Bundesgerichtshof, Urteil vom 15.01.2013, Az. II ZR 90/11

2. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 9009

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Gegenstand

Haftung der Vorstandsmitglieder einer Hypothekenbank: Pflichtwidriges Verhalten nach altem Recht durch Abschluss von Zinsderivategeschäften; Schadensersatzanspruch wegen entstandener Verluste und Anrechnung erzielter Gewinne


Leitsatz

1. Ein Organ, das Geschäfte betreibt, die vom Unternehmenszweck nicht gedeckt sind, handelt pflichtwidrig (Anschluss an BGH, 5. Oktober 1992, II ZR 172/91, BGHZ 119, 305, 332).

2. Der Abschluss von Zinsderivategeschäften, die nicht der Absicherung von Zinsrisiken aus dem Hauptgeschäft oder dem zulässigen Nebengeschäft einer Hypothekenbank dienten, war bis zum 30. Juni 2002 vom Unternehmensgegenstand einer Hypothekenbank nicht gedeckt und ein für eine Hypothekenbank unzulässiges Spekulationsgeschäft.

3. Wenn aus einer Reihe gleichartiger unzulässiger Spekulationsgeschäfte durch ein Organ sowohl Gewinne als auch Verluste entstehen, muss sich die Gesellschaft auf einen Schadensersatzanspruch wegen der entstandenen Verluste grundsätzlich die Gewinne anrechnen lassen.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 5. Zivilsenats des [X.] vom 22. März 2011 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Beklagten waren Vorstände der Klägerin, einer Aktiengesellschaft. Gegenstand des Unternehmens war nach § 2 Abs. 1 der Satzung der Klägerin der Betrieb einer Hypothekenbank im Sinne des [X.]. Zwischen dem 1. Januar 2001 und dem 30. Juni 2002 ging die Klägerin auf Entscheidung der Beklagten hin [X.], u.a. [X.] und [X.] ein, deren Volumen das Volumen der originären Hypothekenbankgeschäfte ([X.]) der Klägerin weit überstieg.

2

Prüfungen durch das [X.] gem. § 44 KWG kamen zu dem Ergebnis, dass für einen für das [X.] drohenden Verlust in Höhe von 436,1 Mio. € keine Rückstellungen bei der Klägerin gebildet worden waren und auch für drohende Verluste im Jahr 2002 Rückstellungen fehlten. Die Hauptaktionäre der Klägerin mussten daraufhin Kapital zuführen.

3

Ein Gutachten im Rahmen einer Prüfung nach § 111 Abs. 2 Satz 2 AktG kam zu dem Ergebnis, dass sich bei den [X.] in den sogenannten [X.] erhebliche Aktivüberhänge und bei den derivativen Zinsgeschäften in der Mehrzahl der Laufzeitbänder Passivüberhänge ergaben. Im Vergleich zu den Überhängen aus den [X.]n würden die Überhänge aus den derivativen Zinsgeschäften insbesondere in den [X.] 2001 bis 2012 wesentlich stärkere Schwankungen aufweisen, die Gesamtzinsbildungsbilanz der Klägerin weise außergewöhnlich hohe Überhänge aus. Das verstoße gegen die Vorschriften des [X.] ([X.]) und den Willen des Gesetzgebers, [X.] nur zur Schließung oder Verminderung offener Positionen im Hauptgeschäft einsetzen zu dürfen, nicht aber zur Erzielung von Einzelhandelserfolgen.

4

Mit der Klage hat die Klägerin von den Beklagten als Gesamtschuldnern die Zahlung von [X.] verlangt und die Feststellung begehrt, dass die Beklagten verpflichtet sind, ihr den Schaden zu ersetzen, der ihr aus im Einzelnen bezeichneten, im Zeitraum von 1. Januar 2001 bis 30. Juni 2002 geschlossenen und am 1. September 2004 noch nicht beendeten [X.] entstanden sei. Die Beklagten hätten entgegen § 5 [X.] unzulässige [X.] abgeschlossen. Aus 52 vorzeitig aufgelösten Geschäften habe die Klägerin Verluste in Höhe von 182.036.439,28 € im [X.] und von 68.423.041,67 [X.] erlitten.

