Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25.01.2022, Az. 9 AZR 230/21

9. Senat | REWIS RS 2022, 1817

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Gegenstand

Gewährung von Urlaub im Zusammenhang mit Altersfreizeit


Tenor

1. Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 13. Januar 2021 - 17 [X.] 957/20 - aufgehoben.

2. Auf die Berufung des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 27. Juli 2020 - 13 [X.] 317/19 - abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Urlaubskonto des [X.] einen Urlaubstag gutzuschreiben.

3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob ein im [X.] festgelegter [X.] entfällt, wenn dieser in einem Urlaubszeitraum liegt.

2

Der am 25. Oktober 1961 geborene Kläger ist seit August 1997 bei der [X.] als Angestellter in [X.] tätig. Auf das Arbeitsverhältnis finden [X.] die Tarifverträge der Beschäftigten der [X.]. Im Manteltarifvertrag für die Chemische Industrie vom 24. Juni 1992 idF vom 17. Mai 2017 ([X.]) heißt es auszugsweise:

        

§ 2   

        

Regelmäßige Arbeitszeit

        

I.    

        

Dauer und Verteilung der Arbeitszeit

        

1.    

Die regelmäßige tarifliche wöchentliche Arbeitszeit an Werktagen beträgt ausschließlich der Pausen 37,5 Stunden. …

                          
        

V.    

        

Gleitende Arbeitszeit

        

Gleitende Arbeitszeit kann durch Betriebsvereinbarung eingeführt werden.

        

…       

        

Der Ausgleich von Zeitguthaben darf nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Urlaub erfolgen.

        

…       

        

§ 2a   

        

Altersfreizeiten

        

1.    

Arbeitnehmer, die das 57. Lebensjahr vollendet haben, erhalten eine zweieinhalbstündige Altersfreizeit je Woche.

                          
                 

Soweit für Arbeitnehmer aufgrund einer Regelung nach § 2 I Ziffer 3 oder einer Einzelvereinbarung oder aufgrund von Kurzarbeit eine um bis zu zweieinhalb Stunden kürzere wöchentliche Arbeitszeit als die regelmäßige tarifliche wöchentliche Arbeitszeit gilt, vermindert sich die Altersfreizeit entsprechend. Liegt die Arbeitszeit um zweieinhalb Stunden oder mehr unter der tariflichen Arbeitszeit, entfällt die Altersfreizeit.

                          
        

2.    

Die Lage der Altersfreizeiten kann zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat unter Beachtung des § 76 Absatz 6 BetrVG vereinbart werden. Vorrangig sollen Altersfreizeiten am Dienstag, Mittwoch oder Donnerstag gewährt werden.

                          
                 

Ist aus Gründen des Arbeitsablaufs eine Zusammenfassung der Altersfreizeiten zu freien Tagen erforderlich, können sich die Betriebsparteien hierauf einigen.

                          
                 

Einigen sich Arbeitgeber und Betriebsrat nicht, so fallen die Altersfreizeiten auf den Mittwochnachmittag.

        

…       

        
        

5.    

Für die Arbeitszeit, die infolge einer Altersfreizeit ausfällt, wird das Entgelt fortgezahlt, das der Arbeitnehmer erhalten hätte, wenn er gearbeitet hätte, einschließlich der [X.], jedoch ohne Erschwerniszulagen und ohne die Zuschläge nach § 4 I.

                          
        

6.    

[X.] entfällt, wenn der Arbeitnehmer am gleichen Tag aus einem anderen Grund, insbesondere wegen Urlaub, Krankheit, Feiertag oder Freistellung von der Arbeit nicht arbeitet. Macht der Arbeitnehmer von einer Altersfreizeit keinen Gebrauch, so ist eine Nachgewährung ausgeschlossen.

                          
                 

Wird auf Verlangen des Arbeitgebers eine Altersfreizeit aus dringenden betrieblichen Gründen nicht am vorgesehenen Tag gegeben, so ist sie innerhalb von drei Monaten nachzugewähren.

        

…       

        
        

§ 12   

        

Urlaub

        

I.    

        

Urlaubsanspruch

        

…       

        

1.    

