietverhältnisses. Die ordentlichen Kündigungen begründeten die Kläger mit Eigenbedarf ihrer erwachsenen Tochter. 3 Die Beklagten widersprachen den Kündigungen und bestritten die Rich-tigkeit der zur Begründung der Kündigungen vorgetragenen Tatsachen. [X.] der Kündigungen wegen Eigenbedarfs berufen sich die Beklagten auf die von ihnen vorgelegte Version der Anlage zu § 27 des Mietvertrags, die unter anderem folgenden Satz enthält: "12. Auf eine Kündigung wegen Eigenbedarf wird verzichtet". Demgegenüber behaupten die Kläger, die von ihnen in den Rechtsstreit eingeführte Version der Anlage zu § 27 des Mietvertrags, die keine Bestimmung zu einer Kündigung wegen Eigenbedarfs enthält, sei von den [X.] in den Mietvertrag einbezogen worden. 4 Bei beiden von den Parteien vorgelegten Versionen der Anlage zu § 27 des Mietvertrags handelt es sich jeweils um ein einzelnes, loses Blatt mit der Überschrift "§ 27 - Sonstige Vereinbarungen" ohne weitere Hinweise auf ein bestimmtes Mietverhältnis und ohne Unterschriften oder Paraphen. 5 Das Amtsgericht hat die Klage auf Räumung und Herausgabe der von den Beklagten gemieteten Wohnung abgewiesen. Auf die Berufung der Kläger hat das [X.] die Beklagten zur Räumung und Herausgabe der Wohnung verurteilt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehren die Beklagten die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. 6 - 4 - Entscheidungsgründe: [X.] 7 Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt: 8 Die Kündigung vom 26. August 2002 wegen Eigenbedarfs der Tochter der Kläger sei wirksam. Dabei könne dahinstehen, welchen Inhalt die gemäß § 27 des Mietvertrags vorgesehene Anlage habe. Denn selbst wenn sie in der von den Beklagten vorgelegten Version vereinbart worden sei, fehle es ihr an der für die Wirksamkeit erforderlichen Schriftform gemäß § 550 BGB (§ 566 BGB aF), weil sie weder mit dem Mietvertrag verbunden noch unterzeichnet sei, noch im Text auf den Hauptvertrag Bezug nehme. Die Kündigung wegen Eigenbedarfs sei daher vertraglich nicht ausge-schlossen gewesen und auch im Übrigen formell ordnungsgemäß erklärt [X.]. Der Eigenbedarf der Kläger sei nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nachgewiesen, das Räumungsverlangen somit berechtigt. 9 I[X.] Das Berufungsurteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist. 10 Die Kläger haben das Mietverhältnis wirksam gemäß § 573 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 2 BGB wegen Eigenbedarfs gekündigt. 11 Die Kündigung wegen Eigenbedarfs ist zwischen den [X.] nicht ausgeschlossen worden, so dass auch die Kläger als Erwerber des Grundstücks nicht gemäß § 566 BGB einer Beschränkung der Kündigung we-gen Eigenbedarfs unterliegen. 12 - 5 - Soll ein Kündigungsausschluss für längere [X.] als ein Jahr gelten, so ist hierfür Schriftform erforderlich (§ 550 Satz 1 BGB). Wird die Schriftform nicht eingehalten, so ist das Mietverhältnis ohne Beachtung der [X.], frühestens zum Ablauf eines Jahres nach Überlassung des [X.], kündbar (§ 550 Satz 2 BGB). Das ist hier der Fall. 13 14 1. Zu Recht geht das Berufungsgericht davon aus, dass eine Vereinba-rung über den Ausschluss der Kündigung wegen Eigenbedarfs für mehr als ein Jahr der Schriftform des § 550 BGB bedarf. a) Nach einer Ansicht ist die vertragliche Regelung allerdings dann nicht formbedürftig, wenn der Vermieter lediglich auf bestimmte Kündigungsgründe, wie beispielsweise die Kündigung wegen Eigenbedarfs nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB, verzichtet, weil sich nur ein genereller Kündigungsverzicht unmittelbar auf die Dauer des Mietverhältnisses auswirke ([X.] 1978, 54; Bub/[X.]/Heile, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl., [X.]. 730). Wenn nur das Kündigungsrecht einer Partei ausgeschlossen werde, handele es sich nicht um die Befristung eines Vertrags, so dass keine Schrift-form erforderlich sei (Sternel, Mietrecht, 3. Aufl., [X.]. 60). 