5

Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Dagegen hat die Klägerin Berufung eingelegt und die Verurteilung zur Zahlung nach Hinweisen des Berufungsgerichts hilfsweise auf den erstrangigen Teil eines negativen Saldos in Höhe von 335.763.252,58 € aus Geschäften aufgrund eines Beschlusses des [X.] der Klägerin vom 23. April 2002 und eines Vorstandsbeschlusses vom 30. April 2002 gestützt, in zweiter Linie hilfsweise auf den erstrangigen Teil eines negativen Saldos von 528.212.526,91 € aufgrund von 65 Geschäften von sieben Geschäftstagen und hilfsweise in dritter Linie auf den erstrangigen Teil eines Schadensaldos von [X.] als des Saldos aller 215 in den Rechtsstreit eingeführter, unzulässiger Derivategeschäfte. Hilfsweise zu dem Feststellungsantrag hat sie die Verurteilung der Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 3.413.135.060,70 € verlangt und die Feststellung der Ersatzpflicht für Schäden aus zwei [X.].

6

Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg. Dagegen richtet sich die vom erkennenden Senat zugelassene Revision der Klägerin, mit der sie ihre Anträge aus der Berufungsinstanz weiter verfolgt.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung.

8

I. Das Berufungsgericht ([X.], Urteil vom 22. März 2011 - 5 U 29/06, juris) hat ausgeführt, die Klägerin habe hinsichtlich des in der Hauptsache gestellten [X.] und der ersten beiden Hilfsklagegründe einen Schaden nicht substantiiert dargelegt bzw. hinsichtlich des dritten und vierten Hilfsklagegrundes den Grund des erhobenen Anspruchs nicht hinreichend bestimmt. Hinsichtlich des [X.] habe sie nicht dargelegt, dass der Eintritt eines Schadens wahrscheinlich sei. Der dazu hilfsweise gestellte [X.] sei mangels hinreichender Bestimmtheit des [X.] unzulässig, für den Feststellungsantrag bezüglich zweier konkret genannter Derivategeschäfte fehle es an der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts.

9

Eine Vermögensminderung bei der Klägerin könne nicht mit dem isolierten Ergebnis eines einzelnen derivaten Geschäfts gleichgesetzt werden. Vielmehr sei das Ergebnis eines ganzen Pakets in den Blick zu nehmen, da nur der Saldo die vermögensrelevante Konsequenz der Entscheidung für den Abschluss von derivativen Geschäften darstelle. Dabei handele es sich nicht um einen Fall des Vorteilsausgleichs. Da die Entscheidung für die [X.] beim von den Beklagten praktizierten [X.] in Bezug auf das Gesamtrisiko getroffen würden, sei mit Rücksicht auf die Wechselwirkungen der [X.] mit dem Gesamtrisiko zu fordern, bei der Frage nach dem Schaden sämtliche Konsequenzen in den Blick zu nehmen. Der Entscheidung könne nicht zugrunde gelegt werden, dass die im Rahmen des [X.] praktizierten [X.] grundsätzlich unzulässig gewesen seien, weil die Beurteilung der Zulässigkeit des [X.] auch nach der Methode des [X.] erfolgen könne.

Zur Darlegung des Schadens sei in einem ersten Schritt erforderlich, dass die Klägerin für sämtliche Einzelabschlüsse vortrage, aufgrund welcher konkreten Entscheidung der Beklagten welche derivativen [X.] abgeschlossen worden seien, dann sei zu deren Beendigung vorzutragen und zu den Ergebnissen der auf den jeweiligen Entscheidungen der Beklagten beruhenden Geschäften, anschließend, ob sich bei einer Saldierung aller jeweils auf einer Einzelentscheidung beruhenden und von ihr umfassten derivaten Geschäfte („Pakete“) eine Zahlungsverpflichtung ergebe. Die [X.] würden durch die Beschlussfassung als natürliche Handlung miteinander verbunden.