Der Arbeitnehmer hat für jedes Kalenderjahr Anspruch auf einen bezahlten Urlaub.

                          
        

2.    

Das Urlaubsjahr ist das Kalenderjahr.

        

…       

        
        

9.    

[X.] ist grundsätzlich in längeren zusammenhängenden Abschnitten zu nehmen und zu gewähren. Bei der Aufstellung des [X.] sind die betrieblichen Notwendigkeiten und die Wünsche des einzelnen Arbeitnehmers zu berücksichtigen. Ergeben sich hierbei Schwierigkeiten, erfolgt eine Regelung im Einvernehmen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.

        

…       

        
        

11.     

[X.] ist spätestens bis 31. März des folgenden Kalenderjahres zu gewähren.

                 

[X.]sanspruch erlischt, wenn er nicht bis dahin geltend gemacht worden ist.

                          
        

II.     

        

Urlaubsdauer

        

1.    

[X.] beträgt 30 Urlaubstage.

        

…       

        
        

4.    

Für die Berechnung des sich aus den Ziffern 1, 2 und 3 ergebenden Urlaubs zählen als Urlaubstage grundsätzlich die Arbeitstage mit Ausnahme der Sonntage und der gesetzlichen Feiertage.

                          
                 

Für Arbeitnehmer, die regelmäßig in [X.] mit einem arbeitsfreien Werktag, insbesondere mit arbeitsfreiem Samstag, beschäftigt sind, zählen als Arbeitstage die Tage, an denen der Arbeitnehmer aufgrund der regelmäßigen tariflichen wöchentlichen Arbeitszeit zu arbeiten hätte.

                          
                 

Arbeitnehmern, deren regelmäßige Arbeitszeit auf mehr oder weniger als 5 Werktage in der Woche verteilt ist, ist ein zeitlich gleichwertiger Urlaub zu gewährleisten; das gilt insbesondere für Arbeitnehmer in regelmäßiger Schichtarbeit, Arbeitnehmer mit Arbeitsbereitschaft und für Teilzeitbeschäftigte. [X.] dieser Arbeitnehmer gilt dann als zeitlich gleichwertig, wenn er unter Einrechnung der in die Urlaubszeit fallenden arbeitsfreien Werktage ebenso viele Werktage umfasst, wie bei der [X.] nach Absatz 2; hierbei sind die jeweiligen Schichtpläne und die danach anfallenden arbeitsfreien Werktage zu berücksichtigen.

                          
                 

Bei einer ungleichmäßigen Verteilung der Arbeitszeit muss sichergestellt werden, dass der Urlaub zeitlich und in Bezug auf die ausfallende Arbeitszeit gleichwertig ist.

                 

…“    

3

Der Gesamtbetriebsrat der [X.] schloss [X.]. mit der [X.] eine Betriebsvereinbarung vom 28. Jan[X.]r 1993 ([X.]), die [X.]. regelt:

        

„1.     

Dauer und Turnus der Altersfreizeit

                 

Arbeitnehmer, die das 57. Lebensjahr vollendet haben, erhalten eine Altersfreizeit. Durch die allgemeine Arbeitszeitverkürzung reduziert sich ab 1.4.1993 die Altersfreizeit auf 2,5 Std./Woche. Aus diesem Grunde erhalten anspruchsberechtigte Normal- und Zweischichtler vom 1.4.1993 an alle drei Wochen eine Altersfreizeit an einem vorher festgelegten Wochentag.

        

…       

        
        

4.    

[X.]en sollen vorrangig am Dienstag, Mittwoch oder Donnerstag gewährt werden. Die festgelegten Tage sind zwischen Mitarbeiter/innen und Vorgesetzten abzusprechen. Ein Wechsel des ursprünglich festgelegten Wochentages ist im beiderseitigen Einvernehmen möglich. Die Anspruchsberechtigten erhalten rechtzeitig eine entsprechende Mitteilung.

        

…“    

        

4

Für den Kläger wurde in Absprache mit der zuständigen Führungskraft festgelegt, dass die [X.]e auf der Grundlage eines zu Jahresbeginn festgelegten [X.] alle drei Wochen jeweils Mittwoch gewährt werden. Auf diese Weise wurden für den Kläger im Jahr 2019 insgesamt 16 [X.]e bestimmt. Einer dieser Tage fiel auf den 22. Mai 2019.