15 b) Nach anderer Ansicht, der sich auch das Berufungsgericht ange-schlossen hat, genügt bereits der Ausschluss lediglich bestimmter Kündigungs-gründe, etwa wegen Eigenbedarfs, um die [X.] zu bejahen ([X.] 1991, 498; [X.], 895; Sonnenschein, [X.], 1, 8 f. m.w.N.). Die Schriftform sei nach dem Sinn und Zweck des § 550 BGB auch für den eingeschränkten, einseitigen Kündigungsverzicht erforder-lich. 16 c) Letztere Ansicht trifft zu. Die Gegenmeinung ist nicht mit dem Sinn und Zweck von § 550 BGB vereinbar. § 550 BGB, der im Wesentlichen unverändert 17 - 6 - § 566 BGB aF entspricht, verfolgt vor allem den Zweck, es dem Grundstücks-erwerber, der in einen bestehenden Mietvertrag eintritt, zu erleichtern, sich über den Umfang der auf ihn übergehenden Bindungen zu unterrichten ([X.] 136, 357, 370; [X.] 52, 25, 28). Hauptzweck des Schriftformerfordernisses (neben Warn- und Beweisfunktion) ist also der Schutz des Informationsinteresses eines potentiellen Grundstückserwerbers (Bub/[X.]/Heile, aaO, [X.]. 726). Dies gilt auch im Fall des - eingeschränkten - Kündigungsverzichts we-gen Eigenbedarfs. Ohne Einhaltung der Schriftform würde dem Erwerber [X.] die Beschränkung des Kündigungsrechts nicht zur Kenntnis gelangen, obwohl gerade der Erwerber von Wohnraum nicht selten ein gesteigertes Interesse an dem Sonderkündigungsrecht haben wird. Für den Erwerber ist - worauf die Revisionserwiderung zutreffend hinweist - nicht nur ein genereller Kündigungsausschluss von entscheidender Bedeutung, sondern auch eine wesentliche Kündigungsbeschränkung, die auf Dauer gilt. Der [X.] der Eigenbedarfskündigung stellt eine nicht unwesentliche Einschrän-kung des verfassungsrechtlich geschützten Eigentums (Art. 14 GG) des Erwer-bers dar. 18 2. Das Berufungsgericht hat entgegen der Ansicht der Revision auch nicht die Anforderungen an die Wahrung der Schriftform gemäß § 126 BGB ver-kannt. 19 Wenn die Vertragschließenden wesentliche Bestandteile des [X.] - dazu gehört hier der Verzicht auf die Eigenbedarfskündigung - nicht in die Vertragsurkunde selbst aufnehmen, sondern in andere Schriftstücke ausla-gern, so dass sich der Gesamtinhalt der mietvertraglichen Vereinbarung erst aus dem Zusammenspiel dieser "verstreuten" Bestimmungen ergibt, muss zur Wahrung der Urkundeneinheit die Zusammengehörigkeit dieser Schriftstücke in 20 - 7 - geeigneter Weise zweifelsfrei kenntlich gemacht werden ([X.], Urteil vom 15. November 2006 - [X.], [X.], 127, unter 2 c). Das ist hier nicht geschehen. Die Zusatzvereinbarung - gleich in welcher der von den [X.] vorgelegten Versionen - ist weder mit dem Mietvertrag verbunden noch unterzeichnet worden und nimmt im Text nicht auf den Hauptvertrag Bezug. Eine zweifelsfreie Zuordnung einer der Anlagen zur Haupturkunde des [X.] ist nach den zutreffenden Feststellungen des Berufungsgerichts damit nicht gegeben. Der bloße Hinweis in § 27 des Mietvertrags auf nicht näher bezeichnete "Anlagen" reicht entgegen der Auffassung der Revision zur Wahrung der Schriftform nicht aus. Zu Unrecht beruft sich die Revision für ihre abweichende Auffassung auf die Entscheidung des [X.] vom 18. Dezember 2002 ([X.], [X.], 1248, unter 2 a). Mit dem von der Revision aus dem Zusammenhang gerissenen Satz, für den Schutzzweck des § 566 BGB aF reiche es aus, dass ein späterer Grundstückserwerber durch die [X.] im Hauptvertrag auf die Existenz einer Anlage hingewiesen werde, hat der [X.] in der genannten Entscheidung lediglich die Entbehrlich-keit einer ausdrücklichen Rückverweisung einer Anlage auf den Mietvertrag begründet, aber nicht ausgesprochen, der bloße Hinweis auf Anlagen zum Mietvertrag genüge bereits dem Schriftformerfordernis. 21 - 8 - 3. Soweit das Berufungsgericht das Vorliegen der tatsächlichen Gründe für die Eigenbedarfskündigung der Kläger festgestellt hat, erhebt die Revision keine Rüge. Rechtsfehler sind insoweit nicht ersichtlich. 22 Ball [X.] [X.] [X.] [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 22.11.2005 - 2 C 66/04 (19) - [X.], Entscheidung vom 20.07.2006 - 2/17 S 130/05 -

Meta

VIII ZR 223/06

04.04.2007

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.04.2007, Az. VIII ZR 223/06 (REWIS RS 2007, 4376)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 4376

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