Diesen Anforderungen an die Darlegungslast für einen negativen Saldo nach einzelnen Beschlussfassungen habe die Klägerin bis auf die Beschlüsse vom 1. August 2001 und 23. April 2002 nicht genügt. Ein Schaden sei damit aber noch nicht dargetan. Er liege nur vor, wenn aufgrund der Ergebnisse der genannten Pakete bei einem Vergleich mit der Vermögenslage der [X.], die sich ohne Abschluss dieser Geschäfte ergeben hätte, eine Vermögensminderung festzustellen wäre. Da im Rahmen des [X.] eine Einzelzuordnung von Sicherungsgeschäften nicht möglich sei, würden mit jeder Entscheidung alle bestehenden Geschäfte berücksichtigt und beeinflussten diese. Das Ergebnis einer einzelnen Entscheidung sei als Summe der Wertänderung und des [X.] der Gesamtheit aller Geschäfte, die noch im Bestand seien, zu messen. Daher könne ein Schaden der Klägerin nur darin bestehen, dass die Gesamtzinsbuchposition eine Verschlechterung erfahren habe. Eines gerichtlichen Hinweises habe es nicht bedurft. Da nach der Methode des [X.] die Entscheidung des Vorstands für die Derivategeschäfte zulässig gewesen sei, weil die maßgeblichen Risikokennzahlen reduziert worden seien, sei davon auszugehen, dass die Beklagten sich pflichtgemäß verhalten hätten.

Das Vorbringen der Klägerin biete auch keine Grundlage für eine Schätzung, weil im Rahmen des [X.] jeweils die [X.] und das Ergebnis des gesamten zinstragenden Geschäfts in den Blick genommen würden. In dieser Lage wäre eine Schätzung unzulässig, weil sie völlig in der Luft hinge.

II. Das Berufungsurteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Klägerin hat zu dem in der Hauptsache gestellten [X.] einen Schaden und hinsichtlich des [X.] die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts hinreichend substantiiert dargelegt.

1. Nach § 93 Abs. 2 Satz 1 [X.] hat die [X.] - ggf. mit der Erleichterung des § 287 ZPO - darzulegen und ggf. zu beweisen, dass ihr durch ein Verhalten des Vorstandsmitglieds in seinem [X.], das möglicherweise pflichtwidrig ist, ein Schaden entstanden ist; das Vorstandsmitglied hat dagegen nach § 93 Abs. 2 Satz 2 [X.] darzulegen und zu beweisen, dass es seine Pflichten nicht verletzt oder jedenfalls schuldlos gehandelt hat oder dass der Schaden auch bei einem rechtmäßigen Alternativverhalten eingetreten wäre ([X.], Urteil vom 22. Februar 2011 - [X.], [X.], 766 Rn. 17; Urteil vom 16. März 2009 - [X.], [X.], 860 Rn. 42; Urteil vom 4. November 2002 - [X.]/00, [X.]Z 152, 280, 283 ff.). Das schließt ggf. den Nachweis der Einhaltung seines - grundsätzlich weiten - unternehmerischen Ermessensspielraums ein (vgl. jetzt § 93 Abs. 1 Satz 2 [X.]; [X.], Urteil vom 4. November 2002 - [X.]/00, [X.]Z 152, 280, 284).

2. Die Klägerin hat einen Schaden und seine Verursachung durch ein möglicherweise pflichtwidriges Verhalten der Beklagten ausreichend dargelegt.

a) Die Klägerin hat ein möglicherweise pflichtwidriges Verhalten der Beklagten dargelegt. Sie hat vorgetragen, dass sie unter der Leitung der Beklagten näher bezeichnete [X.] abgeschlossen habe, die nicht als Neben- oder Hilfsgeschäfte der Absicherung von Zinsrisiken aus dem Hypothekenbankgeschäft dienten, und hat dies im Einzelnen ausgeführt. Der Abschluss von [X.]n, die nicht der Absicherung von Zinsrisiken aus dem Hauptgeschäft oder dem zulässigen Nebengeschäft einer Hypothekenbank dienten, war vom Unternehmensgegenstand der Klägerin, dem Betrieb einer Hypothekenbank, nicht gedeckt und ein für eine Hypothekenbank unzulässiges Spekulationsgeschäft. Ein Organ, das Geschäfte betreibt, die vom Unternehmenszweck nicht gedeckt sind, handelt pflichtwidrig (vgl. [X.], Urteil vom 5. Oktober 1992 - [X.], [X.]Z 119, 305, 332).