5

Der Kläger beantragte für den Zeitraum vom 20. Mai bis zum 31. Mai 2019 Erholungsurlaub. Dabei wies er ausdrücklich darauf hin, dass er am 22. Mai 2019 keinen Erholungsurlaub nehmen wolle, weil dieser Tag bereits wegen eines zusammengefassten [X.]s gemäß § 2a Nr. 2 Satz 3 [X.] für ihn arbeitsfrei sei. Mit E-Mail vom 14. Mai 2019 antwortete die Beklagte dem Kläger, dass die Altersfreizeit am 22. Mai 2019 nicht gewährt werden könne, weil der [X.] nicht vom Erholungsurlaub umschlossen sein dürfe, und belastete nach entsprechender Ankündigung das Urlaubskonto des [X.] mit einem Urlaubstag.

6

Der Kläger hat mit der der [X.] am 20. September 2019 zugestellten Klage die Gutschrift dieses [X.] auf seinem Urlaubskonto verlangt. Aufgrund der Festlegung als [X.] im [X.] sei er an diesem Tag bereits von der Arbeitsleistung freigestellt gewesen, so dass eine weitere Freistellung aufgrund von Erholungsurlaub nicht möglich gewesen sei. § 2a Nr. 6 [X.] führe nur zum Entfall der Altersfreizeit, wenn der Arbeitnehmer [X.]. wegen Urlaubs nicht arbeite. Dies treffe auf den 22. Mai 2019 nicht zu, da er für diesen Tag ausdrücklich keinen Urlaub beansprucht habe.

7

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, seinem Urlaubskonto einen Urlaubstag wieder gutzuschreiben.

8

Die Beklagte hat ihren Klageabweisungsantrag damit begründet, dass [X.]e im Falle einer Kollision mit Urlaub gemäß § 2a Nr. 6 [X.] entfielen. Die Vorschrift räume Urlaub den Vorrang gegenüber Altersfreizeit ein. Urlaub, der nach § 7 Abs. 2 Satz 1 [X.], § 12 I Nr. 9 [X.] zusammenhängend zu gewähren sei, dürfe auch nicht durch die Inanspruchnahme von Altersfreizeit unterbrochen werden. Zudem würden durch eine solche Unterbrechung Arbeitnehmer, deren wöchentliche zweieinhalbstündige Altersfreizeit an Urlaubstagen gemäß § 2a Nr. 6 [X.] entfiele, ohne Sachgrund ungleich behandelt.

9

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat die Berufung des [X.] zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision des [X.] ist begründet. Das [X.] hat die Berufung des [X.] gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Unrecht zurückgewiesen.

I. Die Klage ist zulässig. Sie ist insbesondere hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Kläger verlangt in Form der Leistungsklage die Gutschrift eines [X.] auf dem bei der Beklagten für ihn geführten [X.]. Der Arbeitnehmer hat Anspruch darauf, dass sein [X.] richtig geführt wird. Das Klageziel richtet sich darauf, dem [X.] einen weiteren Tag gutzuschreiben und damit letztlich einen Urlaubstag nachzugewähren (vgl. [X.] 17. Mai 2011 - 9 [X.] - Rn. 9, [X.]E 138, 58).

II. Die Klage ist begründet. Dem Kläger steht gemäß § 12 I Nr. 1 [X.] für das [X.] ein weiterer Urlaubstag zu, der seinem [X.] gutzuschreiben ist.

1. Für das Kalenderjahr 2019 belief sich der tarifvertragliche Urlaubsanspruch des [X.] gem. § 12 II Nr. 1 und Nr. 4 [X.] auf 30 Arbeitstage. Entgegen der Auffassung der Beklagten wirkten sich die zu ganzen Arbeitstagen zusammengefassten Altersfreizeiten nicht anspruchsmindernd auf den bezahlten Erholungsurlaub des [X.] aus.

a) Dem tarifvertraglichen Anspruch auf „30 Urlaubstage“ liegt eine regelmäßig an fünf Tagen der [X.] bestehende Arbeitspflicht zugrunde. Unter dieser Voraussetzung wird der Urlaubsanspruch in der in § 12 II Nr. 1 [X.] bezifferten Höhe gewährleistet. Ist die „Arbeitszeit“ nicht auf regelmäßig fünf Tage in der [X.], sondern auf weniger oder mehr Wochentage verteilt, ist gemäß § 12 II Nr. 4 Abs. 3 Satz 1 [X.] ein zeitlich gleichwertiger Urlaub zu gewährleisten. Der Urlaub dieser Arbeitnehmer gilt dann als zeitlich gleichwertig, wenn er unter Einrechnung der in die Urlaubszeit fallenden arbeitsfreien Werktage ebenso viele Werktage umfasst, wie bei der [X.] nach § 12 II Nr. 4 Abs. 2 [X.]; hierbei sind die jeweiligen Schichtpläne und die danach anfallenden arbeitsfreien Werktage zu berücksichtigen (§ 12 II Nr. 4 Abs. 3 Satz 1 [X.]). Insoweit entspricht die Berechnung des tarifvertraglichen Urlaubsanspruchs der in § 3 [X.] angelegten Berechnungsmethode zur Ermittlung des gesetzlichen Mindesturlaubsanspruchs (vgl. dazu [X.] 19. März 2019 - 9 [X.] - Rn. 27 ff., [X.]E 166, 176).

b) Für die Berechnung der Urlaubsdauer stellt der [X.] nicht auf die tatsächlich, sondern auf die regelmäßig zu leistende Arbeitszeit ab. Nach § 12 II Nr. 4 Abs. 2 [X.] zählen für Arbeitnehmer, die regelmäßig in einer Fünftagewoche mit einem arbeitsfreien Werktag, insbesondere mit arbeitsfreiem Samstag, beschäftigt sind, als Arbeitstage die Tage, an denen der Arbeitnehmer aufgrund der regelmäßigen tariflichen wöchentlichen Arbeitszeit zu arbeiten hätte. Maßgeblich ist danach nicht, ob der Arbeitnehmer im Kalenderjahr tatsächlich durchgehend an fünf Tagen in der Woche zur Arbeit verpflichtet war. Die Tarifnorm stellt - ebenso wie § 3 [X.] - auf die vertraglich grundsätzlich für das gesamte Urlaubsjahr vorgesehene Verteilung der Arbeitszeit ab.

c) Die zu ganzen freien Tagen zusammengefassten Altersfreizeiten ändern nichts daran, dass der Kläger regelmäßig an fünf Tagen in der Woche zu Arbeit verpflichtet ist. Die dem Gesundheitsschutz älterer Arbeitnehmer dienenden bezahlten Arbeitsausfälle haben keinen prägenden Einfluss auf die für das Arbeitsverhältnis maßgebliche - regelmäßige - Verteilung der Arbeitszeit. Der arbeitsvertragliche Arbeitsrhythmus wird dadurch ebenso wenig berührt wie eine ähnlichen Zwecken dienende bezahlte Freistellung aufgrund von Urlaub. Der [X.] bietet keine Anhaltspunkte dafür, dass eine tageweise Arbeitsbefreiung aufgrund von Altersfreizeit den Tarifurlaub schmälern soll.

2. Die Beklagte hat dem Kläger für den 22. Mai 2019 nicht wirksam Urlaub erteilt und somit zu Unrecht einen Urlaubstag dem [X.] des [X.] entnommen.

a) Nach § 7 Abs. 1 [X.] hat der Arbeitgeber bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, es sei denn, dass ihrer Berücksichtigung dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer, die unter [X.] Gesichtspunkten den Vorrang verdienen, entgegenstehen. Allerdings ist ein dem Arbeitgeber mitgeteilter Urlaubswunsch nicht Voraussetzung für dessen Recht, die zeitliche Lage des Urlaubs festzulegen. Die ohne einen Wunsch des Arbeitnehmers erfolgte zeitliche Festlegung des Urlaubs durch den Arbeitgeber ist rechtswirksam, wenn der Arbeitnehmer auf die Erklärung des Arbeitgebers hin keinen anderweitigen Urlaubswunsch äußert ([X.] 25. August 2020 - 9 [X.] - Rn. 14 mwN).