Eine Hypothekenbank durfte [X.] abschließen, wenn sie absichernden Charakter für die zulässigen Geschäfte hatten und das Verlustrisiko begrenzt blieb, dagegen nicht, wenn sie ausschließlich in Verbindung mit anderen Derivategeschäften standen oder ihr Umfang den Hypothekenbanken als Spezialinstituten gesetzte Grenzen überschritt ([X.]/[X.], [X.], 4. Aufl., § 5 Rn. 20). Hypothekenbanken durften nach § 5 Abs. 1 [X.] i.d.F. der Bekanntmachung vom 9. September 1998, [X.] I S. 2674 außer den in § 1 [X.] genannten Geschäften (Hauptgeschäfte) nur bestimmte Geschäfte betreiben, zu denen [X.] nicht zählten. Der Abschluss von [X.]n war nach § 5 Abs. 1 Nr. 4a [X.] (i.d.F. des Art. 11 Nr. 1 Buchst. a dd des Gesetzes zur weiteren Fortentwicklung des [X.] [Viertes Finanzmarktförderungsgesetz] vom 21. Juni 2002, [X.] I S. 2010) erstmals ab 1. Juli 2002 erlaubt, und zwar über Derivate im Sinne des § 1 Abs. 11 Satz 4 Nr. 1 bis 4 KWG mit geeigneten Kreditinstituten oder [X.] auf der Grundlage standardisierter Rahmenverträge. In § 5 [X.] a.F. nicht erwähnte Geschäfte waren zulässig, wenn sie sich im Zusammenhang mit der Ausführung der Hauptgeschäfte ergaben ([X.]/[X.], [X.], 4. Aufl., § 5 Rn. 8), also wenn sie einem Hauptgeschäft oder einem nach § 5 [X.] zulässigen Nebengeschäft dienten, das Risiko von Verlusten begrenzt war und das [X.] nicht aufgeweicht wurde ([X.]/[X.], [X.], 4. Aufl., § 5 Rn. 11).

b) Es war danach Sache der Beklagten, darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass die im Einzelnen von der Klägerin bezeichneten [X.] der Absicherung von Zinsrisiken aus dem Hauptgeschäft oder dem zulässigen Nebengeschäft dienten.

Die Entscheidung der Beklagten für den Abschluss von [X.]n im Rahmen eines [X.] allein macht ihr Verhalten nicht pflichtgemäß. Um die [X.] dem Hauptgeschäft der Klägerin als Neben- oder Hilfsgeschäfte zuzuordnen, musste zwar nicht einem bestimmten Geschäft oder Risiko jeweils ein Absicherungsgeschäft durch Zinsderivate zugeordnet werden (Micro-Hedging); vielmehr war bei umfassender Erfassung aller Einzelpositionen in richtiger Gewichtung sowie geeigneten Vorkehrungen im Bereich der Dokumentation und der internen Überwachung, die zu einer Risikoverminderung führen, auch ein [X.] zulässig ([X.]/[X.], [X.], 4. Aufl., § 5 Rn. 20), bei dem das gesamte Zinsänderungsrisiko abgesichert wird. Die im Rahmen eines solchen [X.] abgeschlossenen [X.] waren dann Neben- oder Hilfsgeschäfte, soweit das [X.] der Absicherung der Zinsänderungsrisiken aus dem Hauptgeschäft und zulässigen Nebengeschäften, aber nicht der selbständigen Gewinnerzielung diente.

Dass die einzelnen [X.] jeweils diesen Anforderungen genügten, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Soweit es zu den Vorstandsbeschlüssen vom 1. August 2001 und 23. April 2002 ausgeführt hat, für die Entscheidung wäre auf [X.] der Pflichtgemäßheit, auf der die Darlegungslast bei den Beklagten gelegen hätte, davon auszugehen gewesen, dass sich die Beklagten pflichtgemäß verhalten hätten, handelt es sich um hypothetische Erwägungen, die die erforderlichen tatrichterlichen Feststellungen nicht ersetzen können. Solche Feststellungen waren nicht entbehrlich, weil die Beurteilung, die Beklagten hätten sich pflichtgemäß verhalten, auf Befunden des von der Streithelferin der Beklagten vorgelegten Parteigutachtens beruhen, nach denen die beschlossenen Maßnahmen der Absicherung dienten und risikovermindernd waren. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist der in einem solchen Parteigutachten liegende Sachvortrag der Beklagten der Entscheidung nicht schon deshalb zugrunde zu legen, weil die Klägerin ihn schlicht bestritten und keine inhaltliche Auseinandersetzung stattgefunden habe. Da die Vorstandsmitglieder nicht nur darzulegen, sondern gegebenenfalls zu beweisen haben, dass sie ihre Pflichten nicht verletzt haben, konnte sich die Klägerin grundsätzlich auf ein Bestreiten beschränken.

c) Die Klägerin hat auch einen durch den Abschluss der - unterstellt pflichtwidrigen - [X.] verursachten Schaden dargelegt. Der Schaden ist durch einen Vergleich der infolge des [X.] tatsächlich eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die ohne jenes Ereignis eingetreten wäre, zu ermitteln (st. Rspr., vgl. nur [X.], Urteil vom 18. Januar 2011 - [X.], [X.], 529 Rn. 8 mwN). Die [X.] ist danach so zu stellen, als wäre das pflichtwidrige Geschäft nicht abgeschlossen worden (vgl. [X.], Beschluss vom 18. Februar 2008 - [X.], [X.], 736 Rn. 8). Da haftungsbegründend nach dem insoweit nach § 93 Abs. 2 Satz 2 [X.] ausreichenden Vortrag der Klägerin der Abschluss der einzelnen, von der Klägerin aufgelisteten [X.] war, entsprechen die aus den einzelnen Geschäften jeweils entstandenen Verluste der infolge dieser haftungsbegründenden Ereignisse jeweils eingetretenen Vermögensminderung.

Haftungsbegründendes Ereignis war der Abschluss des jeweiligen [X.]. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts scheiden Derivategeschäfte, bei denen die Klägerin nicht darlegen kann, dass sie auf einem konkreten Beschluss des Vorstands beruhen, als haftungsbegründende Ereignisse nicht von vorneherein aus. Vorstandsmitglieder verletzen ihre Pflichten nicht nur dann, wenn sie eigenhändig tätig werden oder Kollegialentscheidungen treffen, sondern auch, wenn sie pflichtwidrige Handlungen anderer Vorstandsmitglieder oder von Mitarbeitern anregen oder pflichtwidrig nicht dagegen einschreiten. Da die Einhaltung des [X.] beim Abschluss der [X.] nach dem auch insoweit ausreichenden Vortrag der Klägerin im Ausgangspunkt den [X.] aller Vorstandsmitglieder betraf, müssen sie sich auch hinsichtlich ihrer individuellen Verantwortlichkeit jeweils entlasten.

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts müssen zur Darlegung eines Schadens auch nicht die aufgrund eines Vorstandsbeschlusses abgeschlossenen Geschäfte saldiert werden, weil die Vorstandsentscheidung infolge des [X.] in Bezug auf das Gesamtrisiko getroffen worden sei. Ob eine Vorstandsentscheidung für einzelne oder mehrere [X.] in Bezug auf das gesamte Zinsänderungsrisiko zutreffend war, betrifft den Pflichtenverstoß durch den späteren Abschluss der jeweiligen [X.] und die haftungsrechtliche Verantwortlichkeit der einzelnen Vorstandsmitglieder, nicht die Entstehung eines Schadens.

Erst recht überspannt das Berufungsgericht die Anforderungen an die Darlegung eines Schadens, soweit es von der Klägerin verlangt, darüber hinaus die nachteiligen Auswirkungen der nach den Vorstandsbeschlüssen abgeschlossenen [X.] auf die Gesamtzinsbuchposition vorzutragen. Dass die Vorstandsbeschlüsse im Rahmen eines [X.] gefasst wurden, macht weder die Gesamtzinsbuchposition zur geschützten [X.] noch vermag es sämtliche verbotenen Geschäfte zu einem einheitlichen haftungsbegründenden Ereignis zu verknüpfen.

d) Die Klägerin musste zur Darlegung ihres Schadens schließlich nicht einen [X.] aus Verlusten und Gewinnen aller [X.] bilden. Die Darlegungs- und Beweislast für anzurechnende Gewinne liegt bei den Beklagten.