b) Die Freistellungserklärung des Arbeitgebers kann nach § 362 Abs. 1 BGB das Erlöschen des Urlaubsanspruchs allerdings nur bewirken, soweit für den Freistellungszeitraum eine Arbeitspflicht des Arbeitnehmers besteht ([X.]., zB [X.] 25. August 2020 - 9 [X.] - Rn. 17; 9. August 2016 - 9 [X.] - Rn. 11, [X.]E 156, 65 mwN). Für das Vorliegen der für die Gewährung und Inanspruchnahme von Urlaub erforderlichen Arbeitspflicht ist allein die objektive Rechtslage maßgeblich ([X.] 20. August 2020 - 9 [X.] - aaO; 19. Februar 2019 - 9 [X.] - Rn. 55; 19. Juni 2018 - 9 [X.] - Rn. 20 ff., [X.]E 163, 72).

c) Danach konnte dem Kläger für den 22. Mai 2019 bereits deshalb nicht wirksam Urlaub gewährt werden, weil er schon aufgrund des für diesen Tag fest eingeplanten [X.]s von seiner Arbeitspflicht entbunden war. Dem Kläger stand gemäß § 2a Nr. 1 und Nr. 2 Abs. 2 iVm. der [X.] ein Anspruch auf Gewährung der zu ganzen freien Tagen zusammengefassten Altersfreizeit zu.

aa) Nach § 2a Nr. 1 Abs. 1 [X.] haben - in Vollzeit beschäftigte (vgl. zu Teilzeitbeschäftigten [X.] 22. Oktober 2019 - 9 [X.] -) - Arbeitnehmer, deren wöchentliche Arbeitszeit nach § 2 I Nr. 1 [X.] 37,5 Stunden beträgt, Anspruch auf eine zweieinhalbstündige Altersfreizeit je Woche, wenn sie das 57. Lebensjahr vollendet haben. § 2a Nr. 1 [X.] begründet nicht nur einen Freistellungsanspruch, sondern als finanziellen Aspekt des Anspruchs auf Altersfreizeit auch einen Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts gemäß § 2a Nr. 5 [X.]. Der Tarifvertrag verlangt, dass die [X.] der Freistellung von der Arbeitspflicht „bezahlt“ sein muss. Die Gewährung bezahlter Altersfreizeit nach § 2a Nr. 1 Abs. 1 und Abs. 5 [X.] dient der Entlastung älterer Arbeitnehmer durch eine Reduzierung ihrer wöchentlichen Arbeitszeit ([X.] 22. Oktober 2019 - 9 [X.] - Rn. 35). Diesem Zweck folgend ist die Altersfreizeit nach § 2a Nr. 2 [X.] wöchentlich zu gewähren und eine Nachgewährung nach § 2a Nr. 6 Abs. 1 Satz 2 [X.] ausgeschlossen, wenn der Arbeitnehmer von ihr keinen Gebrauch macht.

bb) Die Lage der Altersfreizeiten kann zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat unter Beachtung des § 76 Abs. 6 BetrVG vereinbart werden. Vorrangig sollen Altersfreizeiten am Dienstag, Mittwoch oder Donnerstag gewährt werden (§ 2a Nr. 2 Abs. 1 [X.]), wobei die Altersfreizeiten gemäß § 2a Nr. 2 Abs. 3 [X.] auf den Mittwochnachmittag fallen, wenn sich Arbeitgeber und Betriebsrat nicht einigen. Nach § 2a Nr. 2 Abs. 2 [X.] können Altersfreizeiten - wie vorliegend - aufgrund einer Vereinbarung der Betriebsparteien zu freien Tagen zusammengefasst werden, sofern dies aus Gründen des Arbeitsablaufs erforderlich ist. Nach § 2a Nr. 6 [X.] entfällt die Altersfreizeit, wenn der Arbeitnehmer am gleichen Tag aus einem anderen Grund, insbesondere wegen Urlaub, Krankheit, Feiertag oder Freistellung von der Arbeit, nicht arbeitet.