aa) Wenn aus einer Reihe gleichartiger unzulässiger Spekulationsgeschäfte durch ein Organ sowohl Gewinne als auch Verluste entstehen, muss sich die [X.] auf ihren Schadensersatzanspruch wegen der entstandenen Verluste grundsätzlich die Gewinne anrechnen lassen ([X.], [X.], 1204, 1210; [X.] in [X.]/Stilz, [X.], 2. Aufl., § 93 Rn. 39; [X.]/[X.], GmbHG, 2. Aufl., § 43 Rn. 212; [X.]/[X.], GmbHG, § 43 Rn. 94; [X.]/[X.], [X.], 12. Aufl., Vor § 249 Rn. 233; [X.]/[X.], Schadensersatz, 3. Aufl., [X.]). Das folgt aus einer entsprechenden Anwendung der Grundsätze der Vorteilsausgleichung. Die Grundsätze der Vorteilsausgleichung sind auf den Schadensersatzanspruch nach § 93 Abs. 2 [X.] anzuwenden ([X.], Urteil vom 20. September 2011 - [X.], [X.], 2097 Rn. 31). Danach sind Vorteile bei der Berechnung des Schadens zu berücksichtigen, soweit ein haftungsbegründendes Ereignis zu adäquat kausalen Vorteilen für den Geschädigten geführt hat und deren Anrechnung nach Sinn und Zweck der Schadensersatzpflicht entspricht, d.h. den Geschädigten nicht unzumutbar belastet und den Schädiger nicht unbillig begünstigt (st. Rspr., vgl. [X.], Urteil vom 12. November 2009 - [X.], [X.], 675 Rn. 9 mwN).

Gewinne aus den in gleicher Weise pflichtwidrig abgeschlossenen [X.]n können daher auf den Schadensersatzanspruch wegen einzelner verlustbringender [X.] anzurechnen sein. Zwar beruhen Vorteile und Nachteile auf unterschiedlichen haftungsbegründenden Ereignissen, so dass kein unmittelbarer Kausalzusammenhang zwischen den [X.] und den Geschäften mit Gewinn besteht. Das Gebot der Vorteilsausgleichung beruht aber unter anderem auf dem Bereicherungsverbot. Die [X.] soll sich nicht aufgrund eines Fehlers der [X.]er auf deren Kosten bereichern ([X.], Urteil vom 20. September 2011 - [X.], [X.], 2097 Rn. 31). Die [X.] verhielte sich treuwidrig und widersprüchlich, wenn sie das [X.] für einen Fehler ersatzpflichtig macht, aber den Gewinn behält, wenn das Organ den gleichen Fehler erneut begeht. Dass sich ein haftungsbegründendes Ereignis nach einer ersten fehlerhaften Entscheidung wiederholt, ist bei [X.] wie dem [X.] nicht selten und rechtfertigt es, gleichartige unzulässige Geschäfte hinsichtlich der Anrechnung von Vorteilen miteinander zu verknüpfen. Eine solche Anrechnung von Gewinnen auf Verluste belastet die [X.] nicht unzumutbar und begünstigt das Organ nicht unbillig. Sie entspricht auch der gesetzlichen Wertung für einen unberechtigten Geschäftsführer, der ohne Auftrag handelt (vgl. [X.], [X.], 2012, [X.]). Dieser schuldet zwar Schadensersatz (§ 678 [X.]), kann aber auch eine Bereicherung des Geschäftsherrn herausverlangen, § 684 Satz 1 [X.]. Das Organ, das pflichtwidrig Geschäfte außerhalb des [X.] abschließt, ähnelt insoweit einem unberechtigt ohne Auftrag handelnden Geschäftsführer.

Dagegen sind Gewinne aus pflichtgemäß abgeschlossenen [X.]n nicht anzurechnen. Der Verlust aus solchen Geschäften trifft die [X.], der auch die Gewinne zustehen müssen.

bb) Die Darlegungs- und Beweislast für anzurechnende Gewinne tragen aber die Beklagten. Der Ersatzpflichtige ist für die dem Geschädigten zugeflossenen Vorteile darlegungs- und beweispflichtig ([X.], Urteil vom 20. September 2011 - [X.], [X.], 2097 Rn. 34; Urteil vom 31. Mai 2010 - [X.], [X.], 1397 Rn. 26). Diese Verteilung der Darlegungs- und Beweislast ändert sich nicht, wenn wie hier die Grundsätze der Vorteilsausgleichung entsprechend angewandt werden.

e) Die Abweisung des in der Hauptsache gestellten [X.] erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig. Insbesondere kann der Senat nicht feststellen, dass sämtliche Verluste aus unzulässigen [X.]n durch Gewinne kompensiert wurden. Es steht schon nicht fest, welche Geschäfte pflichtwidrig waren.