cc) Der in Vollzeit beschäftigte Kläger hatte das 57. Lebensjahr vollendet und erfüllte damit die in § 2a Nr. 1 Abs. 1 und Abs. 2 [X.] geregelten Anspruchsvoraussetzungen. Durch die [X.] wurde von der in § 2a Nr. 2 Abs. 2 [X.] eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht, die wöchentlichen Altersfreizeiten zu freien Tagen zusammenzufassen. Als „anspruchsberechtigter [X.]“ war dem Kläger alle drei Wochen eine Altersfreizeit an einem vorher festgelegten Wochentag zu gewähren. Auf dieser Grundlage wurde für ihn bereits zu Jahresbeginn der 22. Mai 2019 als zusammengefasster [X.] festgelegt.

d) Entgegen der Auffassung des [X.]s bewirkt die Regelung in § 2a Nr. 6 [X.] nicht, dass ein vor Urlaubserteilung festgelegter Tag zusammengefasster Altersfreizeiten entfällt, wenn er von Tagen mit Erholungsurlaub umschlossen ist. Die Auslegung der Tarifnorm ergibt, dass eine Verbindung von Urlaub und Altersfreizeit zulässig ist (zu den Grundsätzen der Tarifauslegung vgl. [X.] 1. Dezember 2020 - 9 [X.] - Rn. 24 mwN).

aa) Dieses Verständnis entspricht bereits dem Wortlaut des § 2a Nr. 6 [X.]. Die Vorschrift regelt das Zusammentreffen von Altersfreizeit mit anderen Tatbeständen, aufgrund deren der Arbeitnehmer von seiner Arbeitspflicht befreit ist. Der Anspruch auf Altersfreizeit entfällt, wenn der Arbeitnehmer an diesem Tag aus anderen Gründen nicht zur Erbringung der Arbeitsleistung verpflichtet ist. Kommt es zu einer Kollision mit einem anderweitigen Freistellungstatbestand, soll die Altersfreizeit dahinter zurücktreten. Für das Zusammentreffen von Altersfreizeit und Urlaub bedeutet dies, dass eine Altersfreizeit, die auf den „gleichen Tag“ fällt, für den bereits Urlaub bewilligt ist, nicht zum Tragen kommt. § 2a Nr. 6 [X.] ordnet in diesem Zusammenhang jedoch nicht an, dass Arbeitnehmer verpflichtet sind, an ohnehin schon freien Tagen, die auf einer Zusammenfassung wöchentlicher Altersfreizeiten beruhen, zusätzlich Urlaub zu nehmen. Die Vorschrift setzt vielmehr voraus, dass der Arbeitnehmer - für den [X.] - Urlaub beantragt und bewilligt erhalten hat.

bb) Diese Auslegung wird durch die Tarifsystematik bestätigt.

(1) Anders als in § 2a Nr. 6 [X.] haben die Tarifvertragsparteien in § 2 V. Abs. 8 [X.] ausdrücklich angeordnet, dass der Ausgleich von [X.]guthaben, die im Rahmen von Gleitzeit erworben werden, nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Urlaub erfolgen darf. Hätten die Tarifvertragsparteien auch für die durch Zusammenfassung von Altersfreizeit zu gewährenden freien Tage eine solche Anordnung treffen wollen, hätte es nahegelegen, dass sie in § 2a [X.] eine dem § 2 V Abs. 8 [X.] entsprechende Regelung aufgenommen hätten.

(2) Der Ausklammerung von [X.]en aus einem [X.] steht auch nicht der in § 7 Abs. 2 Satz 1 [X.], § 12 I Nr. 9 [X.] formulierte Grundsatz entgegen, dass Urlaub grundsätzlich zusammenhängend zu gewähren ist. Dass in dem vom Arbeitnehmer gewählten [X.] einzelne Tage liegen, an denen er aus anderen Gründen von der Arbeitsleistung freigestellt ist (zB Freischichten, Feier- und Sonntagen), beeinträchtigt nicht das gesundheitspolitische Ziel des Bundesurlaubsgesetzes, Arbeitnehmer zum Zwecke der Erholung und Entspannung eine zusammenhängende Freizeit zu ermöglichen.

cc) Die Kumulation von Urlaubs- und [X.]en entspricht vielmehr dem Sinn und Zweck der Altersfreizeit, ältere Arbeitnehmer zu entlasten.

dd) Entgegen der Auffassung des [X.]s gebietet schließlich der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht, dass die zu ganzen freien Tagen zusammengefassten wöchentlichen Altersfreizeiten im Zusammenhang mit der Gewährung von Urlaub erlöschen müssen, weil anderenfalls Arbeitnehmer, deren wöchentliche Altersfreizeit bei der Inanspruchnahme von Urlaub entfällt, sachgrundlos benachteiligt würden.

(1) Der allgemeine Gleichheitssatz, der es gebietet, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln ([X.] 3. Juli 2014 - 2 [X.], 2 [X.] - Rn. 35 mwN zur [X.].; [X.] 6. Januar 2015 - 6 [X.] - Rn. 15, [X.]E 150, 246), bildet als fundamentale Gerechtigkeitsnorm eine ungeschriebene Grenze der Tarifautonomie. [X.] ist die Durchsetzung zu verweigern, wenn sie zu gleichheits- und sachwidrigen Differenzierungen führen (vgl. hierzu [X.] 29. September 2020 - 9 [X.] - Rn. 47 mwN).

(2) Verstieße § 2a Nr. 6 [X.] in der vorliegenden Fallgestaltung gegen Art. 3 Abs. 1 GG, führte dies jedenfalls nicht zu einem Entfall der zu einem ganzen Tag zusammengefassten Altersfreizeit, sondern allenfalls zur (Teil-)Unwirksamkeit der Ausnahmeregelung des § 2a Nr. 6 [X.]. Die vom [X.] unterstellte „Anpassung nach unten“ träte dadurch nicht ein (vgl. [X.] 9. Dezember 2020 - 10 [X.] - Rn. 88).

e) Der dem [X.] des [X.] zu Unrecht entnommene Urlaubstag aus dem [X.] ist nicht mit Ablauf des 31. März 2020 verfallen. Nach § 12 I Nr. 11 [X.] erlischt der Urlaubsanspruch, wenn er nicht bis zum 31. März des folgenden Kalenderjahres geltend gemacht worden ist. Der Kläger hat die Gutschrift des [X.] auf sein [X.] mit seiner am 13. September 2019 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am 20. September 2019 zugestellten Klage rechtzeitig geltend gemacht. Unerheblich ist dabei, dass er die Gewährung von Urlaub nicht für einen fest umrissenen [X.]raum verlangt hat. Denn die Beklagte hat mit ihrem Klageabweisungsantrag vom 24. September 2019 unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, den Vertragspflichten unter keinen Umständen nachkommen und den streitgegenständlichen Urlaubstag nicht gewähren zu wollen (vgl. [X.] 11. Dezember 2018 - 9 [X.] - Rn. 51). Aus diesem Grund bedarf es auch nicht der Feststellung, ob der streitgegenständliche Urlaubstag den durch §§ 1, 3 Abs. 1 [X.] begründeten Anspruch auf [X.] von vier Wochen oder den diesen übersteigenden tariflichen Mehrurlaub betrifft und ob die Beklagte den [X.] genügt hat, an die das [X.] den Verfall des gesetzlichen Mindesturlaubs knüpft (vgl. im Einzelnen [X.] 19. Februar 2019 - 9 [X.] - Rn. 21 ff., [X.]E 165, 376).

III. Die Beklagte hat gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

        

    Kiel    

        

    [X.]    

        

    Zimmermann    

        

        

        

    Frank    

        

    Hampel     

                 

Meta

9 AZR 230/21

25.01.2022

Bundesarbeitsgericht 9. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Hannover, 27. Juli 2020, Az: 13 Ca 317/19, Urteil

Art 3 Abs 1 GG, § 3 Abs 1 BUrlG, § 7 Abs 1 BUrlG, § 7 Abs 2 BUrlG, § 1 TVG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25.01.2022, Az. 9 AZR 230/21 (REWIS RS 2022, 1817)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 1817 MDR 2022, 773-774 REWIS RS 2022, 1817

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