3. Die Abweisung des [X.] ist schon vom unzutreffenden Rechtsstandpunkt des Berufungsgerichts aus, dass der Schaden in einer nachteiligen Veränderung der [X.] bestehe, rechtsfehlerhaft. Das Feststellungsinteresse nach § 256 ZPO setzt voraus, dass ein Schadenseintritt wahrscheinlich ist ([X.], Urteil vom 24. Januar 2006 - [X.], [X.]Z 166, 84 Rn. 27). Dazu bedarf es keiner Berechnung der Gesamtzinssituation. Wenn [X.] - auch die aufgrund eines Vorstandsbeschlusses saldierten [X.] - zu Verlusten geführt haben und insgesamt mit Derivaten Verluste erwirtschaftet wurden, ist es wahrscheinlich, dass auch die [X.] negativ beeinflusst wurde.

Insoweit ist das Berufungsurteil auch nicht aus anderen Gründen richtig, weil für die Schadensfeststellung anstelle der vom Berufungsgericht verlangten Gesamtbetrachtung die einzelnen abgeschlossenen [X.] maßgeblich sind. Dazu, ob für die im Feststellungsantrag aufgelisteten [X.] jeweils ein Schadenseintritt wahrscheinlich ist, fehlen Feststellungen.

4. Auch die Hilfsanträge sind aus den dargelegten Gründen rechtsfehlerhaft abgewiesen worden. Das betrifft auch die Abweisung mangels hinreichender Bestimmtheit des [X.], weil der geltend gemachte erstrangige Teilbetrag des negativen Gesamtergebnisses aller 215 Geschäfte nicht eindeutig dem saldierten Ergebnis eines oder mehrerer Beschlüsse zuzuordnen sei. Auf die Zuordnung zu einem bestimmten Beschluss kommt es nicht an (II. 2. c).

III. [X.] ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 1 ZPO). Das Berufungsgericht hat - ggf. mit sachverständiger Hilfe (vgl. [X.], Urteil vom 22. Februar 2011 - [X.], [X.], 766 Rn. 25) - die bisher unterbliebenen Feststellungen dazu nachzuholen, ob die einzelnen [X.] im Rahmen des [X.] ganz oder teilweise der Absicherung von Zinsänderungsrisiken aus dem Hauptgeschäft oder zulässigen Nebengeschäften dienten.

Für das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass ein pflichtwidriges Zinsderivategeschäft nicht allein deshalb vorliegt, weil sich nachträglich feststellen lässt, dass es objektiv nicht zur Absicherung von Zinsänderungsrisiken aus dem Hauptgeschäft erforderlich war. Da der Art und Weise der Absicherung eine unternehmerische Entscheidung zugrunde liegt, sind die Beklagten bereits dann entlastet, wenn sie - was sie zu beweisen haben - vernünftigerweise annehmen durften, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der [X.] zu handeln (vgl. jetzt § 93 Abs. 1 Satz 2 [X.]; [X.], Urteil vom 22. Februar 2011 - [X.], [X.], 766 Rn. 19; Beschluss vom 3. November 2008 - [X.], [X.], 223; Beschluss vom 14. Juli 2008 - [X.], [X.], 1675 Rn. 11; Urteil vom 21. April 1997 - [X.], [X.]Z 135, 244, 253). Insoweit kann es von Bedeutung sein, ob die Beklagten sich beim Abschluss der einzelnen [X.] an die betriebswirtschaftlichen und bankwirtschaftlichen Regeln zur Steuerung des [X.] für das Hauptgeschäft oder zulässige Nebengeschäfte durch das [X.] gehalten haben und die [X.] wie z.B. das Limitsystem den Anforderungen genügten.

Bergmann                             Strohn                           Reichart

                     Drescher                            Born

Meta

II ZR 90/11

15.01.2013

Bundesgerichtshof 2. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Frankfurt, 22. März 2011, Az: 5 U 29/06, Urteil

§ 93 AktG, § 5 HypBkG vom 09.09.1998, § 5 Abs 1 Nr 4a HypBkG vom 21.06.2002, HypBkGBek98, FinMFöG 4, § 249 BGB, § 11 Abs 1 S 4 Nr 1 KredWG, § 11 Abs 1 S 4 Nr 2 KredWG, § 11 Abs 1 S 4 Nr 3 KredWG, § 11 Abs 1 S 4 Nr 4 KredWG, § 44 KredWG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 15.01.2013, Az. II ZR 90/11 (REWIS RS 2013, 9009)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 9009

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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